6 Rechte schützen
Vom Unterlassungs- bis zum Schadensersatzanspruch
Das Gesetz bietet einem Fotografen verschiedene rechtliche Maßnahmen an, wenn er feststellt, dass sein Urheberrecht verletzt worden ist. Diese Maßnahmen reichen vom Unterlassungs- bis zum Schadensersatzanspruch. Der Fotograf kann diesen Ansprüchen aber auch selbst ausgesetzt sein, sofern er es ist, der das Urheber- oder Persönlichkeitsrecht eines anderen verletzt. Wie die Rechtslage hier im Einzelnen aussieht, erfahren Sie in diesem Kapitel.
Es ist heute gar nicht so selten, dass Bildrechte verletzt werden. Durch das Internet ist der sogenannte Bilderklau fast schon verführerisch leicht geworden. Viele, die eigene Fotos für bestimmte Zwecke nicht zur Verfügung haben, nicht selbst anfertigen können oder wollen oder die sich die Gebühren für Bildagenturen sparen möchten, schauen im Internet nach, ob es nicht preiswertes Bildmaterial gibt, das man sich schnell herunterladen kann. Das fängt im gewerblichen Bereich an, indem u. a. Bilder für Werbezwecke von Websites heruntergeladen werden, und reicht bis in den privaten Bereich, wo zum Beispiel bei eBay-Auktionen Bilder von anderen Teilnehmern übernommen werden, die gleiche Artikel auch verkaufen oder kürzlich verkauft haben.
Der Fotograf kann bei solchen Urheberrechtsverletzungen sowohl »Täter« als auch »Opfer« sein. Als »Täter« kommt er zum Beispiel in Betracht, wenn er ohne Zustimmung des Urhebers das Bild eines urheberrechtlich geschützten Werkes veröffentlicht hat und die Panoramafreiheit im konkreten Fall nicht gegolten hat. Der Fotograf hat zum Beispiel eine urheberrechtliche geschützte Skulptur fotografiert und dabei nicht beachtet, dass er sich auf einem Privatgrundstück befunden hat (wir haben diesen Fall in Abschnitt 2.2.4, »Panoramafreiheit in Deutschland (§ 59 UrhG)« besprochen). Als »Opfer« einer Urheberrechtsverletzung dagegen stellt der Fotograf zum Beispiel fest, dass ein Foto von ihm, ohne seine Einwilligung und ohne seinen Namen zu nennen, in einer Internetwerbung verwendet wird.
Die Ansprüche, die dem Verletzten in diesen Fällen zustehen, ergeben sich unmittelbar aus dem Urhebergesetz. Die wichtigsten Ansprüche werde ich in Abschnitt 6.1, im Einzelnen darstellen.
Außerdem entstehen Ansprüche immer dann, wenn das Recht am eigenen Bild verletzt wurde. Die abgebildete Person, deren Bildnis ohne ihre Einwilligung veröffentlicht wurde, kann im Wesentlichen dieselben Ansprüche geltend machen wie ein Urheber. Hier befinden sich die Anspruchsgrundlagen zum Teil im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), weil es sich nicht um urheberrechtliche Ansprüche handelt, sondern um Ansprüche wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung. Wegen des vermögensrechtlichen Charakters des Rechts am eigenen Bild gelten jedoch ergänzend auch die für Urheberrechtsverletzungen geltenden Grundsätze. Diesen Ansprüchen werde ich mich in Abschnitt 6.2 widmen.
Auf einige Strafvorschriften im Strafgesetzbuch (StGB) und im UrhG für den Fall einer Urheberrechts- oder Persönlichkeitsrechtsverletzung werde ich in Abschnitt 6.3 kurz eingehen.
Schließlich widme ich mich in Abschnitt 6.4 der interessanten Frage, ob man sich gegen Paparazzi auch mit körperlicher Gewalt wehren darf.
[+] Rechtsverfolgung mit oder ohne Anwalt?
Benötigt man zur Wahrung seiner Urheberrechte einen Anwalt? Außergerichtlich kann sicherlich jeder zunächst einmal selbst tätig werden und sich gegen Rechtsverletzungen wehren. Spätestens dann jedoch, wenn die Gegenseite einen Anwalt einschaltet, der mit allen möglichen rechtlichen Argumentationen den geltend gemachten Anspruch bestreitet, ist es an der Zeit, über die Beauftragung eines eigenen Anwalts ernsthaft nachzudenken. Zu berücksichtigen ist auch, dass es in manchen Fällen Fristen geben kann, deren Einhaltung darüber entscheidet, ob ein Anspruch durchsetzbar ist oder nicht. Der Laie wird vielfach die Fristen nicht kennen. Deshalb ist es durchaus überlegenswert, einen Anwalt sofort dann einzuschalten, wenn die Rechtsverletzung bemerkt wurde bzw. wenn ein Anspruchsschreiben eines vermeintlich Verletzten bzw. von dessen Anwalt eingegangen ist.
Im gerichtlichen Verfahren kann jedoch die Einschaltung eines Anwalts obligatorisch sein. Dies hängt davon ab, wie hoch der Gegenstandswert des Verfahrens ist. Unter Gegenstandswert versteht man den Wert, den die eingeklagten Ansprüche haben. Macht man vor Gericht eine Geldforderung in Höhe von 1.000 € geltend, ist dieser Betrag gleichzeitig der Gegenstandswert, dies ist noch einfach und leicht verständlich. Schwieriger wird es aber häufig bei nicht bezifferten Anträgen. Dann muss nämlich ein Streitwert ermittelt, gegebenenfalls auch geschätzt werden, der sich u. a. daran orientieren wird, was zum Beispiel der Fotograf vom Verlag an Honorar hätte beanspruchen können, wenn der Verlag ihm die Bildrechte abgekauft hätte, und was der Fotograf möglicherweise als Schadensersatz beanspruchen kann. Dies abzuschätzen ist am Beginn einer rechtlichen Auseinandersetzung zunächst Aufgabe des Anwalts. Der endgültige Gegenstandswert für ein Gerichtsverfahren wird vom Gericht am Ende des Verfahrens durch Beschluss endgültig festgelegt. Der Streitwert ist insoweit von Bedeutung, als sich danach die Zuständigkeit des Gerichts richtet, aus der sich wiederum ergibt, ob man einen Anwalt zwingend benötigt oder nicht. Bis zu einem Gegenstandswert von derzeit 5.000 € sind die Amtsgerichte zuständig. Dort herrscht kein Anwaltszwang, man kann sich dort selbst vertreten. Liegt der Streitwert über 5.000 €, also bereits ab 5.000,01 €, sind dagegen die Landgerichte zuständig. Hier herrscht ausnahmslos Anwaltszwang, man muss sich folglich von einem Anwalt vertreten lassen und kann selbst keine wirksamen Prozesshandlungen vornehmen, etwa Anträge stellen etc.
Grundsätzlich möchte ich Ihnen aus meiner langjährigen Anwaltserfahrung dringend dazu raten, auch dann einen Anwalt mit der Durchsetzung Ihrer Rechte zu beauftragen, wenn dies nicht zwingend vorgeschrieben ist, es sei denn, Sie kennen sich aus irgendwelchen Gründen mit dem materiellen und prozessualen Recht gut aus. Schon die korrekte Formulierung einer Abmahnung bereitet oft sogar Juristen, die normalerweise in gänzlich anderen Rechtsgebieten und nicht im Urheber- oder Wettbewerbsrecht tätig sind, erhebliche Schwierigkeiten, die immer wieder zu folgenschweren Fehlern führen können. Spätestens vor Gericht ist das Risiko, einen Prozess zu verlieren, den man ohne anwaltliche Unterstützung führt, recht hoch, insbesondere dann, wenn es sich um kompliziertere Sachverhalte und Rechtsfragen handelt, was nicht immer von vornherein erkennbar ist, und die Gegenseite zudem vielleicht noch (fach)anwaltlich vertreten ist. Denn dann besteht in vielen Fällen keine »Waffengleichheit« mehr.
Hinzu kommt, dass bei einer tatsächlichen Rechtsverletzung die Gebühren des eigenen Anwalts von der Gegenseite getragen werden müssen, sodass es sich auch unter finanziellen Gesichtspunkten nicht lohnen dürfte, auf den Anwalt zu verzichten. Auf eine Rechtsschutzversicherung – dies sei abschließend erwähnt – kann man sich im Übrigen nicht verlassen, denn gemäß den für alle Rechtsschutzversicherungen einheitlich geltenden Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB 2012, www.rechtsportal.de/Verkehrsrecht/Gesetze/Versicherungsbedingungen/Allgemeine-Rechtsschutzversicherungsbedingungen-ARB-2012-Stand-10-2014/(h)) fallen Urheberrechtsstreitigkeiten unter die allgemeinen Risikoausschlüsse, dort geregelt unter Ziffer 3.2.6 ARB 2012. Deshalb besteht in solchen Fällen ein Versicherungsschutz grundsätzlich nicht.
6.1 Ansprüche wegen Urheberrechtsverletzung
[zB] Wenden wir uns nun zunächst den Ansprüchen aus dem Urheberrecht zu. Dabei werden wir von folgendem einfachen Beispielfall ausgehen: Der Fotograf entdeckt in einer Buchhandlung einen Bildband über die Alpen. Beim Durchblättern stellt er fest, dass sich in dem Bildband drei seiner besten Fotos befinden, die er im Vorjahr während einer Bergtour gemacht hat und die nun offensichtlich von der Galerie auf seiner Website ohne seine Einwilligung heruntergeladen wurden, weil er – was jedoch rechtlich nicht erheblich ist – versäumt hatte, die Fotos mit Wasserzeichen und kleiner Auflösung einzustellen. Der Fotograf stellt darüber hinaus fest, dass natürlich auch nicht sein Name im Zusammenhang mit den Fotos in dem Bildband genannt wird. Er möchte nun wissen, welche rechtlichen Möglichkeiten er hat, gegen den Verlag vorzugehen.
Wenn wir einmal unterstellen, dass seine Urheberschaft an den Fotos eindeutig nachweisbar ist, was natürlich Voraussetzung ist, um wirksam urheberrechtliche Ansprüche durchsetzen zu können, ist der Fall aus materieller rechtlicher Sicht eindeutig: Die Fotos sind ohne Einwilligung des Fotografen und ohne Nennung seines Namens veröffentlicht worden. Es handelt sich um einen nahezu klassischen Fall einer Urheberrechtsverletzung, denn wie Sie ja aus Kapitel 1, »Urheberrecht«, bereits wissen, verletzt vor allem derjenige das Urheberrecht eines anderen, der eine Verwertungshandlung ohne Einwilligung des Urhebers vornimmt. Dass die Veröffentlichung der Bilder in einem Bildband zweifelsfrei auch eine Verwertungshandlung darstellt, wissen Sie aus meinen bisherigen Ausführungen.
6.1.1 Unterlassungsanspruch (§ 97 Abs. 1 UrhG)
Der Fotograf kann zunächst verlangen, dass die Urheberrechtsverletzung sofort beseitigt und in Zukunft unterlassen wird.
Allerdings ist es zunächst die Aufgabe des Urhebers, seine Urheberschaft nachzuweisen. Hierauf wurde bereits in Abschnitt 1.1.8, »Verletzung des Urheberrechts und Nachweis der Urheberschaft«, hingewiesen. In den meisten Abmahnschreiben in der Praxis wird von den beauftragten Anwälten einfach die Behauptung in den Raum gestellt, ihr Mandant sei Urheber eines bestimmten Werkes, ohne dass dies näher ausgeführt, geschweige denn bewiesen wird.
Das OLG Hamburg hat bereits mit Urteil vom 29.01.2010 (308 S 2/09) entschieden, dass es nicht ausreicht, zu behaupten, man sei Urheber, und hat eine Klage, mit der die unberechtigte Nutzung von 13 Fotos von der Klägerin gerügt wurde, deshalb als unsubstanziiert, also weil nicht bewiesen, abgewiesen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Verfügung in einem Berufungsverfahren vor dem Landgericht Berlin vom 19.08.2014 (15 S 10/14), mit der dem Kläger, der eine Bildrechtsverletzung gerichtlich verfolgte, vom Gericht aufgegeben wurde, Beweise dafür vorzulegen, dass er als Berufsfotograf tätig ist, indem er seine Mitgliedschaft in einem einschlägigen Berufsverband, nennenswerte Einkünfte aus Lizenzverträgen, Beteiligungen an Ausschreibungen und entsprechenden Werbemaßnahmen für seine Tätigkeit im Einzelnen nachweist.
Diese Verfügung des Gerichts zeigt, dass die Rechtsprechung den unbewiesenen Darlegungen in fast allen Abmahnschreiben entgegentritt und fordert, dass der Anspruchsteller zunächst seine Urheberschaft beweist. Positiv zu vermerken ist auch, dass es daneben für maßgeblich hält, ob es sich um Fotos eines Berufsfotografen handelt oder um Laienaufnahmen. Mit den Auswirkungen dieser Differenzierung auf die Höhe des im Einzelfall festzusetzenden Schadensersatzanspruchs befasse ich mich in Abschnitt 6.1.8.
§ 97 UrhG regelt, dass der Urheber bei einer Verletzung seines Urheberrechts den Verletzer auf Unterlassung in Anspruch nehmen kann, sofern eine Wiederholungsgefahr besteht, wovon in der Regel auszugehen ist, denn wer einmal eine Verletzungshandlung vornimmt, von dem muss angenommen werden, dass er es mangels Sanktionen auch erneut tun wird. (Nachlesen können Sie das im Wortlaut im Urheberrechtsgesetz unter www.gesetze-im-internet.de/urhg.)
Der Unterlassungsanspruch besteht auch, wenn eine Verletzung noch nicht eingetreten ist, aber in naher Zukunft droht. Man spricht dann von einem vorbeugenden Unterlassungsanspruch. Dieser käme zum Beispiel in Betracht, wenn der Verlag den Bildband als demnächst erscheinend angekündigt hat und auf dem gezeigten Cover des Buches ein Bild unseres Fotografen abgedruckt wäre. Mit einem vorbeugenden Unterlassungsanspruch könnte der Fotograf die Veröffentlichung des Bildbandes noch verhindern.
Nicht erforderlich ist, dass ein Verschulden des Verletzers vorliegt, der Verletzer muss also nicht schuldhaft, d. h. vorsätzlich oder fahrlässig, gehandelt haben. Insoweit spricht man deshalb auch von verschuldensunabhängigen Ansprüchen des Urhebers. Bezogen auf unseren Beispielfall bedeutet dies, dass sich der Verlag des Bildbandes nicht damit herausreden kann, er habe die Bilder nicht von der Website des Fotografen heruntergeladen. Dies müsse ein anderer Fotograf gewesen sein, von dem er die Bilder gekauft habe, nachdem ihm glaubhaft versichert worden sei, dass der anbietende Fotograf selbst Urheber der Fotos sei. Auch in diesem Fall ist der Verlag richtiger Adressat des Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs, unabhängig davon, dass dann gegen den Fotografen, der die Bilder verkauft hat, natürlich auch Ansprüche gestellt werden können, mit denen wir uns an dieser Stelle jedoch nicht weiter beschäftigen werden.
[ ! ] Verschuldensunabhängiger Anspruch
Für eine Verletzung von Urheberrechten ist ein Verschulden nicht erforderlich. Auch derjenige, der unwissend fremdes Urheberrecht verletzt, kann in Anspruch genommen werden.
Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs nach § 97 UrhG sind somit:
Das Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung haben wir in unserem Beispielfall bereits festgestellt. Aber woran lässt sich eine Wiederholungsgefahr festmachen? Woher kann man wissen, dass die Gefahr besteht, der Verlag könne erneut Bilder von der Website des Fotografen herunterladen? Die völlig herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur, die nicht nur für das Urheberrecht, sondern auch im Bereich des gesamten gewerblichen Rechtsschutzes Anwendung findet und zunächst auch für den Bereich des Wettbewerbsrechts entwickelt wurde, hält die bereits begangene Rechtsverletzung für ein Indiz für eine Wiederholungsgefahr. Das bedeutet, man nimmt grundsätzlich an, dass derjenige, der eine Verletzungshandlung begangen hat, eine solche auch wiederholen wird.
[ ! ] Wiederholungsgefahr
Die Gefahr, dass der Verletzer eines Urheberrechts seine Rechtsverletzung wiederholt, wird bereits deshalb unterstellt, weil er diese Rechtsverletzung bereits erstmalig begangen hat. Einer besonderen Darlegung des Verletzten, warum mit einer Wiederholung zu rechnen ist, bedarf es nicht.
Für unseren Fall bedeutet dies, dass Wiederholungsgefahr besteht und deshalb der Unterlassungsanspruch gegen den Verlag in jedem Fall gegeben ist. Die Wiederholungsgefahr wird aber nicht dadurch beseitigt, dass der Verletzer treuherzig erklärt, er werde die Verletzungshandlung nicht wiederholen. Vielmehr wird die Wiederholungsgefahr nur durch eine Unterlassungserklärung des Verletzers ausgeräumt, mit der dieser sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe im Wiederholungsfall verpflichtet.
Was bedeutet dies nun in der Praxis? Was muss unser Fotograf tun, um seinen Unterlassungsanspruch durchzusetzen? Er wird sich sinnvollerweise zunächst an einen Anwalt wenden. Dieser wird dann in seinem Namen zunächst an den Verlag eine Abmahnung senden, in der er die Rechtsverletzung durch den Verlag konkret darstellt und rügt sowie den Verlag auffordert, innerhalb einer kurzen Frist eine vom Anwalt vorformulierte sogenannte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. Die dem Verletzer zu setzende Frist zur Abgabe der Erklärung ist deshalb kurz (etwa eine Woche), weil der rechtswidrige Zustand, der durch eine Urheberrechtsverletzung hervorgerufen wurde, schnellstens beendet werden muss.
Die Abmahnung ist im Einzelnen in § 97a UrhG geregelt. Sie soll einem Prozess vorgeschaltet werden, um unnötige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Dann allerdings, wenn sie von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hat, weil zum Beispiel der Verletzer bereits angekündigt hat, mit seiner Verletzungshandlung fortzufahren und eine Abmahnung zu ignorieren, muss das Gericht sofort angerufen werden. Da dies allerdings Ausnahmefälle sein dürften, ist in der Regel eine Abmahnung vor Einleitung gerichtlicher Schritte sinnvoll, sie ist allerdings keine gesetzliche Notwendigkeit und auch keine Prozessvoraussetzung.
Leider hat die Abmahnung gerade in der letzten Zeit einen üblen Beigeschmack dadurch bekommen, dass sich einige, häufig im Internet auch bereits einschlägig bekannte, Anwaltskanzleien bundesweit darauf spezialisiert haben, das Internet nach Bagatellverstößen zu durchkämmen und diese dann mit vorgefertigten Computerschreiben gebührenpflichtig abzumahnen, sodass sich bereits der Gesetzgeber einschalten musste, und innerhalb kurzer Zeit den § 97a UrhG bereits zweimal angepasst hat, um die Abmahnflut, insbesondere gegenüber Privatpersonen, die geschützte Werke nicht für ihre gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit verwenden, einzudämmen. Auch seit der Vorauflage dieses Buches ist der Gesetzgeber erneut tätig geworden und hat an die Abmahnung noch strengere Voraussetzungen geknüpft als bisher. Insbesondere hat er für Abmahnungen gegenüber privaten Endverbrauchern den Streitwert einer Abmahnung limitiert, nach dem sich die zu erstattenden Anwaltskosten des Abmahnenden richten.
Nach dem neuen § 97a UrhG ist zunächst die Abmahnung an bestimmte Formvorschriften gebunden, ansonsten ist sie unwirksam! So muss die Abmahnung den Namen oder die Firma des Verletzten angeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter (also auch ein Anwalt) abmahnt, die Rechtsverletzung ist genau zu bezeichnen, geltend gemachte Zahlungsansprüche sind aufzuschlüsseln in Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche, und schließlich ist, wenn eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung erfolgt, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht (§ 97a Abs. 2 UrhG).
[ ! ] Eine formfehlerhafte Abmahnung ist unwirksam!
Hält der Abmahnende die verschärften gesetzlichen Vorschriften nicht ein, ist die Abmahnung unwirksam und muss von dem Abmahnenden nicht beachtet werden. Zur Vermeidung unnötiger Gerichtsverfahren sollte der Abgemahnte jedoch mit anwaltlicher Hilfe entsprechend auch eine unwirksame Abmahnung kurz und knapp erwidern.
Soweit die Abmahnung dagegen berechtigt ist und den vorgenannten Formvorschriften entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Hier gilt jedoch nun eine Streitwertgrenze von 1.000 €, sofern der Abgemahnte eine natürliche Person ist, die nach dem Gesetz geschützte Werke nicht für ihre gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit verwendet und nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist. (§ 97a Abs. 3 UrhG).
Dies bedeutet für den abgemahnten privaten Endverbraucher eine Begrenzung der Rechtsverfolgungskosten auf 124 € zuzüglich MwSt. nach dem derzeitigen Stand der im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelten Gebühren (Stand 2017; nachzulesen im Internet unter www.gesetze-im-internet.de/rvg). Damit ist gegenüber privaten Endverbrauchern der Abmahnpraxis der »Abmahnhaie«, einen Streitwert von mehreren tausend Euro und daraus resultierende Anwaltsgebühren von mehreren hundert Euro zugrunde zu legen, endlich ein Ende bereitet worden.
Ob im Übrigen immer die übliche 1,3-Anwaltsgebühr gerechtfertigt ist, erscheint zumindest bei vorgefertigten Massenabmahnungen zu Recht zweifelhaft. Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hat schon im Jahr 2009 (Urteil vom 25.02.2009 – 212 C 209/08) für eine vielfach versendete Abmahnung (sogenannte Massenabmahnung) entschieden, dass es sich dabei um ein Schreiben einfacher Art handelt, für das lediglich eine 0,3- Anwaltsgebühr verlangt werden kann.
[zB] Anwaltsgebühren
Ich kann an dieser Stelle nicht näher auf die Struktur der Anwaltsgebühren gemäß Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingehen, dies ist ja nicht unser Thema. Aber um Ihnen eine Vorstellung über den Unterschied zu geben, hier ein Beispiel: Bei einem Streitwert von beispielsweise 3.000,00 € beläuft sich (Stand 2017) eine 1,3-Gebühr auf netto 261,30 €, eine 0,3-Gebühr beträgt dagegen nur 60,30 €. Durchaus ein signifikanter Unterschied!
Es empfiehlt sich deshalb, schon allein wegen der gebührenrechtlichen Betrachtung einen Anwalt hinzuzuziehen, sollte man tatsächlich einmal mit einer Abmahnung konfrontiert werden.
Schließlich hat der Gesetzgeber nunmehr auch normiert, dass diejenigen, die zu Unrecht oder unwirksam abgemahnt werden, ihrerseits vom Abmahnenden den Ersatz ihrer Rechtsverteidigungskosten verlangen können, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war (§ 97a Abs. 4 UrhG).
Ungeachtet der Unsitte einiger »Abmahnhaie« ist die Abmahnung jedoch gerade das geeignete Mittel, teure Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und die Angelegenheit einer außergerichtlichen Klärung zuzuführen. Sie ist deshalb bei eindeutigen Urheberverstößen, die man nicht mehr als Bagatelle ansehen kann, ein durchaus vernünftiges und hilfreiches Mittel.
Eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung beinhaltet im Wesentlichen eine rechtsverbindliche Erklärung des Verletzers, wonach er sich verpflichtet:
- es ab sofort zu unterlassen, die genau zu bezeichnenden Fotos zu bestimmten Zwecken zu verwenden
- es auch zukünftig zu unterlassen, diese Fotos zu verwenden
- für jeden Fall der Zuwiderhandlung in der Zukunft eine Vertragsstrafe in bestimmter Höhe zu bezahlen
- die mit dieser Abmahnung entstandenen Anwaltsgebühren zu zahlen
Außerdem kann, wenn das Ziel auch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist, zusätzlich Auskunft darüber verlangt werden, wie oft, an wen und zu welchem Preis der Bildband bereits verkauft wurde. Das sähe dann so aus:
- Auskunft zu erteilen darüber, wie oft, an wen, über welches Verkaufsmedium und zu welchem Preis der Bildband bislang verkauft wurde
Darauf kommen wir später im Rahmen des Auskunftsanspruchs noch einmal zurück.
[ ! ] Abmahnung und strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung
Vor Einleitung gerichtlicher Schritte soll der Verletzer von Urheberrechten bezüglich seines rechtswidrigen Verhaltens abgemahnt und aufgefordert werden, sich durch schriftliche Erklärung zu verpflichten, die Rechtsverletzung sofort und in der Zukunft zu unterlassen, für den Wiederholungsfall eine Vertragsstrafe zu zahlen und die Anwaltskosten für die Abmahnung zu übernehmen. Dabei handelt es sich um zwei miteinander verbundene Maßnahmen, nämlich die Abmahnung nach § 97a Abs. 1 UrhG, die ein bestimmtes Verhalten missbilligt und abmahnt (zum Beispiel den Bilderklau), und gleichzeitig die Aufforderung an den Verletzer, sich schriftlich durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu verpflichten, den Rechtsverstoß keinesfalls mehr zu wiederholen.
Diese schriftliche Erklärung des Verletzers nennt man strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. Nur durch die Abgabe einer solchen strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung wird eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen und die gerichtliche Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs zunächst obsolet.
Hat der Verlag die Abmahnung erhalten, stehen ihm zwei Möglichkeiten zur Auswahl:
Wenn der Verlag die strafbewehrte Unterlassungserklärung unterschreibt, dann ist die Wiederholungsfahr zunächst einmal ausgeräumt, eine gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist dann nicht mehr möglich, es würde dann an einem Rechtsschutzinteresse des Fotografen für den Unterlassungsanspruch fehlen. Der Verlag darf den Bildband dann natürlich ab sofort nicht mehr verkaufen und auch keine Fotos mehr von der Internetgalerie herunterladen, er muss, wenn er es doch tut, eine empfindliche Vertragsstrafe zahlen, und er muss die Anwaltskosten übernehmen, so wie es in der strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung im Einzelnen geregelt ist.
Unterschreibt der Verlag die Erklärung in der vorgegebenen Frist jedoch nicht, dann wird der Anwalt den Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend machen. Da gerichtliche Verfahren bekanntermaßen lange dauern können, bis sie rechtskräftig entschieden werden, die Rechtsverletzung währenddessen jedoch andauert, wird der Anwalt hier zu dem Mittel einer einstweiligen Verfügung greifen, durch die dem Verlag sofort und zur Vermeidung eines empfindlichen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € verboten wird, den Bildband weiter zu vertreiben und Fotos von der Website seines Mandanten herunterzuladen.
Bei der einstweiligen Verfügung handelt es sich um ein Instrument des vorläufigen Rechtsschutzes. Bekanntlich mahlen die Mühlen der Justiz gelegentlich langsam, und durch die Dauer eines normalen Gerichtsverfahrens, gegebenenfalls über mehrere Instanzen, kann die Rechtsverletzung zunächst ungehindert fortgesetzt werden, weil erst am Ende eines Verfahrens bzw. Instanzenzuges rechtskräftig entschieden ist, ob die vom Kläger beanstandete Handlung tatsächlich eine Rechtsverletzung darstellt oder nicht. Der Verlag könnte also bei einem normalen Klageverfahren den Bildband in aller Ruhe zunächst weiterverkaufen, bis vielleicht nach mehreren Jahren ein Gericht rechtskräftig festgestellt hat, dass eine Urheberrechtsverletzung durch den Bilderklau begangen wurde und deshalb ein Unterlassungsanspruch des Fotografen besteht. Um diese für den Fotografen inakzeptable Konsequenz und die Fortführung der Rechtsverletzung zu vermeiden, wird im einstweiligen Verfügungsverfahren eine vorläufige Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren erlassen, damit weitere Rechtsverletzungen zunächst einmal unterbunden werden. Dabei reicht es im einstweiligen Verfügungsverfahren aus, dass der Verletzte dem Gericht glaubhaft macht, dass seine Rechte vom Antragsgegner verletzt werden, die strengen Beweisregeln für ein normales Gerichtsverfahren gelten hier nicht und würden dem Sinn und Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens zuwiderlaufen.
Natürlich kann der Verlag gegen die einstweilige Verfügung Einspruch erheben. Es kommt dann zu einem dem einstweiligen Verfügungsverfahren nachgeschalteten Hauptverfahren, in dem die gesamte Rechtslage überprüft wird. Aber erst einmal ist durch die einstweilige Verfügung gewährleistet, dass bis zur Hauptsachenentscheidung eine Fortsetzung der Urheberrechtsverletzung ausgeschlossen ist.
Allerdings muss der Verlag auch nur auf eine berechtigte Abmahnung reagieren. Sollte sich der Fotograf geirrt haben, und es sind gar nicht seine Fotos in dem Bildband, sondern nur sehr ähnliche, die der Verlag aber nachweisbar von einer Fotoagentur oder einem anderen Fotografen direkt gekauft hat, besteht kein Erfordernis des Verlags, auf die Abmahnung zu reagieren. Um allerdings nicht einen unnötigen Rechtsstreit zu provozieren, wird der Verlag sinnvollerweise in aller Regel in einem kurzen Schreiben die Ansprüche ablehnen und den Fotografen über den tatsächlichen Sachverhalt informieren.
6.1.2 Beseitigungsanspruch (§ 97 Abs. 1 UrhG)
Die Vorschrift des § 97 UrhG enthält einen weiteren, ebenfalls verschuldensunabhängigen Anspruch, der allerdings in der Praxis bei Weitem nicht die Bedeutung hat wie der Unterlassungsanspruch. Es ist der Beseitigungsanspruch, nicht zu verwechseln mit dem Vernichtungsanspruch nach § 98 UrhG, der ebenfalls eine Beseitigungshandlung erfordert und im nächsten Abschnitt noch behandelt werden wird.
Es kann Fälle geben, in denen der Unterlassungsanspruch allein eine fortdauernde Rechtsgefährdung nicht beseitigen kann. Mit dem Beseitigungsanspruch kann etwa der Anspruch auf Entfernung von Entstellungen eines Fotos gemäß § 14 UrhG (siehe Kapitel 1, »Urheberrecht«) verfolgt werden, denn der Unterlassungsanspruch führt in solchen Fällen nicht dazu, dass die einmal vorgenommene Entstellung beseitigt wird.
Unser Beispielfall bietet keinen Raum für die Geltendmachung eines Beseitigungsanspruchs, hier reicht der Unterlassungsanspruch zur Wahrung der Rechte aus. Deshalb soll der Beseitigungsanspruch an einem berühmten Rechtsstreit verdeutlicht werden, der schon im Jahr 1912 vom Reichsgericht (RG), dem Vorgänger des BGH (Urteil vom 08.06.1912 – Rep. I 382/11), auf Basis der damals geltenden Urheberschutzvorschriften entschieden wurde und auch heute immer noch aktuell ist, auch wenn es damals § 97 UrhG in seiner heutigen Gestaltung noch gar nicht gab. Es handelt sich um den Fall »Felseneiland mit Sirenen«:
Der Kläger, ein Künstler, hatte im Treppenflur der Beklagten auf deren Bestellung ein Freskengemälde mit dem Titel »Felseneiland mit Sirenen« gemalt, auf dem die Sirenen unbekleidet dargestellt waren. Die Beklagte ließ wenig später ohne Zustimmung des Klägers das Bild so übermalen, dass die Sirenen nun bekleidet erschienen. Daraufhin klagte der Urheber des Bildes und stellte den Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die Übermalung wieder zu beseitigen, was ohne Weiteres möglich sei. Die Beklagte berief sich auf ihr Eigentumsrecht und vertrat die Auffassung, mit dem Bild machen zu können, was sie wolle. Das RG verurteilte die Beklagte in letzter Instanz zur Beseitigung der Übermalung.
Das Reichsgericht setzte sich in seinem Urteil mit dem Rechtsverhältnis zwischen Urheber und Eigentümer auseinander und stellte fest, dass neben dem Urheberrecht des Klägers an dem Gemälde zwar ein Eigentumsrecht der Beklagten bestehe, dieses jedoch nicht die Berechtigung zur Veränderung des Kunstwerkes umfasse. Die Beklagte hätte als Eigentümer das Kunstwerk vernichten, also gänzlich übermalen können, wenn es ihr nicht mehr gefallen habe. Sie konnte zum Beispiel die ganze Decke weiß streichen. Damit hätte sie in das Urheber- und in das Persönlichkeitsrecht des Künstlers nicht eingegriffen. Aber in die künstlerische Eigenart des Bildes einzugreifen habe der Beklagten nicht zugestanden.
In diesem Fall wäre ein Unterlassungsanspruch nicht zielführend gewesen. Die Übermalung war erfolgt, und die damit andauernde Rechtsverletzung konnte nur durch Beseitigung beendet werden.
[zB] In neuerer Zeit hat das OLG Köln (Urteil vom 12.06.2009 – 6 U 215/08) sich wiederum mit einem Beseitigungsanspruch auseinandergesetzt:
Ein Aachener Künstler hatte im Auftrag der Stadt Aachen eine bronzene Pferdeskulptur angefertigt, die aus fünf Pferden bestand. Eine Verankerung am Fuß der Skulptur sicherte dabei die Position der Pferde zueinander. Die Skulptur wurde 1977 auf einem kleinen Hügel gegenüber dem Hauptbahnhof postiert. Als in den Jahren 2004/2005 der Bahnhofsvorplatz umgestaltet wurde, führte dies u. a. dazu, dass die Skulptur versetzt wurde. Außerdem wurde die ursprüngliche Verankerung aufgehoben, und die Pferde wurden in einer anderen Zuordnung zueinander aufgestellt. Der Künstler verlangte von der Stadt die Zurückversetzung der Pferde an den ursprünglichen Standort und eine Wiederherstellung der ursprünglichen Formation zueinander.
[ ! ] Beseitigungsanspruch
Der Beseitigungsanspruch ist das rechtliche Mittel, um gegen eine fortdauernde Beeinträchtigung des Urheberrechts, etwa eine Entstellung oder Bearbeitung, vorzugehen, wozu der Unterlassungsanspruch nicht das geeignete Mittel ist. In der Praxis ist der Beseitigungsanspruch durch seine Beschränkung auf bestimmte Sachverhalte jedoch weniger bedeutend.
Der Beseitigungsanspruch des § 97 UrhG ist nicht zu verwechseln mit dem Vernichtungsanspruch nach § 98 UrhG.
Das OLG Köln vertrat die Auffassung, dass das Umsetzen der Skulptur an einen anderen Ort keinen Eingriff in das Urheberrecht darstelle. Der künstlerische Gesamteindruck käme auch nach der Versetzung hinreichend zur Geltung. Insoweit wies es den Anspruch des Künstlers ab, die Bronzepferde wieder an ihren ursprünglichen Standort zurückzuversetzen. Gleichzeitig hat das OLG jedoch einen Eingriff in das künstlerische Werk darin gesehen, dass die Pferde in einer anderen Zuordnung zueinander wieder aufgestellt wurden. Es seien auch keine schutzwürdigen Interessen der Stadt sichtbar, von der ursprünglichen Formation abzuweichen. Das Gericht verurteilte die Stadt zur Wiederherstellung der ursprünglichen Zuordnung der Pferde zueinander.
Auch in diesem Fall hätte ein Unterlassungsanspruch nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt.
6.1.3 Vernichtungsanspruch (§ 98 Abs. 1 UrhG)
Im vorangegangenen Abschnitt wurde bereits der Vernichtungsanspruch kurz erwähnt. Dieser ist in § 98 UrhG geregelt und bezeichnet das Recht des Urhebers, vom Verletzer die Vernichtung aller in dessen Besitz befindlichen, rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke zu verlangen.
Dies ist ein Anspruch des Urhebers, der für den Verletzer richtig teuer werden kann. In unserem ursprünglichen Beispielfall mit dem Bildband bedeutet dies, dass der Verlag die gesamte Buchauflage »einstampfen« oder auf sonstige Weise unbrauchbar machen muss, wobei sich de facto dieser Anspruch schon aus dem Unterlassungsanspruch ergibt, da dieser es dem Verlag verbietet, die unzulässige Vervielfältigung des Fotos dadurch fortzusetzen, dass er weitere Bildbände in den Verkehr bringt. Im Gegensatz zum Unterlassungsanspruch, bei dem die Bildbände »auf Halde« liegenbleiben könnten und nur nicht verkauft werden dürfen, bezieht sich der Vernichtungsanspruch darauf, dass die Bildbände unbrauchbar gemacht werden. Allerdings ist eine gänzliche Substanzvernichtung nicht zwingend erforderlich, wenn sie auf andere Weise unbrauchbar gemacht werden können. Aus § 98 Abs. 4 UrhG ergibt sich, dass grundsätzlich das mildeste Mittel zur Beseitigung verwendet werden soll. Im Einzelfall können deshalb anstelle der kompletten Substanzvernichtung etwa auch ein Unkenntlichmachen von Teilen, ein Entfernen einzelner Seiten oder ähnliche Maßnahmen in Betracht kommen, wobei sich natürlich die Frage stellt, ob ein hochwertiger Bildband nach der Durchführung derart milderer Maßnahmen überhaupt noch verkäuflich ist, was sicherlich bezweifelt werden darf.
Die Vernichtung erfolgt im Übrigen durch einen Gerichtsvollzieher, der auch bestimmt, welche Vernichtungsart letztlich gewählt wird. Die rechtswidrig hergestellten Vervielfältigungsstücke hat der Verlag an den Gerichtsvollzieher herauszugeben, sodass er über keine eigene Entscheidungskompetenz bezüglich der Einzelheiten der Vernichtung mehr verfügt.
Dies bedeutet für den Verlag, dass er nicht nur auf die Verkaufserlöse zur Deckung seines Herstellungsaufwands verzichten, sondern auch zusätzliche Kosten für die Vernichtung aufbringen muss. Will der Verlag an dem Bildband als Produkt festhalten, muss er eine Neuauflage drucken, bei der die Bilder des Fotografen natürlich keine Verwendung mehr finden dürfen oder – was wenig praxisgerecht erscheint – unkenntlich gemacht wurden.
Der Vernichtungsanspruch, der im Übrigen ebenfalls verschuldensunabhängig ist, richtet sich allerdings nur gegen den Verlag selbst, nicht etwa gegen andere Glieder der Vertriebsketten, wie etwa Buchhandlungen, Leihbüchereien etc. Denn insoweit richtet sich der Anspruch auf Vernichtung nur gegen denjenigen, der das Urheberrecht widerrechtlich verletzt hat, und dies ist hier nur der Verlag. Hier geht es aber wohlgemerkt nur um den Vernichtungsanspruch, gegen Buchhandlungen, Leihbüchereien und andere Stellen besteht natürlich der bereits besprochene Unterlassungsanspruch, da diese Stellen als »Störer« anzusehen sind, wenn sie der Öffentlichkeit einen Bildband zugänglich machen, der Urheberrechtsverletzungen beinhaltet.
Der Vernichtungsanspruch kann jedoch – anders als etwa der Unterlassungsanspruch – nicht mittels einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden. Die einstweilige Verfügung ist – wie Sie bereits erfahren haben – ein Instrument des vorläufigen Rechtsschutzes, das dazu dient, weitere bzw. fortdauernde Rechtsverletzungen einstweilen zu beseitigen, um einen größeren Schaden abzuwenden oder die Fortdauer einer Rechtsverletzung zu verhindern. Über die Rechtslage wird im anschließenden Hauptverfahren entschieden, durch die einstweilige Verfügung darf das Ergebnis der Hauptsache aber nicht vorweggenommen werden. Durch eine Vernichtungsverpflichtung im einstweiligen Verfügungsverfahren würde jedoch genau das geschehen. Da die Beseitigung der Rechtsverletzung genauso gut zunächst durch die einstweilige Verfügung auf Unterlassung erreicht werden kann, ist eine endgültige Vernichtung im einstweiligen Verfügungsverfahren auch nicht erforderlich.
[ ! ] Vernichtungsanspruch
Der verschuldensunabhängige Vernichtungsanspruch zielt darauf ab, alle im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen Vervielfältigungsstücke unbrauchbar zu machen und damit einer Weiterverbreitung zu entziehen.
In der Praxis werden die Parteien sich vor einer Vernichtung häufig auf einen Vergleich einigen.
Der Vernichtungsanspruch wird aus wirtschaftlichen Gründen in der Praxis jedoch nicht so häufig vorkommen. Der Fotograf hat in unserem Beispielfall nichts davon, wenn er den Verlag verpflichtet, die gesamte Auflage, die sich noch beim Verlag befindet, zu vernichten. Der Verlag wird jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit daran interessiert sein, dem Fotografen ein Angebot auf finanzielle Entschädigung zu machen, wenn er ihm dafür im Gegenzug gestattet, den Bildband weiter zu vertreiben, d. h. seine Bilder zu nutzen. Man spricht dann auch von einem Vergleich, der zwischen den Parteien geschlossen wird. Im Zweifel wird unser Fotograf sogar einen deutlich höheren Betrag bekommen, als er bekommen hätte, wenn er vor der Veröffentlichung um Einwilligung gebeten worden wäre, da der Verlag nun nicht nur juristisch, sondern insbesondere auch wirtschaftlich die entschieden schlechteren Karten hat. Der Fotograf wird mithilfe seines Anwalts versuchen, in finanzieller Hinsicht das bestmögliche Ergebnis für sich zu erreichen.
6.1.4 Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen (§ 98 Abs. 2 UrhG)
Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen – zwei sich gegenseitig ergänzende Ansprüche – wurden erst 2008 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte des geistigen Eigentums aufgrund der EU-Richtlinie 2004/48/EG in das UrhG übernommen. Zuvor waren diese Ansprüche im UrhG gar nicht geregelt.
Rückruf | Der Rückruf ist Ihnen wahrscheinlich aus der Automobilindustrie geläufig, wenn die Hersteller ihre Fahrzeuge wegen eines bestimmten Defekts oder zur Nachrüstung in die Werkstätten zurückrufen. So muss man sich auch den Rückruf von rechtswidrig hergestellten Vervielfältigungsstücken vorstellen. Der Verlag – um wieder unser Beispiel zu bemühen – hat durch aktives Handeln dafür Sorge zu tragen, dass die von ihm ausgelieferten Bildbände von überall zurückgeholt werden, wohin sie geliefert wurden. Dass es nicht gelingen wird, aller Exemplare auf diesem Weg wieder habhaft zu werden, steht außer Frage. Ein Rückruf von 100 % der ausgelieferten Produkte dürfte realistischerweise nie gelingen, ist aber auch nicht Voraussetzung zur Geltendmachung des Rückrufanspruchs. Das hängt damit zusammen, dass der Verlag natürlich niemanden dazu zwingen kann, einen Bildband herauszugeben, den dieser rechtmäßig erworben hat, und der sich deshalb weigert, ihn wieder herauszugeben.
Der Endverbraucher ist im Übrigen von einem Rückruf nach § 98 Abs. 2 UrhG nicht betroffen, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich um einen privaten oder gewerblichen Endverbraucher handelt. Der Endverbraucher ist also kein Verletzer. Sowohl Otto Normalverbraucher, der den Bildband im Buchhandel erworben hat, als auch die Stadtbücherei, die durch Kauf des Bildbandes ihr Angebot für ihre Leser erweitert hat, müssen nicht befürchten, den Bildband im Rahmen einer solchen Rückrufaktion zurückgeben zu müssen. Das ändert, um dies nochmals zu verdeutlichen, jedoch nichts daran, dass die Stadtbücherei, die einen Bildband zur Ausleihe bereitstellt, »Störer« ist und deshalb vom Verletzten auch auf Unterlassen in Anspruch genommen werden kann. Lediglich vom Rückruf ist sie nicht betroffen. Ansonsten kann der in seinen Rechten verletzte Fotograf gegen jeden Abnehmer in der Vertriebskette vorgehen, wobei dies natürlich insoweit eher theoretisch ist, als der Fotograf in der Regel gar nicht weiß, wo sich der Bildband überall befindet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. In jedem Fall ist der Rückrufanspruch eine sehr scharfe Waffe, die dem Verletzten zur Verfügung steht. Höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es zu diesem Anspruch – soweit erkennbar – noch nicht. Man wird abwarten müssen, ob er in der Praxis überhaupt eine große Rolle spielen wird oder ob nicht das Problem im Vorfeld bereits durch finanzielle Kompensation gelöst wird.
Entfernung aus den Vertriebswegen | Das Gleiche gilt auch für den Anspruch auf Entfernung aus den Vertriebswegen der rechtswidrig entstandenen Vervielfältigungsstücke. Der verletzte Urheber kann verlangen, dass alle unter Verletzung seiner Urheberrechte gefertigten Vervielfältigungsstücke aus den Vertriebswegen entfernt werden. Dazu müssen – anders als beim Rückruf – nicht die Vervielfältigungsstücke an den Verletzer zurückgelangen, sie können auch bei den einzelnen Gliedern der Vertriebskette unmittelbar vernichtet werden. In ihrer Wirkung ist die Entfernung aus den Vertriebswegen identisch mit einem Rückruf.
Man wird auch hier die Praxisrelevanz dieses Anspruchs, über die es noch keine Erfahrung gibt, abwarten müssen. Auch hier gilt jedenfalls, dass dieser Anspruch nicht den Endverbraucher – weder gewerblich noch privat – trifft.
6.1.5 Überlassungsanspruch (§ 98 Abs. 3 UrhG)
Anstelle der Ansprüche auf Vernichtung, Rückruf oder Entfernung aus den Vertriebswegen kann der Fotograf vom Verlag, sofern dieser noch Eigentum an den Bildbänden besitzt, auch verlangen, dass ihm die Bildbände gegen angemessene Vergütung überlassen werden. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 98 Abs. 3 UrhG und stellt gegenüber den Ansprüchen auf Vernichtung, Rückruf und Entfernen aus den Vertriebswegen sicherlich eine weniger gravierende Maßnahme für den Verlag dar. Die angemessene Vergütung, die im Rechtsstreit vom Gericht nach § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen ist, darf nach dem Gesetz die Herstellungskosten nicht übersteigen. Die Herstellungskosten bilden somit die Obergrenze einer angemessenen Vergütung, die angemessene Vergütung kann vom Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls durchaus aber auch deutlich niedriger geschätzt werden. Denn in vielen Fällen wäre eine Vergütung, die den Herstellungskosten entspricht, gerade nicht angemessen, denn das hätte letztlich zur Konsequenz, dass sich für den Verlag lediglich die Gewinnerwartungen an dem Bildband nicht erfüllen würden, er bezüglich seines Herstellungsaufwands aber schadlos gestellt würde.
Dennoch hat diese Vorschrift für die Praxis, was unsere Thematik anbetrifft, keine besondere Bedeutung. Auf den ersten Blick kommt der Fotograf bei Geltendmachung dieses Anspruchs zwar vielleicht sehr preiswert an etliche Exemplare, vielleicht sogar an fast die gesamte Auflage des Bildbandes. Aber er muss sich auch die Frage stellen, was er damit anfangen will. Selbst wenn er über die Fähigkeiten und Möglichkeiten verfügen sollte, möglicherweise tausende von Bildbänden in Eigenregie zu vermarkten, bestehen noch andere Urheberrechte an dem Bildband, wahrscheinlich vom Verlag selbst, der das Layout gestaltet hat etc. Ein Vertrieb des Bildbandes ohne dessen Einwilligung, für deren Erteilung der Fotograf im Zweifel den Verlag am Erlös beteiligen muss, stößt deshalb vielfach auf im ersten Moment nicht absehbare rechtliche Schwierigkeiten.
Sinnvoll ist der Überlassungsanspruch, und in diesen Fällen spielt er in der Praxis auch durchaus eine Rolle, nämlich bei Plagiaten von Markenprodukten, die in Ausführung und Qualität den Originalen entsprechen. Dann mag es für den Hersteller der Originale sinnvoll sein, den Überlassungsanspruch geltend zu machen und die Plagiate selbst zu vermarkten, insbesondere weil er hier den Hersteller der Plagiate nicht beteiligen muss. Denn dieser dürfte kaum Urheberrechte an den Plagiaten haben, weil es dem Plagiat, wenn es mit dem Original identisch ist, an der für das Entstehen eines eigenen Urheberrechts erforderlichen Schöpfungshöhe fehlen dürfte. Denn es hat beim Plagiat in der Regel nur eine handwerkliche Nachbildung stattgefunden.
6.1.6 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 98 Abs. 4 UrhG)
Die Ansprüche auf Vernichtung, Rückruf, Entfernung aus dem Vertriebsweg und Überlassung können nach § 98 Abs. 4 UrhG im Einzelfall ausgeschlossen sein, wenn die Maßnahme unverhältnismäßig ist. Ob eine Maßnahme unverhältnismäßig ist, kann nur anhand des Einzelfalls festgestellt werden, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung vom 10.04.1997 (I ZR 242/94), in der es um die Vernichtung von Waren ging, die unter Verletzung des Markenrechts in den Verkehr gebracht wurden, ausdrücklich festgestellt hat. Sinn und Zweck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordere eine umfassende Abwägung des Vernichtungsinteresses des Verletzten und des Erhaltungsinteresses des Verletzers. Anders ausgedrückt: Stehen die Maßnahmen in § 98 Abs. 1 bis 3 UrhG in keinem Verhältnis zum Ausmaß der Verletzung, kommen die Maßnahmen nicht in Betracht.
Allerdings wird diese Vorschrift sehr restriktiv ausgelegt. Eine Maßnahme ist nicht schon deshalb unverhältnismäßig, weil sie beim Verletzer zu hohen finanziellen Belastungen führt.
[zB] Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 13.02.1996 – 20 U 115/95) hat zum Beispiel entschieden, dass der ungenehmigte Abdruck von Fotografien des Künstlers Joseph Beuys in einem Dokumentationsheft einen Vernichtungsanspruch des Urhebers begründet habe. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der durch die Verletzung entstandene Zustand nur durch Vernichtung beseitigt werden könne, weshalb es auf die Frage der Verhältnismäßigkeit nicht ankomme.
Auf unseren Beispielfall ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht anwendbar. Der Fotograf hat also die dargestellten Ansprüche nach § 98 Abs. 2 UrhG. Vorstellbar wäre die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes möglicherweise in dem Fall, dass außerordentlich hohe Herstellungskosten für einen aufwendig gestalteten Bildband der ungenehmigten Veröffentlichung eines einzelnen, relativ unbedeutenden Bildes, das in kleinem Format abgedruckt wurde, gegenüberstehen – aber auch das müsste im konkreten Einzelfall geprüft werden.
[ ! ] Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfolgt eine Abwägung zwischen den Interessen des Verletzers und denen des Urhebers im Einzelfall. Finanzielle Belastungen des Verletzers spielen für sich betrachtet keine Rolle. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist in der Regel dann nicht anzuwenden, wenn nur durch Vernichtung etc. die Urheberrechtsverletzung beseitigt werden kann oder wenn das Interesse des Urhebers gegenüber dem des Verletzers nur als sehr gering anzusehen ist.
6.1.7 Auskunftsanspruch (§ 101 UrhG)
Mit dem in § 101 UrhG geregelten Auskunftsanspruch nähern wir uns dem Anspruch auf Schadensersatz, denn der Auskunftsanspruch dient der Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs. Der verletzte Urheber hat das Recht, vom Verletzer alle Auskünfte zu verlangen, die er benötigt, um seinen Schadensersatzanspruch zu beziffern. Je nachdem, wie man den Schadensersatzanspruch berechnet (mehr dazu im nächsten Abschnitt), benötigt man dazu detaillierte Angaben des Verletzers. Dabei hilft der § 101 UrhG.
Durch diese Vorschrift erhält der Verletzte gegenüber demjenigen, der in gewerblichem Ausmaß das Urheberrecht widerrechtlich verletzt, einen Anspruch auf wahrheitsgemäße Auskunft zum Beispiel über:
- die Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke
- die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Vervielfältigungsstücke
- die Preise, die für die Vervielfältigungsstücke bezahlt wurden
§ 101 UrhG regelt allerdings nicht die Auskunftspflicht des Verletzers bezüglich dessen Kosten. Allein mit der Auskunft über Menge, Preise und Abnehmer kann der Verletzte aber noch nicht sonderlich viel anfangen. Der Auskunftsanspruch ist insoweit unvollkommen. Hinzu kommt deshalb ein allgemeiner zivilrechtlicher Auskunftsanspruch, der sich aus § 242 BGB ergibt und immer dann greift, wenn der Berechtigte über den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und sich die zur Durchsetzung seines Anspruchs erforderlichen Tatsachen nicht selbst beschaffen kann. (Den Wortlaut des Paragrafen finden Sie unter www.gesetze-im-internet.de/bgb.)
Die Rechtsprechung hat sich in verschiedenen Urteilen mit der Frage zu befassen gehabt, wann ein gewerbliches Ausmaß im Sinne von § 101 UrhG vorliegt. Dabei ging es überwiegend um die Tauschbörsenfälle, also jene Sachverhalte, bei denen Musikstücke, ganze Musikalben oder Filme heruntergeladen und auf Tauschplattformen im Internet angeboten werden. Gewerbliches Ausmaß besteht zum Beispiel dann, wenn ein ganzes Musikalbum für diesen Zweck aus dem Internet geladen und zum Erwerb angeboten wird (so das OLG Köln) oder wenn eine komplette Film-DVD zugänglich gemacht wird (so das OLG Frankfurt). Ich werde auf diese Rechtsprechung hier nicht näher eingehen, da sie mit unserem Thema unmittelbar nichts zu tun hat. Man kann jedoch nach Analyse der entsprechenden Urteile zusammenfassend feststellen, dass es sich bei »gewerblichem Ausmaß« um eine erhebliche Rechtsverletzung handeln und eine Verbreitung stattfinden muss, deren Umfang deutlich über den privaten Gebrauch hinausgeht. Das ist in unserem Beispiel mit dem Bildband der Fall, sodass hier ein Auskunftsanspruch gegeben ist.
Durch § 101 Abs. 2 UrhG ist ein Auskunftsanspruch bei offensichtlicher Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß u. a. auch gegenüber demjenigen gegeben, der zwar selbst nicht Verletzer ist, jedoch
- rechtsverletzende Vervielfältigungsstücke im Besitz hatte
- rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm
- für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte
Insbesondere der dritte Punkt, Dienstleistungen, die für rechtsverletzende Tätigkeiten erbracht werden, hat im Internetzeitalter eine große Bedeutung. Denn durch diese Vorschrift ist der Auskunftsanspruch unmittelbar gegenüber den Internet-Providern gegeben. Dem Urheber, dessen Rechte verletzt wurden, soll die Identifizierung derjenigen Rechtsverletzer ermöglicht werden, die meist im Internet unter einem Pseudonym oder einem Benutzernamen auftreten und deshalb nicht ohne Weiteres in Anspruch genommen werden können. Bei den sogenannten Tauschbörsen geht es hier darum, über die IP-Adresse, über die jeder Computer in einem Netzwerk verfügt, den Verletzer, d. h. den Besitzer des Anschlusses, ausfindig zu machen. Soweit allerdings die Auskunft nur unter Verwendung der Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 10 des Telekommunikationsgesetzes (TKG – www.gesetze-im-internet.de/tkg_2004) möglich ist – dies sind alle Daten, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder genutzt werden – muss beim zuständigen Landgericht eine richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten beantragt werden. Das Fernmeldegeheimnis ist jedoch insoweit eingeschränkt.
[ ! ] Auskunftsanspruch
Der Urheber, dessen Rechte verletzt wurden, kann vom Verletzer umfangreiche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg, die Menge und den Preis der rechtswidrigen Vervielfältigungsstücke verlangen. Diese Angaben dienen der Vorbereitung der Schadensersatzforderung. In bestimmten Fällen muss auch ein Dritter, der selbst die Rechte nicht verletzt hat, Auskunft erteilen (Stichwort »Internet-Provider«).
6.1.8 Schadensersatzanspruch (§ 97 Abs. 2 UrhG)
Im deutschen Schadensersatzrecht gilt, dass derjenige, der einen Schadensersatzanspruch gegenüber einem anderen geltend macht, gleichgültig, ob dies gerichtlich oder außergerichtlich geschieht, zunächst nachvollziehbar darlegen und gegebenenfalls auch beweisen muss, dass ihm der geltend gemachte Schaden durch den Inanspruchgenommenen dem Grunde und auch der Höhe nach tatsächlich entstanden ist. Kann der Verletzte seinen Schaden und die Kausalität zwischen der Handlung des Inanspruchgenommenen und dem eingetretenen Schaden nicht plausibel darlegen, wird er kaum eine Chance haben, seinen Anspruch durchzusetzen.
[ ! ] Grundsatz 1 des Schadensersatzrechts
Derjenige, der einen Schaden geltend macht, muss ihn darlegen und beweisen. Außerdem muss er die Kausalität des Schadens beweisen, also dass die Verletzungshandlung ursächlich für den eingetretenen Schaden ist. Gelingt ihm dies nicht oder nur hinsichtlich eines Teils des Schadens, scheitert er mit seinem Anspruch ganz oder teilweise. Ohne Schaden und ohne Kausalzusammenhang mit der Verletzungshandlung gibt es keinen Schadensersatz!
Abgesehen von einigen Fällen der Gefährdungshaftung, bei der man nur deshalb grundsätzlich haftet, weil man etwas Gefährliches tut (zum Beispiel Autofahren im Straßenverkehr, das per se durch das Straßenverkehrsgesetz, StVG, als gefährlich gilt, oder durch das Betreiben einer gefährlichen Anlage), und abgesehen von den Fällen der verschuldensunabhängigen Haftung, in denen man auch ohne Verschulden haftet, wie oben am Beispiel des Unterlassungsanspruchs etc. festgestellt, gilt für das deutsche Schadensersatzrecht darüber hinaus, dass eine Haftung auf Schadensersatz nur dann in Betracht kommt, wenn der Verletzer vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Vorsätzlich handelt zum Beispiel der Verlag, der in Kenntnis, dass er gar keine Veröffentlichungsrechte hat, trotzdem ein fremdes Foto veröffentlicht, also die Rechtsverletzung kennt und bewusst begeht. Fahrlässigkeit wäre dagegen gegeben, wenn der Verlag Bildrechte von einem Fotografen aufgekauft hat, ohne sich zu vergewissern und sich bestätigen zu lassen, dass dieser tatsächlich im Besitz aller Bildrechte ist, und damit die im (Rechts)Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat.
[ ! ] Grundsatz 2 des Schadensersatzrechts
Eine Schadensersatzpflicht setzt im Regelfall Verschulden, d. h. Vorsatz (bewusste Schadenszufügung) oder Fahrlässigkeit (Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt), voraus. Wer nicht vorsätzlich oder fahrlässig handelt, haftet in der Regel auch nicht.
Auch für den Schadensersatzanspruch im Urheberrecht gilt, dass eine Haftung nur für Vorsatz und Fahrlässigkeit in Betracht kommt.
[ ! ] Schadensersatzpflicht nach § 97 Abs. 2 UrhG
§ 97 Abs. 2 UrhG regelt, dass derjenige, der schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, das Urheberrecht eines anderen verletzt, diesem zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Die Frage der Schadensersatzpflicht ist in Fällen wie unserem Beispiel nicht problematisch. Der Verlag hat eine Urheberrechtsverletzung begangen. Diese war hier, wenn nicht sogar vorsätzlich, weil die Bilder bewusst von der Website des Fotografen heruntergeladen wurden, so doch auf jeden Fall fahrlässig. Denn die im Verkehr anzuwendende Sorgfaltspflicht hätte den Verlag vor dem Abdruck der Bilder und der Veröffentlichung des Bildbandes veranlassen müssen, genau zu überprüfen, ob die Veröffentlichungsrechte an den Bildern wirksam erworben wurden.
Bei einem materiellen Schaden, der durch Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands oder durch Erstattung der dazu erforderlichen Kosten beseitigt werden muss, ist die Darlegung der Schadenshöhe durch entsprechende Reparaturrechnungen, Belege über Wiederbeschaffungskosten o. Ä. oft noch relativ einfach. Weitaus schwieriger ist es für den Geschädigten dagegen, einen Vermögensschaden, wie er beim »Bilderklau« vorliegt, der Höhe nach zu beziffern und geltend zu machen. Natürlich kann der Fotograf sich auf den Standpunkt stellen, seine Fotos seien so überragend, dass jedes von ihnen eine einmalige Nutzungsgebühr von mindestens 1.000 € rechtfertigen würde. Mit dieser Argumentation »ins Blaue hinein« und auf Basis rein subjektiver Wertvorstellungen wird unser Fotograf jedoch kein Gericht überzeugen können. Gar nicht so selten liegen bekanntermaßen Welten zwischen dem Wert, der einer Sache subjektiv beigemessen wird, und dem Wert, den ein objektiver Betrachter, für den ideelle Gesichtspunkte nicht maßgebend sind, ihr zumisst. Vor Gericht zählen jedoch nur konkrete Tatsachen, die sich in geeigneter Form beweisen lassen. Ideelle Werte finden im Schadensersatzrecht allenfalls in Ausnahmefällen eine Berücksichtigung.
Schon das Reichsgericht hat im Jahr 1895 drei verschiedene Methoden zur Schadensberechnung dargestellt, die später vom BGH übernommen wurden und zur ständigen Rechtsprechung geworden sind, noch bevor sie in den heutigen § 97 Abs. 2 UrhG eingeflossen sind:
- Berechnung des entgangenen Gewinns
- Herausgabe des Verletzergewinns
- Lizenzanalogie
Wie sehen nun die einzelnen Berechnungsarten im Detail aus?
Berechnung des entgangenen Gewinns (§ 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG) | Die erste Alternative ist eigentlich im UrhG nur unvollkommen geregelt. Dort heißt es in § 97 Abs. 2 Satz 1 nur, dass derjenige, der die Verletzungshandlung begangen hat, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet ist. Wie der Schaden zu berechnen ist und was alles zum Schaden gehört, wird dagegen im BGB geregelt. Dort heißt es dann in § 252, dass zum Schaden auch der entgangene Gewinn gehört. Als entgangen gilt der Gewinn nach § 252 BGB dann, wenn er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit hätte erwartet werden können.
[zB] Nehmen wir an, unserem Fotografen hätte ein verbindliches und schriftliches Angebot eines Kalenderverlags vorgelegen, die Nutzungsrechte an den drei Fotos für einen bestimmten Betrag zu erwerben, allerdings hätte der Kalenderverlag diesen Erwerb davon abhängig gemacht, dass er die Nutzungsrechte exklusiv an noch nicht veröffentlichten Fotos übertragen bekommt. Bevor es zum Vertragsabschluss mit dem Kalenderverlag gekommen ist, wäre der Bildband vom Verlag veröffentlicht worden. Da er die exklusive Nutzung ihm nun nicht mehr übertragen könnte, würde der Kalenderverlag sein Angebot zurückziehen. Hier entspricht sein entgangener Gewinn dem für die drei Fotos vom Kalenderverlag angebotenen Betrag.
Diesem Beispiel liegt der Idealfall zugrunde, dass der entgangene Gewinn nachgewiesen und exakt beziffert werden kann. Dies ist jedoch in solchen Fällen eher die Ausnahme. Hätte dem Fotografen nicht zufällig dieses Angebot vorgelegen, hätte er nach dieser Berechnungsmethode überhaupt keinen konkreten Schaden beziffern können. Hätte der Kalenderverlag nur eine mündliche Zusage gemacht, wäre dem Fotografen zwar Gewinn entgangen, aber er hätte möglicherweise ein Beweisproblem gehabt, weil er nicht hätte beweisen können, dass es ein verbindliches Angebot und nicht nur eine bloße Anfrage des Kalenderverlags war. Denn dann könnte man von einem definitiv entgangenen Gewinn sicherlich noch nicht ausgehen. Kann der Fotograf einen konkreten Gewinnausfall nicht oder nicht hinreichend darlegen und beweisen, bleibt ihm nur, mit einer Gewinnvermutung zu argumentieren und vor Gericht darzulegen, dass nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge damit zu rechnen gewesen wäre, dass er die Nutzungsrechte an den Fotos zu einem vermuteten Preis in Höhe von X € verkauft hätte. Außerdem müsste der Fotograf den Nachweis führen, dass ausschließlich die Rechtsverletzung der Grund für den entgangenen Gewinn gewesen ist.
Aus so vielen konjunktivischen Formulierungen und Unwägbarkeiten ergibt sich die Problematik einer rechtlichen Durchsetzung dieses Anspruchs. Gerade für den Amateurfotografen, der nicht ständig Nutzungsverträge für seine Fotos mit Dritten abschließt und keine ausreichende Zahl von Belegen für Geschäfte aus der Vergangenheit und damit auch keinen gewöhnlichen Lauf der Dinge darlegen kann, ist der Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns ziemlich wertlos.
Der klassische Anwendungsfall für die Geltendmachung von entgangenem Gewinn ist auch wohl eher nicht das Bildrecht, sondern zum Beispiel der Produktionsausfall durch Beschädigung einer Maschine und dadurch hervorgerufene Produktionsmindermengen. In solchen Fällen kann durch betriebswirtschaftliche Berechnungen der entgangene Gewinn vielfach nachvollziehbar ermittelt werden.
Der BGH hat das Problem des Anspruchs auf entgangenen Gewinn in seinem Urteil vom 02.11.2000 (I ZR 246/98) so beschrieben:
[§] »Es liegt in der Natur der Immaterialgüterrechte, dass im Einzelfall kaum feststellbar und beweisbar ist, welcher Gewinn dem Rechtsinhaber dadurch entgangen ist, dass der Verletzer in das ihm zugewiesene Ausschließlichkeitsrecht eingegriffen und damit seine eigenen Möglichkeiten zur Auswertung des Rechts geschmälert hat.«
[ ! ] Anspruch auf entgangenen Gewinn
Dieser Anspruch, der sich aus §§ 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG in Verbindung mit § 252 BGB ergibt, ist darauf gerichtet, vom Verletzer das zu verlangen, was durch die Verletzungshandlung an Gewinn vom Verletzten nicht erzielt werden konnte. Wegen der Schwierigkeit, den Schaden und die Kausalität der Verletzung für den entgangenen Gewinn nachzuweisen und genau zu beziffern, ist dieser Anspruch im Bereich des Bildrechts wohl nur in seltenen Fällen und dem Amateurfotografen praktisch nie zu empfehlen.
Herausgabe des Verletzergewinns (§ 97 Abs. 2 Satz 2 UrhG) | Mit dem Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns kann der Fotograf vom Verlag den Gewinn verlangen, den der Verlag mit dem Bildband gemacht hat. Dabei kommt es überhaupt nicht darauf an, ob der Fotograf diesen Gewinn auch hätte machen können.
Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ist kein Anspruch auf Ersatz des konkret entstandenen Schadens, sondern zielt in anderer Weise auf einen billigen Ausgleich des Vermögensnachteils, den der verletzte Rechtsinhaber erlitten hat (BGH, Urteil vom 02.02.1995 – I ZR 16/93). Aus der Erkenntnis, dass sich der entgangene Gewinn nur schwer nachweisen lässt, folgert der BGH in seiner bereits zitierten Entscheidung vom 02.11.2000, dass die mangelnde Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf Ersatz des entgangenen Gewinns nicht dazu führen dürfe, dem Verletzer einen Gewinn, der auf der unbefugten Nutzung des Ausschließlichkeitsrechts beruht, zu belassen. Deshalb enthalte das Gesetz den Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns. Zwar ist diese Entscheidung zum damaligen Geschmacksmustergesetz ergangen, aber in vollem Umfang auf das Urheberrecht übertragbar. Der BGH führt weiter aus, es werde beim Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns, um einen Ausgleich herbeizuführen, unterstellt, dass der Rechtsinhaber ohne die Rechtsverletzung durch die Verwertung seines Schutzrechts den gleichen Gewinn wie der Verletzer erzielt hätte. Die Abschöpfung des Verletzergewinns diene dabei auch der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens und auf diese Weise auch der Prävention gegen eine Verletzung der besonders schutzbedürftigen Immaterialgüterrechte.
Will unser Fotograf diesen Anspruch geltend machen, kann er dies natürlich nur, wenn er zuvor den Auskunftsanspruch durchgesetzt hat (siehe Abschnitt 6.1.7). Denn wenn der Fotograf den Gewinn des Verletzers ermitteln will, benötigt er natürlich detaillierte Angaben zu dessen Berechnung.
Aber auch hier wird der Fotograf im Zweifel auf Schwierigkeiten stoßen. Zum einen setzt die Geltendmachung dieses Anspruchs ein gewisses betriebswirtschaftliches Grundverständnis voraus, man muss aber auch davon ausgehen, dass der Verlag schon bei der Auskunftserteilung versuchen wird, die Auskünfte in seinem Sinne zu »schönen«, und dass er auch seinen Finanzexperten alles abverlangen wird, um den Gewinn irgendwie herunterzurechnen. Da es keinen Anspruch auf Herausgabe von Firmenunterlagen gibt, sind die Auskünfte in der Regel mit Fragezeichen zu versehen.
Auch der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ist deshalb nicht unproblematisch und wird bei realistischer Betrachtung in der Regel nur zu einem Teilerfolg im Klageverfahren führen, was im Übrigen die unangenehme Begleiterscheinung hat, dass der Verletzte auch noch die Kosten des Gerichtsverfahrens tragen muss, weil er mit seinem Anspruch keinen Erfolg hat. Wenn er zum Beispiel von eingeklagten 10.000 € nur 6.000 € zugesprochen bekommt, muss er 40 % der Verfahrenskosten, der Verlag dagegen 60 % der Kosten übernehmen.
Auch der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ist deshalb in vielen Fällen nicht die beste Wahl.
[ ! ] Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns
Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns setzt eine exakte und nachvollziehbare Berechnung des Gewinns des Verletzers voraus und stößt damit ebenfalls in vielen Fällen auf prozessuale Schwierigkeiten. Im Bereich der Bildrechtsverletzung ist auch dieser Anspruch zur Durchsetzung von Schadensersatzforderungen in der Regel nicht optimal.
Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG) | Aufgrund der geschilderten Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit den beiden vorgenannten Berechnungsarten bei der Bildrechtsverletzung bestehen, hat sich in der Praxis bei der Schadensermittlung die dritte Berechnungsmethode, die sogenannte Lizenzanalogie, durchgesetzt, bei der eine fiktive Lizenzgebühr zugrunde gelegt wird. In § 97 UrhG heißt es:
[§] »Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte.«
In den Fällen, in denen die Zahlung eines Nutzungsgeldes üblich ist, was bei der Überlassung von Fotos meistens der Fall ist, tut man also so, als sei zwischen dem Fotografen und dem Verlag ein Lizenz- bzw. Nutzungsvertrag abgeschlossen worden, und stellt fest, welche Lizenzgebühr für die drei Fotos angemessen gewesen wäre. Man bildet also eine Analogie zu einem gedachten Lizenzvertrag und überlegt sich aus der Sicht eines objektiven Betrachters, was ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gezahlt hätte. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Nutzungsberechtigung, ob der Verletzer tatsächlich bereit gewesen wäre, die so ermittelte Lizenzgebühr zu zahlen, spielt dabei keine Rolle.
Der Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die Überlegung zugrunde, dass der Verletzer grundsätzlich nicht anders gestellt werden soll als ein vertraglicher Lizenznehmer, der eine Lizenzgebühr entrichtet hätte. Dabei ist es – so auch der BGH (Urteil vom 23.06.2005 – I ZR 263/02) – unerheblich, ob es bei korrektem Verhalten des Verletzers im konkreten Fall tatsächlich zu einer entsprechenden Lizenzerteilung gekommen wäre; entscheidend ist vielmehr allein, dass der Verletzte die Nutzung nicht ohne Gegenleistung gestattet hätte. Zulässig ist die Schadensberechnung auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr überall dort, wo die Überlassung von Rechten zur Benutzung durch Dritte gegen Entgelt rechtlich möglich und verkehrsüblich ist. Dies ist sicherlich im Bereich der Nutzungsrechte für Fotos der Fall.
Es fragt sich jedoch, was eine angemessene Vergütung ist. Dabei handelt es sich wiederum um eine Frage des Einzelfalls, für die es natürlich keine allgemeingültige Aussage geben kann. Zunächst muss überprüft werden, ob der Verlag möglicherweise über eine Preisliste oder Tarifvereinbarung verfügt, die für Bildnutzung zu zahlende Entschädigungen enthält. Gibt es eine solche Liste, dann ist sie anzuwenden, denn der Verletzer soll nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt werden, als er stünde, wenn es einen Lizenzvertrag gäbe. Existiert eine solche verbindliche Liste nicht, oder liegen die darin aufgeführten Beträge unter dem, was üblicherweise ein verständiger Lizenzgeber gezahlt hätte, muss das Gericht die zu zahlende Gebühr schätzen.
Gerade im Bereich des Foto- und Bildrechts gibt es dafür seit vielen Jahren ein Hilfsmittel, das auch von den Gerichten bei der Festlegung der fiktiven Lizenzgebühr regelmäßig herangezogen wird. Auf diese Weise werden in den meisten Fällen ein ansonsten möglicherweise erforderliches Sachverständigengutachten oder Schätzungen des Gerichts entbehrlich. Dieses Hilfsmittel ist die jährlich neu erscheinende Übersicht über Bildhonorare, die von der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) herausgegeben wird. Falls Sie daran interessiert sind, können Sie sie problemlos über das Internet (http://bvpa.org/mfm) käuflich erwerben. Es gibt daneben zwar noch einige andere Tarife, wie etwa den der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Diese erfassen jedoch meist nur einzelne Bereiche und spielen in der Praxis der Schadensberechnung durch die Gerichte keine nennenswerte Rolle.
In der sehr ausführlichen und umfangreichen Honorarübersicht der MFM sind Lizenzgebühren nach Nutzungsart (zum Beispiel Kalender, Bücher und Bildbände, Zeitschriften, Reiseführer, Schulbücher), nach Nutzungsumfang (Größe und Format der Wiedergabe) und Verbreitung (Auflagenstärke und Dauer der Veröffentlichung) aufgelistet. Zu diesen drei Grundparametern kommen noch allgemeine und spezifische Konditionen, zum Beispiel bestimmte Zuschläge und Nachlässe, die jeweils den einzelnen Nutzungsarten bzw. den bestimmten Medien zugeordnet sind.
Die Tarifgebühren nach den MFM-Honoraren stellen eine Grundlage im Rahmen der Ermessensentscheidung des Gerichts nach § 287 Zivilprozessordnung (ZPO – www.gesetze-im-internet.de/zpo) dar (LG Düsseldorf, Urteil vom 01.04.2009 – 12 O 277/08), gebunden sind die Gerichte allerdings nicht daran.
Im Fall unseres Fotografen würde das Gericht höchstwahrscheinlich anhand dieser Liste feststellen, was an Lizenzgebühr für die Nutzung der Fotos in der abgebildeten Größe in einem Bildband mit dieser Auflage zu zahlen gewesen wäre. Dazu gibt die MFM-Übersicht in diesem Fall auch hinreichend Auskunft. Der so ermittelte Betrag wird als Schadensersatz zugesprochen. Macht der Fotograf einen höheren Anspruch geltend, muss er diesen darlegen und beweisen – zum Beispiel, dass üblicherweise für derartige Bildbände Honorare gezahlt werden, die deutlich über der MFM-Übersicht liegen.
Eine Anwendung der MFM-Übersicht kann allerdings auch nicht in allen Fällen erfolgen. Wenn der Verlag zu Recht einwenden kann, dass die konkrete Nutzungsart nicht in der MFM-Liste enthalten ist oder dass ein Sachverhalt vorliegt, auf den die MFM im konkreten Fall nicht anwendbar ist, wird das Gericht nicht umhinkommen, den Schaden durch einen Sachverständigen feststellen zu lassen. Eine Entscheidung ausschließlich auf Basis der MFM-Übersicht dürfte in diesen Fällen zu keinem akzeptablen Ergebnis führen.
Auch Personen, die sich etwa beim privaten Verkauf von Gegenständen auf der Internetplattform eBay das Anfertigen eigener Fotos ersparen und stattdessen Fotos verwenden, die sie aus Angeboten anderer, die den gleichen Artikel verkaufen, entnehmen, haben mit Ansprüchen auf Schadensersatz seitens der jeweiligen Fotografen zu rechnen. Dies kann im Einzelfall teuer werden, denn die Rechtsprechung hat in verschiedenen Urteilen schon Schadensersatzansprüche in unterschiedlicher Höhe zugesprochen, ein Beispiel dazu gebe ich Ihnen in Abschnitt 6.1.9, »Beispiel einer Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie«. Zuvor möchte ich jedoch noch einen weiteren Gesichtspunkt nennen, der auch beim angekündigten Beispiel eine Rolle spielt.
Aufschlag bei fehlender Namensnennung gemäß § 13 UrhG | Eine weit verbreitete Unsitte ist es, Fotos ohne Nennung des Fotografen oder auf eine Weise zu veröffentlichen, bei der der Urheber nicht eindeutig erkennbar ist oder falsch bezeichnet wurde. Dies ist – wie Sie aus Kapitel 1, »Urheberrecht«, wissen – eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts nach § 13 UrhG.
Wenn zu einer Verletzungshandlung noch eine Unterlassung der Namensnennung des Urhebers hinzukommt, spricht die Rechtsprechung nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung einen Aufschlag von 100 % auf die in Lizenzanalogie ermittelte Lizenzgebühr zu.
In unserem Beispielfall war die Namensnennung unterblieben, sodass dem Fotografen der doppelte Schadensersatzanspruch zusteht, den er sinnvollerweise nach der Lizenzanalogie geltend machen wird.
[ ! ] Schadensersatz nach der Lizenzanalogie
Wird der Schadensersatz nach dem Grundsatz der Lizenzanalogie berechnet, was heute allgemein üblich ist, wird anhand objektiver Kriterien ermittelt, was bei einem unterstellten Nutzungs- oder Lizenzvertrag zwischen Fotograf und Verletzer dem Fotografen an Lizenzgebühr zu zahlen gewesen wäre. Die so ermittelte Lizenzgebühr ist der zu fordernde Schadensersatzbetrag.
Die Rechtsprechung orientiert sich dabei meist an der von der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing jährlich herausgegebenen Übersicht über Bildhonorare.
Für den Fall, dass bei der Veröffentlichung die Namensnennung des Fotografen unterblieben ist und damit das Urheberpersönlichkeitsrecht des § 13 UrhG verletzt wurde, wird bei der Schadensermittlung üblicherweise auf die ermittelte Lizenzgebühr ein Aufschlag von 100 % auf die Gebühren in der MFM-Liste erhoben.
6.1.9 Beispiel einer Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie
Im Folgenden möchte ich Ihnen an einem Beispiel zeigen, wie mit einem Fall des sogenannten Bilderklaus im Internet umgegangen wird. Das Beispiel beruht auf einem authentischen Fall, den das LG Düsseldorf (Urteil vom 19.03.2008 – 12 O 416/06) zu entscheiden hatte und der sich so oder so ähnlich in der Praxis häufig wiederholt:
Die Klägerin war Betreiberin eines Onlineshops bei der Auktionsplattform eBay, über den sie Designer-Modeartikel verkaufte, u. a. Damenhandtaschen. Der Beklagte hatte fünf Produktbilder der Klägerin von deren eBay-Auktionen kopiert und in die Produktbeschreibung von zwei eigenen eBay-Auktionen eingefügt. Die Klägerin hatte die Bilder selbst von einem Fotografen mit hohem Aufwand herstellen lassen und besaß die uneingeschränkten und ausschließlichen Nutzungsrechte an den Bildern.
Unter Anwendung der Lizenzanalogie hat das LG Düsseldorf den Beklagten auf Basis der für diesen Fall anzuwendenden MFM-Liste 2006 (es gilt immer die zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung gültige Liste) zu einem Schadensersatz von 300 € pro Bild, also zu 1.500 € für die fünf Bilder insgesamt, verurteilt. Der Betrag von 300 € pro Bild setzte sich zusammen aus einer Lizenzgebühr von 100 € in der ersten Auktion, zuzüglich weiterer 50 € für die Verwendung in der zweiten Auktion. Auf den sich daraus ergebenden Betrag von 150 € wurde ein Aufschlag von 100 % erhoben, da das Bild ohne Namensnennung veröffentlicht worden war, somit ergab sich pro Bild ein Schadensersatzanspruch von 300 €.
Dieses Beispiel macht deutlich, dass die unbefugte Verwendung fremden Bildmaterials keineswegs ein Kavaliersdelikt ist und sehr schnell sehr teuer werden kann. Der Beklagte in diesem Fall und viele Bilderdiebe in vergleichbaren Fällen werden mit ihren Auktionen nicht nur kein Geld verdient, sondern kräftig draufgelegt haben.
Rechtsprechung wurde in Teilen verbraucherfreundlicher | Seit der Vorauflage ist zwischenzeitlich jedoch von Teilen der Rechtsprechung die schematische Übernahme der MFM-Liste bei der Ermittlung von Schadensersatzansprüchen abgelehnt worden (so u. a. das OLG Hamm, Urteil vom 13.02.2014 – 22 U 98/13). Zwar sei die MFM-Liste als Basis verwendbar, darüber hinaus müsse jedoch geprüft werden, ob das konkrete Lichtbild als professionelles Werk anzusehen ist oder ob es sich um eine »Laienaufnahme« handelt, bei der entsprechende prozentuale Abschläge von der MFM-Liste vorzunehmen seien. Das OLG Hamm hat in einem solchen Fall einen Abschlag von 60 % auf die MFM-Liste vorgenommen. Bei der Frage, welcher Schadensersatzanspruch im Einzelnen berechtigt und angemessen ist, muss deshalb stets auch eine qualitative Bewertung der unberechtigt verwendeten Fotografie erfolgen. So wird verhindert, dass Anspruchsteller mit einfachen und künstlerisch wertlosen Fotografien überzogene Schadensersatzforderungen stellen können. Allerdings ist zu betonen, dass die Rechtsprechung zur Ermittlung des Schadensersatzes noch keineswegs einheitlich ist und es durchaus Gerichte gibt, die sich nach wie vor strikt an der MFM-Liste orientieren.
Gerade bei der unberechtigten Verwendung von fremdem Bildmaterial bei privaten eBay-Auktionen gibt es jedoch zwischenzeitlich auch Entscheidungen, denen zufolge die MFM-Liste gar nicht anwendbar ist. So hat das Amtsgericht Hannover am 24.04.2013 (550 C 1163/12) entschieden, dass die MFM-Liste nur bei gewerblicher Nutzung Anwendung findet, nicht jedoch für einen Privatverkauf bei eBay. Auch sei der sogenannte Verletzerzuschlag« von 100 % bei unterlassener Urhebernennung nicht anwendbar, da eine Urhebernennung bei Fotos in eBay nicht üblich sei. Das Gericht legte einen Schadensersatzanspruch von 30 € zugrunde. Bereits zuvor hatte das OLG Braunschweig (Urteil vom 08.02.2012 – 2 U 7/11) aus den gleichen Erwägungen einen Schadensersatzanspruch von nur 20 € pro Bild zuerkannt.
Gleichwohl empfiehlt es sich natürlich, bei der Einstellung von eBay- Auktionen eigenes Bildmaterial zu verwenden, da in jedem Fall neben den ausgeurteilten Schadensersatzbeträgen auch die Rechtsverfolgungskosten vom Verletzer zu zahlen sind, welche je nach Fall die Schadensersatzsummen deutlich übersteigen können.
6.1.10 Immaterielle Schadensersatzansprüche (§ 97 Abs. 2 Nr. 4 UrhG)
Grundsätzlich können Urheber auch wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen. Solche werden jedoch grundsätzlich von der Rechtsprechung nur dann zuerkannt, wenn es sich um eine besonders schwerwiegende und nachhaltige Rechtsverletzung handelt.
Eine Entscheidung des BGH, die Sie bereits aus Kapitel 1, »Urheberrecht«, kennen, sei hier beispielhaft nochmals genannt, und zwar das Urteil »Petite Jacqueline« vom 05.03.1971 (I ZR 94/69). Ein Buchverlag hatte das prämierte Foto eines Fotografen dadurch erheblich entstellt, dass er nur einen kleinen Ausschnitt, nämlich die Augenpartie eines Mädchens, für ein Buchcover verwendet hatte. Der BGH hat in diesem Fall entschieden, dass es sich aufgrund der weltweiten Anerkennung um ein Bild von außergewöhnlich schöpferischer Eigenart gehandelt habe, das in die von Karl Pawek in seinem Werk »Totale Fotografie« (1960) aufgestellte Liste von 400 hervorragenden Fotografien der Welt aufgenommen worden sei. Durch diese besondere Sachlage stelle die Entstellungshandlung des Verlags eine so gravierende Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts dar, dass eine Geldentschädigung (in Höhe von hier 5.000 DM) gerechtfertigt sei.
[ ! ] Ersatz für immaterielle Schäden
Der Anspruch eines Urhebers auf Ersatz immaterieller Schäden ist grundsätzlich auf schwerwiegende und nachhaltige Verletzungen beschränkt und bildet die Ausnahme. Die überwiegende Anzahl der Urheberrechtsverletzungen löst keine Ansprüche auf Zahlung einer zusätzlichen Entschädigung aus.
6.1.11 Entschädigung bei unverschuldeter Urheberverletzung (§ 100 UrhG)
Wie Sie gesehen haben, setzt ein Schadensersatzanspruch – bis auf gesetzlich geregelte Ausnahmen – ein Verschulden voraus, d. h., es muss Vorsatz oder Fahrlässigkeit bezüglich der Rechtsverletzung vorliegen. Es sind jedoch auch ausnahmsweise Fälle denkbar, in denen der Verletzer in gutem Glauben, sich rechtmäßig zu verhalten, das Urheberrecht eines anderen verletzt und ihm keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Zum Beispiel kauft ein Verlag von einem Fotografen Fotos, lässt sich von diesem ausdrücklich schriftlich bestätigen, dass dieser Urheber der Aufnahmen sei, tatsächlich hat der Fotograf sich jedoch die Bilder widerrechtlich von einem Kollegen angeeignet, der davon natürlich nichts weiß. Hier hätte der Verletzte, also der Fotograf, dem die Bilder abhandengekommen sind, mangels Fahrlässigkeit des Verwerters keinen Schadensersatzanspruch gegen den Verlag.
Diese Regelungslücke schließt § 100 UrhG so, dass dann, wenn keine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzungshandlung vorliegt, der Verletzer die verschuldensunabhängigen Ansprüche nach §§ 97, 98 UrhG (Unterlassung und Vernichtung etc.) durch Zahlung einer angemessenen Entschädigung abwenden kann, wenn ihm durch die Erfüllung der Ansprüche aus §§ 97, 98 UrhG ein unverhältnismäßig großer Schaden entstehen würde und dem Verletzten die Abfindung in Geld zuzumuten ist. Beides muss in jedem Einzelfall entschieden werden. Das bedeutet, dass bei fehlendem Verschulden im Rahmen einer Interessenabwägung geprüft werden kann, ob sich der Verletzer durch Zahlung einer Entschädigung von seinen Verpflichtungen zur Unterlassung, Beseitigung, Vernichtung etc. »freikaufen« kann und ob eine solche Zahlung auch den berechtigten Interessen des Urhebers gerecht wird.
Wenn eine solche Entschädigung in Betracht kommt, muss der Verletzer den Betrag zahlen, der im Fall einer vertraglichen Einräumung des Rechts als Vergütung angemessen wäre. Mit der Zahlung der Entschädigung gilt die Einwilligung des Verletzten zur Verwertung im üblichen Umfang als erteilt.
In der Praxis werden jedoch die Fälle, in denen weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit des Verletzers vorliegt, eher selten vorkommen. Die meisten Verletzungshandlungen sind mindestens auf Fahrlässigkeit zurückzuführen. Aufgrund der Tatsache, dass die Rechtsprechung nur geringe Anforderungen an das Vorliegen von Fahrlässigkeit stellt, dürfte der erst 2004 durch die EU-Richtlinie 2004/48/EG vom 29.04.2004 eingeführten Regelung des § 100 UrhG deshalb in der Praxis kaum eine nennenswerte Bedeutung zukommen, sie wird hier jedoch der Vollständigkeit halber erwähnt.
6.1.12 Verjährung
Die Ansprüche aus dem Urheberrecht verjähren in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (Regelverjährungsfrist des § 195 BGB), die gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss (so der Gesetzeswortlaut!) des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist. Dies ergibt sich durch den Verweis in § 102 UrhG auf die allgemeinen Verjährungsregeln der §§ 194 ff. BGB. Die Regelverjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB gilt grundsätzlich auch für Schadensersatzansprüche. Hier ist allerdings Voraussetzung, dass der Geschädigte überhaupt Kenntnis von den Anspruchsvoraussetzungen hat, er also von dem zum Schadensersatz verpflichtenden Verhalten des Verletzers etwas weiß. Der in Deutschland lebende Fotograf muss also etwa die unautorisierte Veröffentlichung seines Bildes zur Kenntnis genommen haben. Da aber auch Fälle denkbar sind, in denen der Geschädigte zunächst überhaupt gar keine Kenntnis von dem Schaden bekommt, weil zum Beispiel der in den USA lebende oder dorthin verzogene Fotograf erst nach Ablauf der Regelverjährungsfrist entdeckt, dass sein Urheberrecht in Deutschland verletzt wurde, sieht § 199 BGB für Schadensersatzansprüche eine kenntnisunabhängige Verjährungsfrist von meist 30 Jahren vor. Das bedeutet, unabhängig von der Kenntnis des Geschädigten ist jeglicher Schadensersatzanspruch in der Regel nach 10 Jahren verjährt. Auf Sondertatbestände, in denen auch eine dreißigjährige Verjährungsfrist gilt, soll hier nicht weiter eingegangen werden.
Auf die Darstellung weiterer Einzelheiten des gelegentlich durchaus komplizierten Verjährungsrechts möchte ich an dieser Stelle jedoch verzichten, da die Verjährungsfrage im Einzelfall nur anhand der konkreten Umstände beantwortet werden kann.