Namhafte Wirtschaftsforscher haben die Grundlagen für die „Erfindung“ der Indexfonds geschaffen. Und sie haben wesentlich zur Weiterentwicklung des ETF-Angebots beigetragen.
John C. Bogle ist zwar so etwas wie der „leibliche Vater“ von Indexfonds für Privatanleger. Aber es gibt auch einen „geistigen Vater“: Professor Paul A. Samuelson, der 1970 als erster US-Amerikaner mit dem Nobelpreis für Wirtschaft (genauer: Alfred-Nobel-Gedächtnispreis) ausgezeichnet worden ist. Er hatte 1974 in einem wissenschaftlichen Beitrag gefordert, jemand solle doch einen Investmentfonds auflegen, der einfach nur passiv den breiten US-Aktienindex S&P 500 nachbildet. Er war sich sicher: Nach Abzug der Kosten werde es kein aktiver Anleger auf Dauer schaffen, den Index zu schlagen.
Bogle schilderte viele Jahre später, dass ihm diese Herausforderung keine Ruhe gelassen habe, bis er mit dem Vanguard 500 Index Fund dann 1976 Samuelsons Wunsch erfüllen konnte. Der Nobelpreisträger lobte Bogle kurz danach in einer Kolumne im Wirtschaftsmagazin „Businessweek“ überschwänglich: „Meine Gebete wurden früher als erwartet erhört.“ Fast 30 Jahre später legte Samuelson augenzwinkernd noch eine Schippe drauf: „Ich stufe Bogles Erfindung von Indexfonds gleichrangig ein mit der Erfindung des Rads, des Alphabets, Gutenbergs Buchdruck sowie gutem Wein und Käse“, pries er ihn in einem Vortrag.
Der Wirtschaftsprofessor hatte seine Forderung nach einem Indexfonds mit den Ergebnissen seiner eigenen wissenschaftlichen Forschungen und denen anderer Ökonomen zur „Modernen Portfoliotheorie (MPT)“ begründet. Samuelson, der von der „New York Times“ in einem Nachruf nach seinem Tod 2009 als „führender Wirtschaftswissenschaftler des 20. Jahrhunderts“ gewürdigt wurde, hat die Moderne Portfoliotheorie maßgeblich weitergedacht.
Entwickelt hatte sie aber bereits 1952 Harry Max Markowitz, der dafür 1990 den Nobelpreis erhielt. Sie bildet die Grundlage für zahlreiche Forschungsarbeiten über die Grundregeln der Kapitalanlage und die Wirkungsweise der Finanzmärkte – und ist zur Basis des passiven Investierens geworden. Markowitz hatte erstmals den wissenschaftlichen Nachweis erbracht, dass Diversifikation, also Streuung der Investments auf verschiedene Anlagen, einen positiven Effekt auf das Risiko und die Rendite eines Portfolios ausübt. Wenn Anleger ihr Vermögen auf verschiedene Anlagen verteilen, bewirkt das auf der Ertragsseite einfach nur, dass die Renditen der Anlagen gemittelt werden. Die Risiken hingegen werden dadurch tatsächlich sogar überproportional reduziert. Diversifikation verbessert also das Rendite-Risiko-Verhältnis.
Die einzelnen Vermögenswerte sollten, wie es in der Fachsprache heißt, möglichst wenig miteinander korreliert sein: Ihre Wertentwicklung sollte sich also nicht gleichgerichtet entwickeln, sondern unterschiedlich auf wirtschaftliche, finanzielle und politische Einflüsse reagieren. Salopp gesagt: Ein Hersteller von Sonnencreme profitiert von einer lang anhaltenden Schönwetterperiode, ein Regenschirmhersteller dagegen von schlechtem Wetter. Wer als Anleger auf beide Produzenten setzt, macht sich von Wettereinflüssen weitgehend unabhängig.
Es macht daher laut Markowitz wenig Sinn, ein Depot aufzubauen, das vorwiegend aus Autoaktien oder Bankwerten verschiedener Länder besteht. Viel besser ist es, das Geld auf viele Branchen und Länder aufzuteilen.
Hier sind ETF ideal, da es kostengünstige Indexfonds für eine große Zahl von Anlageklassen gibt, also für verschiedene Märkte (Aktien, Anleihen, Rohstoffe), Regionen, Branchen, Strategien und Anlageformen. Mehr dazu erfahren Sie im Kapitel „ETF für Fortgeschrittene“ ab S. 127. „Diversifikation ist das Einzige, was es an der Börse umsonst gibt“, brachte Markowitz seine Erkenntnisse auf einen griffigen Nenner.
Was meinte er damit? Ein gut diversifiziertes Portfolio hat immer ein besseres Rendite-Risiko-Verhältnis als einzelne Bausteine daraus – seien es einzelne Aktien, Länder oder Branchen. Und das Rendite-Risiko-Verhältnis ist die Größe, auf die es am Ende ankommt, wenn man Geldanlagen bewerten und vergleichen möchte. Nur dank Diversifikation kommt man also leicht zu einem besseren Portfolio.
Indexfonds stellen damit Privatanlegern das gleiche Handwerkszeug zur Verfügung wie den Profis. Manche Experten sehen in ETF daher die „Demokratisierung der Geldanlage“, weil sie gleiche Möglichkeiten für alle schaffen. Private Anleger mit geringen Ersparnissen können die Vorzüge breiter Streuung zu ähnlich niedrigen Kosten erzielen wie Großanleger. Und sie brauchen, wenn sie langfristig investieren, keinen teuren Rat von Banken, Vermögensverwaltern oder Finanzberatern. Sie brauchen kein Herrschaftswissen, um so erfolgreich anlegen zu können wie Profis. Oder, wie es der Münsteraner Wirtschaftsprofessor Martin T. Bohl ausdrückt: Vermögensanlagen mit passiven Investitionsstrategien „benötigen vergleichsweise wenig Know-how“, zudem sei „immer ein guter Zeitpunkt für eine passive Anlage“, da künftige Kursentwicklungen an den Börsen ohnehin nicht prognostiziert werden könnten.
Die drei Wissenschaftler Dimson, Marsh und Staunton von der London Business School berechnen seit vielen Jahren die realen, also inflationsbereinigten Erträge von Aktien, Anleihen und kurzfristigen Staatspapieren (englisch Bills) für 21 Länder bis ins Jahr 1900 zurück. Das Ergebnis für diese Staaten zusammen bis Ende 2016 sieht so aus:
Aktien kamen auf eine durchschnittliche reale jährliche Rendite von 5,1 Prozent,
Anleihen erzielten mit 1,8 Prozent nur gut ein Drittel davon,
kurzfristige Zinspapiere mit 0,8 Prozent weniger als ein Sechstel von Aktien.
Addiert man zu diesen realen Renditen die Inflationsrate hinzu, die in den 21 Ländern im Schnitt 2,9 Prozent betrug, brachten Aktien 8 Prozent „sichtbare“ Rendite pro Jahr.
Die Moderne Portfoliotheorie ist zwar nicht unumstritten und hat auch in der Finanzkrise ab 2008 Schrammen abbekommen, weil nahezu alle Märkte gleichzeitig einbrachen und deshalb auch eine breite Streuung kaum vor starken vorübergehenden Verlusten schützte; aber sie gilt unverändert als die Basis der Investmenttheorie. Ihre grundlegenden Erkenntnisse, mit denen die Überlegenheit des passiven Investierens untermauert wird, lassen sich kurz und stark vereinfacht so zusammenfassen:
All das sind wichtige Argumente dafür, bei der langfristigen Geldanlage auf ETF zu setzen. Doch bevor Sie jetzt sofort loslegen und ETF kaufen, ist es ratsam, sich zunächst mit ein paar wichtigen Regeln für Ihre Finanzplanung sowie mit typischen Fehlern von Geldanlegern vertraut zu machen. Die haben wir im folgenden Kapitel zusammengestellt. Danach kann es an die Umsetzung Ihrer persönlichen Anlageziele gehen.