Mit ETF können Sie die unterschiedlichsten Strategien umsetzen. Besonders populär sind ETF, die auf eine Aktienauswahl mit akademischen Modellen setzen.
Natürlich gibt es nichts, was man nicht noch besser machen könnte. Vielleicht geht das ja auch bei ETF? Vermutlich werden Sie denken, was soll das denn? Jetzt haben Sie x-mal gelesen, dass Indexinvestments die beste Wahl sind, und nun wird der Ansatz infrage gestellt. Keineswegs! Strategie-ETF sind keine Alternative zu klassischen marktbreiten globalen ETF, sondern eine Depotbeimischung. Wir sprechen hier weiter über Indizes, doch diese sind leicht modifiziert, zum Beispiel werden nur dividendenstarke Aktien aufgenommen oder nur kleinere Aktiengesellschaften. Immerhin hat die Wissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten eifrig geforscht und spannende Erkenntnisse dazugewonnen.
Faktor- und Strategie-ETF im Portfolio. Clevere Strategien sollen die Risiken im Portfolio reduzieren, ohne dabei große Abstriche in Bezug auf die Rendite hinzunehmen. Die Ansätze sind sehr unterschiedlich und reichen vom Fokus auf Dividenden über die Gleichgewichtung der Einzelaktien im Index bis zu komplexen Auswahlmodellen. Teils ist es auch eine Kombination aus mehreren Strategien.
Chance/Risiko. Strategien funktionieren oft gut in bestimmten Börsenphasen. Erfüllen sich die Erwartungen aber nicht, sind die Verluste manchmal auch überproportional.
Aktivitätsfaktor. Mittel bis hoch – abhängig von der Strategie. Hinter Strategie- und Faktor-ETF stecken ausgeklügelte Ideen, die mehr oder weniger zyklisch sind. Daher sollten sie laufend verfolgt werden.
Sogenannte Faktor-ETF basieren zum Teil auf den Forschungen des amerikanischen Nobelpreisträgers Eugene Fama. Er wurde 2013 ausgezeichnet, weil er auf Basis der Modernen Portfoliotheorie (siehe dazu „ETF vertrauen auf wissenschaftliche Erkenntnisse“, ab S. 24) in empirischen Versuchen herausgefunden hatte, dass es langfristig drei Faktoren gibt, die den Großteil der Risiken und damit der Renditen eines Aktienportfolios bestimmen:
Diese kurzfristigen Risiken – in Form starker Kursschwankungen – werden gemäß der Theorie langfristig mit einer höheren Rendite belohnt: Erstens bringen Aktien auf lange Sicht mehr Ertrag als risikolose Zinsanlagen, etwa Tagesgeld oder kurz laufende Staatsanleihen. Kleine Aktien und Value-Aktien rentieren sich zweitens auf Dauer aber noch besser als der Durchschnitt der Aktien. Dieser Zusammenhang ist als Famas „Small-Cap-Value-Prämie“ berühmt geworden und hat dazu geführt, dass vor allem Profi-Investoren den Ertragsvorteil der beiden Faktoren Nebenwerte und Value auszunutzen versuchen, indem sie Small-Cap- und Value-Aktien in ihren Depots höher gewichten.
Bestätigt wird diese Strategie durch wissenschaftliche Studien in verschiedenen Ländern. Aber es sei angemerkt, dass diese Strategien ihre Schwächen haben, wie wir gleich noch ausführen werden.
Der Begriff Smart Beta lässt sich nur schwer übersetzen. Er bezeichnet ausgeklügelte Strategien mit dem Ziel, eine bessere Performance als der Marktindex zu erwirtschaften. Die Auswahl der Aktien erfolgt anhand bestimmter Faktoren. Die bekanntesten sind:
Die Werthaltigkeit (Value) eines Unternehmens, sie wird zum Beispiel am Verhältnis vom Börsenwert zum Buchwert gemessen. Je niedriger, desto besser.
Die Kursstabilität (Low Volatility), denn Aktien mit niedriger Schwankungsbreite bringen solide Gewinne und verringern den Stress.
Die Dynamik der Kursbewegungen (Momentum), Aktien, die zuletzt am besten gelaufen sind, entwickeln sich meist weiterhin gut.
Die Größe der Gesellschaft. Kleinere Firmen entwickeln sich oftmals besser als große.
Die Indexanbieter haben auf diese „Gesetzmäßigkeit“ reagiert und eine breite Palette an globalen, regionalen und nationalen Value- und Small-Cap-Indizes entwickelt, die als Basis für ETF dienen. Zudem haben Ökonomen Famas Erkenntnisse zum Anlass genommen, um nach weiteren Faktoren zu forschen, die einen langfristigen Ertragsvorsprung im Vergleich zum gesamten Aktienmarkt versprechen. Sie fanden folgende Faktoren:
Nun stellt sich die Frage, ob es sich lohnt, auf die neuen Trends und ETF-Produkte zu setzen und welche man wählen sollte. Kritiker bemängeln, dass es hier inzwischen zu einem Wildwuchs gekommen ist und nicht alle Faktor-Indizes die Erwartungen erfüllen. In der Theorie funktionieren die Modelle, doch wenn zu viele daran verdienen wollen, geht die Rechnung oft nicht mehr auf.
Hinzu kommt ein weiterer Schwachpunkt: Um die Theorien zu belegen, werden in der Regel historische Rückrechnungen durchgeführt, die je nach Parametern und Beobachtungszeitraum zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
Fraglich ist dabei auch, ob die Strategien, wenn sie in der Praxis umgesetzt worden wären, die Kursentwicklung der Aktien beeinflusst hätten. Kaufen nämlich ganz viele Investoren Aktien einer Gruppe, steigen deren Kurse, und theoretische Ergebnisse sehen in der Praxis dann nicht mehr ganz so rosig aus. Wirklich belastbare Erkenntnisse hat man – abhängig von der Strategie – oft erst nach jahrzehntelangem Praxiseinsatz.
An dieser Stelle müssen Sie für sich entscheiden, ob Sie mit Ihrem Geld das „Versuchskaninchen“ sein wollen und einen Teil auf theoretische Erkenntnisse setzen oder lieber altbewährte Faktoren wie Substanztitel und Small Caps bevorzugen, die den Praxistest längst bestanden haben.
Dabei sollten Sie wissen, dass auch diese Strategien nicht immer Top-Performer sind, in bestimmten Marktphasen schneiden sie weniger gut ab. So hinkten Small Caps im Kursaufschwung 2017 ihren großen Brüdern streckenweise deutlich hinterher. Der SPDR MSCI World Small Cap ETF (Isin IE 00B CBJ G56 0) brachte 2017 „nur“ 7 Prozent Rendite. Vergleichbare ETF auf den MSCI World Index legten 2017 dagegen um gut 22 Prozent zu. In den Jahren zuvor machten hingegen die Nebenwerte das Rennen: Mit besagtem Small-Cap-ETF konnten Anleger jeweils zweistellige Renditen erzielen, während sie sich beim MSCI World Index mit einstelligen Ergebnissen zufriedengeben mussten.
Bei den Substanzwerten hingegen kann sich die Performance auch in der Aufschwungphase 2017 sehen lassen: Der iShares Edge MSCI World Value Factor ETF (Isin IE 00B P3Q ZB5 9) legte 2017 um 22 Prozent zu und konnte daher mit dem MSCI World Index Schritt halten. Doch streckenweise läuft es umgekehrt, weshalb bei diesen Strategien vor allem der langfristige Blick entscheidend ist – so wie das die Wissenschaftler ja auch herausgefunden haben.
Faktor-ETF, Smart Beta und Strategic Beta – worin liegt der Unterschied? Kurz und knapp: in nicht viel. Faktor-ETF steht eigentlich für Faktoren, die die Entwicklung eines Investments beeinflussen und welche Akademiker in Anlehnung an Eugene Fama hergeleitet haben. Das sind zum Beispiel die Größe eines Unternehmens, die Werthaltigkeit oder das Risiko. Diese Faktoren und ähnliche Ansätze haben findige Marketingexperten unter dem Begriff „Smart Beta“, teils auch „Strategic Beta“ genannt, zusammengefasst. Smart Beta ist der große Trend der vergangenen Jahre, allein 8,8 Prozent des Geldes, das in den ersten acht Monaten 2017 in ETF angelegt wurde, wanderte in Smart-Beta-ETF.
Ein Absatzrenner seit Jahren sind Dividenden-ETF, sie haben am meisten Geld von allen Strategie-ETF eingesammelt. Der Kauf von dividendenstarken Aktien gilt sowohl als Strategie als auch als „Smart Beta“ (Erläuterung siehe „Gut zu wissen“, links). Dieses Segment ist gerade in Zeiten mickeriger Zinsen gefragt. Denn Anleger suchen Unternehmen, die regelmäßig attraktive Dividenden auszahlen, weshalb Dividenden-ETF auch gerne als Sparbuchalternative betrachtet werden. Dividenden-ETF sind wie alle Smart-Beta-ETF keine Alternative zu reinen Aktienindex-ETF, bei denen der Fokus auf einer ausgewogenen Mischung der einzelnen Titel liegt. Diese ist beim Dividendenansatz nicht immer gegeben, wie sich am Beispiel DivDax, der die dividendenstärksten Dax-Werte umfasst, nach der Finanzkrise gezeigt hat. Banken und Versicherer schütteten in den Jahren vorher hohe Dividenden aus und dominierten den DivDax. Aufgrund der Finanzkrise brachen diese Aktien ein, und als die Dividendenzahlungen ausblieben, wurden die Titel aus dem Index verbannt. Der DivDax hat die Verluste der Finanzkrise zwar wieder aufgeholt, hinkt aber immer noch dem Dax hinterher.
Auch die beiden populärsten Dividenden-ETF, der SPDR S&P US Dividend Aristocrats (Isin IE 00B 6YX 5D4 0) und der iShares Stoxx Global Select Dividend 100 (Isin DE 000 A0F 5UH 1), sind keine typischen Aktien-ETF, bei denen eine ausgewogene Mischung im Vordergrund steht. Ersterer fokussiert sich auf den US-Markt und bildet die Unternehmen aus dem S&P Composite 1 500 Index ab, die mindestens über 20 Jahre hinweg ihre Ausschüttung kontinuierlich steigern konnten. Übrigens: 107 US-Aktien erreichten dieses Ziel, Schwergewichte sind AT&T, National Retail Properties und Target mit jeweils rund 2 Prozent Indexanteil.
Atypisch für einen globalen Index ist auch die Zusammensetzung des Stoxx Global Select Dividend 100: Australien, Hongkong und Singapur stellen knapp ein Drittel des Index.
Eine ganz andere Variante, auf solide Unternehmen zu setzen, ist der Amundi MSCI Europe Buyback ETF (Isin FR 001 280 568 7). Er bildet die Kursentwicklung von Unternehmen ab, die Aktienrückkaufprogramme durchführen. Dies können in der Regel nur kapitalkräftige Unternehmen.
Neben diesen tendenziell defensiven Strategien existiert aber auch eine Reihe äußerst spekulativer Varianten, über die sich ohne Probleme ein eigenes Buch verfassen ließe, weshalb wir sie an dieser Stelle nur kurz anreißen, um die Vielfalt des Marktes zu zeigen. So können Anleger mit ETF auch auf fallende Kurse setzen. An sich klingt das nach Zockerei, doch wer eine Korrektur an den Börsen fürchtet und seine Bestände kurzfristig vor Kursverlusten schützen will, kann dies mit Short-ETF bewerkstelligen.
Noch spekulativer sind ETF mit Hebeleffekt, mit ihnen kann die Kursveränderung verdoppelt oder vervielfacht werden. Diese Varianten eignen sich nur für Anleger, die über umfangreiche Kenntnisse mit Wertpapieren verfügen. Dies gilt auch für ETF, denen Volatilitätsindizes zugrunde liegen, denn sie setzen nicht auf eine Veränderung der tatsächlichen Schwankungsbreite, sondern auf eine Veränderung der erwarteten Schwankungsbreite.
Nicht ganz so spekulativ sind hingegen ETF auf den HFRX, den globalen Hedgefonds Index. Doch auch Hedgefonds haben langfristig gegenüber Indexanlagen das Nachsehen. 2007 wettete US-Starinvestor Warren Buffett eine Million Dollar, dass der S&P 500 binnen zehn Jahren besser als Hedgefonds abschneiden würde. Die Wette gewann Buffett haushoch und spendete obendrein den Gewinn an eine Wohltätigkeitsorganisation.