4.10 Persönlichkeitsrechtsverletzung bei Fotos von Freunden in sozialen Netzwerken
Die bereits zitierte und in allen Nutzungsbedingungen enthaltene Regelung, dass derjenige, der Bilder in sozialen Netzwerken einstellt, dafür verantwortlich ist, dass damit Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden, hat natürlich auch Bedeutung in den Fällen, in denen Bilder eingestellt werden, auf denen nicht nur der Nutzer selbst, sondern auch dritte Personen abgebildet sind. Dies ist, wie wir in Kapitel 3, »Menschen«, bereits festgestellt haben, nur mit Einwilligung der abgebildeten Personen zulässig.
Es sei an dieser Stelle wiederholt, dass das Veröffentlichen von Bildnissen ohne Einwilligung der abgebildeten Personen den Tatbestand einer Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt und rechtliche Konsequenzen bis hin zum Schadensersatzanspruch nach sich ziehen kann. Das gilt natürlich ebenso bei der Veröffentlichung in sozialen Netzwerken. Gleichwohl findet man immer wieder bei Facebook und Co. Bilder von Partys und sonstigen Ereignissen, auf denen Personen abgebildet sind, die ganz offenkundig nicht der Nutzer selbst sind. Ich wage zu bezweifeln, dass in allen diesen Fällen die vorherige Einwilligung eingeholt worden ist. Auch wenn im Freundes- und Bekanntenkreis vielleicht noch ein stillschweigendes, auch auf dem Foto erkennbares Einverständnis mit der Anfertigung des oder der Foto(s) bestanden hat, ein Einverständnis, dass das Bild danach weltweit in einem sozialen Netzwerk zu sehen ist, kann hieraus jedoch keinesfalls gefolgert werden. Derjenige, der ohne Einwilligung von jeder der abgebildeten Personen Fotos veröffentlicht, darf sich deshalb nicht wundern, wenn er Post vom Anwalt einer der abgebildeten Personen bekommt, vielleicht auch nicht unmittelbar, aber spätestens dann, wenn die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den Personen abgekühlt oder unterbrochen sind. Auch über diese Konsequenzen zwischenmenschlicher Beziehungen sollten sich Nutzer Gedanken machen.
Man könnte nun freilich einwenden, man poste und teile doch immerhin nur mit Freunden, weshalb es sich um eine rein private Nutzung handelt, in deren Rahmen nach § 53 UrhG die Veröffentlichung zulässig sei (siehe Abschnitt 1.2.2, »Verwertungsrechte des Urhebers«). Diese Auffassung ist jedoch nicht ungefährlich, da es bislang keine Gerichtsurteile gibt, die rechtskräftig darüber befunden haben, was innerhalb von sozialen Netzwerken noch als privater Rahmen anzuerkennen ist. Dies dürfte aber praktisch nicht mehr der Fall sein, wenn man die Inhalte auch an die »Freunde der Freunde« postet, denn damit dürften die Grenzen einer privaten Veröffentlichung in der Regel weit überschritten sein. Wer deshalb Inhalte in sein Profil hochlädt oder teilt, die mit Rechten Dritter verbunden sind, begibt sich auf dünnes Eis, und zwar gleichgültig, ob er fremde Persönlichkeitsrechte verletzt oder Inhalte einstellt, die mit fremden Urheberrechten belegt sind. Auf der sicheren Seite ist auch hier nur derjenige, der den Rechteinhaber jeweils um Erlaubnis fragt.
[ ! ] Privater Rahmen
Was noch als privater Rahmen bei Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken gilt und wo die unzulässige Verbreitung anfängt, ist gerichtlich bislang noch nicht geklärt.
Mit dem in diesem Zusammenhang relevanten Thema »Framing« befasse ich mich ausführlich noch in Abschnitt 4.12.
[zB] Ich möchte in diesem Zusammenhang von einem höchst unerfreulichen Fall aus meiner eigenen Praxis erzählen, der deutlich macht, was – hier schon in sicherlich kriminellem Ausmaß – mit sozialen Netzwerken angerichtet werden kann und welche Rechtsverletzungen dort möglich sind:
Ein Mädchen von 16 Jahren wandte sich völlig verzweifelt an mich und trug folgenden Sachverhalt vor: Ihr 19-jähriger Freund hatte sie gebeten, ihm doch einige Nacktaufnahmen von ihr zu überlassen. Die Mandantin kam dieser Bitte nach. Die Bilder zeigten die Mandantin nackt auf ihrem Bett. Nur einige Monate später beendete die Mandantin die Beziehung mit dem Freund, der diese Trennung jedoch nicht akzeptieren wollte. Er stellte ihr zunächst nach, belauerte sie überall dort, wo sie sich befand, und schrieb ihr ständig E-Mails mit der Aufforderung, sich ihm wieder zuzuwenden. Als dies bei der Mandantin nicht fruchtete, begann er, damit zu drohen, die ihm überlassenen Nacktfotos zu veröffentlichen. Als auch diese Drohung keine Wirkung zeigte, setzte der »Freund« diese Drohung in die Tat um, aber nicht etwa so, dass er als derjenige erkennbar war, der die Bilder veröffentlichte. Perfiderweise loggte er sich mit den ihm bekannten Zugangsdaten unter dem Namen des Mädchens in deren Account eines sozialen Netzwerkes ein und veröffentlichte dort die Bilder. In Fachkreisen spricht man hier von »Pornrevenge« oder »Racheporno«. So erweckte es den Anschein, als habe das Mädchen selbst ihre Nacktaufnahmen, die nun weltweit zu sehen waren, veröffentlicht, was es natürlich aus rechtlicher Sicht kolossal erschwerte, gegen ihn überhaupt gerichtlich vorzugehen. Dies gelang schließlich in diesem Fall nur deshalb, weil der Täter so dreist gewesen war, sich gegenüber dritten Personen auch noch mit seiner Tat zu brüsten. Hätte er dies nicht getan, hätte die Mandantin wohl kaum eine rechtliche Handhabe gegen ihn gehabt. So musste er eine entsprechende Verpflichtungserklärung zur Unterlassung abgeben. Normalerweise wäre hier auch ein nicht unerheblicher Schadensersatz zu fordern gewesen, was in diesem Fall aus Gründen, die nicht weiter erörtert werden können, jedoch vom Opfer nicht gefordert wurde.
An diesem Beispiel lässt sich erkennen, wie unbedarft und vertrauensselig viele, insbesondere junge Menschen, oft soziale Netzwerke nutzen und mit ihren Account-Daten umgehen, ohne sich dabei Gedanken darüber zu machen, welche gravierenden Rechtsverletzungen oder Risiken damit verbunden sein können. Das gilt insbesondere, wenn man daran denkt, dass niemand absehen kann, ob eine Löschung tatsächlich auch bedeutet, dass Inhalte gänzlich aus dem Netz verschwinden. Legt man den bekannten Spruch »einmal im Netz, immer im Netz« zugrunde, so dürfte dies wohl zu bezweifeln sein.
[ ! ] Nochmals: Vorsicht in sozialen Netzwerken!
Es ist in jeder Hinsicht geboten, sich Gedanken über seine Urheberrechte und die Rechte anderer zu machen, wenn Bilddateien in soziale Netzwerke bzw. in das Internet an sich eingestellt werden.