1.2    Die Urheberrechte im Einzelnen

Sehen wir uns nun die Urheberrechte im Einzelnen an. Was beinhalten sie, und welche Rechte oder auch Pflichten kann der Fotograf daraus ableiten?

Die Urheberrechte lassen sich zunächst grob in die Gruppe der Urheberpersönlichkeitsrechte einerseits und in die Gruppe der Verwertungsrechte andererseits unterteilen. Die Urheberpersönlichkeitsrechte ergeben sich aus §§ 12–14 UrhG, die Verwertungsrechte sind in § 15 UrhG genannt und in den darauffolgenden Paragrafen jeweils einzeln geregelt.

Folgende Urheberrechte, denen wir uns im Folgenden im Einzelnen zuwenden werden, regelt das UrhG:

  1. Die Urheberpersönlichkeitsrechte
  2. Die Verwertungsrechte des Urhebers (§ 15 UrhG)

Darüber hinaus regelt das UrhG noch eine Reihe weiterer Rechte, die es dem Fotografen ermöglichen, gegen Eingriffe in seine Fotografien und die Verbreitung von Plagiaten vorzugehen.

1.2.1    Urheberpersönlichkeitsrechte

Die stärksten Rechte eines Fotografen sind die Urheberpersönlichkeitsrechte, die sich aus dem Grundgesetz (GG) ableiten und ihren Ursprung in dem in Art. 2 GG verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht haben. Im Wortlaut finden Sie den Artikel unter: www.gesetze-im-internet.de/gg.

Das Veröffentlichungsrecht (§ 12 UrhG) | Das Veröffentlichungsrecht des § 12 UrhG gibt dem Fotografen als Urheber das alleinige Recht, darüber zu entscheiden, ob und wie sein Foto veröffentlicht wird.

Damit ist allerdings grundsätzlich nur das Erstveröffentlichungsrecht gemeint, also die Entscheidung darüber, ob ein Foto die Privatsphäre des Fotografen verlassen und bekannt gemacht werden und in welcher Form die Veröffentlichung erfolgen soll.

Eine Veröffentlichung, über die allein der Urheber zu entscheiden hat, liegt nach der gesetzlichen Definition des § 6 UrhG immer dann vor, wenn das Foto mit Zustimmung des Fotografen dessen Privatbereich verlassen hat und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Es ist nicht erforderlich, dass die Zustimmung ausdrücklich erklärt wird, sie kann auch stillschweigend (konkludent) erteilt werden oder sich aus den Gesamtumständen eines Einzelfalls ergeben. Das »Zugänglichmachen« ist ein Realakt, der aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Denn was einmal bekannt ist, kann plötzlich nicht mehr unbekannt werden.

[+]  Realakt

Unter einem Realakt versteht man eine faktisch wirkende Handlung, die nicht willentlich auf eine Rechtsfolge abzielt, eine solche jedoch auslöst. Der Realakt steht im Gegensatz zur Willenserklärung, mit der der Erklärende gerade eine bestimmte Rechtsfolge auslösen will. Derjenige, der ein Bild anderen Personen außerhalb der Privatsphäre zeigt, will es vielleicht gar nicht im Sinne des Gesetzes veröffentlichen, aber er tut es gleichwohl. Das Zeigen außerhalb der Privatsphäre löst damit die Rechtsfolge Veröffentlichung unabhängig vom Willen desjenigen aus, der das Foto zeigt. Derjenige dagegen, der eine Unterschrift unter einen Lizenzvertrag leistet, will damit den Vertragsinhalt realisieren und beabsichtigt eine Rechtsfolge.

Aus der vorstehenden Definition des Begriffs Veröffentlichung in § 6 UrhG wird im Umkehrschluss deutlich, dass solche Fotos nicht als veröffentlicht gelten, die ohne Wissen und Wollen des Fotografen in der Öffentlichkeit präsentiert werden. Dazu ein Beispiel: Ein Fotograf verliert die Speicherkarte mit den gerade gemachten Aktaufnahmen, ein anderer findet die Karte und leitet sie unter der Behauptung, er sei der Urheber, an die Boulevard-Presse weiter, die sie auf Seite 3 in ihrer nächsten Ausgabe abdruckt. Eine Veröffentlichung durch den Fotografen liegt hier nicht vor, da es an der Zustimmung des Fotografen fehlt. Dies ist für etwaige Haftungsansprüche entscheidend, da eine mangelnde Veröffentlichung nach § 6 UrhG Haftungsansprüche gegenüber dem Fotografen ausschließt, die ansonsten das Model, von dem die Aktaufnahmen gemacht wurden, wegen des mangelnden Einverständnisses zur Presseveröffentlichung der Bilder gegebenenfalls geltend machen könnte. Dass das Model natürlich gegen die Zeitung wegen der ungenehmigten Veröffentlichung der Bilder vorgehen kann, steht auf einem anderen Blatt. Diesen Aspekt betrachten wir aber erst in Kapitel 3, »Menschen«.

Unter Öffentlichkeit ist nicht zwangsläufig die Allgemeinheit schlechthin, also jedermann, zu verstehen. Entscheidend für das Vorliegen von Öffentlichkeit ist, dass es sich um einen von vorneherein nicht klar definierten oder definierbaren Personenkreis handelt, es kann also durchaus auch um eine kleinere Gruppe gehen. Grundsätzlich kommt es auf die Anzahl der betroffenen Personen jedoch nicht an, vielmehr ist entscheidend, wie die Personen einer Gruppe zueinander stehen.

Im Zusammenhang mit einem Streit über die Frage, ob für einen Belegschaftsabend mit Musik und Tanz eine Verwertungsgebühr an die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, siehe auch Abschnitt 8.7, »Foto- und Filmvorführungen mit Musik – die GEMA ist dabei«) zu zahlen war, hat sich der BGH ausführlich mit dem Begriff der Öffentlichkeit auseinandergesetzt (Urteil vom 24.06.1955 – I ZR 178/53). Der BGH hat dazu unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG) festgestellt, dass eine Öffentlichkeit nur dann zu verneinen sei, wenn die Teilnehmer der Belegschaftsabende durch wechselseitige persönliche Beziehungen einen in sich geschlossenen, nach außen individuell abgegrenzten Personenkreis bilden würden. Es komme nicht darauf an, ob und welche Voraussetzungen für eine Zulassung zu der Veranstaltung bestehen, sondern auf die Verbundenheit der Teilnehmer, die im vorliegenden Fall nicht gegeben sei, auch wenn die Betriebsangehörigen subjektiv ein Zusammengehörigkeitsgefühl hätten. So sind nach BGH auch Vereinsveranstaltungen, bei denen nur Vereinsmitglieder zugelassen sind, öffentliche Veranstaltungen, wenn nach dem ganzen Gefüge des Vereins ein engeres persönliches Band zwischen den einzelnen Vereinsmitgliedern fehlt.

[ ! ]  Öffentlichkeit

Was unter Öffentlichkeit zu verstehen ist, regelt § 15 Abs. 3 UrhG. Dort ist festgelegt, dass eine Wiedergabe öffentlich ist, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

Der Begriff der Öffentlichkeit setzt nach der Definition in § 15 Abs. 3 UrhG also zweierlei voraus: nämlich ein quantitatives Merkmal (es muss sich um mehrere Personen handeln) und ein qualitatives Merkmal (die Personen dürfen nicht durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden sein). Um eine Mehrzahl zu bilden, genügen zwei Personen. Ein Foto, das man mehreren Kollegen zeigt, ist veröffentlicht, zeigt man es nur einem Kollegen, ist es nicht veröffentlicht. Im Lichte des oben erwähnten BGH-Urteils muss die persönliche Beziehung in einem engeren persönlichen Band bestehen. Nicht jede persönliche Beziehung ist damit eine solche im Sinne des § 15 Abs. 3 UrhG. Ob die persönlichen Beziehungen eng genug sind, um eine Veröffentlichung im Einzelfall verneinen zu können, ist abhängig vom Einzelfall, feste Regeln gibt es dazu nicht.

[zB]  Das in § 15 Abs. 3 UrhG enthaltene Merkmal der »persönlichen Verbundenheit« besteht auch nicht zwangsläufig nur im Familien- und Freundeskreis. So hat der BGH in seinem Urteil vom 19.06.1956 (I ZR 104/54) festgestellt, dass Tanzkurse, zu denen nur ausgewählte Schüler Zugang hatten, und Abschlussbälle, zu denen nur die Tanzschüler und ihre Eltern Zugang haben, keine Öffentlichkeit darstellen. Das Gleiche hat der BGH für die Patienten in einem Zweibettzimmer im Krankenhaus entschieden, auch diese stellen keine Öffentlichkeit dar (Urteil vom 11.07.1996 – I ZR 22/94). Der BGH hat in beiden Fällen, in denen die GEMA Klägerin war und es um die Frage ging, wann eine Wiedergabe von urheberrechtlich geschützter Musik zulässig ist oder nicht, gegen die GEMA entschieden, da es sich jeweils um einen geschlossenen Personenkreis handele.

Ein Familienfest mit 50 oder auch 100 Teilnehmern liegt somit noch im Bereich der Privatsphäre, auch wenn neben Familienmitgliedern gute Freunde und Bekannte teilnehmen. Fotos, die dort herumgezeigt werden, gelten nicht als veröffentlicht. Auch die private Dia- oder Beamershow innerhalb der Familie oder im engen Freundeskreis ist noch keine Veröffentlichung der gezeigten Fotos. Ohne Zweifel ist aber der Diavortrag im örtlichen Gemeindehaus eine öffentliche Veranstaltung, auch wenn er ausschließlich vor geladenen Gästen stattfindet, also nicht jedermann freien Zugang dazu hat. Das Gleiche gilt für das Zeigen der Bilder im Fotoclub, auch wenn nur fünf Clubmitglieder anwesend sind.

[ ! ]  Private oder öffentliche Veranstaltung?

Hat eine Veranstaltung privaten Charakter und wendet sie sich ausschließlich an Teilnehmer aus dem privaten Umfeld, sind die Teilnehmer in der Regel miteinander persönlich verbunden. Es handelt sich dann auch bei einer größeren Veranstaltung um eine solche innerhalb der Privatsphäre. Ein auf einer derartigen Privatveranstaltung gezeigtes Foto wird damit nicht veröffentlicht.

Immer dann jedoch, wenn Personen an einer Veranstaltung teilnehmen, die untereinander nicht durch persönliche Beziehungen verbunden sind, kann man auch bei Veranstaltungen im kleinen Rahmen von einer Öffentlichkeit ausgehen. Ein dort gezeigtes Foto wird veröffentlicht, da in der Regel nicht zu allen Mitgliedern ein enges persönliches Band bestehen dürfte, wozu – wie erwähnt – eine nur lockere Freundschaft oder ein wöchentliches Treffen untereinander sicherlich nicht ausreicht. Im Einzelfall mag es vielleicht einen Fotoclub mit nur wenigen Mitgliedern geben, die sich alle bereits seit Jahren kennen, ständig gemeinsam unterwegs sind, über die Fotografie hinaus befreundet sind und bei denen deshalb über die Jahre ein enges Band unter allen Mitgliedern gewachsen ist. Dies wird aber wohl in der Praxis sehr selten vorkommen.

Mit dem Veröffentlichungsrecht nach § 12 UrhG korrespondiert im Übrigen das Recht des Urhebers, ein Nutzungsrecht gegenüber dem Inhaber zurückzurufen, wenn das Werk seiner Überzeugung nicht mehr entspricht. Dies ergibt sich aus § 42 UrhG. Allerdings dürfte nach meiner Auffassung ein solches Rückrufsrecht zum Beispiel eher für schriftstellerisch getätigte Äußerungen politischer, religiöser oder ethischer Art relevant sein und wohl nur in Ausnahmefällen für Fotografien in Betracht kommen.

Sonderfall: Veröffentlichung von verwaisten Werken | Verwaiste Fotos, neudeutsch auch Orphan Works genannt, sind Fotos, die Urheberschutz genießen können, aber deren Urheber unbekannt und nicht ohne Weiteres zu ermitteln ist. Darf man solche Fotografien, die man nicht mit gemeinfreien Fotos, deren Schutzfrist abgelaufen ist, verwechseln darf, veröffentlichen, wenn man den Urheber nicht herausfinden kann?

[zB]  Stellen Sie sich vor, Sie schlendern über einen Flohmarkt und stoßen bei einem der Händler auf einen Kasten mit Dias Ihrer Heimatstadt aus den Nachkriegsjahren. Da Sie gerade an einem Buch über die Geschichte Ihrer Heimatstadt arbeiten und dringend noch Bildmaterial aus dieser Zeit benötigen, kommt Ihnen der Fund der Dias gerade recht. Auf die Frage nach der Herkunft der Bilder erklärt Ihnen der Standbesitzer, wer Urheber der Fotos sei, das wisse er auch nicht, es handele sich um einen Dachbodenfund in einem Haus, das abgerissen werden sollte. Die Dias wolle wohl keiner mehr haben, damit könnten Sie machen, was Sie wollen. – Stimmt das?

Zunächst einmal gilt natürlich der Grundsatz: »Wo kein Kläger, da kein Richter«. Die Möglichkeit, dass jemand nach den Dias sucht oder diese als seine eigenen Fotos in Ihrem Buch entdeckt, mag vielleicht gering sein, und solange sich niemand als Urheber der Dias meldet, wird es auch keine Probleme geben. Wenn sich aber nach der Veröffentlichung Ihres Buches plötzlich doch ein Urheber oder dessen Erbe meldet und seine Rechte nachweist, haben Sie ein ernsthaftes Problem. Denn die Urheberrechtsverletzung ist mit der Veröffentlichung der Fotos zweifelsfrei begangen, und der Urheber kann alle möglichen rechtlichen Maßnahmen gegen Sie und den Buchverlag einleiten. Welche Maßnahmen im Einzelnen dem verletzten Urheber zustehen, erfahren Sie in Kapitel 6, »Rechte schützen«. Es wird jedenfalls im Zweifel teuer und unangenehm, und es wird Ihnen in diesem Fall auch nichts helfen, wenn Sie nachweisen können, dass Sie sich beim Standbesitzer erkundigt haben, ob der Urheber bekannt ist, und gegebenenfalls noch weitere Erkundigungen vorgenommen haben. Denn auch wenn Sie sich sorgfältig und nachhaltig um eine Aufklärung der Urheberschaft bemüht haben, bleibt die Nutzung fremder Bilder ohne Zustimmung des Urhebers in jedem Fall eine Urheberrechtsverletzung.

[ ! ]  Vorsicht bei der Nutzung verwaister Bilder

Auch wenn man, im Ergebnis erfolglos, sorgfältig nach dem unbekannten Urheber geforscht und alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, den Urheber ausfindig zu machen, ist die Veröffentlichung verwaister Fotos eine Urheberrechtsverletzung.

Während in Deutschland die rechtliche Problematik, die im Zusammenhang mit verwaisten Werken entstehen kann, nicht weiter thematisiert wird, sind andere Länder in dieser Frage schon wesentlich weiter. So gibt es zum Beispiel in Kanada schon seit vielen Jahren die Regelung, dass man verwaiste Werke zwar verwenden darf, dazu jedoch eine Lizenzgebühr zu entrichten hat, die eine staatliche Stelle als Treuhänder einnimmt, um damit den Urheber zu entlohnen, sollte sich dieser plötzlich melden.

Das Recht auf Namensnennung (§ 13 UrhG) | Zu den Urheberpersönlichkeitsrechten gehört auch der einklagbare Anspruch, dass der Name des Fotografen bei einer Veröffentlichung seines Bildes genannt wird. Auch wenn man leider immer wieder Bildveröffentlichungen ohne Namensnennung des Fotografen in den Medien findet, ist diese Praxis gesetzeswidrig und damit eine Verletzung der Rechte des Fotografen, sofern nicht im Einzelfall ein Verzicht des Fotografen auf Namensnennung erklärt wurde.

[ ! ]  Anerkennung der Urheberschaft durch Namensnennung

Der Urheber hat nach § 13 UrhG das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung versehen und welche Bezeichnung verwendet werden soll.

In Bildbänden findet man gelegentlich unmittelbar unter den Fotografien den Namen des Fotografen. Üblicher ist jedoch eine Nennung des Fotografen im Impressum oder in einem Anhang, bei Aufnahmen mehrerer Fotografen werden richtigerweise den einzelnen Fotografen die Bildnummern oder Seitennummern, auf denen ihre Fotografien abgedruckt sind, zugeordnet.

Ob der Fotograf allerdings sein Recht aus § 13 UrhG in Anspruch nimmt, steht in seiner alleinigen Entscheidungskompetenz. Keineswegs ist ein Urheber verpflichtet, sich selbst als Urheber einer Fotografie namentlich zu benennen. Insoweit gibt es für den Urheber ein Recht auf Anonymität oder auch auf Verwendung eines Pseudonyms, was sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 13 UrhG ergibt.

Der Wunsch, als Fotograf anonym zu bleiben, dürfte allerdings schon aus Gründen der Eigenwerbung eher die Ausnahme als die Regel sein. In der Regel ist die Veröffentlichung von Fotos für den Fotografen ein nicht zu unterschätzendes Marketinginstrument. Nur durch Veröffentlichungen wird der Fotograf schließlich einem breiten Personenkreis erst bekannt.

Nicht selten findet man in Büchern, Zeitschriften oder auf Websites Fotos wie das in Abbildung 1.5 gezeigte mit einem Titel oder einer Beschreibung, aber ohne jeglichen Hinweis auf den Urheber. Das ist der klassische Fall des Verstoßes gegen § 13 UrhG, sofern der Urheber nicht ausdrücklich auf sein Namensrecht verzichtet hat.

 Landschaft bei Mandas/Sardinien – ohne Namensnennung des Urhebers ist die Nutzung in aller Regel ein Verstoß gegen § 13 UrhG.

Abbildung 1.5     Landschaft bei Mandas/Sardinien – ohne Namensnennung des Urhebers ist die Nutzung in aller Regel ein Verstoß gegen § 13 UrhG.

Die Namensnennung hat auch einen ganz praktischen Vorteil: Wer auf oder im Zusammenhang mit einem Foto als Urheber genannt ist, gilt bis zum Beweis des Gegenteils als der Urheber der Aufnahme (Urhebervermutung), was sich aus § 10 UrhG ergibt, den Sie bereits im Zusammenhang mit der Betrachtung des Copyright-Vermerks kennengelernt haben. Es ist also durchaus vorteilhaft und deshalb auch dringend zu empfehlen, sich als Urheber zu erkennen zu geben, wenn nicht im Einzelfall gewichtige Gründe dagegensprechen.

[zB]  In einer neueren Entscheidung vom 17.06.2014 (410 C 300/13) hat das Amtsgericht Kassel festgestellt, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht nicht durch die Vergabe von Nutzungsrechten untergeht. Das bedeutet, dass auch in dem Fall, dass der Fotograf durch Vertrag seine eigenen Verwertungsrechte aufgibt, und einem anderen die Nutzungsrechte an seinen Fotos überträgt, immer das Recht behält, bei der Veröffentlichung des Fotos als Urheber genannt zu werden. Es sei denn – wie bereits gesagt –, ein Verzicht auf die Namensnennung wurde zwischen dem Fotografen und dem Lizenznehmer ausdrücklich vereinbart. Im genannten Fall wurde dem Kläger ein Schadensersatzanspruch in Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühren zugesprochen, und zwar mit dem hundertprozentigen Verletzerzuschlag. Da der Kläger die Fotos für einen Betrag von 620,00 € verkauft hatte, sprach das Gericht ihm einen Schadensersatz in Höhe von 1.240,00 € zu.

Gleichwohl weigern sich Zeitschriftenverlage häufig, den Namen des Bildautors zu nennen, und untertiteln die Fotos hartnäckig mit dem Hinweis »Archivfoto«. Dies ist mangels anderweitiger Vereinbarung mit dem Fotografen ein eindeutiger Verstoß gegen urheberrechtliche Vorschriften.

Zu der Frage, wie weit bei einer Internetnutzung das Recht auf Namensnennung reicht, hat das Landgericht Köln im Zusammenhang mit dem Stockfoto-Portal Pixelio ein ebenso aufsehenerregendes wie praxisfernes Urteil zu § 13 UrhG gefällt, das in weiten Teilen der Fachwelt für große Verwirrung gesorgt hat (Urteil vom 31.01.2014 – 14 O 427/13). Was war geschehen?

Ein von Pixelio heruntergeladenes Foto eines Hobbyfotografen war, mit dem Urhebervermerk versehen, auf einer Website eingestellt und dort zur Illustration eines Artikels verwendet worden. Beim Direktaufruf der Seite war der Hinweis auf den Urheber auch eindeutig zu sehen, nicht jedoch, wenn mit dem Klick der rechten Maustaste auf das Foto dieses isoliert unter der Bild-URL geöffnet wurde. Die Kölner Richter waren jedoch der Meinung, dass in jedem Verwendungsfall die Lizenzbedingungen von Pixelio anzuwenden seien und erließen gegen den Verwender des Fotos eine einstweilige Verfügung, mit der Verpflichtung, die öffentliche Zugänglichmachung zu unterlassen. Dabei bezieht sich das LG auf die Nutzungsbedingungen von Pixelio, die in der hier relevanten Passage lauten:

»Der Nutzer hat in der für die jeweilige Verwendung üblichen Weise und soweit technisch möglich am Bild selbst oder am Seitenende PIXELIO und den Urheber mit seinem beim Upload des Bildes genannten Fotografennamen bei PIXELIO in folgender Form zu nennen: ›© Fotografenname / PIXELIO‹.«

Diese Bedingungen, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung, seien nicht eingehalten worden. Der Urheber müsse auf sämtlichen Seiten und Nebenseiten der Website angegeben werden, und zwar auch dann, wenn das Foto unter einer eigenen URL angezeigt werde.

Demgegenüber wurde es bis dahin in der Praxis als ausreichend angesehen, wenn die von Pixelio nach den Nutzungsbedingungen geforderte Angabe entweder direkt im bzw. unter dem Bild, am oberen Rand der entsprechenden Seite oder im Impressum der Website erfolgte. Die Forderung des LG Köln lässt sich dagegen in der Praxis kaum realisieren. In der Berufungsinstanz vor dem OLG Köln (6 U 25/14) hatte diese Entscheidung des LG Köln deshalb auch keinen Bestand. Auf den Hinweis des OLG in der mündlichen Verhandlung am 15.08.2014, dass die einstweilige Verfügung aufzuheben sei, nahm der Kläger seinen Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurück, sodass es zu einer Entscheidung des OLG in der Sache gar nicht mehr gekommen ist.

Das OLG vertrat in der mündlichen Verhandlung die Auffassung, dass zwar in jedem Fall eine Urheberbenennung nach § 13 UrhG zu erfolgen habe, es dabei jedoch ausreiche, wenn dies auf der Website erfolge. Die Tatsache, dass sich ein Foto auch über die Bild-URL aufrufen lässt, sei – so das Gericht – keine urheberrechtlich relevante Nutzung, sondern lediglich eine technische Begleiterscheinung des Internets.

Damit hat das OLG Köln ein völlig praxisfernes Urteil der Vorinstanz bedeutungslos gemacht und die bis dahin geltende Praxis bestätigt. Dass der Hobbyfotograf damit alle Kosten des Verfahrens zu tragen hatte und außerdem von Pixelio ausgeschlossen wurde, weil sich diese Plattform von seinem Vorgehen ausdrücklich distanziert hatte, war dann nur noch eine Randerscheinung.

[ ! ]  Urhebernennung auf der Website reicht aus

Bei Benutzung eines fremden Fotos auf einer Website reicht es für die korrekte Namensnennung des Urhebers aus, dass diese auf der Website am Bild selbst oder im Impressum erfolgt. Eine Nennung des Urhebers auch auf allen Unter- oder Nebenseiten ist nicht erforderlich!

Entstellung des Werkes (§ 14 UrhG) | Das Urheberrecht geht von einem generellen Änderungsverbot aus, das seine Begründung darin hat, dass mit jeder Veränderung des Bildes auch die Bildaussage verändert wird. Der Fotograf allein bestimmt den Bildinhalt, die Art der Darstellung, die Wahl der Farben, kurzum: jedes gestalterische Detail seines Bildes. Der Fotograf ist Herr seines Bildes und wird deshalb darin geschützt, dass seine Fotografie exakt so in der Öffentlichkeit präsentiert wird, wie er sie hergestellt und zur Veröffentlichung bestimmt hat. Jede nachträgliche Veränderung verletzt deshalb die Unversehrtheit der künstlerischen Schöpfung. Dabei ist es natürlich völlig gleichgültig, ob von der Allgemeinheit die Fotografie nach der Entstellung möglicherweise als besser gelungen empfunden wird als das Original.

Bearbeitungen und Umgestaltungen, die keine Entstellung der Fotografie darstellen, sind dagegen in § 23 UrhG geregelt und werden an späterer Stelle in diesem Kapitel (siehe den Abschnitt »Die Bearbeitung von Bildern (§ 23 UrhG)« in Abschnitt 1.2.2) behandelt.

[ ! ]  Schutz der Unversehrtheit des Kunstwerkes

Zum Schutz der Unversehrtheit des Kunstwerkes regelt § 14 UrhG, dass der Fotograf jegliche Entstellungen oder andere Beeinträchtigungen verbieten kann, die seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen an seinem Bild gefährden könnten.

Werden etwa die Farben eines Bildes verändert, die für die Bildaussage wesentlich sind, werden bildbestimmende Teile entfernt oder wird der Bildausschnitt so verändert, dass eine ganz andere Bildaussage entsteht, sind dies Entstellungen oder Beeinträchtigungen, die § 14 UrhG umfasst.

Im Jahr 1971 hat der BGH (Urteil vom 05.03.1971 – I ZR 94/69 – »Petite Jacqueline«) entschieden, dass ein Bildausschnitt in der Regel eine Entstellung des Ursprungsfotos darstellt. Ein renommierter Berufsfotograf hatte von einem jungen Mädchen namens »Jacqueline« ein Foto hergestellt, das überall große Beachtung gefunden hat und prämiert wurde. Ein Buchverlag hat von diesem Foto die Augenpartie ausgeschnitten und den so gewonnenen Ausschnitt als Motiv auf dem Buchumschlag einer seiner Publikationen verwendet. Darin hat der BGH eine zum Schadensersatz verpflichtende Entstellung des Werkes gesehen.

Entsprechend dieser Rechtsprechung des BGH ist die Reduktion des Porträts in Abbildung 1.6 auf den Ausschnitt der Augenpartie, wie in Abbildung 1.7 zu sehen, eine Entstellung nach § 14 UrhG und damit ein eindeutiger Verstoß gegen das Urheberpersönlichkeitsrecht. Dies gilt natürlich auch dann, wenn man an der Fotografie aus Abbildung 1.6 die uneingeschränkten Nutzungsrechte erworben hat. Denn diese schließen niemals das Recht ein, derartige Entstellungen vorzunehmen.

 Dies ist Max, das Patenkind des Autors. Wenn es auch kein prämiertes Bild ist, wie im Fall von »Petite Jacqueline«, so ist es doch ein Porträt.

Abbildung 1.6     Dies ist Max, das Patenkind des Autors. Wenn es auch kein prämiertes Bild ist, wie im Fall von »Petite Jacqueline«, so ist es doch ein Porträt.

 Dies ist die Augenpartie von Max, entsprechend der Entstellung, die Gegenstand der beschriebenen BGH-Entscheidung gewesen ist.

Abbildung 1.7     Dies ist die Augenpartie von Max, entsprechend der Entstellung, die Gegenstand der beschriebenen BGH-Entscheidung gewesen ist.

Ein weiteres Beispiel ergibt sich aus Abbildung 1.8. Gegenüber dem linken Bild wurde im rechten das hauptsächliche Bildelement, die Skulptur, entfernt und damit das Foto auf eine mehr oder weniger leere Parklandschaft reduziert. Damit erhält das Bild eine völlig andere Aussage, eine Entstellung nach § 14 UrhG ist hier zweifelsohne vorhanden.

 Das Hauptmotiv im linken Bild wurde im rechten Bild entfernt.

Abbildung 1.8     Das Hauptmotiv im linken Bild wurde im rechten Bild entfernt.

Eine Beeinträchtigung eines Fotos, also eine Veränderung, Verzerrung oder Verfälschung der Werkaussage, kann auch vorliegen, wenn das Foto selbst zwar nicht verändert wird, aber zum Beispiel die künstlerische und ästhetische Aussage einer Fotografie dadurch beeinträchtigt wird, dass das Foto in einem Zusammenhang gezeigt wird, der die Aussage und die Botschaft, die von der Fotografie ausgehen soll, konterkariert.

1.2.2    Verwertungsrechte des Urhebers

Alle im Folgenden detailliert behandelten Verwertungsrechte, die in § 15 UrhG aufgezählt sind, können aufgrund der Vertragsfreiheit durch Vertrag auf eine oder mehrere andere Personen übertragen werden. Ich möchte Sie an dieser Stelle auf die Notwendigkeit schriftlicher Vereinbarungen, um Rechtsklarheit zu schaffen, erneut ausdrücklich hinweisen. Ebenso können Verwertungsrechte in eingeschränkter Form übertragen werden, etwa durch zeitliche Beschränkungen oder Beschränkung auf bestimmte Arten der Nutzung, zum Beispiel nur für einen Zeitungsartikel.

Das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) | Die Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werkes steht nach § 16 UrhG ausschließlich dem Urheber zu. Sie ist das zentrale Recht des Urhebers. Alle anderen Verwertungshandlungen – egal, ob es sich um Verbreitung, Ausstellung, Vorführung oder öffentliche Zugänglichmachung handelt – schließen häufig eine Vervielfältigung ein.

Der Begriff der Vervielfältigung umfasst alle denkbaren Arten der Vervielfältigung, unabhängig von ihrem Verfahren und ihrer Anzahl, analog oder digital, zum Beispiel Abzüge und Scans der Originaldatei, das Abfotografieren einer Fotografie, Kopien in jeglicher Form, aber auch das Herunterladen aus dem Internet. Auch die Vervielfältigung einer Kopie fällt unter § 16 UrhG, sodass nicht zwangsläufig eine Vervielfältigung unmittelbar vom Original vorliegen muss.

[§]  § 16 UrhG – das Vervielfältigungsrecht

»(1) Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel, ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl.

(2) Eine Vervielfältigung ist auch die Übertragung des Werkes auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- und Tonfolgen (Bild- oder Tonträger), gleichviel, ob es sich um die Aufnahme einer Wiedergabe des Werkes auf einem Bild- oder Tonträger oder um die Übertragung des Werkes von einem Bild- oder Tonträger auf einen anderen handelt.«

Der BGH hat schon in einem Urteil vom 18.05.1955 (I ZR 8/54) festgestellt, dass Vervielfältigung jede körperliche Festlegung des Werkes ist, die dazu geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen. Ein Werk kann dabei auf vielerlei Arten vervielfältigt werden, mit welcher Technik, nach welchem Verfahren und mit welchem Material dies geschieht, ist ebenso wenig relevant wie eine Größenänderung. Es muss sich nicht genau um eine 1:1-Wiedergabe handeln.

Das Abfotografieren oder Abfilmen eines urheberrechtlich geschützten Fotos ist deshalb als Vervielfältigungshandlung ebenso anerkannt wie das Abmalen, das Nachbilden etc. Unerheblich ist dabei, dass die fotografische Wiedergabe nur zweidimensional ist, während das geschützte Werk vielfach dreidimensional sein wird.

[ ! ]  Fotografieren heißt vervielfältigen

Das Fotografieren von zwei- und dreidimensionalen Kunstwerken ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Vervielfältigung.

Gesetzliche Schranken des Vervielfältigungsrechts | Von dem Grundsatz, dass das Vervielfältigungsrecht bezüglich einer Fotografie ausschließlich dem Fotografen als Urheber zusteht, gibt es jedoch in §§ 44a bis 63 UrhG eine Reihe von Ausnahmen, da auch für Urheberrechte gilt, dass diese nicht absolut sind, sondern einer Sozialbindung unterliegen.

[+]  Sozialbindung

Der Begriff Sozialbindung, entwickelt am Eigentum, dessen Nutzung sich am Gemeinwohl zu orientieren hat, bedeutet hier, dass auch das Urheberrecht durch höherwertige Rechte oder durch das Gemeinwohl eingeschränkt sein kann.

Soweit diese Einschränkungen für Fotografen von Bedeutung sind, gehe ich darauf in den folgenden Abschnitten und an entsprechenden weiteren Stellen in diesem Buch näher ein.

Rechtspflege und öffentliche Sicherheit (§ 45 UrhG) | Nach § 45 UrhG ist es zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke von Werken zur Verwendung in Verfahren vor einem Gericht, einem Schiedsgericht oder einer Behörde herzustellen oder herstellen zu lassen. Gerichte und Behörden dürfen für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit Bildnisse vervielfältigen oder vervielfältigen lassen. Unter den gleichen Voraussetzungen wie die Vervielfältigung sind auch die Verbreitung, öffentliche Ausstellung und öffentliche Wiedergabe der Werke zulässig. Der Gesetzestext dürfte hier selbsterklärend und der Inhalt nachvollziehbar sein.

Im Falle höherwertiger Interessen im Rahmen der Rechtspflege und im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit können das Vervielfältigungs-, das Verbreitungs- und auch das Ausstellungsrecht des Fotografen eingeschränkt sein (§ 45 UrhG).

Kein Fotograf wird ernsthaft daran denken, rechtliche Schritte gegen die Strafverfolgungsbehörden einzuleiten, wenn diese ein von ihm hergestelltes Porträtfoto ohne seine Zustimmung als Fahndungsfoto vervielfältigt und verbreitet haben.

Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) | Für Amateurfotografen vermutlich kaum von Bedeutung, für den Pressefotografen jedoch durchaus erheblich ist die gesetzliche Regelung des § 50 UrhG, die eine Vervielfältigung von Werken zum Zwecke der Berichterstattung über Tagesereignisse zulässt.

[§]  § 50 UrhG – Berichterstattung über Tagesereignisse

»Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.«

Mit dieser Regelung wird dem Grundrecht der Pressefreiheit nach Art. 5 GG Rechnung getragen. Diese Abgrenzung zwischen dem Urheberrecht auf der einen Seite und dem berechtigten Informationsbedürfnis der Allgemeinheit oder Teilen davon auf der anderen Seite wird an mehreren Stellen im Gesetz vorgenommen und findet sich auch immer wieder in Gerichtsentscheidungen. Sofern ein legitimes Interesse der Öffentlichkeit an Information besteht, muss nach einer entsprechenden Interessenabwägung, die im Streitfall von den Gerichten vorgenommen wird, im Einzelfall der Urheberrechtsschutz gegebenenfalls zurücktreten. Meist kommt dies im Zusammenhang mit Fotos von Personen vor, mit denen wir uns in Kapitel 3, »Menschen«, ausführlich befassen werden. Aber auch in der gegenständlichen Fotografie kann es Situationen geben, in denen ein Werk fotografiert und somit vervielfältigt und rechtmäßig ohne Zustimmung des Urhebers veröffentlicht wird, wenn dies zur Berichterstattung über Tagesereignisse erforderlich ist, zum Beispiel bei einem Bericht über gestohlene Kunstgegenstände.

Entscheidend ist allerdings, dass es sich um Berichterstattung über Tagesereignisse handeln muss. Darunter versteht man jedes aktuelle Geschehen, das für die Öffentlichkeit von Interesse ist. Wie schon im Zusammenhang mit dem Begriff Veröffentlichung erläutert, ist es nicht erforderlich, dass die gesamte Öffentlichkeit angesprochen wird, es reichen auch Teile davon. Wann ein Ereignis noch aktuell ist, richtet sich dabei zum einen danach, ob die Öffentlichkeit die Berichterstattung noch als aktuell, also als Gegenwartsberichterstattung, empfindet, zum anderen aber auch danach, in welchem zeitlichen Rhythmus das Medium erscheint. An eine nur wöchentlich oder gar monatlich erscheinende Publikation werden hinsichtlich der Aktualität andere Anforderungen gestellt als an eine Tageszeitung.

Werden zum Beispiel Fotos einer Ausstellung fotografiert und die so gemachten Fotografien später im Zusammenhang mit einem Pressebericht über diese Ausstellung veröffentlicht, ist das Vervielfältigen und Veröffentlichen der Fotos ohne Zustimmung des Urhebers zwar eigentlich eine Verletzung der Urheberrechte, in diesem Fall jedoch von § 50 UrhG gedeckt, da die Berichterstattung über eine Ausstellung, ohne dazu jedoch einige Bilder zeigen zu dürfen, nicht in vernünftiger Weise erfolgen könnte. Wäre dagegen eine ordnungsgemäße Berichterstattung auch ohne die Abbildung ausgestellter Fotos möglich, ginge im Zweifel das Urheberrecht vor. Dies ergibt sich unmittelbar aus der Vorschrift des § 50 UrhG, wonach nur die Vervielfältigung »in einem durch den Zweck gebotenen Umfang« zulässig ist. Grundsätzlich ist jedoch im Rahmen der Vervielfältigung nach § 50 UrhG eine deutliche Quellenangabe erforderlich.

[ ! ]  Quellenangabe erforderlich

Derjenige, der die Vervielfältigung einer Fotografie zum Beispiel im Rahmen seiner Berichterstattung vornimmt, muss die Fundstelle und den vollständigen Namen des Fotografen deutlich angeben, es sei denn, die Quelle ist auf der Fotografie nicht erkennbar und dem zur Vervielfältigung Berechtigten auch nicht bekannt. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 63 UrhG.

Zitate (§ 51 UrhG) | Nach § 51 UrhG dürfen bereits veröffentlichte Werke ganz oder teilweise zitiert und damit vervielfältigt werden.

Zulässig sind die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zwecke des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbstständiges Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden oder Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbstständigen Sprachwerk (dies sind alle Werke, bei denen der geistige Gehalt durch die Mittel einer Sprache bestimmt wird) angeführt werden (§ 51 UrhG).

Ähnlich wie beim Zitieren fremder Textpassagen besteht auch die Möglichkeit, Fotografien oder Filmausschnitte zu zitieren. Allerdings ist es nach der Rechtsprechung des OLG Hamburg (Urteil vom 25.02.1993 – 3 U 183/92) erforderlich, dass zwischen dem eigenen Werk und der Fotografie eine innere Verbindung hergestellt wurde. Dem zitierten (fremden) Foto muss eine Belegfunktion zukommen, oder das Foto muss als Erörterungsgrundlage für die eigenen Ausführungen dienen.

Man unterscheidet bei Zitaten das Großzitat, d. h. das Zitieren eines ganzen Textes oder Bildes, vom Kleinzitat, also dem ausschnittsweisen Zitieren. Bei einer Fotografie ist in der Regel die ausschnittsweise Veröffentlichung unüblich und meist wegen verbotener Entstellung nach § 14 UrhG auch nicht erlaubt, sodass es sich in den meisten Fällen um ein Großzitat handeln wird, während beim Film eher ein Ausschnitt zum Zitieren verwendet wird, also meist ein Kleinzitat vorliegt.

Auch beim Zitierrecht – egal, ob Groß- oder Kleinzitat – ist jedoch die Einschränkung zu beachten, dass fremde Werke nur insoweit zitiert werden dürfen, als dies in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Es muss also auch hier geprüft werden, ob die Darstellung des zitierten Werkes tatsächlich erforderlich ist oder ob dies nur zu Illustrationszwecken geschieht. Es muss nach der Rechtsprechung stets ein allgemeines Informationsbedürfnis an dem Zitat bestehen. Ein Zitat liegt dann nicht vor, wenn das fremde Bild lediglich ein fehlendes eigenes Bild ersetzt oder lediglich als Illustration dient.

Wie bei einem Textzitat ist natürlich auch bei einem Bildzitat unbedingt zu beachten, dass der Urheber und die Quelle, der man das Zitat entnommen hat, genannt werden (§ 63 UrhG).

[zB]  In einem Fall, der zur Verdeutlichung des Zitierrechts kurz dargestellt werden soll, hatte das OLG Hamburg (Urteil vom 27.07.1989 – 3 U 29/89) den Fall zu entscheiden, dass ein Zeitschriftenverlag sieben Fotos aus einem Bildband entnommen und neben einem auf diesen Fotoband eingehenden Text (Rezension) auf einer Doppelseite der von ihr verlegten Zeitschrift veröffentlicht hat. Der Fotograf als Kläger sah sein Urheberrecht verletzt, der Verlag berief sich dagegen auf sein Zitierrecht.

Das OLG Hamburg hat der Klage des Fotografen aus mehreren Gründen stattgegeben. Zum einen hat das Gericht darauf hingewiesen, dass es sich wegen des Abdrucks der ganzen Bilder um ein Großzitat gehandelt hat, das nur im Rahmen wissenschaftlicher Werke zulässig sei, ein wissenschaftliches Werk allerdings bei der Zeitung der Beklagten eindeutig nicht vorliege. Zum anderen hat das Gericht in diesem Fall der Abbildung der Fotos, die mehr oder weniger beiläufigen Inhalts seien, jegliches allgemeine Informationsbedürfnis abgesprochen. Schließlich hat das OLG angemerkt, dass es zur Erläuterung des Textes nicht erforderlich gewesen sei, gleich sieben Fotos zu verwenden, vielmehr hätte man auch ein oder zwei exemplarische Fotos auswählen können.

Anders wurde vom LG Berlin (Urteil vom 26.05.1977 – 16 S 6/76) entschieden, das sich mit folgendem Fall zu befassen hatte: Der Kläger, ein Fotograf von einigen Bildern von Beteiligten des Prozesses um die Befreiung des Terroristen Andreas Baader, hatte dem Wochenmagazin »Der Spiegel« die Genehmigung erteilt, diese Bilder im Zusammenhang mit einem Artikel zu veröffentlichen. Das ZDF hat sich dann mit diesem Artikel beschäftigt und ihn dahingehend kritisiert, das Magazin »Der Spiegel« habe der »Baader-Meinhof-Bande« einen zu breiten Raum in der Berichterstattung eingeräumt. Für den Beitrag und die Untermauerung seiner Behauptung hatte das ZDF den Artikel und die darin enthaltenen Fotos ohne Zustimmung des Fotografen abgefilmt, der Fotograf hat das ZDF daraufhin auf Schadensersatz verklagt.

Das LG Berlin hat in diesem Fall ein zulässiges Zitat angenommen und die Klage des Fotografen abgewiesen, da es zur Begründung der vom ZDF aufgestellten These, der »Baader-Meinhof-Bande« werde ein zu großer Raum der Berichterstattung eingeräumt, erforderlich gewesen sei, den Artikel gemeinsam mit den Fotos zu zeigen. Ein weiteres Argument des Gerichts war, dass der Bericht des ZDF eine kritische Auseinandersetzung mit dem Artikel im Magazin »Der Spiegel« darstelle.

[ ! ]  Großzitat

Nach dem Wortlaut des § 51 UrhG ist ein Großzitat, und damit die Wiedergabe eines ganzen Bildes, nur im Rahmen wissenschaftlicher Werke zulässig. Der Begriff des »wissenschaftlichen Werkes« wird jedoch relativ weit ausgelegt und umfasst auch solche Werke, die der kulturellen Entwicklung im weitesten Sinne dienen. Dazu gehören auch Werke der Populärwissenschaft, nicht jedoch Werke, die zum Beispiel lediglich der Unterhaltung dienen.

Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch (§ 53 UrhG) | Das dem Urheber zustehende Vervielfältigungsrecht wird darüber hinaus durch § 53 UrhG insoweit beschränkt, als eine Vervielfältigung eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern (also analog und digital) dann zulässig ist, wenn sie keinen Erwerbszwecken dient (sogenannte Privatkopieschranke). Es darf dabei allerdings keine Vorlage verwendet werden, die ihrerseits offensichtlich rechtswidrig entweder hergestellt oder öffentlich zugänglich gemacht wurde.

Für den Fotografen ist vor allem § 53 Abs. 1 UrhG interessant. Die weiteren und sehr umfangreichen Regelungen des § 53 UrhG in den folgenden Absätzen 2 bis 7 beziehen sich eher auf Schrift- und Musikwerke und sind für Fotografen allenfalls von untergeordnetem Interesse und von geringer praktischer Bedeutung. Deshalb werde ich darauf nicht näher eingehen.

Wichtig an der Regelung in § 53 Abs. 1 UrhG sind zwei Punkte:

Bei der Frage des privaten Gebrauchs nimmt die Rechtsprechung eine sehr enge Auslegung vor, damit durch § 53 UrhG der Urheberschutz nicht unterlaufen werden kann.

[zB]  So hat der BGH in seiner Entscheidung vom 26.06.1993 (I ZR 148/91), bei der es um Kopien von Dias ging, den Privatgebrauch verneint: Ein Theaterregisseur hatte sich in einem unbewachten Moment in den Besitz von 36 Dias einer Theaterfotografin gebracht und ließ von 18 der Dias Duplikate herstellen. Die Dias waren von Produktionen des Regisseurs angefertigt worden, und der Regisseur vertrat im Rechtsstreit, in dem die Theaterfotografin Schadensersatz verlangte, die Auffassung, er habe die Dias aus rein persönlichen Gründen zur Erinnerung kopiert, aus beruflichen Gründen sei er auf die Dias gar nicht angewiesen, da er seine Produktionen selbst durch Skizzen, Zeichnungen und Fotos ausreichend dokumentiert habe.

Der BGH begründete die Ablehnung eines privaten Gebrauchs damit, dass von einem Privatgebrauch dann nicht mehr gesprochen werden könne, wenn die Diaduplikate – jedenfalls auch – für berufliche Zwecke gefertigt wurden. Es entspreche durchaus der Erfahrung, dass die duplizierten Dias letztlich auch der Vervollständigung der eigenen beruflichen Dokumentation des Regisseurs dienen würden.

An dieser Entscheidung wird deutlich, dass ein privater Gebrauch immer auch ausschließlich privat sein muss. Sobald sich der Privatgebrauch nicht eindeutig von beruflichen Zwecken abgrenzen lässt, was grundsätzlich dann der Fall ist, wenn durch Fotos auch berufliche oder erwerbswirtschaftliche Zwecke verfolgt werden, liegt kein privater Gebrauch nach § 53 UrhG mehr vor.

Wenn dagegen eine Datei, etwa ein Katalog mit vielen Abbildungen, von einer Privatperson aus dem Internet heruntergeladen und gegebenenfalls auch ausgedruckt wird, um dann in Ruhe aussuchen zu können, welches der im Katalog gezeigten Produkte die Person kaufen möchte, liegt zwar eine Vervielfältigung, sicherlich aber auch ein ausschließlich privater Gebrauch vor.

[ ! ]  Privater Gebrauch

Privater Gebrauch ist nach herrschender Meinung und ständiger Rechtsprechung des BGH der Gebrauch in der Privatsphäre durch die eigene Person oder die mit ihr durch ein persönliches Band verbundenen Personen (u. a. BGH, Urteil vom 14.04.1978 – I ZR 111/76), solange weder mittelbar noch unmittelbar ein Erwerbszweck vorliegt.

Bildnisse (§ 60 UrhG) | Zulässig ist nach § 60 UrhG die Vervielfältigung sowie die unentgeltliche und nicht zu gewerblichen Zwecken vorgenommene Verbreitung eines Bildnisses durch den Besteller des Bildnisses oder seinen Rechtsnachfolger oder bei einem auf Bestellung geschaffenen Bildnis durch den Abgebildeten oder nach dessen Tod durch seine Angehörigen oder durch einen im Auftrag einer dieser Personen handelnden Dritten.

[zB]  Das bedeutet in der Praxis: Das Hochzeitspaar, das einen Fotografen mit der fotografischen Dokumentation seines Festes beauftragt, also Bildnisse bei ihm bestellt hat, kann anschließend Vervielfältigungen dieser Bildnisse machen oder machen lassen und diese dann an die Hochzeitsgäste verschenken, nicht jedoch an Dritte verkaufen, geschweige denn, einer Hochzeitsagentur für deren Flyer überlassen.

Der Sinn dieser Vorschrift liegt darin, dem Besteller die unentgeltliche Weitergabe von Erinnerungsstücken zu ermöglichen, und zwar auch dann, wenn möglicherweise nach Jahren der Urheber der Fotos nicht mehr bekannt ist: Das Hochzeitspaar möchte nach Jahren seinen Kindern Fotos von seiner Hochzeit für deren Familienalbum überlassen, kann sich möglicherweise aber nicht mehr daran erinnern, wer damals die Fotos gefertigt hat, oder der Fotograf ist zwischenzeitlich nicht mehr greifbar. Dies ist ein Fall, in dem § 60 UrhG eingreift und es den Eltern ermöglicht, Vervielfältigungen der Fotos zu machen und ihren Kindern zu überlassen.

Zu beachten ist jedoch, dass von § 60 UrhG nur Bildnisse erfasst werden. Im Gegensatz zu Bildern, die alles beinhalten können, versteht man unter Bildnissen grundsätzlich nur Aufnahmen von einer oder mehreren Person(en). Für Aufnahmen von Gegenständen und Produkten gilt § 60 UrhG, auf den sich im Übrigen auch nur natürliche Personen berufen können, ausdrücklich nicht. Aufnahmen von der Hochzeitstorte, dem Hochzeitsauto, den Ringen, dem Buffet etc. fallen somit nicht unter das Vervielfältigungsprivileg des § 60 UrhG. Bilder von diesen Motiven dürfen deshalb nicht ohne Einwilligung des Fotografen vervielfältigt werden, auch wenn dies vermutlich vielfach stillschweigend geduldet wird. Deshalb empfiehlt sich eine entsprechende vertragliche Vereinbarung, durch die das Vervielfältigungsrecht auf alle anlässlich der Hochzeit gemachten Fotos ausgedehnt wird.

 Kein Bildnis nach § 60 UrhG!

Abbildung 1.10     Kein Bildnis nach § 60 UrhG!

Einen Anspruch gegenüber dem Fotografen auf Herausgabe der Negative oder der Originale gibt es grundsätzlich nicht, und kein Fotograf wird einer Regelung zustimmen, die ihn verpflichtet, Negative oder Originale an den Besteller herauszugeben, da dies de facto einer Aufgabe seiner Urheberrechte gleichkäme.

[ ! ]  Kein Recht zum Einstellen ins Internet

Keinesfalls erwirbt der Besteller von Fotos jedoch das Recht, die Fotografien auch auf seine Website oder in sonstiger Weise ins Internet zu stellen. § 60 UrhG umfasst niemals das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG.

Ein Hochzeitspaar, um beim Beispiel zu bleiben, darf Bildnisse, auch in digitalisierter Form, zum Beispiel als Anhang einer E-Mail, versenden. Dagegen ist es nicht zulässig, der Verwandtschaft und den Hochzeitsgästen dadurch Zugang zu den Bildnissen zu verschaffen, indem das Hochzeitspaar sie in ihre eigene Internetgalerie so einstellt, dass jeder Gast sich die Fotos anschauen oder sogar diejenigen, die ihm gefallen, herunterladen kann.

Weitere Schranken der Urheberrechte | Weitere für Fotografen bedeutsame Schranken des Urheberrechts ergeben sich aus den § 57 UrhG (Unwesentliches Beiwerk), § 58 UrhG (Werke in Ausstellungen, öffentlichem Verkauf und öffentlich zugänglichen Einrichtungen – »Katalogbildfreiheit«) und aus § 59 UrhG (Werke an öffentlichen Plätzen – »Panoramafreiheit«). Aufgrund der thematischen Nähe zur Fotografie von Sachen stelle ich diese Vorschriften in Kapitel 2, »Natur, Architektur, Sachen und Tiere«, dar.

Das Änderungsverbot (§ 62 UrhG) | Für alle genannten Ausnahmevorschriften, also für diejenigen Fälle, in denen ein Vervielfältigungsrecht an einem Foto ohne Zustimmung des Fotografen besteht, ist jedoch das Änderungsverbot des § 62 UrhG zu beachten. Dieses besagt, dass die Fotografien (Dateien) nicht verändert werden dürfen, mit Ausnahme der Übertragung in eine andere Größe und solcher Änderungen, die erforderlich sind, um das Werk aus technischer Sicht zu vervielfältigen. Darunter würde zum Beispiel eine Änderung der Pixelmaße eines Bildes fallen.

Das Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG) | Nicht mit dem Vervielfältigungsrecht des § 16 zu verwechseln ist das Verbreitungsrecht des Fotografen, das in § 17 UrhG geregelt ist. Das Verbreitungsrecht ist nach § 17 UrhG das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

Der Unterschied des Verbreitungsrechts zum vorgenannten Vervielfältigungsrecht, die beide unabhängig voneinander bestehen, wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass der Fotograf möglicherweise die Vervielfältigung eines Fotos (zum Beispiel für den Eigenbedarf oder für einen ganz bestimmten Zweck) erlaubt, damit jedoch in keiner Weise gestattet hat, dass das Foto für ihn unkontrolliert auch verbreitet wird.

[ ! ]  Verbreiten ist nicht Vervielfältigen

Der Fotograf kann sich als Urheber gegen die Verbreitung durchaus rechtmäßig angefertigter Vervielfältigungen zur Wehr setzen.

Das Verbreitungsrecht, man spricht in diesem Zusammenhang auch davon, etwas »in Verkehr zu bringen«, beinhaltet das Anbieten in der Öffentlichkeit. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht es aus, dass das Angebot an eine einzelne Person erfolgt. Auf eine gewerbliche Absicht kommt es dabei nicht an.

[zB]  Höchst kontrovers wurde unter Fotografen eine Gerichtsentscheidung des LG Köln (Urteil vom 14.05.2008 – 28 O 582/07) diskutiert, mit der das Gericht die Wanddekoration mit einem großformatigen Foto in einem Restaurant, das ohne Zustimmung des Fotografen dort aufgehängt worden war, nicht als Verstoß gegen das Urheberrecht angesehen hat.

Die Begründung dieser für manchen Fotografen zunächst völlig unverständlichen Entscheidung war, dass der Betreiber des Restaurants, dem nicht nachzuweisen war, dass er das Bild illegal erworben hatte, das Foto nur seinem Zweck entsprechend, nämlich als Kunstwerk, zum Betrachten in seinem Etablissement aufgehängt hatte. Die Richter sahen darin keine unzulässige Verbreitung.

[ ! ]  Der Aushang eines Fotos ist keine Verbreitung

Die bloße Nutzung eines Fotos durch Aushang ist demnach keine Verbreitung, da weder ein Anbieten noch ein Inverkehrbringen vorliegt!

Der Erschöpfungsgrundsatz (§ 17 Abs. 2 UrhG) | Im Zusammenhang mit dem Verbreitungsrecht ist der Erschöpfungsgrundsatz des § 17 Abs. 2 UrhG von besonderer Bedeutung. Dieser Grundsatz besagt, dass das Verbreitungsrecht des Fotografen dann verbraucht (»erschöpft«) ist, wenn er ein Foto oder eine Vervielfältigung davon innerhalb der EU selbst durch Veräußerung in Verkehr gebracht hat. Das hat zur Folge, dass dann jedermann das Foto bzw. die Vervielfältigung weiterverbreiten darf. Eine Vermietung als Form der Weiterverbreitung ist jedoch nicht zulässig.

Anschaulich ist in diesem Zusammenhang das Urteil des Kammergerichts Berlin (KG, entspricht dem OLG in anderen Bundesländern) vom 26.01.2001 (5 U 4102/99 »Gruß aus Potsdam«), in dem es um folgenden Sachverhalt ging:

Der Kläger, ein Fotodesigner, hatte für verschiedene Dias, die Berliner und Potsdamer Motive zeigten, einem Postkarten- und Kalenderverlag die Nutzungsrechte zum Vertrieb eingeräumt. Dieser verkaufte einige dieser Postkarten mit den Motiven des Klägers an einen Pralinenhersteller, der diese zusammen mit seinen Pralinen vermarktete. Die Pralinenschachteln mit der Aufschrift »Gruß aus Potsdam« erhielten dabei einen transparenten Deckel, unter dem die Postkarten zu sehen waren. Der Kläger, der nur die Verwertung seiner Dias als einzeln zu erwerbende Postkarten, nicht jedoch als irgendwelche Beigaben, erlauben wollte, war mit dieser Verwertungsform nicht einverstanden und strebte mit seiner Klage an, dem Pralinenhersteller zu untersagen, die Postkarten in die Pralinenpackungen einzufügen.

[ ! ]  Der Erschöpfungsgrundsatz

Wenn der Fotograf das ihm vom Gesetz eingeräumte ausschließliche Verwertungsrecht durch Verkauf des Fotos ausgenutzt und damit verbraucht hat, dann darf dieses Foto jedermann weiterverbreiten, d. h. verwerten, ohne damit das Urheberrecht des Fotografen zu verletzen, und zwar auch dann, wenn die gewählte Form der Vermarktung vom Fotografen nicht gewollt war.

Das Verbreitungsrecht des Fotografen bezieht sich aber immer nur auf die Erstverbreitung! Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts tritt auch nur bei einer Erstverbreitung durch Veräußerung, also durch Verkauf, und nicht durch andere Formen der Verwertung ein.

Das KG Berlin hat die Klage abgewiesen und begründete seine Entscheidung damit, dass dann, wenn die Dias auf dem zugelassenen Absatzweg vom Postkartenverlag in Verkehr gebracht wurden, was der Fall war, Erschöpfung eingetreten sei. Ansonsten würde der freie Warenverkehr in unerträglicher Weise behindert. Wenn der Erstvertrieb des Werkexemplars, hier das Dia in Form einer frei verkäuflichen Postkarte, mit Zustimmung des Urhebers erfolgt sei, sei das Werk für jede Weiterverbreitung frei.

Hintergrund des Erschöpfungsgrundsatzes ist die Überlegung, dass einerseits der Fotograf durch die Erstverbreitung die Möglichkeit gehabt habe, bei der Veräußerung des Fotos angemessen entlohnt zu werden, und dass andererseits ein Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit bestehe, wonach eine ungehinderte Weiterverbreitung des Fotos möglich sei. Es wäre schließlich ein völlig haltloser Zustand, wenn man ein regulär gekauftes Foto oder Poster nicht weiterverkaufen oder verschenken dürfte, weil man damit eine unzulässige Verbreitung begehen würde.

Will der Fotograf verhindern, dass eine Erschöpfung seines Verbreitungsrechts eintritt, darf er das Foto nicht veräußern, sondern er könnte es theoretisch auch vermieten, wodurch – wie erwähnt – eine Erschöpfung nicht eintritt. Die Erschöpfung bezieht sich im Übrigen immer nur auf das einzelne Foto, das verbreitet wurde. Ist der Fotograf mit bestimmten Verwertungsformen, wie im Fall »Grüße aus Potsdam«, nicht einverstanden, muss er – auch hier zeigt sich wieder die Wichtigkeit klarer vertraglicher Regelungen – die Verwertung ausdrücklich auf eine ganz bestimmte Nutzungsform, zum Beispiel den Vertrieb ausschließlich als Postkarten oder Kalender, begrenzen. Im Zweifel dürfte jede Nutzungseinschränkung jedoch auch Honorarverlust bedeuten.

[ ! ]  Erschöpfungsgrundsatz ist bezogen auf das einzelne Werk

Der Erschöpfungsgrundsatz bezieht sich immer und ausschließlich auf die Verbreitung des einen Fotos oder Posters. Weitere Vervielfältigungen oder andere Verwertungshandlungen, etwa das Einstellen ins Internet, werden auch durch die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nicht legalisiert.

Das Ausstellungsrecht (§ 18 UrhG) | Das Ausstellungsrecht ist das Recht des Fotografen, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines unveröffentlichten Fotos öffentlich zur Schau zu stellen.

[ ! ]  Bereits veröffentlichte Bilder dürfen ausgestellt werden

Das Ausstellungsrecht bezieht sich ausschließlich auf bisher nicht veröffentlichte Fotos. Diesbezüglich entscheidet allein der Fotograf, ob und in welchem Rahmen er seine Bilder ausstellen möchte.

Wurden die Bilder bereits veröffentlicht, dürfen sie allerdings danach von Dritten in öffentlichen Räumen ausgestellt werden, ohne dass der Fotograf zustimmen muss.

Das Vorführungsrecht (§ 19 Abs. 4 UrhG) | Das Verwertungsrecht des § 19 UrhG ist für Fotografen nur hinsichtlich der Regelung in § 19 Abs. 4 UrhG relevant, die übrigen Teile von § 19 UrhG beziehen sich auf Werke der Musik und auf Sprachwerke.

Das in § 19 Abs. 4 UrhG geregelte Vorführungsrecht ist das Recht, ein Werk, Lichtbildwerk oder ein Filmwerk durch technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen. Es umfasst die Vorführung von Lichtbildern und Lichtbildwerken durch Dia- und Filmprojektor, im heutigen Digitalzeitalter aber natürlich auch durch Beamer, Computermonitore, wiedergabefähige Speichermedien (zum Beispiel Bildspeicher mit Betrachtungsfunktion) etc.

Zwar wird in § 19 Abs. 4 UrhG nur das Lichtbildwerk, nicht aber das Lichtbild genannt. Jedoch gilt für das Lichtbild – wie wir gesehen haben – gemäß § 72 UrhG das Gleiche.

Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) | Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung wird in § 19a UrhG geregelt. Aus der Nummerierung des Paragrafen mit dem Zusatz »a« wird deutlich, dass es sich hier um eine Vorschrift handelt, die erst nachträglich in das Gesetz eingefügt wurde. Tatsächlich wurde die Ergänzung erst im Jahr 2003 in das Gesetz aufgenommen und schließt eine Lücke, die sich dadurch ergeben hat, dass bei Verabschiedung des UrhG das Internet und sonstige Netzwerke überhaupt noch nicht bekannt waren. Somit ergab sich durch technische Neuerungen das Erfordernis, das Recht des Urhebers, zu entscheiden, ob er seine Werke ins Internet oder sonstige Datennetze stellen möchte, zusätzlich gesetzlich zu regeln. Diese ergänzende Regelung ist das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung in § 19a UrhG.

Unter dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung versteht man nach § 19a UrhG das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

Der im Zusammenhang mit dem Verbreitungsrecht bereits erörterte Erschöpfungsgrundsatz gilt ausdrücklich nicht für das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 3 Abs. 3 der EU-Richtlinie 2001/29/EG, die im Übrigen die Grundlage für die Einführung des § 19a UrhG im Jahr 2003 darstellt. Eine besondere Rolle spielt dies für die höchst kontrovers diskutierte Frage, ob eine rechtmäßig aus dem Internet heruntergeladene Software im Hinblick auf den Erschöpfungsgrundsatz weiterverbreitet werden darf, was an dieser Stelle nicht näher erörtert werden soll. Aber auch für Fotografen hat die Frage des Erschöpfungsgrundsatzes im Zusammenhang mit § 19a UrhG durchaus praktische Bedeutung. Wenn der Fotograf seine Bilder ins Internet oder in andere Netze (Intranet) einstellt, ist das Verbreitungsrecht dadurch nicht erschöpft, d. h., allein der Fotograf bestimmt, ob und inwieweit das im Internet oder sonstigen Netz veröffentlichte Bild weiterverbreitet werden darf. Unzulässig ist es deshalb, ein Bild, das man sich zum Beispiel berechtigterweise von der Website des Fotografen heruntergeladen hat, weiterzuverbreiten bzw. in anderem Zusammenhang selbst im Internet zu verbreiten.

Neben den zuvor beschriebenen Urheberpersönlichkeits- und Verwertungsrechten gibt es noch einige weitere Vorschriften, die den Fotografen hinsichtlich seiner Fotografien schützen.

Die Bearbeitung von Bildern (§ 23 UrhG) | Der Fotograf hat das Recht, die Veröffentlichung und Verbreitung von Bearbeitungen und Umgestaltungen seiner Fotografien zu untersagen. Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen des Werkes – so heißt es in § 23 UrhG – dürfen somit nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes veröffentlicht werden.

Dies ist ein sicherlich für jeden nachvollziehbares Recht des Fotografen, geht doch mit einer Bearbeitung und Umgestaltung zumeist die künstlerische Aussage einer Fotografie verloren. Mit einer Bearbeitung oder Umgestaltung wird zumeist entscheidend und unmittelbar in die Werkschöpfung eingegriffen. Nur der Fotograf hat bei der Herstellung eine ganz bestimmte Vorstellung davon, wie seine Fotografie von der Allgemeinheit empfunden werden soll, welche Stimmung und Gefühle sie auslösen und mit welchen Stilmitteln dies erfolgen soll. Danach gestaltet, »komponiert« er seine Fotografie. Jeden Eingriff, der mit seinen Vorstellungen und den beabsichtigten Wirkungen nicht in Einklang steht, kann der Fotograf deshalb untersagen.

Möglicherweise war früher im Analogzeitalter diese Vorschrift für Fotografen von nicht allzu großer praktischer Relevanz. Der Fotograf hatte die Negative, Bearbeitungen von Papierabzügen waren in der Regel nur mit einem hohen Aufwand möglich und kamen in der Praxis nicht so häufig vor. Dies änderte sich schlagartig mit dem Aufkommen von Bildbearbeitungsprogrammen, die es ermöglichen, fast jede Änderung an einem Foto – egal, ob an einem digitalen oder an einem gescannten Analogbild – nachträglich vorzunehmen. Heute hat der § 23 UrhG deshalb für den Urheberrechtsschutz von Lichtbildern und Lichtbildwerken eine deutlich höhere Bedeutung bekommen.

[ ! ]  Verhältnis von § 23 zu § 14 UrhG

Während das Urheberpersönlichkeitsrecht des § 14 UrhG – wie gesehen – Entstellungen und entstellende Beeinträchtigungen, also nach allgemeinem Sprachgebrauch negative Veränderungen durch Verzerrung und Verfälschung etc., zum Inhalt hat, werden in § 23 UrhG die nicht entstellenden Bearbeitungen und Umgestaltungen geregelt.

[zB]  Ein Beispiel für eine Bearbeitung nach § 23 UrhG: Ein Verlag für Wandkalender kauft von einem Fotografen verschiedene Fotos und vereinbart mit ihm eine Nutzung der Fotografien für einen Alpenkalender. Da man im Verlag der Meinung ist, einige Bilder seien noch verbesserungswürdig, beginnt man ohne Einwilligung des Fotografen damit, die Fotografien mit Photoshop und Co. zu bearbeiten. An einem Bild wird ein vielleicht etwas unansehnlicher Heuschober auf einer Almwiese entfernt, auf einem anderen Foto werden ein Strommast und die dazugehörigen Stromleitungen wegretuschiert, und auf einem dritten Bild wird ein kleiner Kahlschlag an einem Berghang am Bildrand mit dem Kopierstempel durch Wald ersetzt. In allen drei Fällen handelt es sich – dies sei unterstellt – nicht um wesentliche Bildelemente. Eine Entstellung oder Beeinträchtigung nach § 14 UrhG ist hier sicher auszuschließen, denn in allen Fällen wird die grundsätzliche Bildaussage als solche nicht verändert. Sicherlich liegt jedoch eine Bearbeitung nach § 23 UrhG vor, und somit stellt die ohne Einwilligung erfolgte Veröffentlichung eine Verletzung des Urheberrechts dar. Es kommt dabei überhaupt nicht darauf an, ob die Fotos nach der Bearbeitung möglicherweise schöner sind oder von einem größeren Betrachterkreis als schöner empfunden werden.

So wurde das in Abbildung 1.11 gezeigte Bild des Rathauses in Quedlinburg zweifellos dadurch verschönert, dass ein störendes Schild »WC« und ein ebenfalls nicht sehr dekorativer Mülleimer sowie zwei Pfähle auf dem Rathausvorplatz wegretuschiert wurden. Das Ergebnis ist in Abbildung 1.12 zu sehen. Auch wenn das Foto nach Entfernung der wenig dekorativen Elemente besser wirken mag, handelt es sich um eine Bearbeitung, zu der der Urheber seine Einwilligung erteilen muss.

 Noch sind WC-Schild, Mülleimer und Poller zu erkennen …,

Abbildung 1.11     Noch sind WC-Schild, Mülleimer und Poller zu erkennen …,

 … aber die Retusche bedarf der Einwilligung des Urhebers.

Abbildung 1.12     … aber die Retusche bedarf der Einwilligung des Urhebers.

Das Recht, bearbeitete Fotos ohne Einwilligung zu veröffentlichen, entsteht auch nicht automatisch durch die Einräumung von Nutzungsrechten. Wollen Sie Bilddateien, für die Sie in der überlassenen Form ein uneingeschränktes oder beschränktes Nutzungsrecht erworben haben, nachträglich bearbeiten und dann veröffentlichen, müssen Sie dies unbedingt vorher vertraglich regeln oder im Einzelfall die Einwilligung des Fotografen einholen.

Wenn in § 23 UrhG und in den vorangegangenen Ausführungen wiederholt von Einwilligung die Rede war, bedeutet dies, dass die Veröffentlichung nicht erfolgen darf, solange der Fotograf nicht erklärt hat, dass er mit der Veröffentlichung einverstanden ist. Die Bearbeitung und Umgestaltung einer Fotografie stehen jedoch jedem frei, sofern keine Veröffentlichung erfolgt. Ausnahmen, bei denen bereits die Herstellung der Bearbeitung der Einwilligung des Urhebers bedarf, wie etwa bei Computerprogrammen, haben für die fotografische Praxis keine Relevanz.

Fotos einer Aktion als unzulässige Bearbeitung? Das Beuys-Urteil des BGH vom 16.05.2013 | Am 16.05.2013 hat der BGH (Urteil I ZR 28/12) einen langjährigen Rechtsstreit zwischen einem Beuys-Museum und der Witwe von Joseph Beuys rechtskräftig entschieden, bei dem es um eine vermeintlich unzulässige Bearbeitung eines Kunstwerkes ging.

Ein Fotograf hatte auf Wunsch von Joseph Beuys dessen exzentrische Performance im Fernsehen vor 50 Jahren fotografiert. Bei dieser Vorstellung ging es um die Herstellung einer Fettecke durch Margarine-Riegel, wobei an dieser Stelle nicht weiter über den Begriff »Kunst« zu philosophieren ist. Vielmehr bestand das Problem hier darin, dass 18 dieser Aufnahmen von dem Museum ausgestellt wurden, aber 2009 wieder entfernt werden mussten, nachdem zuvor sowohl LG als auch OLG Düsseldorf festgestellt hatten, dass durch die Fotos das Werk von Beuys umgestaltet worden sei. Dazu habe keine Einwilligung der Witwe von Beuys vorgelegen, auf die mit dem Tod von Beuys im Jahr 1986 die Urheberrechte übergegangen waren.

Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 30.12.2011 – 20 U 201/09) hatte noch festgestellt, dass die Abbildung der Performance durch Fotografien aus urheberrechtlicher Sicht eine Vervielfältigung gemäß § 16 UrhG bzw. eine Bearbeitung gemäß §§ 23, 24 UrhG darstelle, wenn es sich wie in diesem Fall um eine Schritt für Schritt darstellende Dokumentation mit wechselnden Perspektiven und Bildausschnitten handele. Weil das ursprüngliche Werk auf den Fotos sichtbar bleibe, handle es sich um eine sogenannte unfreie Bearbeitung, die ohne Zustimmung des Künstlers als Urheber nicht zulässig gewesen sei.

Dieses Urteil hat der BGH nun aufgehoben und dem Museum die Ausstellung der Fotos gestattet, wobei allerdings nicht ganz klar ist, ob und welche allgemeinen Schlüsse daraus abgeleitet werden können. Denn der BGH hat in seiner mündlichen Urteilsverkündung darauf hingewiesen, dass man zur Beurteilung, ob eine unzulässige Bearbeitung vorgelegen habe oder nicht, die gesamte Originalaktion hätte kennen müssen, das Gericht jedoch nur einzelne Aspekte kenne, da es eine Aufzeichnung der Aktion seinerzeit nicht gegeben habe. Ob damit allerdings tatsächlich verallgemeinernd der Aussage des obsiegenden Museums gefolgt werden kann, dass die Ausstellung von Fotografien dynamischer Kunstwerke nicht mehr von der Zustimmung des Künstlers oder seiner Erben abhängig sei, halte ich persönlich eher für fraglich.

[+]  Einwilligung oder Genehmigung

Die Zustimmung zu einer Handlung bedeutet die Erklärung des Einverständnisses. Ist die Zustimmung vor der Vornahme einer Handlung erforderlich, spricht man von Einwilligung, während die nachträgliche Zustimmung als Genehmigung bezeichnet wird. Zustimmung ist somit der Oberbegriff zu Einwilligung und Genehmigung.

Freie Benutzung (§ 24 UrhG) | Nicht selten kommt es vor, dass man in Büchern, Zeitschriften oder Ausstellungen Fotos sieht, von denen man fasziniert oder begeistert ist und die man in dieser Form auch herstellen möchte. Dabei handelt es sich in der Regel um Lichtbildwerke, also Fotos mit gewisser Schöpfungshöhe. Ein fotografisch nichtssagendes Lichtbild wird wohl nur in seltenen Fällen zur Nachahmung animieren.

Es stellt sich dann jedoch aus rechtlicher Sicht immer die Frage, ob man das, was ein anderer zuvor als geschütztes Werk nach dem UrhG geschaffen hat, genauso auch herstellen darf und mit dem so geschaffenen Foto selbst Urheberrechte in Anspruch nehmen kann.

Die dazu im UrhG zu findende Regelung regelt diese Frage nur indirekt, also nicht etwa mit einer Vorschrift, die im Wortlaut festlegt, ob die Nachstellung eines Fotos zulässig ist oder nicht.

[§]  § 24 UrhG – freie Benutzung

»Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden. (…)«

§ 24 UrhG sagt damit aus, dass man sich von einem fremden Werk anregen lassen kann, um ein eigenes Werk zu schaffen, das fremde Werk jedoch nicht kopieren darf. Die Betonung liegt hier auf »freier Benutzung«, die zu unterscheiden ist von unfreier Bearbeitung oder gar vom Plagiat.

Die Frage, ob im Einzelfall eine fremde Fotografie nachgestellt wurde oder nur als Anregung diente, ist eine schwierige Abgrenzungsfrage, die im Einzelfall zu entscheiden ist. Generelle Regelungen, wann das eine und wann das andere vorliegt, sind schlechterdings nicht möglich.

Das exakte Nachstellen von Fotos, die auf einem künstlerischen Arrangement beruhen oder ein besonderes Motiv oder eine besondere Pose zeigen, ist jedenfalls dann unzulässig, wenn das eigene Foto keine eigenständige Bildaussage und selbst keine schöpferischen Elemente beinhaltet. Dabei stellt die Rechtsprechung zum Schutze des Urhebers relativ hohe Anforderungen an eine freie Benutzung im Sinne des § 24 UrhG.

Der BGH hat dies in einem Urteil, in dem es um Asterix-Persiflagen ging (Urteil 11.03.1993 – I ZR 264/91 – »Asterix«), auf folgende Formel gebracht:

[§] »Freie Benutzung liegt dann vor, wenn angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten alten Werkes verblassen.«

Je mehr sich also das eigene Foto von dem bereits bestehenden Foto unterscheidet, das als Vorlage gedient hat, desto eher ist von einer freien Benutzung auszugehen. Umgekehrt gilt, je mehr das Foto die Assoziation mit der Vorlage hervorruft, desto weniger wird es sich um eine freie Benutzung handeln. Letztlich ist dies, wie bereits erwähnt, immer eine Frage des Einzelfalls.

[zB]  Ein Beispiel: Der Fotograf findet in einem Buch eine Fotografie, die ein Stillleben darstellt: eine Käseplatte, bestehend aus einer Holzplatte, arrangiert mit verschiedenen Käsesorten, blauen Weintrauben, die zum frischeren Aussehen mit Wasser besprengt wurden, und im Vordergrund einem angeschnittenen Camembert, vor dem ein Käsemesser liegt. Rechts daneben steht ein halb gefülltes Glas Rotwein.

Der Hobbyfotograf ist angetan von der Aussage dieses Fotos und baut nun in seinem Heimstudio dieses Arrangement auf, indem er ebenfalls eine Holzplatte mit verschiedenen Käsesorten, möglicherweise sogar denselben, mit Wasser besprengte Weintrauben, einem angeschnittenen Camembert im Vordergrund, dem Käsemesser und dem Weinglas verwendet. Anschließend veröffentlicht er dieses Foto in einer Fotozeitung.

Hier liegt sicherlich eine vom § 24 UrhG nicht mehr gedeckte freie Benutzung, sondern eine Nachstellung vor, die unzulässig ist. Ein besonderer schöpferischer Wert ist hier nicht erkennbar. Es wurden die Bildelemente 1:1 im eigenen Bild übernommen. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Fotograf zum Beispiel das Weinglas von rechts nach links versetzt. Auch darin kann wohl kaum eine schöpferische Eigenleistung gesehen werden.

Das heißt aber andererseits natürlich nicht, dass der Fotograf nun gehindert wäre, sich durch dieses Bild inspirieren zu lassen und selbst ein Stillleben mit Käseplatte fotografisch umzusetzen. Wir wissen ja auch bereits, dass Ideen als solche nicht geschützt sind.

Arrangiert der Fotograf dagegen verschiedene, möglichst andere Käsesorten auf einer Glasplatte, ersetzt das Weinglas durch einen Bierkrug, lässt die Weintrauben weg und fügt stattdessen einige Brezeln hinzu, nimmt dann vielleicht noch eine blau-weiß-karierte Tischdecke als Untergrund, um der Aufnahme einen bayrischen Stil zu vermitteln, ergibt sich sicherlich eine völlig andere Bildaussage – eine eigene schöpferische Leistung, die unter § 24 UrhG fällt, ist dann erkennbar.

[ ! ]  Wann liegt eine Nachstellung vor?

Es kommt bei der Frage, ob eine Nachstellung vorliegt, entscheidend darauf an, wie hoch die eigene schöpferische Leistung an dem vermeintlich nachgestellten Bild ist und welchen Anteil am Gesamtwerk der Teil ausmacht, der lediglich von einem anderen »abgekupfert« wurde. Denn die rein handwerkliche Leistung des Arrangements des Stilllebens im Beispielfall und die anschließende Betätigung des Auslösers sind keine schöpferische Leistung.

[zB]  Es handelt sich deshalb bei der Frage, ob eine unzulässige Nachstellung vorliegt oder nicht, immer um eine Frage des Einzelfalls. Aus diesem Grund gibt es gerade dazu eine Fülle von Gerichtsurteilen, von denen drei, die immer wieder in diesem Zusammenhang zitiert werden, exemplarisch kurz dargestellt werden sollen:

Einem vom OLG Köln (Urteil vom 05.03.1999 – 6 U 189/97 – »Klammerpose«) entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Fotograf A war Urheber einer Fotografie, die ein tanzendes Paar zeigte, und zwar so, dass es sich in einer Art Klammerpose umschlungen hielt. Ein farbiger Tänzer, von dem nur der Rücken zu sehen war, wurde von einer weißen Frau mit Händen und Füßen umklammert, und die Frau schaute am Körper des Mannes vorbei in die Kamera. Das Foto wurde u. a. als Postkarte vertrieben und in Ausstellungen gezeigt. Fotograf B hatte genau diese Pose nachgestellt, die sich von dem Foto von A nur dadurch unterschied, dass die Frau an der anderen Seite des Tänzers vorbeisah und der Tänzer eine weiße Hautfarbe hatte.

Das OLG hat eine unzulässige Nachstellung angenommen und ausgeführt, wenn der Vergleich zweier Fotos in allen wesentlichen Elementen einer gestellten und anschließend fotografierten Pose (hier: männliche Rückenansicht ohne Kopf mit waagerecht ausgebreiteten Armen, Frau in »Klammerhaltung« mit dem Betrachter zugewandtem Gesicht) deutliche Übereinstimmungen aufweise, seien Abweichungen im Detail, die den Gesamteindruck unberührt lassen, nicht geeignet, den für § 24 UrhG notwendigen Abstand zu schaffen.

Mit einem anderen Fall hatte sich das LG Hamburg zu befassen (Urteil vom 21.09.2005 – 308 O 435/05 – »Rote Couch«): Ein international bekannter Fotograf hatte ein Bild hergestellt, das zwei junge Damen auf einer roten Couch zeigte. Das Besondere der Aufnahme bestand darin, dass diese Couch mit zwei Seilen an einem dicken Ast eines Baumes – quasi wie eine Schaukel – befestigt war. Der Ast (ohne Belaubung) ragte vom linken Bildrand in das Bild hinein. Eine Brauerei hatte zur Werbung für ihr Weißbier ein Foto verwendet, das ebenfalls eine Couch, allerdings mit drei Personen und in der Farbe Braun, zeigte, die mit zwei Seilen schaukelgleich an einem von links ins Bild ragenden Ast befestigt war, der allerdings in diesem Bild Laub trug. Auch hier hat das LG eine unzulässige Nachstellung angenommen, da das Wesentliche, was das Bild und seine Aussage ausmache, die am Baum mit zwei Seilen befestigte und nahezu frei schwebende Couch sei, während es auf die anderen Bildelemente nur sekundär ankomme.

Umgekehrt wurde jedoch die Klage einer Theaterfotografin vom OLG Hamburg (Urteil vom 19.06.1995 – 3 U 302/94 – »Troades«) abgewiesen. Die Fotografin hatte eine Schauspielerin in der Produktion »Troades« fotografiert, die mit beiden Armen eine Krone auf dem Kopf festhält und einen strengen Gesichtsausdruck zeigte. Ein Zeitungsverlag ließ ein Foto mit gleicher Pose – allerdings einer anderen Krone und einem etwas veränderten, weniger strengen Gesichtsausdruck der Schauspielerin – herstellen.

Das OLG hat in diesem Fall keine unzulässige Nachstellung gesehen und dies damit begründet, dass ein Nachstellen nur dann vorliegen könne, wenn das abgebildete Motiv auf einem künstlerischen Arrangement des Fotografen beruhe, das hier nicht vorliege. Vielmehr habe nur eine vorgegebene Inszenierung vorgelegen, auf die die Fotografin keinen Einfluss gehabt habe und die deshalb eine kreative Eigenleistung der Fotografin nicht erkennen lasse. Die Übereinstimmung der Posen in beiden Bildern sei nicht ausreichend, um eine unzulässige Nachstellung anzunehmen.

Nun gibt es – wie mir ein Teilnehmer bei einem meiner Seminare entgegenhielt – Fotobücher, die Beispielfotos gerade zu dem Zweck beinhalten, dass der Hobbyfotograf sie zu Lernzwecken nachstellen und fotografieren soll. Darf man das denn vor dem Hintergrund des Dargestellten?

Solche Beispielfotos, die zu Lernzwecken bestimmt sind, dürfen natürlich nachgestellt werden, auch im Verhältnis 1:1, denn dafür sind sie schließlich da. Insofern ist hier von einem, wenn nicht ausdrücklich erklärten, so jedoch wenigstens konkludenten Einverständnis des Buchautors auszugehen. Zu beachten ist aber, dass das bloße Nachstellen der Fotos – unabhängig von einer Zustimmung des Autors – noch gar keine unfreie Verwendung im Sinne des § 24 UrhG ist, da es an einer Veröffentlichung fehlt. Erst wenn der Hobbyfotograf, stolz über das Ergebnis seiner Versuche, das Foto mit dem nachgestellten Motiv anschließend veröffentlicht, liegt eine unfreie Benutzung nach § 24 UrhG und damit eine Urheberrechtsverletzung vor, da sich die Zustimmung des Autors, Fotos zu Übungszwecken nachzustellen, zweifellos nicht auf deren anschließende Veröffentlichung erstreckt. Damit wird gleichzeitig deutlich, dass man im privaten Bereich alles an Motiven nachstellen darf, was man möchte, solange man die Aufnahmen nicht veröffentlicht.

Das Nachstellungsverbot gilt jedoch in der Regel nicht für Fotos an öffentlichen Orten, hier besteht grundsätzlich Motivfreiheit. Der Kölner Dom, die Landungsbrücken von St. Pauli, das Rathaus in München oder beliebige andere Motive in der Öffentlichkeit dürfen natürlich von jedermann fotografiert werden, auch wenn etliche andere Fotografen genau diese Fotos, aus gleicher Perspektive, bei gleicher Tageszeit etc. bereits gemacht haben. Auch Postkarten von Sehenswürdigkeiten dürfen grundsätzlich nachgestellt werden. Ein guter und kreativer Fotograf zeichnet sich ja bekanntlich nicht dadurch aus, dass er eine Bildgestaltung wählt, die es schon etliche Male auf Postkarten oder in Bildbänden gibt.

Allerdings gibt es ein – es ist derzeit aber wohl noch das einzige – Urteil, das die Motivfreiheit an öffentlich zugänglichen Orten eindeutig infrage stellt. Völlig zu Recht wird deshalb eine Entscheidung des LG Mannheim (Urteil vom 14.07.2006 – 7 S 2/03 – »Freiburger Münster«) kritisiert, das in folgendem Fall – anders als die Vorinstanz – ein unzulässiges Nachstellen auch für öffentliche Motive angenommen hat:

Ein Fotograf hatte das Freiburger Münster mit dem Karlssteg im Vordergrund in der Abenddämmerung fotografiert. Auf der Brücke befanden sich im Hintergrund zwei Personen, die nebeneinandergingen und nur als Silhouette erkennbar waren (Gegenlichtaufnahme). Das Foto erschien zunächst 1993 als Postkarte, 1995 dann auch in einem Bildband über Freiburg. Eine Fotografin hat dann im Jahr 2003 für einen Kalender vom gleichen Standort aus, ebenfalls in der Abenddämmerung, das Münster mit dem Karlssteg im Vordergrund fotografiert, auch auf ihrem Bild befinden sich an fast derselben Stelle zwei Personen, allerdings eng nebeneinandergehend und als Paar erkennbar, als Silhouette. Der Unterschied beider Aufnahmen besteht nur darin, dass im Bild der Fotografin die durch den Sonnenuntergang verursachte Himmelsfärbung deutlich kräftiger ist und die Wolken besser mit dem Himmel kontrastieren.

Das LG Mannheim begründete die unzulässige Nachstellung so:

[§] »Zwar ist nicht zu verkennen, dass das von der Beklagten im Kalender der Volksbank Freiburg verwendete Bild des Karlsstegs mit Münster durch die deutlichere Färbung des Himmels und die klar als Paar erkennbaren Personen auf dem Steg keine bloße Kopie der klägerischen Fotografie ist. Allerdings ist der Abstand zur Fotografie des Klägers zu gering, um in den Bereich der freien Bearbeitung zu gelangen. Denn die Fotografie der Beklagten verwendet sämtliche Gestaltungselemente des klägerischen Bildes, die dessen Schutzfähigkeit als Lichtbildwerk begründen. Hierzu gehört die charakteristische Verwendung des Gegenlichts, die Architektur und Personen eine silhouettenhafte Gestalt verleiht. Hierzu gehört weiter die vom Standort des Fotografierenden aus gewählte Brennweite, die zu einer diagonalen Anordnung des Stegs führt. Hierzu gehört schließlich, dass sich das charakteristische Abendlicht im Steg spiegelt und somit der Steg als dynamischer Kontrast zur statischen Silhouette von Münster und der auf dem Steg befindlichen Personen fungiert.«

Dieses Urteil wird meines Erachtens zu Recht kritisiert, und zwar deshalb, weil beide Fotografen eher (zufällig) zur gleichen Tageszeit vom gleichen Standpunkt aus ein öffentliches Motiv fotografiert haben, das sie so, wie es gerade war, vorgefunden haben, ohne dass man der Fotografin eine Absicht nachweisen konnte, genau das Foto ihres Kollegen nachzustellen, oder dass sie ganz bewusst die Stilelemente des früher entstandenen Bildes übernommen hätte, denn diese ergaben sich im Wesentlichen aus dem vorgefundenen Ort. Würde man diesem Urteil Allgemeingültigkeit zuerkennen, hieße dies nichts anderes, als dass man bei der Aufnahme an öffentlichen Orten nie sicher sein könnte, ob man bei der späteren Veröffentlichung seines Fotos nicht schon deshalb eine Urheberrechtsverletzung durch Nachstellen begeht, weil bereits ein anderer Fotograf dort zur gleichen Tageszeit gewesen ist und aus gleichem Blickwinkel fotografiert hat. Hier muss auch aus meiner Sicht die Motivfreiheit an öffentlichen Orten Vorrang haben, und zwar solange nicht offenkundig ist oder sich aus den Umständen des Einzelfalls eindeutig ergibt, dass ganz bewusst Stilelemente eines anderen Fotografen übernommen oder möglicherweise sogar erst konstruiert wurden, zum Beispiel weil ein ganz bestimmter, signifikanter Gegenstand, der auch im anderen Bild bildbestimmend war, im Vordergrund drapiert wird o. Ä. Nach meiner Meinung muss das an öffentlich zugänglichen Orten gefertigte Foto auch eine solche Schöpfungshöhe aufweisen, dass kaum vorstellbar ist, dass jemand, der dieses Foto vor seiner eigenen Aufnahme nicht kannte, genau die gleiche Aufnahme machen konnte und ein Zufall weitestgehend ausgeschlossen werden kann.

Es bleibt deshalb zu hoffen, dass dieses Urteil das einzige seiner Art bleiben wird und dass von der Rechtsprechung die Motivfreiheit an öffentlichen Orten nicht durch weitere derartige Urteile infrage gestellt wird.

Konsequenzen aus zulässiger Bearbeitung und freier Nutzung | Soweit es sich um eine Bearbeitung nach § 23 UrhG oder um eine freie Benutzung nach § 24 UrhG handelt, also jeweils eigenständige Schöpfungen vorliegen, regelt § 3 UrhG, dass Bearbeitungen eines Werkes, die persönliche geistige Schöpfungen des Bearbeiters sind, unbeschadet des Urheberrechts am bearbeiteten Werk wie selbstständige Werke geschützt werden. Dem Bearbeiter stehen die gleichen Ausschließlichkeitsrechte am bearbeiteten Foto zu wie dem Urheber des Originals an seinem Original.

Die Formulierung »unbeschadet des Urheberrechts am bearbeiteten Werk« in § 3 UrhG bedeutet nichts anderes, als dass derjenige, der eine Bearbeitung eines Fotos, die eine persönliche geistige Schöpfung darstellt, vorgenommen hat, am bearbeiteten Foto zwar Urheberrechte genießt, das Bild jedoch trotzdem nicht veröffentlichen oder in sonstiger Weise verwerten darf, solange der Fotograf des bearbeiteten Bildes dazu keine Einwilligung erteilt hat. Die Urheberrechte am ursprünglichen Foto können natürlich durch die Urheberrechte des Bearbeiters nicht verwässert oder untergraben werden.

[ ! ]  Neue Urheberrechte des Bearbeiters

An der Bearbeitung eines Fotos nach § 23 UrhG und der freien Benutzung nach § 24 UrhG entstehen eigene Urheberrechte. Das sogenannte Bearbeiterurheberrecht entsteht auch hier automatisch mit der Herstellung der Bearbeitung, und zwar auch dann, wenn die Einwilligung des Urhebers des Originals zur Veröffentlichung nicht erteilt wurde.

Andererseits ist der Urheber des bearbeiteten Fotos natürlich daran gehindert, sich die Bearbeitung zu eigen zu machen, weil ihm sein eigenes Foto mit der Bearbeitung vielleicht besser gefällt. Denn dann würde er das nach § 3 UrhG neu entstandene Urheberrecht des Bearbeiters verletzen.

Collagen | Vorsicht ist auch geboten bei sogenannten Collagen, d. h. der Zusammensetzung aus verschiedenen fremden Fotos. Hier kommt es entscheidend darauf an, ob in der Collage eine neue Schöpfung zu sehen ist, deren Schöpfungshöhe so hoch ist und so viel Individualität aufweist, dass dahinter die verwendeten Fremdfotos weitestgehend verblassen. Wann dies der Fall ist, kann natürlich nur anhand des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden.

[ ! ]  Vorsicht bei Collagen!

Eine Collage kann umso weniger als neues Werk angesehen werden, je höher die Schöpfungshöhe und Individualität der Fremdfotos zu beurteilen ist. Handelt es sich somit bei den für die Collage verwendeten Fremdfotos um fotografisch mehr oder weniger anspruchslose Werke, wird man eine daraus erstellte Collage viel eher als eigenständiges, neues Werk ansehen können als bei der Verwendung von fotografischen Spitzenaufnahmen.

Doppelschöpfungen | Natürlich ist es denkbar, dass zwei Fotografen unabhängig voneinander die gleiche Bildidee haben und Fotograf B ein Bild herstellt, das in fast identischer Form bereits von Fotograf A hergestellt wurde, Fotograf B aber nicht bekannt ist. Man spricht dann von Doppelschöpfungen, bei denen beide Bilder den gleichen Urheberschutz genießen. Abgesehen davon, dass solche Fälle relativ selten sein dürften, hat dann der Letzte, der das Foto gemacht hat, hier also B, den Nachweis zu führen, dass er sein Bild völlig unabhängig von dem Bild von A hergestellt hat. Dies dürfte in der Praxis nicht unbedingt leicht sein, da sich für den unbefangenen Betrachter zunächst einmal der Eindruck eines Plagiats aufdrängen dürfte.

1.2.3    Einräumung von Nutzungsrechten – der Zweckübertragungsgrundsatz

Am Ende meiner allgemeinen Ausführungen über die Urheberrechte aus fotografischer Sicht möchte ich noch auf einen Grundsatz eingehen, der im Zusammenhang mit der Interpretation von Nutzungsrechten immer wieder von Bedeutung ist, nämlich auf den Zweckübertragungsgrundsatz.

Sie haben in Abschnitt 1.1.7 über die Rechtsnatur des Urheberrechts bereits erfahren, dass gemäß § 31 UrhG vom Fotografen per Vertrag weitgehende Nutzungsrechte übertragen werden können. Häufig geschieht dies in der Praxis jedoch ohne eindeutige Regelung des Nutzungsumfangs, und es kommt deshalb später zum Streit darüber, welche Nutzungsarten vereinbart wurden und wie weit das jeweilige Nutzungsrecht reicht. In diesem Fall greift der Zweckübertragungsgrundsatz, der in § 31 Abs. 5 UrhG geregelt ist.

[§]  Zweckübertragungsgrundsatz

»Sind bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet, so bestimmt sich nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten es sich erstreckt.« (§ 31 Abs. 5 Satz 1 UrhG)

Immer dann, wenn das zwischen den Parteien vereinbarte Nutzungsrecht unklar ist, ist also davon auszugehen, dass der Fotograf die Nutzung eines Bildes dem Vertragspartner nur insoweit einräumt, als es der Vertragszweck unbedingt erfordert.

[zB]  Am besten lässt sich der Zweckübertragungsgrundsatz, der von den Gerichten im Zweifel zugunsten des Fotografen ausgelegt wird, erneut an einem Gerichtsfall veranschaulichen, den das LG Köln (Urteil vom 20.12.2006 – 28 O 468/06) zu entscheiden hatte:

Der Kläger, ein Fotograf, erstellte für einen Rechtsanwalt Bewerbungsfotos, die er anschließend auf einer CD-ROM an seinen Auftraggeber geliefert hat. Als der Fotograf kurze Zeit später im Internet entdeckte, dass die als Bewerbungsfotos gefertigten Fotografien von seinem Auftraggeber auf dessen Website verwendet wurden, machte er die Verletzung seines Urheberrechts, hier des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG, geltend. Der Anwalt seinerseits war der Auffassung, nach § 60 UrhG zur Verwendung der Bilder auf seiner Website berechtigt zu sein. Eine klare Vereinbarung war zwischen den Parteien nicht getroffen worden, insbesondere konnte der Anwalt nicht den Nachweis erbringen, dass bei Vertragsschluss die Einstellung auf der Website besprochen worden war.

Das Gericht gab in Anwendung des Zweckübertragungsgrundsatzes dem Fotografen Recht und stellte fest, dass die Parteien sich nur über die Erstellung von Bewerbungsfotos geeinigt hatten, der Vertragszweck also ausschließlich in der Fertigung derartiger Fotos bestand und der Anwalt auch zur Nutzung der Fotos nur im Rahmen des Vertragszwecks berechtigt war. Dies schließe eine Nutzung im Internet nicht ein, eine solche sei auch nicht von § 60 UrhG gedeckt.

[zB]  Zuletzt hat sich 2015 das OLG Hamm nochmals mit dem Zweckübertragungsgrundsatz befasst. In seinem Urteil vom 17.11.2015 (4 U 34/15) hat das Gericht entschieden, dass der Auftraggeber eines freiberuflichen Fotografen unzulässigerweise in dessen Nutzungsrechte eingreift, wenn er Modeaufnahmen, die für einen von ihm publizierten Katalog gefertigt wurden, an seine Vertriebspartner weitergibt. Dies war eben nicht vereinbart worden.

Diese Fälle zeigen ein weiteres Mal sehr eindrucksvoll, wie wichtig klare schriftliche Vereinbarungen sind, um spätere Streitigkeiten über die vereinbarten Nutzungsarten und den Umfang eingeräumter Nutzungsrechte möglichst von vornherein zu vermeiden.

1.2.4    Schutz des Filmherstellers – Besonderheiten beim Filmen

Ich hatte Sie bereits eingangs darauf hingewiesen, dass für Filmaufnahmen – gleichgültig, ob mit Camcorder oder mit in der Kamera integrierter Videofunktion – der gleiche Urheberschutz gilt wie für Lichtbildwerke. Dem Schutz des Filmherstellers sind dennoch zwei gesonderte Vorschriften im UrhG gewidmet, nämlich die §§ 94 und 95 UrhG, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.

§ 94 Abs. 1 UrhG regelt, dass der Hersteller eines Films das ausschließliche Recht hat, den Bildträger bzw. Bild- und Tonträger, auf den das Filmwerk aufgenommen wurde, zu vervielfältigen, zu verbreiten und zur öffentlichen Vorführung, Funksendung oder öffentlichen Zugänglichmachung zu benutzen. Darüber hinaus hat der Filmhersteller nach dieser Vorschrift das Recht, jede Entstellung oder Kürzung des Bildträgers oder Bild- und Tonträgers zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten Interessen an diesem zu gefährden.

In § 94 Abs. 2 UrhG wird sodann geregelt, dass dieses Recht übertragbar ist und Nutzungsrechte erteilt werden können, wobei in diesem Zusammenhang auf die Ihnen bereits bekannten §§ 31 und 33–38 UrhG Bezug genommen wird, in denen die Übertragung von Nutzungsrechten im Einzelnen geregelt ist.

§ 94 Abs. 3 UrhG normiert schließlich eine Schutzfrist für den Filmhersteller von 50 Jahren nach dem Erscheinen des Bildträgers oder Bild- und Tonträgers. Sofern der Film bereits früher berechtigterweise öffentlich wiedergegeben wurde, gilt die Frist von 50 Jahren nach der Wiedergabe. Die Frist beginnt nach § 69 UrhG mit Ablauf des Jahres, in dem das für den Beginn der Frist maßgebende Ereignis eingetreten ist.

§ 95 UrhG legt sodann fest, dass die vorgenannte Vorschrift des § 94 UrhG auch auf Laufbilder anzuwenden ist, wobei man unter Laufbildern solche Bildfolgen und Bild- und Tonfolgen versteht, die nicht als Filmwerke geschützt sind, weil sie nicht über genügende Werkqualität, d. h. Schöpfungshöhe, verfügen. Insoweit stellt § 95 UrhG eine Parallele zu § 72 UrhG dar, der bekanntlich Lichtbilder in ihrem urheberrechtlichen Schutz den Lichtbildwerken gleichstellt.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass für Filmwerke im Wesentlichen der gleiche urheberrechtliche Schutz wie für Fotos besteht, nur dass die Urheberrechte an Filmwerken partiell an anderer Stelle im UrhG ausdrücklich geregelt sind. Soweit sie nicht Sachverhalte regeln, die auf Filmwerke nicht zutreffen, gelten im Übrigen für Filmwerke auch die übrigen Vorschriften des UrhG.

In diesem Kapitel haben Sie die Teile des Urheberrechts kennengelernt, die für den Bereich des Foto- und Bildrechts relevant sind und die Grundlage für die folgenden Detailbetrachtungen bilden. Jetzt ist es an der Zeit, uns den konkreten Rechtsfragen zu widmen, die sich im Bereich der Fotografie stellen. Im nächsten Kapitel wende ich mich zunächst der Sachfotografie zu, im übernächsten Kapitel geht es dann um die Personenfotografie.