Jeder Markt hat seine Besonderheiten. So gibt es Käufer‐ und Verkäufermärkte, Märkte mit Gebietsmonopolen, Märkte mit starker Reglementierung etc. Einkäufer können überall einigermaßen erfolgreich sein, wenn sie ihr grundlegendes Handwerk verstehen. Wenn sie wissen, wie Produktkosten berechnet werden, was ein Deckungsbeitrag ist, wie Ausschreibungen funktionieren und Ähnliches. Aber für den richtigen Erfolg müssen sie den Markt verstehen, auf dem sie agieren. Dies meint sowohl den geografischen Markt als auch den Markt für das spezielle Gut oder die spezielle Dienstleistung.
2.1 Der geografische Markt
Aus Sicht des IT‐Einkaufs ist der geografische Markt im Wesentlichen zweigeteilt: Auf der einen Seite findet die Versorgung über lokale bzw. regionale Händler und Dienstleister statt und auf der anderen Seite ist die gesamte Branche massiv von US‐amerikanischen Unternehmen geprägt. Die Region Asien (allen voran China) spielt für die Fertigung der Komponenten und den Zusammenbau zwar eine große Rolle, aber bis auf einige, durchaus bedeutende Hardware‐Hersteller ist sie für den IT‐Einkäufer weniger relevant. Bis auf wenige Ausnahmen ist Europa nur in der regionalen Dienstleistung vertreten.
Beschaffung über Ländergrenzen hinweg gehört eher nicht Tagesroutine. Zwar geht dies, aber weder die Händler noch die Hersteller sind so darauf vorbereitet, wie wir als IT‐Einkäufer das gerne sehen würden. Um selbst als DAX‐Konzern bei einem Hardware‐Hersteller als globaler Kunde eingestuft zu werden, können schon mal ein paar Monate ins Land gehen. Im Software‐Bereich ist dies zwar meistens einfacher, aber wirklich leicht funktioniert es noch nicht immer. Selbst Beschaffungen, die von günstigen Wechselkursen oder günstigeren Preisen in einzelnen Ländern profitieren, sind eher die Ausnahme als die Regel. Global Sourcing geht anders. Alle IT‐Einkäufer, die ihre weltweite Organisation mit einheitlicher Hardware oder Dienstleistung versorgen wollen, können ein Lied davon singen. Mit Glück haben sie einen Partner, der ihre wesentlichen Länder abdeckt. Oft aber fehlen einige wichtige Länder.
2.1.1 USA
Hier sind die großen Player zuhause und von hier aus wird der gesamte Markt getrieben. Ein Ende dieser Innovationsfunktion ist derzeit nicht in Sicht. Egal, ob bei der Software (z. B. Microsoft oder Oracle), bei der Hardware (z. B. HPE, Apple, Dell oder Cisco) oder im Bereich der Cloud (z. B. Amazon oder Google), die USA beherrschen im Wesentlichen den Markt und treiben ihn weiter voran.
US‐Amerikaner sind typischerweise sehr gut im Marketing und eher aufgeschlossen für neue Themen. Insofern hat sich eine entsprechende Innovationskultur entwickelt. Der Nachteil besteht darin, dass Produkte im Zweifel noch nicht bis zu Ende durchdacht sind. Die Ware reift somit beim Kunden. Dies stellt leider exakt das Problem dar, zumindest aus der perfektionistischen deutschen Sicht. Ein geflügeltes Wort in der IT‐Branche lautet denn auch: niemals Version 1.0.! Ab der Version 3.0 eines Produktes ist es in der Regel gut zu gebrauchen. Allerdings erhält man in Folge echte Innovationen eher später.
Ähnlich große Unterschiede gibt es gleichfalls im Vertragswesen. In Kontinentaleuropa und den meisten Ländern, in denen nicht Englisch gesprochen wird, gilt im Wesentlichen das Civil Law, bei dem Gesetze und Verordnungen den Rahmen bilden. Im anglo‐amerikanischen Raum dagegen gilt das Common Law, bei dem, neben den Gesetzen selbst, insbesondere auch frühere Urteile einbezogen werden. Insofern sind auch die Verträge deutlich anders aufgebaut. In den amerikanischen Verträgen muss deshalb deutlich mehr definiert werden, weshalb diesen Definitions eine entsprechend wichtige Rolle zufällt und sie sorgfältig bearbeitet werden sollten. Der Unterschied im Vertragswesen ist für IT‐Einkäufer wichtig, da es vor allem im Software‐Umfeld zahlreiche Verträge und Nutzungsbedingungen nach amerikanischem Recht gibt.
Fusionen und Aufkäufe spielen in der Welt der IT eine zunehmend stärkere Rolle. Dies insbesondere getrieben durch die amerikanischen Unternehmen. Hier wird fleißig fusioniert, aufgekauft, aufgeteilt und neu zusammengefügt. Bei einigen Unternehmen gleicht dies mehr einer Achterbahnfahrt. Allerdings sind genau diese Themen sehr relevant für den IT‐Einkäufer. Hier gilt es stets auf dem Laufenden zu bleiben. Mit diesem Wissen kann man durchaus unliebsame oder unwillige Vertriebsorganisationen ausbremsen, wenn man sich an die neue Mutter wendet. Zudem stellt dies einen weiteren Bonuspunkt dar, um bei der internen IT auftrumpfen zu können, da solche Thematiken dort meist erst sehr spät eintreffen.
Beispiel
Mitten in einer Softwareausschreibung, bei der nur noch zwei Lieferanten auf der Short‐List waren, geben genau diese beiden ihre geplante Fusion bekannt. Somit fällt die gesamte Verhandlungsstrategie wie ein Kartenhaus in sich zusammen. In diesem Fall wussten beide Unternehmen, dass sie als letzte auf der Short‐List standen. Deshalb musste die Verhandlungsstrategie speziell auf die Vertriebler und die Landesorganisation zugeschnitten werden, da diese für einige Zeit (Fusionen dauern einige Monate) noch jeweils für ihr Produkt, Provisionen erhalten.
2.1.2 Asien
Der Ferne Osten ist vor allem als Produktionsstätte für Hardwarekomponenten stark. Egal ob Festplatten, Monitore oder PC‐Komponenten, meistens werden sie in dieser Region gefertigt oder hier zu kompletten Systemen montiert. Lenovo ist dabei einer der wenigen Hersteller, der für den IT‐Einkäufer direkt wirkliche Relevanz hat.
Indien dagegen zählt zu den Favoriten, wenn es um die Nutzung von IT‐Dienstleistungen geht. Aus EU Sicht ist dies zwar auf Grund des Datenschutzthemas deutlich reduziert auf Softwareentwicklungsprojekte, aber immerhin sind hier interessante Einsparungen gegenüber dem deutschen Markt möglich.
Im Nahen Osten spielt einzig Israel eine relevante Rolle und hier vor allem im Sicherheitsbereich.
2.1.3 Europa
Für die IT‐Einkäufer aus dem deutschsprachigen Raum gibt es neben der Branchengröße SAP meist nur kleinere oder mittelgroße Softwarehersteller. Daneben existieren zahlreiche nationale und europäische Dienstleister und die entsprechenden Händler und Systemhäuser. Alles in allem ein sehr überschaubarer Markt, der auf das Thema Dienstleistung (im weiteren Sinne) reduziert werden kann.
Zusammenfassung
Der gesamte IT‐Markt wird von den US‐amerikanischen Herstellern und Dienstleistern dominiert.
Der IT‐Einkauf sollte sich deshalb mit den Gepflogenheiten des US‐Marktes und der US‐Rechtsprechung auseinandersetzen und diese kennen.
2.2 Hardware
Der Bereich der Hardware lässt sich grob vereinfacht in zwei Gruppen aufteilen: einfach austauschbare und schwer austauschbare Produkte.
Durch den Siegeszug des Personal‐Computers (PC) seit den 1980er Jahren hat dieser einen ganz besonderen Markt geschaffen, den Markt mit einfach auszutauschenden Produkten. Der PC selbst ist so ein Produkt: modular aufgebaut, aber stets nach dem gleichen Baukastenprinzip. Im PC lassen sich die Festplatten, Grafikkarten, Arbeitsspeicher etc. von nahezu jedem Hersteller einbauen. Einzig die jeweilige Gerätegeneration ist zu berücksichtigen. Schnittstellen und Maße sind definiert und ändern sich eher nicht so häufig. So ist z. B. der VGA‐Anschluss für Monitore noch aus den Anfangszeiten des PC, befindet sich aber noch an rund 95 % aller Beamer als der bevorzugte Anschluss. Sowohl die Einzelteile als auch das Gesamtprodukt sind deshalb sehr gut vergleichbar und auswechselbar. Dies hat einen Markt geschaffen mit günstigen Preisen und einem permanenten Wettbewerb nach dem schnellsten bzw. leistungsfähigsten Produkt. Aus dem PC hervorgegangen ist u. a. der Servermarkt mit seinen Massengeräten nach dem X86 bzw. X64 Standard. Auch hier herrscht eine hohe Vergleichbarkeit und Austauschbarkeit. Ebenso bei Laptops/Notebooks funktioniert diese Austauschbarkeit noch recht gut, wenn auch mit Einschränkungen. Erst bei den Convertibles bzw. 2‐in‐1 Geräten wird es schwieriger, da diese bauartbedingt stärker auf spezielle Komponenten setzen und zudem oft verklebt anstatt verschraubt sind. Die Geräte als Ganzes dagegen sind jedoch wieder leicht ersetzbar. Insgesamt liegt im Bereich der PCs die Rendite der Hersteller meist unter fünf Prozent. Die Wechselwilligkeit der Käufer ist recht hoch. Im Servermarkt ist die Wechselwilligkeit dagegen geringer, weshalb hier z. T. auch bessere Renditen erwirtschaftet werden.
Im Bereich der Midrange‐ und Großrechner dagegen ist eine einfache Austauschbarkeit in der Regel nicht gegeben. Gleiches gilt für SAN‐Systeme und einige Netzwerkkomponenten. Dort gibt es in weiten Teilen nur eine rudimentäre Standardisierung. Die Austauschbarkeit wird damit erschwert und die Wechselwilligkeit sinkt rapide. Hier ist es deshalb für den IT‐Einkäufer besonders wichtig, frühzeitig bei der ersten Auswahl oder einer größeren Neubeschaffung involviert zu sein. Denn nur auf diese Weise lassen sich die Kosten für die nächsten Zukäufe und Erweiterungen vorab in geordnete (kostengünstige) Bahnen lenken. Durch moderne Virtualisierungstechniken lassen sich immerhin, z. B. im SAN‐Umfeld, einzelne Komponenten von Dritt‐Herstellern jetzt deutlich besser und einfacher einbinden als noch vor einigen Jahren. Sie sind dann auch meist kostengünstiger zu beschaffen.
In Bezug auf schwer austauschbare Systeme ist bereits bei der Erst‐Beschaffung bzw. bei einem größeren Austausch oder Erweiterung, unbedingt die nähere Zukunft im Bereich von drei bis fünf Jahren zu beleuchten. Diese zukünftigen, evtl. kleineren Erweiterungen lassen sich aus Sicht des IT‐Einkaufs hervorragend mit dem Hauptprojekt verknüpfen. Insbesondere beim Hauptprojekt ist der Hersteller gewillt, Preisnachlässe zu geben, während bei Kleinprojekten dieser Wille rapide sinkt. Deshalb sollte dies direkt bedacht und vereinbart werden. Bei den schwer auswechselbaren Themen binden Sie sich an den Hersteller. Insofern sinkt natürlich später die Bereitschaft, Ihnen günstige Preise anzubieten, da es keinen Wettbewerb mehr gibt. Sie hängen am Fliegenfänger!
Beispiel für ein Zeitraster
Produktgruppe | Zeitrahmen |
---|---|
Monitor | Jährlich |
Desktop‐PC | Alle 3 Jahre |
Notebook | Alle 3 Jahre |
Convertible/2‐in‐1 | Jährlich |
X64‐Server | Alle 3 Jahre |
Aktive Netzwerkkomponenten | Alle 5 Jahre |
Nach diesem Beispiel würden z. B Monitore jährlich neu ausgeschrieben, während X64 Server nur alle drei Jahre ausgeschrieben würden. Innerhalb der drei Jahre würdeselbstverständlich die Technologie nachgezogen, allerdings wären die Preisstrukturen bereits festgelegt (z. B. über Discount vom Listenpreis). Durch diesen Mechanismus würde der Wettbewerb innerhalb der Kategorien aufrechterhalten und die Trägheit der ITler den Hersteller zu wechseln, würde in geordneten Bahnen verlaufen. Als positiver Nebeneffekt steigt damit die Planbarkeit für den IT‐Einkauf, weil diese Ausschreibungen langfristig geplant werden können.
Die eigentliche Beschaffung erfolgt oft über Systemhäuser. Hier gilt es zu beachten, dass die meisten Hardwarehersteller mit einem sogenannten Projektschutz arbeiten. Damit erhält das erste anfragende Systemhaus beim Hersteller einen günstigeren Projektpreis für die konkrete Ausschreibung. Eine Anfrage bei einem zweiten Systemhaus für den gleichen Hersteller, bringt in Folge leider schlechtere Konditionen. Dies sollte bei der Vorgehensweise unbedingt berücksichtigt werden. Um das Problem zu lösen, gibt es eine klare Vorgehensweise: Für jeden Hersteller wird im Vorfeld ein Systemhaus ausgewählt. Dabei kann natürlich ein Systemhaus auch mehrere Hersteller anbieten. Zunächst werden mit dem jeweiligen Systemhaus die Konditionen vereinbart wie Tagessatz für Dienstleistungen, Aufschlag für Hardware, Aufschlag für Kleinteile, Lieferkosten etc. Anschließend wird das Systemhaus nach einem konkreten Angebot für die zu beschaffenden Produkte angefragt, jeweils bei den vereinbarten Herstellern. Damit wird sichergestellt, dass ein echter Wettbewerb entsteht. Einmal über die Systemhäuser, die sich entsprechend in ihrer Beschaffung mehr anstrengen sollten, und zum anderen über die Hersteller selbst, wenn sie wissen, dass sie im Wettbewerb stehen. Scheuen Sie sich nicht, ein zweites Systemhaus aufzubauen. Viele IT‐Abteilungen möchten gerne mit nur einem Systemhaus zusammenarbeiten. Konkurrenz belebt den IT‐Einkauf.
Eine gewisse Komplexität entsteht bei der Hardware durch die schier unendliche Möglichkeit, Komponenten miteinander zu verbinden. Für die Auswahl des Produktes ist es folglich besonders wichtig, dass die Produkte der unterschiedlichen Hersteller den Anforderungen entsprechen. Für Übererfüllungen sollte vorher geklärt werden, ob diese positiv zu bewerten sind oder ignoriert werden. Mehr Details dazu finden Sie im Abschn. 3.3. Wichtig ist deshalb, zunächst den Bedarf genau und herstellerunabhängig zu spezifizieren und erst mit dieser Spezifikation an den Markt zu gehen. Sollte dies ausnahmsweise nicht möglich sein, weil z. B. die Spezifikation zusammen mit einem Systemhaus erarbeitet wird, so ist das Ergebnis der Spezifikation wiederum allen weiteren Anbietern zugänglich zu machen. Wichtig, insbesondere bei kritischen Komponenten oder bei größeren Stückzahlen, ist auf jeden Fall eine Teststellung der Hardware. Nur so kann in vielen Fällen festgestellt werden, ob diese auch in der Realität den Anforderungen genügt. Dies ist explizit bei Komponenten wichtig, bei denen (unbedarfte) Anwender die Geräte benutzen. Die einfache Bedienbarkeit (usability) wird oft unterschätzt, trägt jedoch maßgeblich zur Akzeptanz bei – für IT und Einkauf.
Von der rechtlichen Seite gibt es bei Hardware meist nicht ganz so viel zu berücksichtigen. In der Regel werden in der IT Standardprodukte eingesetzt, die nicht speziell für einen Kunden entwickelt wurden. Insofern ist die Spezifikation aus rechtlicher Sicht und auch der Kaufvertrag ist in einem solchen Fall eher einfach. Gegebenenfalls sollten bei zeitkritischen Projekten Fristen beachtet werden und insbesondere über das Thema Gewährleistung lässt sich prima streiten. Aber damit ist meistens alles geregelt.
Spannender sind Preisgleitklauseln, wenn ein Rahmenvertrag über drei, vier oder fünf Jahre abgeschlossen wird. Hierin stecken einige Fallen. Die einfachste Regelung basiert auf dem aktuellen Listenpreis minus den vereinbarten Discount. Dies lässt jedoch dem Hersteller einigen Gestaltungsspielraum. Nur, wenn die Preisliste öffentlich abrufbar ist und auch vertrauenserweckende Vergangenheitsdaten verfügbar sind, würde ich dies akzeptieren. Da das Gros der Hardwareproduktion in US‐Dollar abgewickelt wird, ist es durchaus eine Option, entweder direkt über US‐Dollar zu sprechen oder nur in vereinbarten Zeiträumen (z. B. halbjährlich) die Preisliste gemäß den Währungsverschiebungen anzupassen. Bei großen Beschaffungsvolumen kann sich auch ein Benchmark rechnen. Hierbei wird z. B. der aktuelle Listenpreis mit dem Marktpreis von Konkurrenten des Herstellers verglichen.
Mit diesem Wissen im Hintergrund können Sie plötzlich auch bei Hardware Einsparungen erzielen, die Sie vielleicht nicht für möglich gehalten hatten. Im Abschn. 1.1 finden Sie hierzu ein sehr plakatives Beispiel, bei dem die kühnsten Erwartungen der IT deutlich übertroffen wurden.
2.2.1 Hardwarewartung
Leider ist die Wartung der Hardware ein sehr vernachlässigtes Themenfeld. Der Fokus der IT‐Abteilung liegt im Allgemeinen auf der Hardware selbst, die Wartung wird oft kurzfristig nachgeschoben: „Ach ja, die brauchen wir auch noch“. Natürlich erst, wenn der Hersteller ausgesucht ist. Denken Sie als erfahrener IT‐Einkäufer rechtzeitig daran. Bei kritischen Komponenten (also fast alles, was im Rechenzentrum oder Datacenter steht) wird in der Regel Wartung gekauft. Bei Endbenutzergeräten dagegen lohnt es sich normalerweise nicht.
Doch, wie finde ich nun die passende Wartung? Die erste Frage lautet also, ob Wartung überhaupt benötigt wird. Hardware‐Wartung ist eigentlich nur für kritische Komponenten erforderlich. Typischerweise fällt normale Hardware in den ersten Wochen aus oder erst nach vier bis fünf Jahren. Dann ist die Hardware meist sowieso abgeschrieben. In der modernen virtuellen Welt spielt die einzelne Hardware aber immer stärker eine untergeordnete Rolle. Fällt also ein Server aus, übernehmen i. d. R. die anderen Server den Dienst.
Die zweite Frage richtet sich an die Lösungszeit. Bitte beachten Sie, dass manche Hersteller Ihnen eine Reaktionszeit unterschieben wollen. Die Reaktionszeit regelt, wann ein Fachmann reagiert, also sich des Problems annimmt oder anfängt, darüber nachzudenken. Das hilft Ihnen und Ihrer IT leider nicht. Deshalb werden bei Hardware aufgrund ihrer meist einfachen Austauschbarkeit – zumindest der Komponenten – Lösungszeiten vereinbart. Hierbei wird vom Wartungsdienstleister also die Lösung versprochen. Bei einer Lösungszeit von vier Stunden läuft der Server also nach spätestens vier Stunden wieder. Eine Ausnahme bildet hier selbstverständlich schwierig zu erreichende Hardware, wie z. B. auf einem Schiff, einer Ölplattform oder einem Sendemast in den Alpen.
Leider ist die IT‐Abteilung bei der Definition der benötigten Lösungszeiten nicht sonderlich gewissenhaft. Es wird oft eine Standardzeit genutzt (z. B. vier Stunden), ohne lange zu überlegen. Hier ist es Ihre Aufgabe, als guter IT‐Einkäufer, genau nachzufragen oder im Vorfeld eine Lösungszeitenmatrix für verschieden Komponenten aufzustellen.
Mit dieser Information im Handgepäck können Sie die richtige Wartung direkt mit anfragen und kommen so einer Vollkostenrechnung schon einen Schritt näher. Auch lohnt es sich durchaus die Hardwarewartung bei Dritten anzufragen. Bei vielen Herstellern gibt es Dritte am Markt, welche die Hardwarewartung durchführen können, ohne dass die Gewährleistung dadurch Schaden nimmt. Das besondere Merkmal dieser Dritten ist es, dass sie die Wartung evtl. als Subunternehmer des Herstellers sowieso ausgeführt hätten. Deshalb können diese ihre Dienste oft günstiger anbieten und haben die nötigen Zertifikate für die Gewährleistung.
Bei der Hardwarewartung lohnt sich übrigens durchaus die Frage nach dem Zeitraum. Wie lange soll vermutlich ein Wartungsvertrag bestehen? Hier sollten Sie direkt die vermutliche Laufzeit vereinbaren und direkt auch eine Verlängerungsoption. Denn zu diesem Zeitpunkt ist sie meist günstiger als drei Jahre später.
Zusammenfassung
Die meisten Hersteller sind einfach austauschbar. Nutzen Sie dies für einen offenen Wettbewerb.
Betrachten Sie das Systemhaus und den Hersteller getrennt voneinander.
Scheuen Sie sich nicht, das Systemhaus zu wechseln oder ein Zweites als Lieferanten aufzubauen.
Herstellerunabhängige Spezifikationen sind der Schlüssel zum Einkaufserfolg.
Vereinbaren Sie Teststellungen für kritische Produkte oder bei größeren Stückzahlen.
Achten Sie bei der Hardwarewartung unbedingt auf die richtige Lösungszeit und fragen Sie zudem von Anfang an auch bei Dritten mit an.
2.3 Software
Während Hardware greifbar ist und der Wert, zumindest grob, auf Basis der Herstellkosten errechnet werden kann, verzweifeln viele IT‐Einkäufer bei Software. Nähern wir uns diesem furchtbaren Thema deshalb ganz rational.
Grundsätzlich muss aus Sicht des IT‐Einkäufers bei Software zwischen zwei Arten unterschieden werden: Standardsoftware und Individualsoftware. Manche mögen jetzt einwenden, dass es ja auch noch Cloud‐Software gibt. Aber zum einen behandeln wir das Thema Cloud weiter unten im Abschn. 2.6 und zum anderen handelt es sich dabei in aller Regel um Standardsoftware. Somit wären wir wieder bei zwei grundsätzlichen Arten. Diesen beiden Arten werden weiter unten individuell betrachtet.
Beiden Arten zugrunde liegt allerdings ein wesentlicher rechtlicher Aspekt, den ich hier kurz anschneiden möchte. Bei der Beschaffung von Software erwerben Sie die Software nicht. Es wird zwar oft so dargestellt, aber tatsächlich erwerben Sie nur das Recht zur Nutzung und diese Nutzung kann eingegrenzt sein. Dies bedeutet, dass Sie nicht alles mit der Software machen dürfen. Die erlaubte Art der Nutzung sollte im Vertrag klar geregelt sein. Beschränkungen liegen oft im Bereich des Ortes, der Zeit und der in Tab. 2.2 aufgeführten Nutzungsarten. So darf die Software z. B. nur innerhalb Ihrer Firma, aber nicht bei den Töchtern eingesetzt werden. Oder Sie dürfen die Software nur für einen Zeitraum von drei Jahren nutzen. Manchmal gibt es auch sehr kuriose Beschränkungen (siehe Beispiele). Es ist deshalb sehr wichtig, sich diese Beschränkungen in den klein gedruckten Lizenzbedingungen genau durchzulesen. Prüfen Sie, ob es auf Ihre Situation passt. Wenn nicht, gehen Sie damit in die Verhandlungen. Die Hersteller sind leider sehr kreativ, was diese Beschränkungen betrifft.
Beispiel
In einem Vertrag wurde die Nutzung durch Teilzeitmitarbeiter, in einem anderen durch Mitarbeiter mit kubanischer Staatsbürgerschaft untersagt.
Nutzung der Software nur in einer bestimmten Stadt. Später war das Unternehmen vier Kilometer umgezogen – in die Nachbarstadt, in der die Lizenz nicht mehr galt.
Nutzung nur für ein bestimmtes Unternehmen: Als bestimmte Aufgaben, für die die Software genutzt wurde, an eine Schwestergesellschaft übertragen wurden, sollte ein deutlicher Aufschlag bezahlt werden.
Aufspaltung eines Unternehmens: Da nur eine Lizenz vorhanden war, musste eine Zweite gekauft werden; zum gleichen Preis wie die Erste
Nehmen Sie sich Zeit für die Verhandlungen von Software und arbeiten Sie die Bedingungen genau durch. Bis zum letzten Satz!
2.3.1 Individualsoftware
Im Grunde handelt es sich bei Individualsoftware um eine Software, die nur für Ihr Unternehmen erstellt wurde. Es mag durchaus Teile oder Komponenten geben, die auch bei anderen Kunden des Herstellers im Einsatz sind, aber das Gesamtkonstrukt ist einmalig für Sie geschaffen worden. Für die Erstellung gilt deshalb im Wesentlichen alles im Abschn. 2.4 „Dienstleistung“ Gesagte. Gleiches gilt für die Softwarewartung, also die kontinuierliche Pflege der Software, um gesetzlichen, regulatorischen oder technischen Neuerungen und Änderungen gerecht zu werden.
Aus Sicht des IT‐Einkaufes gilt es zu beachten, dass das Thema Nutzungsrechte an der erstellten Individualsoftware im eigenen Interesse geregelt ist. Ohne ausdrückliche Regelung im Vertrag greift das Urheberrecht und Sie als Kunde dürfen dann u. U. nichts an dieser Software verändern oder anderen Unternehmenseinheiten diese Software zur Verfügung stellen. Aus meiner Sicht sollten bei einer Individualsoftware immer alle Rechte – soweit gesetzlich möglich und zulässig – auf den Auftraggeber übergehen. Sollte dies nicht möglich sein, so ist davon auszugehen, dass die Software doch nicht so individuell ist … Dies ist dann mit einem entsprechenden Preisabschlag zu berücksichtigen. Von der Vertragsseite entspricht die Individualsoftware also in aller Regel einem Dienst‐ oder Werkvertrag, so wie er unter Abschn. 2.4 beschrieben ist. Je nach Ausprägung benötigen Sie folglich evtl. ein Lasten‐ und ein Pflichtenheft, einen Zeitrahmen u. Ä. mehr. Die Besonderheit liegt jedoch in den oben beschriebenen Nutzungsrechten. Gerade bei einem Dienstleistungsvertrag wird leider gerne vergessen, dieses Nutzungsrecht zu vereinbaren. Daneben ist natürlich auch der gut dokumentierte(!) Quellcode (Source Code) abzuliefern. Ein weiteres Thema, das der Fachbereich gerne vergisst. Als IT‐Einkauf, der mitdenkt, sollten Sie den Fachbereich also zu gegebener Zeit (kurz vor Ende des Projektes) darauf hinweisen, dass der gut dokumentierte Quellcode abzuliefern ist und der Fachbereich bitte dies auch inhaltlich überprüfen muss.
Als weitere Besonderheit ist bei der Individualsoftware außerdem darauf Wert zulegen, wie die Pflege der Software geregelt ist. Pflege umfasst hier vor allem die Anpassungen an Gesetzesänderungen, neue Regularien oder geänderte technische Bedingungen (z. B. einem Update der darunterliegenden Betriebssystem‐ oder Datenbanksoftware). Gleiches gilt für Weiterentwicklungen im eigentlichen Sinne, also neuen Funktionen oder Verbesserungen. Wie kann sichergestellt werden, dass die Software auch in zehn Jahren noch gepflegt und entwickelt wird? Kann der Dienstleister dies garantieren? Die meisten Dienstleister werden sich (zu Recht) scheuen, dies für zehn Jahre oder länger zu garantieren. Zu groß sind die Unwägbarkeiten. Beachten sie jedoch, dass Software im Durchschnitt ca. zehn Jahre im Einsatz ist, manche aber auch 20 Jahre oder noch länger. Sie werden also kaum darum herumkommen, selbst eigenes Wissen im Unternehmen aufzubauen. Wenn nicht, kann es schnell sehr teuer werden. Hier gilt es für den IT‐Einkauf, frühzeitig auf die Probleme aufmerksam zu machen. Ja, Individualsoftware hat große Stärken, aber sie birgt auch einige Risiken. Diese Risiken sollten adressiert werden.
Im Bereich der Individualsoftware gibt es auf der Kostenseite die große Chance, diese in Niedriglohnländern (Offshore) entwickeln zu lassen. Gerade bei großen Projekten lohnt sich der Mehraufwand, den dies bereitet. Off‐Shore (aber auch Nearshore) haben so ihre Tücken und man braucht einen langen Atem oder starke Partner, damit diese Projekte auch wirklich erfolgreich werden, aber dann lassen sich durchaus 10–25 % der Kosten sparen. Aber Vorsicht: Fangen Sie mit kleinen Projekten an, die überschaubar sind und vielleicht nicht extrem zeitkritisch. Arbeiten Sie sich vor und dann werden Sie viel Spaß mit dieser Beschaffungslösung haben. Details würden den Rahmen dieses Buches sprengen, aber zu diesem Thema existiert reichlich Literatur und es gibt viele erfahrene Berater.
2.3.2 Standardsoftware
Die Beschaffung von Standardsoftware ist das Thema, mit dem sich der IT‐Einkauf am stärksten auseinandersetzt. Alles ist heute über Software definiert und nutzt die stark standardisierte Hardware nur als Plattform. Die Hardware bietet sozusagen die grundsätzlichen Möglichkeiten, aber erst die Software erweckt diese zum Leben. Softwarelösungen gibt es für nahezu jedes Problem. Software ist gleichzeitig das Thema, das am schwierigsten zu greifen ist und mit dem sich viele IT‐Einkäufer schwertun. Vom Grundsatz ist es für den IT‐Einkäufer gar nicht so wichtig, was die Software selbst eigentlich macht. Lediglich für einige Vertragsaspekte kann dies eine Rolle spielen – doch dazu später mehr.
- a.
Marktpreis: Was ist der Kunde bereit zu zahlen? Was verlangen andere Hersteller für eine ähnliche Software auf dem Markt?
- b.
Nutzen: Wie groß ist der Nutzen für den Kunden, wenn er die Software nutzt? Davon wird dann etwas abgezogen, so dass es sich für den Kunden rechnet, die Software zu nutzen.
- 1.
Der Preis für Standardsoftware hat nichts mit den Kosten der Herstellung zu tun.
- 2.
Der Preis hängt maßgeblich von Ihrer Zahlungsbereitschaft ab.
Natürlich muss der Hersteller Geld verdienen. Aber hierüber würde ich mir bei Softwareunternehmen erstmal keine Gedanken machen (mit Ausnahme von sehr kleinen Unternehmen). Die meisten Hersteller haben eine Rendite im Bereich von 20–30 %. Manche verdienen weniger, aber manche noch deutlich mehr. Da viele Softwarehersteller börsennotiert sind, ist dies über deren jeweilige Geschäftsberichte sehr gut und einfach nachlesbar. Das funktioniert ebenso bei GmbHs, allerdings sind hier die Informationen etwas versteckter. Nutzen Sie diese öffentlich zugänglichen Informationen zur Vorbereitung auf Ihre Verhandlungen.
2.3.2.1 Lizenzmodelle
Ein weiteres irritierendes Thema sind die Lizenzmodelle. Ganz ehrlich: hier können sich die Marketingabteilungen der Hersteller richtig austoben. Kein noch so verrücktes Modell, das nicht umgesetzt wurde.
Wichtig ist allein: Sie müssen das Modell verstehen und zusammen mit dem Fachbereich intensiv diskutieren, ob es a) Ihren Anforderungen gerecht wird und b) Sie es nachmessen können.
Beispiel
Wenn Sie zwei parallele Nutzer gekauft haben, muss es einen Mechanismus gibt, der die Nutzung durch den dritten Nutzer unterbindet. Manche Softwarehersteller bauen freundlicherweise einen solchen Mechanismus ein. So kann der dritte Nutzer sich nicht anmelden, bevor nicht einer der beiden anderen sich abgemeldet hat. Manche Hersteller sperren dies aber nicht, um das „Nutzererlebnis“ nicht zu stören und protokollieren einfach nur mit. Bei einem Lizenzaudit wird dieses Protokoll ausgelesen und Sie dürfen fleißig nachzahlen. Manche Hersteller übertragen dieses Protokoll sogar regelmäßig automatisch. Das ist ungefähr so, wie wenn die Autohersteller nur noch Autos ohne Tachometer verkaufen würden und an den Einnahmen der Geschwindigkeitsblitzer beteiligt wären …
Idealerweise gibt es in Ihrem Unternehmen ein Lizenzmanagement, das sich um die Lizenzbetreuung kümmert. Hier kann regelmäßig überprüft werden, ob die Anzahl der Lizenzen noch passt. Es gibt Schätzungen, dass rund 25 % der Lizenzen ungenutzt sind. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass rund 25 % der Unternehmen zu wenige Lizenzen haben. Diese beiden Zahlen zusammen ergeben ein ziemlich erschreckendes Bild. Demnach sind Sie (ja SIE) vermutlich falsch lizensiert. Entweder haben Sie zu viele Lizenzen oder zu wenige oder einfach die falschen. Die Hersteller werten naturgemäß nur die Lizenzen, die Sie zu wenig haben, und versuchen, diese als Nachkauf bei Ihnen durchzudrücken.
Einige gebräuchliche Lizenzmodelle
Lizenzmodell | Erklärung |
---|---|
Named User | Namentlich eingetragener Nutzer, meist muss dieser Nutzer einem realen Menschen zugeordnet sein und nicht einem Team. Hierunter können aber auch virtuelle Nutzer fallen, also andere Programme, die auf diese Software zugreifen. |
Concurrent User | Gleichzeitige Nutzung durch die angegebene Anzahl von Nutzern erlaubt. Dabei können meist beliebig viele Anwender als Nutzer eingetragen werden. |
User‐Type | Hier wird nach der Intensität der Nutzung unterschieden. Beispiele: Power User = Anwender mit besonders vielen Möglichkeiten, z. B: Administrator Standard‐User = der normale Nutzer Self‐Service‐User oder Kiosk‐User = der Anwender, der nur gelegentlich die Software nutzt. |
Device | Nutzung pro Gerät erlaubt. Die Anzahl der Nutzer ist dabei unerheblich, solange sie sich physisch am Gerät befinden (also kein Remote‐Zugang). |
Physical Server | Nutzung auf einem physischen Server erlaubt. Die Anzahl der Nutzer spielt in der Regel keine Rolle mehr. |
Virtual Server | Nutzung auf einem logischen Server erlaubt, in der Regel unabhängig von der Anzahl der Nutzer. |
CPU | Pro physischer CPU |
Kernel | Pro Rechenkern. Eine moderne CPU besteht aus mehreren Rechenkernen (aktuell bis zu 72). |
Instance | Nutzung auf einer Serverfarm (physisch oder virtuell) erlaubt, die jedoch i. d. R. im gleichen Rechenzentrum betrieben werden muss und eine logische Einheit bildet |
Hebel oder Lever | Bei einem Hebelmodell wird eine wertmäßige Kennzahl der verarbeiteten Daten als Hebel genutzt, um die Lizenz zu bestimmen, z. B. kann die Höhe des Umsatzes, der über die Software umgesetzt wird, als Hebel genutzt werden. Es sind dann x Prozent von diesem Umsatz als Lizenzgebühren zu entrichten. |
Anzahl Transaktionen oder Anzahl Zugriffe | Wie oft wurde die Software genutzt. Hier wird wirklich jede einzelne Nutzungsaktion gezählt. |
… | … |
Das Ganze lässt sich wunschgemäß prima schachteln, z. B. maximal X Nutzer für eine CPU. Die weiteren Beschränkungen, denen Lizenzen unterliegen können, hatte ich weiter oben im Kapitel schon erläutert.
Sie können in der Beschaffung viel Geld sparen, wenn Sie das richtige Lizenzmodell wählen, genau hinterfragen und das Kleingedruckte in den Lizenzbedingungen lesen. Seien Sie kreativ und investigativ. Manche Hersteller lassen mit sich reden und bauen Ihnen ein eigenes Lizenzmodell, das genau auf Ihre Bedürfnisse passt. Nachträglich entstehen oft sehr hohe Kosten, wenn Sie das Lizenzmodell ändern müssen. Lassen Sie nicht locker, wenn Sie das Lizenzmodell nicht verstehen und definieren Sie lieber zu viel als zu wenig. Gerade in amerikanischen Verträgen sind die Definitionen (fast) das Wichtigste.
Ein gern übersehener Punkt ist die Lizenzierung der Testumgebungen bei serverbasierter Software. Serverbasierte Software wird meist in drei bis vier Umgebungen installiert, mindestens aber in zweien. So existieren in vielen Unternehmen eine Entwicklungsumgebung, eine Testumgebung und eine Produktivumgebung. Manche ITler gehen davon aus, dass die unproduktiven Umgebungen nichts kosten. Weit gefehlt! Auch in diesem Fall ist die Nutzung lizenzpflichtig und Lizenzen kosten meistens Geld. Aber Hersteller lassen mit sich reden. Bei manchen kosten die nicht‐produktiven Lizenzen nichts, bei manchen nur 50 % für alle, manche wollen 50 % pro Umgebung. Ähnliches gilt für ein Backup‐Rechenzentrum. Wenn Sie eine hochkritische Lösung haben, für die es neben dem produktiven Rechenzentrum noch ein zweites Rechenzentrum für den Katastrophenfall vorhanden ist, ist auch hier zu prüfen und zu vereinbaren, ob für dieses zweite Rechenzentrum Kosten anfallen. So oder so: Verlassen Sie sich nicht auf mündliche Zusagen, sondern halten Sie alles schriftlich im Vertrag fest. Das Beispiel unter Abschn. 1.5 macht diese Notwendigkeit noch einmal deutlich.
2.3.2.2 Wartung/Pflege/Maintenance
Wartung, Pflege oder Maintenance sind nur drei Worte für die permanente Betreuung durch den Hersteller. Hierunter fallen Softwareanpassungen, die zunächst erstmal keine Weiterentwicklungen im eigentlichen Sinne sind. Vielmehr wird die Software an technische, rechtliche und sonstige Umweltbedingungen angepasst, so dass sie weiter sinnvoll nutzbar ist. Darüber hinaus gehört hierzu die Betreuung der IT‐ und/oder Fachabteilung bei grundlegenden Fragen oder Problemen. Eine Anwenderhotline ist dagegen klassisch nicht Bestandteil. Anpassungen werden meistens als Updates bezeichnet. Bei den tatsächlichen Weiterentwicklungen, auch Upgrade genannt, ist leider das Kleingedruckte wieder sehr genau zu lesen. Bei manchen Herstellern sind diese kostenfrei inkludiert, manche formulieren sehr schwammig hierzu und bei wieder anderen kosten sie extra.
Beachten Sie auch, in welcher Sprache die Betreuung stattfindet. Nicht jeder Hersteller hat hier deutschsprachige Ansprechpartner. Ebenfalls sollten die Supportzeiten zu Ihren Vorstellungen passen.
Ein Ärgernis stellen für mich immer wieder die Wartungsvereinbarungen dar. Auch hier gilt: lesen, lesen, lesen.
Beispiel
„Im Übrigen gelten unsere jeweiligen allgemeinen Lizenzbedingungen unter www.hersteller.xx/terms“ → Sämtliche Bedingungen sollten statisch sein und nicht über einen Internetlink verknüpft sein.
„Der Hersteller behält sich jederzeit die Änderung dieser Wartungsbedingungen vor.“ → Es besteht keine Pflicht, Sie hierüber wenigstens zu informieren. Zudem haben Sie damit kein Ablehnungsrecht.
„Supportanfragen erfolgen über unser Supporttool. Sie werden in angemessener Zeit bearbeitet.“ → Was ist angemessen? Es sollte eine klare Definition der Reaktionszeiten geben, abhängig von der Dringlichkeit des Problems.
Gehört Ihr Unternehmen zu denen, die immer etwas Zeit brauchen, bis eine neue Softwareversion eingespielt wird? Dann sollte auch dies in den Verträgen geregelt sein. Viele Hersteller leisten Unterstützung für „n − 1“ Versionen, wobei „n“ die aktuelle Version ist, d. h. dass neben der aktuellen noch eine ältere Version unterstützt wird. Sollte Ihre Software aber mehrere Jahre bzw. Versionen im Rückstand sein, so empfiehlt es sich, dies zu berücksichtigen. Auch, was in einem Fehlerfall zu tun ist. Manche Hersteller verweisen darauf, doch bitte die neueste Version einzuspielen. Je nach Komplexität der Software und den erforderlichen Schritten kann sich dies allerdings zu einem größeren und damit teuren Projekt entwickeln. Deshalb sollte dies mit der IT‐Abteilung besprochen und mit dem Hersteller verhandelt werden.
2.3.2.3 Preisverhandlungen bei Standardsoftware
Bis auf einige kleinere Punkte gehe ich in diesem Buch nicht auf Verhandlungen ein. Bei Software mache ich aber eine Ausnahme. Warum? Weil diese Warengruppe so speziell ist, dass es sich lohnt, hierauf einen Blick zu werfen.
Machen Sie sich bewusst, dass bei Softwareverhandlungen das normale Standardwerkzeug des geübten Verhandlers gilt. Also alles, was Sie als IT‐Einkäufer sowieso machen. Die Besonderheit liegt jetzt in zwei Feldern: zum einen im Bereich des Zielpreises und zum anderen im Bereich der Wartungskosten.

Verhandlungsziele
Weiches Ziel: 0 €
Hartes Ziel: Nutzen, den die Software erzeugt abzüglich weitere Kosten abzüglich zehn Prozent
Ja, Sie haben richtig gelesen. Gehen Sie in die Verhandlung mit dem weichen Ziel, nichts für die Softwarelizenz zu bezahlen. Im Abschn. 2.3.2 hatte ich ausgeführt, welche Kosten durch eine weitere Lizenz der Software verursacht werden – nämlich meistens keine. Und genau das sollten Sie auch vortragen. Die Gegenseite wird wenig begeistert sein, aber Sie machen damit klar, dass Sie nicht bereit sind, irgendeinen willkürlichen Marktpreis zu zahlen. Warum sollte der Vertriebler Ihnen überhaupt weiter zuhören? Nun, ab und zu gelingt es mir, eine Softwarelizenz für 0 € zu erhalten. Im Wesentlichen mit dem obigen Argument, verbunden mit der festen Vereinbarung einen Wartungsvertrag über mehrere Jahre abzuschließen. Somit hat der Hersteller zwar nicht seine Fixkosten gedeckt, kann sich aber über die Deckung der laufenden Kosten und eines Gewinnes in dieser Kategorie freuen. Am besten funktioniert dies übrigens bei einem Umstieg. Wenn Sie also eine Software mit der Funktionalität A nutzen und diese durch eine sehr ähnliche Software mit der Funktionalität A′ ersetzen. Ein gern genutztes Schlüsselwort ist hier „Investitionsschutz“. Sie müssen dann nur noch die Wartungskosten so verhandeln, dass diese unter den bisherigen liegen. Doch dazu später mehr.
Hardware
Rechenzentrumskosten
Weitere notwendige Software, z. B. Datenbanken, Schnittstellen
Einrichtung, Betreuung und Betrieb
Wartungskosten
Achten Sie bitte auch darauf, dass die Fach‐ oder IT‐Abteilung nicht über diese Zahl oder ihr Budget mit dem Hersteller spricht!
Jeweils aktueller Listenpreis
Aktueller heutiger Listenpreis
Verhandelter Discount vom jeweils aktuellen Listenpreis
Verhandelter Preis
Fiktiver Preis
Der letzte Punkt kommt meist dann zum Tragen, wenn Sie bei den Lizenzkosten 0 € oder einen ähnlich kleinen Betrag vereinbart haben. Nach meiner Erfahrung sind viele Hersteller nicht bereit, über den Prozentsatz selbst zu verhandeln. Kein Problem, reden Sie über die Basis. Die schlechteste Variante ist ein, wie auch immer gearteter, Bezug auf den jeweils aktuellen Listenpreis. Dieser kann sich dramatisch ändern!
Beispiel
Mein Kunde hatte eine Data‐Warehouse Software im Einsatz. Eines Tages kam ein Schreiben vom Hersteller, in dem dieser mitteilte, dass sich das Softwarepaket deutlich geändert hätte und wir mit der neusten Version gänzlich andere Module nutzen würden. Es gab eine Übersetzungstabelle von Alt nach Neu, hübsch aufbereitet, mit den jeweils wesentlichen Funktionen. Eine Überprüfung durch die Fachabteilung ergab, dass dies gut passte. Widerspruch nicht nötig.
Vier Wochen später folgte das zweite Schreiben. Dieses Mal wurden anhand der Übersetzungstabelle die neuen Listenpreise kommuniziert. Verbunden mit der Rechnung über die neuen Wartungsgebühren.
Sie ahnen es schon: diese hatten sich um rund 50 % erhöht. Widerspruch zwecklos, da dies alles im Vertrag vereinbart war. Die Wartungskosten waren auf Basis der jeweils aktuellen Listenpreise vereinbart worden.
Alles, was ich in der Verhandlung erreichen konnte, war, die Erhöhung über mehrere Jahre zu strecken und damit budgetverträglicher zu machen. Eine Ablösung der Software kam nicht infrage.
Leider stellen auch die Anpassungen der Wartungskosten über die Jahre einen Punkt dar, der verhandelt werden sollte. Durchaus üblich ist eine Erhöhung um zwei Prozent pro Jahr oder angepasst an den Verbraucherpreisindex. Warum diese Kosten jedes Jahr steigen sollen, erschließt sich mir nicht wirklich, denn das würde bedeuten, dass es keine Effizienzsteigerungen gibt … Nun, um diese Steigerungen erträglich zu machen, kann man einige Maßnahmen ergreifen. So kann die Preisanpassung bei Abschluss der Wartung für mehrere Jahre zumindest reduziert werden. Bedenken Sie, dass eine Software meist viele Jahre im Unternehmen genutzt wird. Warum deshalb nicht auch die Wartung über z. B. drei Jahre abschließen? Unter diesen Bedingungen ergibt sich eine größere Planbarkeit beim Lieferanten – ein großer Vorteil für ihn. Die jährliche Zahlung ist dabei üblich, so dass, bei richtiger Planung, kein Nachteil für Sie entsteht. Im Gegenzug reduziert der Lieferant den Preis um den einen oder anderen Prozentpunkt.
Eine weitere, durchaus radikale Methode ist es, die Wartungskosten an Ihren Unternehmensgewinn zu koppeln. Geht es Ihrem Unternehmen nicht gut, zahlen Sie weniger. Geht es Ihnen gut, zahlen Sie mehr. Mir ist allerdings klar, dass der zweite Teil dieser Vereinbarung deutlich mehr schmerzt, auch wenn er rational gut begründbar ist.
Wie bereits unter Abschn. 1.2 beschrieben, ist es von großer Wichtigkeit, die Wartungskosten direkt bei der Auswahl der Software zu verhandeln. Denn zu diesem Zeitpunkt ist der Hersteller meist noch gesprächsbereit. Ist die Software erst einmal ausgewählt und installiert, natürlich nicht mehr. Warum auch? Der Hersteller weiß, dass Sie ihn nicht so einfach ersetzen können.
2.3.2.4 Sonderfall Open Source
Für die Beschaffung von Software gibt es zudem noch Open Source. Jetzt höre ich viele rufen: Open Source? Das kostet doch nichts … So nicht ganz richtig.
Hier wird es Zeit, mit ein paar Mythen aufzuräumen, die sich leider in vielen Köpfen hartnäckig halten – selbst im IT‐Einkauf.
Open Source hat keine Lizenzbedingungen.
Leider nein. Auch Open Source unterliegt Lizenzbedingungen. Diese gilt es durchzuarbeiten und zu prüfen, wie die Software genutzt werden darf, ob sie kostenfrei ist, wie mit Änderungen umzugehen ist u. ä. Glücklicherweise nutzen viele die GPL: GNU General Public License in der Version zwei oder drei. Wenn Sie die GPLv2 und die GPLv3 einmal durchgearbeitet und die für Ihr Unternehmen kritischen Themen herausgearbeitet haben, ist es natürlich sehr leicht, bei einer anderen Software mit derselben GPL eine Aussage über die verträgliche Nutzbarkeit zu machen.
Open Source ist gleichzusetzen mit kostenlos.
Open Source steht erst einmal nur dafür, dass der Quellcode (die Source) offen (Open) ist. Will heißen für jeden frei lesbar. Normalerweise ist der Quellcode ein gut gehütetes Geheimnis der Hersteller. Dahinter steckt viel Wissen. Manche Hersteller, Gruppen mit dem gleichen Interesse (Community) oder auch „eigenwillige“ Programmierer sind aber dazu übergegangen, ihre Programme bzw. den Quellcode einsehbar zu machen. Damit kann z. B. von allen nach Sicherheitsproblemen gesucht werden. Manche dieser Programme (aber eben nicht alle) werden in Folge für jeden frei zugänglich und kostenlos angeboten. Ob und unter welchen Bedingungen die Software kostenlos ist, ergibt sich aus den Lizenzbedingungen!
Open Source darf ich beliebig ändern.
Vielleicht. Abhängig von den Lizenzbedingungen: ja, unter gewissen Umständen oder nein. Bei manchen Lizenzbedingungen müssen Sie z. B. sämtliche Änderungen am Quellcode ebenfalls öffentlich zugänglich machen.
Sie sehen: Open Source ist ein interessantes Thema, es gibt hier viele interessante Softwarepakete und viele sind wirklich kostenfrei nutzbar. All das ist aber im Einzelfall genau zu prüfen!
2.3.2.5 Sonderfall Escrow
Eine Escrow‐Vereinbarung wird abgeschlossen, wenn der Quellcode einer Software bei einem Treuhänder für Sie hinterlegt wird. Wie oben schon beschrieben, ist der Quellcode normalerweise ein gut gehütetes Geheimnis der Hersteller. Handelt es sich allerdings um eine besonders wichtige (unternehmenskritische) Software, tritt ein Problem auf, wenn der Hersteller nicht mehr weiterentwickeln will oder kann. Mit einem gut formulierten Escrow‐Vertrag haben Sie dann Zugriff auf die Software und dürfen diese selbst oder durch Dritte pflegen und weiterentwickeln.
Prima, denken Sie jetzt vielleicht, das sollten wir bei jeder Software machen. Davon kann ich nur abraten. Ein Escrow‐Vertrag ist nur etwas für ganz spezielle Einzelfälle.
Beispiel
Bei einer Bank sollte ein neues TAN‐Verfahren für das Onlinebanking eingeführt werden. Nach langer Suche fand man einen Anbieter, der ein extrem sicheres Verfahren entwickelt hatte. Einziges Problem: ein typisches Startup. Die Firma bestand aus dem Firmengründer, seiner Ehefrau und vier weiteren Mitarbeitern. Das Hauptwissen verteilte sich auf zwei Köpfe. Ein Streit, ein Verkehrsunfall o. ä. und das Unternehmen wäre nicht mehr überlebensfähig.
Da das TAN‐Verfahren jedoch bei allen Kunden zum Tragen kommen sollte, war ein sicherer und reibungsloser Betrieb folglich unternehmenskritisch für die Bank. Es wurde ein Escrow‐Vertrag vereinbart.
Das Beispiel zeigt, was wirklich unter „unternehmenskritisch“ zu verstehen ist.

Ablauf Escrow
Zwar kenne ich Unternehmen, die die Software nur hinterlegt und nie geprüft haben, aber das ist so ähnlich, wie das Mathe‐Heft unter das Kopfkissen legen und hoffen, dass nachts der Inhalt durch das Kopfkissen in den Kopf diffundiert. Soll angeblich funktionieren … Beruhigt auf jeden Fall die Revision.
Kritisch ist zudem die Herausgabe der Software zu sehen. Hier sollten Sie auf jeden Fall juristische Experten im Insolvenz‐ und Vertragsrecht hinzuziehen: Damit Sie die Software auch bekommen, wenn Sie sie benötigen.
Zusammenfassung
Sie erwerben nicht die Software, sondern nur das Recht zur Nutzung.
Das Kleingedruckte hat bei Software‐Verträgen ein besonderes Gewicht.
Die Erstellung von Individualsoftware ist eine Dienstleistung mit einem sehr langen Zeithorizont.
Die Kosten für Standardsoftware hängen wesentlich vom Markt und Ihrer Zahlungsbereitschaft ab.
Ein Lizenzmanagement ist für jedes Unternehmen zu empfehlen.
Achten Sie darauf, das richtige Lizenzmodell zu haben.
Viele Fallen und ein beträchtliches Kostenpotenzial stecken in den Wartungsverträgen.
Auch OpenSource hat Lizenzbedingungen, die zum konkreten Bedarf passen müssen.
OpenSource kann kostenfrei sein – muss es aber nicht.
Ein ESCROW‐Vertrag lohnt sich nur in ganz wenigen Ausnahmefällen.
2.4 Dienstleistung
Dienstleistung ist im Gegensatz zur Software wieder deutlich greifbarer, hat aber andere Fallstricke.
Bei Dienstleistung im allgemeinen Wortsinne muss vertraglich nach zwei Arten unterschieden werden: Dienstleistungsvertrag und Werkvertrag. Während beim Dienstleistungsvertrag nur das Bemühen geschuldet wird, muss beim Werkvertrag ein Werk erbracht werden. Dieser wichtige Unterschied wird uns bei den Details dieser beiden Varianten der Dienstleistung immer wieder begleiten.
Vorteile der Vertragsarten
Dienstleistungsvertrag | Werkvertrag |
---|---|
Flexibel in Bezug auf Zeit, Ort, Volumen, … | Wenig Managementaufwand bei der Durchführung |
Einfacher Vergleich der Stundensätze | Wenig Controlling‐Aufwand bei der Durchführung |
Einfacher Vergleich der geschätzten Aufwände | Einfache Vergleichbarkeit der Gesamtkosten |
Einfache Austauschbarkeit von Ressourcen | Das Ergebnis wird geschuldet |
Einfacher Vertrag | Gewährleistung |
Sie sehen in der Tab. 2.3 auf Seiten der Dienstleistung ganz oft das Wort „einfach“. Das ist exakt der Grund, warum der Dienstleistungsvertrag so häufig in der IT‐Beschaffung genutzt wird. Er ist einfach: Einfach erstellt, einfach durchgeführt. Ob das Ergebnis wie gewünscht ist oder das Budget eingehalten wurde, ist dagegen komplizierter. Gerade in diesem Bereich mangelt es oft im Vorfeld an ausreichenden Überlegungen: Was genau(!) brauchen wir denn und wie genau(!) setzen wir dies um? Beim Werkvertrag sind Sie bzw. der Fachbereich in der Pflicht, sich darüber Gedanken zu machen und dies vorher in einem Lastenheft zu dokumentieren. In den meisten Unternehmen wird nach einem 80/20 Prinzip verfahren. 80 % als Dienstleistung. Der klägliche Rest als Werkvertrag. Dabei werden die zwei wesentlichen Vorteile des Werkvertrages leider ignoriert: reale Vorhersage der Kosten und ein klares Werk wird geliefert. Selbstverständlich kann nicht alles als Werk geliefert werden. Die klassische Beratung stellt nur eines von vielen Beispielen dar. Aber viel zu oft wird von der IT‐Abteilung vorgeschoben, dass man das entsprechende Thema noch nicht genau beschreiben könne. Und so wird der vermeintlich einfachere Weg gegangen, obwohl Werkverträge für die Unternehmen mehr Vorteile bieten. Wenn ein größeres Thema nicht als Werk vergeben werden kann, versuchen Sie, es in kleinere Einheiten aufzuteilen. Oft ist damit bereits der Knoten geplatzt. So kann man z. B. eine Vorstudie und die Erstellung des Lastenheftes als Dienstleistung vergeben und die eigentliche Umsetzung als Werk.
Ein Argument für den Fachbereich: Beim Dienstleistungsvertrag kommt der große Aufwand während des Projektes, beim Werkvertrag entsteht er vorher. Gut gemacht ist die Summe bei beiden Varianten gleich.
So, doch nun zu den eigentlichen Leistungsarten.
2.4.1 Dienstleistungsvertrag
Wie oben beschrieben, wird beim Dienstleistungsvertrag nur das Bemühen geschuldet. Sie kennen vielleicht den berüchtigten Zeugnissatz „Er bemühte sich stets“. Diese Beurteilung bekommt der Mitarbeiter, der nichts kann, Note fünf. Diese besagt nämlich, dass dieses Bemühen eher nicht erfolgreich war. Aber da der Arbeitsvertrag eine Art Sonderform des Dienstvertrages ist, bezieht der Mitarbeiter trotzdem Gehalt. Ähnlich verhält es sich bei einem Dienstleister. Sie geben ihm den Auftrag, er leistet viele Stunden, aber das Ergebnis entspricht nicht Ihren Vorstellungen? Die Rechnung darf er trotzdem stellen und Sie müssen zahlen. Ende der Diskussion. Sollte der Dienstleister Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit haben, wird er Ihnen zwar möglicherweise entgegenkommen, vielleicht aber auch nicht. Zudem sind viele Menschen eher konfliktscheu. Folglich wird es bei einer grenzwertigen Leistung eines Dienstleisters trotzdem oft keine Klagen geben und alles anstandslos bezahlt. Erst auf Nachfragen des Einkaufs (siehe Abschn. 3.8 Lieferantenmanagement) gibt es hier mitunter entsprechende Rückmeldungen.
Was bedeutet das Gesagte in der Praxis? Im Wesentlichen müssen Sie bei einem Dienstvertrag ähnlich vorgehen wie bei einem Anstellungsverhältnis: Sorgfältige Auswahl des Dienstleisters. Was kann der Dienstleister, was kann er nicht? Wo sind die Stärken, wo die Schwächen? Sowohl auf der fachlichen als auch auf der menschlichen Seite. Wo Menschen zusammenarbeiten, „menschelt“ es. Diese Fragen sollen zu einer Auswahl führen, mit der der Fachbereich, der die Dienstleistung benötigt, zufrieden ist. Achten Sie dabei auf die Kleinigkeiten. Ist das Wissen noch aktuell, wird es aktiv angewendet?
Beim Vertrag selbst gibt es in der Regel nur wenig zu berücksichtigen. Für einen Dienstleistungsvertrag reichen meist zwei Seiten. Dies ist natürlich abhängig von Ihrem konkreten Projekt, aber löchern Sie Ihren Juristen dahingehend ein wenig, da die Juristen oft die Verträge unnötig aufblähen. Weniger ist hier mehr. Eine kurze Beschreibung der Aufgabe, evtl. wesentliche Kenntnisse und Fertigkeiten, ggf. Rahmenbedingungen wie Einsatzort, Zeiten, die Bezahlung und Reisekosten, ggf. geistiges Eigentum oder Patente und das Auftragsvolumen. Fertig. Dennoch möchte ich auf einige Aspekte kurz eingehen, da hier m. E. oft Fehler gemacht werden.
Einsatzort und Zeiten
Aufgrund der derzeit etwas ungenauen Gesetzeslage und Rechtsprechung zum Thema Scheinselbstständigkeit empfehle ich hier dringend, dem Lieferanten möglichst viel Spielraum zu lassen. Bei vielen Themen ist es relativ unerheblich, wann der Dienstleister wo ist. Gerade in der IT lassen sich viele Themen von überall auf der Welt bearbeiten. Beschränken Sie die Vor‐Ort Zeiten auf das absolut Notwendige und sensibilisieren Sie den Fachbereich entsprechend. Für die meisten Projekte sollte es zudem eine Obergrenze geben, was am Tag abgerechnet werden darf. Meine Empfehlung: zehn Stunden.
Reisekosten
In vielen Verträgen sehe ich sehr detaillierte Aufstellungen für Reisekosten. Bei Projekten mit viel Reisetätigkeit zu unterschiedlichen Orten mit unterschiedlicher Dauer mag das sinnvoll sein. Jedoch sind viele Projekteinsätze derart gestaltet, dass an ein bis zwei Einsatzorten gearbeitet werden muss. Sie vereinfachen es für sich und den Dienstleister deutlich, wenn Sie für diese Orte Pauschalen vereinbaren. Jeder Tag vor Ort kostet dann eine zusätzliche Summe. Damit sind alle Reisekosten etc. abgegolten. Die Prozesskosten sinken drastisch und der Dienstleister ist freier, wann er von wo und wie anreist. Die Gefahr des Missbrauchs ist hier m. E. nicht gegeben, das finanzielle Risiko ist sehr überschaubar und im Verhältnis zum Gesamtbudget meist eher gering. Hier wird oft viel Energie eingesetzt, die an anderer Stelle besser aufgehoben wäre.
Skill
Überlegen Sie vor allem bei größeren Projekten mit dem Fachbereich genau, welche Skills Sie in welcher Menge benötigen. Für einfache Tätigkeiten ist ein PMO (Projekt‐Management‐Office, Assistenz) gerade richtig und relativ günstig zu beschaffen. Dabei wird hier oft eine deutlich bessere Qualität für Reports oder Präsentationen abgeliefert als z. B. beim Projektleiter. Dennoch wird in vielen Projekten keine Assistenz eingekauft. Ähnliches gilt für das obere Ende der Preisliste: der Partner der Unternehmensberatung. Verhandeln Sie nicht seinen Tagessatz. Dabei kommt man oft nicht sehr weit. Verhandeln Sie lieber seinen Aufwand: Muss der Partner 20 % eingesetzt werden oder reichen nicht auch 15 % oder gar 10 %? Hier winken große Einsparungen! Schmeicheln Sie ihm mit der Top‐Qualität des Projektleiters…
- 1.
Tatsächliche Kosten
- 2.
Marktpreis
- 3.
Persönlichkeit
Tatsächliche Kosten
Berechnung der tatsächlichen Kosten
Kategorie | Berechnung des Jahresergebnisses |
---|---|
Selbstständiger mit einem vergleichbaren Jahresgehalt unter 60 T€ | Jahresgehalt * 1,8 |
Selbstständiger mit einem vergleichbaren Jahresgehalt über 60 T€ | Jahresgehalt * 1,6 |
Angestellter mit einem Jahresgehalt unter 60 T€ | Jahresgehalt * 2,1 |
Angestellter mit einem Jahresgehalt über 60 T€ | Jahresgehalt * 1,9 |

Vor allem bei den Zuschlägen für die Angestellten kommt es sehr auf die Größe des Beratungs‐ oder Systemhauses an. Je größer, umso höher ist der Aufschlag. In den Aufschlägen (Multiplikatoren gemäß Tab. 2.4) sind Fortbildungskosten, Sozialversicherung, Krankheitskosten, Leerlauf und ein fairer Gewinn enthalten.
Beispiel
Ein durchschnittlicher, angestellter Softwareentwickler in Frankfurt erhält aktuell ca. 63.000 € Jahresgehalt.
Multipliziert mit 1,9 gemäß Tab. 2.4 ergibt 119.700 € Jahreskosten.
119.700 € auf Stundenbasis (dividiert durch 12, dividiert durch 130) ergibt einen fairen Stundensatz von ca. 77 €.
Dieser Näherungswert ist abhängig von der Größe des Auftrages, der Erfahrung des Entwicklers, dem Standort etc.
Marktpreis
Beim Marktpreis ist ebenfalls die Internetsuche Ihr Freund. Da es sich um den IT‐Einkauf handelt und es meist um ITler geht, sind entsprechend viele Informationen im Internet verfügbar. Einige Plattformen bieten Ihnen sogar an, das Thema sehr genau zu spezifizieren. So erhalten Sie einerseits einen guten Überblick und andererseits auch ein Gefühl dafür, wie „eng“ dieser Teil des Marktes ist. In manchen Themenfeldern ist es sehr schwer, eine (gute) Auswahl zu bekommen. Dann würde ich nicht über den Preis diskutieren, sondern auf Versorgungssicherheit setzen!
Persönlichkeit
Persönlichkeit, Renommee, der „Nasen‐Faktor“ all dies sind weitere preisbestimmende Komponenten. Obwohl uns das als IT‐Einkäufer oft nicht gefällt. Aber tatsächlich arbeiten nicht wir mit den Dienstleistern zusammen, sondern die IT‐Abteilung oder ein anderer Fachbereich. Unterschätzen Sie diesen Punkt nicht. Wenn Sie einen günstigeren Kandidaten „durchdrücken“, wird es vermutlich nicht klappen, weil der Fachbereich nicht will, dass es klappt. Wo Menschen zusammenarbeiten, menschelt es. Die bekannte Firma in der Kategorie XYZ wird also mehr verlangen können als der Newcomer. Dies hat nichts mit Qualität o. ä. zu tun. Hinzu kommen die Erfahrungen aus der Vergangenheit. Mit dem Dienstleister, der die Kollegen beim letzten Einsatz gut betreut hat, wird man gerne wieder zusammenarbeiten wollen. Was oft funktioniert, ist, mit dem Dienstleister einen Rahmenvertrag abzuschließen, so dass der Beschaffungsprozess in eine Art Abruf umgestaltet wird und Ihnen die Beauftragung deutlich erleichtert. Sollte absehbar sein, dass dieser Dienstleister öfter beauftragt wird, sind zudem Rückvergütungen möglich. Das bedeutet, dass beim Überschreiten einer bestimmten Jahressumme, Sie eine Rückvergütung erhalten.
Grundsätzlich ist es im Bereich der Dienstleistungen sinnvoll, Rahmenverträge abzuschließen und Standardlieferanten für bestimmte Themen zu definieren. Alle Projektleiter werden von Firma A, alle PMO von Firma B etc. beschafft. Diese Rahmenverträge können Sie später sogar ausschreiben. So können sich die Fachbereiche über einen Katalog die entsprechenden Fachkräfte beschaffen. Haben Sie ein entsprechendes Tool im Einsatz, entfällt die manuelle Betreuung des Beschaffungsvorganges komplett. Sie kümmern sich um den Rahmenvertrag und die Einstellung in den Katalog, den Rest erledigen der Fachbereich und die Tools.
2.4.2 Werkvertrag
Beim Werkvertrag ist es im Wesentlichen genau umgekehrt wie beim Dienstleistungsvertrag. Aufwendig, komplex und für den Fachbereich viel Arbeit. Jedenfalls auf den ersten Blick.
Die Basiselemente für den Werkvertrag stellen das Lastenheft (siehe Abschn. 3.4.1) als Grundlage und das Pflichtenheft als Vertragsbasis dar. Das Lastenheft beschreibt, was der Fachbereich benötigt. Also z. B. eine CRM‐Software mit integrierter Telefoniefunktion und den folgenden 100 fachlichen Details. Der Lieferant macht daraus dann typischerweise ein Pflichtenheft, in dem er darlegt, wie dies realisiert wird, welche Software genau eingesetzt wird, wie die Telefoniefunktion und die 100 weiteren Details erfüllt werden. Je nach Thema umfasst das Lastenheft nur ein paar Seiten bis zu einigen hundert Seiten. Aber: Wenn alles beschrieben ist, ist der größte Teil geschafft. Im Vertrag wird auf Lasten‐ und Pflichtenheft verwiesen. Darüber hinaus sollten die Themen Änderungen (Change‐Management) und Abnahme geregelt sein. Dazu kommen die üblichen eher juristischen Aspekte wie Haftung, ggf. Nutzungsrechte und die Gewährleistung. Je nach Thema kann die Bezahlung in Teilschritten noch etwas komplexer ausfallen – muss es aber nicht.
Einzig die Mitwirkungspflichten können noch zu einem Stolperstein werden. Denn oft ist nicht klar geregelt, was Ihr Unternehmen leisten muss, um das Werk zu einem Erfolg zu bringen. So können Testdaten, Unterlagen u. ä. erforderlich sein. Wichtig ist hier auch, festzuhalten, wann oder mit welcher Vorlaufzeit dies zur Verfügung gestellt werden muss.
Vertraglich ist also ein besonderes Augenmerk auf die Leistungsbeschreibung zu legen, alles andere können Sie sich meist aus früheren Werkverträgen zusammen klauben. Deshalb ist der Werkvertrag aus der juristischen Sicht eher gleichbleibend (und damit einfach), aus der fachlichen Sicht jedoch eher aufwendig. Ein weiterer wesentlicher Punkt sollte eigentlich selbstverständlich für Werkverträge sein, wird aber oft vergessen: Termine. Jeder Werkvertrag benötigt neben der genauen Beschreibung des „was“ auch ein „bis wann“. Dazu gehört auch ein: „und was, wenn nicht?“. Also eine Vertragsstrafe o. ä.
Um dem Fachbereich das Leben etwas zu erleichtern, bietet es sich, als Einkäufer an, gute Lastenhefte zu sammeln und dem Fachbereich diese als Vorlage zur Verfügung zu stellen. Denken Sie daran: gute Techniker waren in der Schule selten auch gut in Deutsch… Sie helfen damit Ihren Kollegen und zeigen den Mehrwert des IT‐Einkaufs auf. Die meisten Kollegen in der IT oder dem Fachbereich schreiben höchstens alle fünf Jahre ein Lastenheft. Dementsprechend fehlt ihnen die Übung. Durch die Vorlage haben sie etwas, an dem sie sich festhalten können. Der IT‐Einkäufer betätigt sich dann „nur noch“ als Lektor. Sie prüfen die Inhalte auf Plausibilität, Grammatik und Verständlichkeit. Inhaltlich können und sollen Sie nichts dazu beitragen. Das ist Sache des Fachbereiches, der die Leistung benötigt. Lesen Sie das Lastenheft ruhig als Unbeteiligter und überlegen Sie sich, ob ein Firmenfremder das verstehen kann. Allzu oft werden nämlich interne Besonderheiten nicht erklärt oder Kürzel verwendet, die nicht allgemein bekannt sind.
Wenn Sie diese Punkte beherzigen, wird der Anteil der Werkverträge im Laufe der Zeit stetig steigen, da alle Beteiligten die Vorteile spüren oder bemerken. Vor allem der Fachbereich freut sich über die Ruhe im Projekt und den geringen Managementaufwand.
Das Werk als solches lässt sich dabei prima ausschreiben. Aufgrund der guten Beschreibung: dem Lastenheft. In Folge bewerben sich verschiedene Lieferanten um das Projekt und Sie bekommen einen guten Marktpreis, der im Wettbewerb entstanden ist. Hier greifen somit alle Mechanismen der Ausschreibung, wie unter Abschn. 3.3 beschrieben.
2.4.3 Vermittler
Güte Ihrer Anforderungen: Was soll der Dienstleister können? Wie viel Erfahrung muss vorhanden sein? Was genau ist seine Aufgabe? Wann und in welcher Menge benötigen Sie die Dienstleistung?
Güte der Datenbank: Wie gut hat der Vermittler die Daten der Dienstleister eingepflegt?
Geschick und Elan des Vermittlers: Bei den Vermittlern arbeiten auch nur Menschen… Je nachdem, wer also sucht, erhalten Sie bessere oder schlechtere Ergebnisse.
Aktueller Verkaufsdruck: Manchmal ist auch einfach der Verkaufsdruck auf Seiten der Vermittler sehr hoch. Dann gilt die Devise: lieber ein schlechtes Angebot als gar kein Angebot.
Es hilft Ihnen nichts, bei zehn Vermittlern anzufragen. Im Allgemeinen reichen zwei Vermittler völlig aus. Für spezielle Themen gibt es allerdings auch spezielle Vermittler. Diese haben sich dann auf bestimmte Themen fokussiert, verstehen die Anforderungen besser und liefern Ihnen auch meist die passenderen Profile.
Wichtig ist, dass Sie die Margen der Vermittler separat verhandeln. Suchen Sie also zunächst ein oder zwei Vermittler aus (z. B. über eine Ausschreibung, siehe Abschn. 3.3) und verhandeln Sie deren Margen. Die Marge sollte für Sie transparent sein. Entweder als fester oder als prozentualer Aufschlag pro verrechneter Einheit. So können Sie sichergehen, dass weder Sie noch die Selbstständigen über den Tisch gezogen werden. Zudem können Sie so transparent mit den Selbstständigen über deren Stundensatz verhandeln.
Wann lohnt sich ein Selbstständiger?
Grundsätzlich sollten Selbstständige günstiger sein, da sie geringere Fixkosten haben, keinen Chef und keine Sekretärin bezahlen müssen. Aus Kostensicht folglich meist lohnend. Andererseits eignen sich Selbstständige weniger bei großen Projekten mit mehr als ca. drei bis vier Externen, da die Selbstständigen schließlich auch ihre eigenen Interessen verfolgen, weshalb im Zweifel das eigene Renommee oder die eigene Vertragssicherheit vorgeht. Bei Projekten mit mehr externen Kräften ist das (vermutlich) teurere Systemhaus die bessere Wahl. Hier gibt es einen verantwortlichen Projektleiter, Vertriebler oder Eigentümer, der im Problemfall die Individuen zusammenhält und damit Ihren Projekterfolg sicherstellt.
Zusammenfassung
Die wesentlichen Themen bei Dienstleistungen
Es wird unterschieden in Dienstleistungsvertrag und Werkvertrag.
Der Dienstleistungsvertrag ist sehr flexibel in allen Belangen.
Der Werkvertrag gibt eine große Planungssicherheit und enthält eine Gewährleistung.
Werkverträge lassen sich sehr gut ausschreiben.
Die Gebühr für Vermittler von Selbstständigen sollten Sie separat verhandeln.
Selbstständige scheinen oft günstiger, sollten aber nur bei kleinen Projekten eingesetzt werden.
2.5 Outsourcing und Outtasking
Outsourcing bedeutet, die gesamte Informationstechnologie an einen Dienstleister zu übergeben, der all das macht, was vorher die internen Kollegen der IT‐Abteilung erledigt haben. Die meisten IT‐Einkäufer werden diesen Fall nie haben. Sollte er doch auf Ihrem Schreibtisch landen, sollten Sie davon ausgehen, dass Sie dieses Thema nicht alleine stemmen können und zudem die nächsten Monate oder Jahre damit beschäftigt sein werden. Sie haben richtig gelesen: Bei größeren Konzernen geht man davon aus, dass es von der Idee bis zur Unterschrift ca. zwei bis zweieinhalb Jahre dauert. Aber mit unter einem halben Jahr kommen Sie auch nicht in einem kleineren Unternehmen hin. Typischerweise sitzen hier ganze Teams an dem Thema. Hierbei gibt es Beratungshäuser, die nichts anderes machen, als diesen Prozess zu begleiten, und zudem zahlreiche Literatur.
Verlassen wir dieses Feld wieder und widmen uns dem kleinen Bruder: Outtasking.
Beim Outtasking werden einzelne Teile oder einzelne Aufgaben der IT‐Abteilung ausgelagert. Das Grundproblem ist sehr ähnlich, hat aber eine deutlich geringere Komplexität und einen deutlich geringeren Umfang. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass Sie ein solches Thema irgendwann bekommen. Eine heute recht verbreitete Tätigkeit für das Outtasking ist z. B. das Thema IMAC (Install, Move, Add, Change). Hierbei wird die Aufgabe der Endgerätebetreuung einem Dienstleister übertragen. Dieser ist für die Installation oder den Umzug von Hardware verantwortlich und muss dies nach einem festgelegten SLA (Service Level Agreement) z. B. innerhalb von zwei Arbeitstagen durchführen. Während beim Outsourcing meist große Teile des betroffenen Inventars, evtl. Gebäude und meistens Mitarbeiter vom Dienstleister übernommen werden, ist dies beim Outtasking meist nicht oder nur in sehr geringem Umfang der Fall.
Das Gute am Outtasking ist, dass es aus Sicht des Einkaufes sehr ähnlich zum Werkvertrag ist. Allerdings besteht es oft aus vielen kleinen Losen. Um bei dem Beispiel IMAC zu bleiben, würde es hier z. B. für jeden Dienst eine eigene Beschreibung und einen eigenen Preis geben.
Beispiel
Beispiel für ein IMAC Outtasking
Install: Bei der Neuinstallation eines PC wird das Image aufgespielt und der PC am Arbeitsplatz des Benutzers installiert. Sofern noch PCs am Lager sind, hat die Installation innerhalb von zwei Arbeitstagen zu erfolgen, wenn nicht, innerhalb von zehn Arbeitstagen. Preis: xx €
Move: Bei einem Umzug wird der PC am alten Arbeitsplatz des Benutzers abgebaut, transportiert und am neuen Arbeitsplatz wieder aufgebaut. Eine Datensicherung erfolgt nicht. Der Beginn des Umzuges erfolgt innerhalb von zwei Arbeitstagen und wird immer am gleichen Tag binnen zwei Stunden erledigt. Preis: xx €
Change: …
Beispiel für eine RACI‐Matrix
Dienstleister | Service‐Manager | Einkauf | IT‐Projektleiter | |
---|---|---|---|---|
Aufgabe 1 | I | R | I | I |
Aufgabe 2 | R | I | C | |
Aufgabe 3 | R | A | I | I |
… |
Auf der Vertragsseite sind zudem entsprechende Vertragsstrafen bei Schlechtleistung vorzusehen, wenn die vereinbarten SLA nicht eingehalten werden.
Allerdings gibt es beim Outtasking eine Besonderheit: Etwas wird übergeben. Dies bedeutet, dass i. d. R. vor dem eigentlichen Beginn noch ein Projekt vorgeschaltet werden muss, bei dem Daten, Räume, Unterlagen, Tools o. ä. an den Dienstleister übergeben werden müssen. Auch dies ist im Vertrag mit einem Zeitplan und Verantwortlichkeiten zu regeln. Daran denken die meisten Fachbereiche noch. Was leider immer noch viele vergessen, ist die Rückabwicklung. Outtasking ist so etwas wie „Ehe auf Zeit“. Es wird irgendwann die Rückabwicklung kommen. Entweder wird die Tätigkeit nach fünf, zehn oder 15 Jahren wieder Inhouse von eigenen Kollegen durchgeführt oder wird durch einen anderen Dienstleister übernommen. Dieses Thema sollte also ebenfalls einen Platz im Vertrag bekommen.
Auf der vertraglichen Seite bedienen Sie sich beim Outtasking beim Werkvertrag, insbesondere für das vorgeschaltete Projekt und für die Rückabwicklung.
Auch auf der preislichen Seite ist das Thema sehr gut mit dem Werkvertrag zu vergleichen: Lastenheft (und hier sogar oft das Pflichtenheft) sind vorhanden, also einfach ausschreiben und das beste Preis‐Leistungsverhältnis gewinnt.
Die Betreuung des Lieferanten ist für den IT‐Einkauf nur bedingt relevant, für den Erfolg des Outtasking allerdings äußerst kritisch. Deshalb landet das Thema oft doch beim IT‐Einkauf. Lieferantenmanagement ist immer eine Tugend, beim Outtasking muss sie jedoch erfolgen. Deshalb muss es in der IT‐Abteilung einen (oder mehrere) Kollegen geben, die den Dienstleister steuern, regelmäßig die Leistung überwachen, einzelne Services ggf. anpassen, neue Services aufnehmen oder überflüssige streichen. Diese elementare Aufgabe sehe ich leider in vielen Unternehmen sträflich vernachlässigt, was dazu führt, dass man mit dem Dienstleister unzufrieden ist. Je größer die Unzufriedenheit ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass das Problem bei Ihnen im Unternehmen liegt…
Zusammenfassung
Die wichtigsten Punkte zu Outsourcing und Outtasking
Outsourcing kommt äußerst selten vor und wird meist von einem speziellen Team eingekauft.
Outtasking ist im Wesentlichen wie ein Werkvertrag zu behandeln.
Beim Outtasking nie die Rückabwicklung der Tätigkeit vergessen.
2.6 Cloud
Cloud – nebulös, vielsagend, verheißungsvoll und manchmal einfach heiße Luft.
- 1.
IaaS – Infrastructure as a Service: Hier werden Server, Firewall, VoIP‐Telefonie u. a. angeboten. Bei den Servern kann das Betriebssystem oder die Virtualisierungsplattform enthalten sein.
- 2.
PaaS – Platform as a Service: Bei der PaaS ist die darunterliegende Infrastruktur enthalten. PaaS selbst war ursprünglich nur für Web‐Entwicklungsumgebungen konzipiert, beinhaltet jedoch auch immer mehr Datenbanken oder Middleware.
- 3.
SaaS – Software as a Service: Stellt eine lauffähige Software zur Verfügung, mit allen darunter notwendigen PaaS und IaaS Komponenten.
Für alle Cloud‐Dienste gilt, dass sie standardisiert sind. Deshalb kommen in aller Regel die Vertragsbedingungen des Anbieters zum Tragen. Verhandeln sollte man sie trotzdem. Besonders häufig gibt es in den Verträgen Verlinkungen auf die jeweiligen AGB (im englischen: Terms). Dies sollten Sie nicht akzeptieren, sondern diese ausdrucken und als Anlage zum Vertrag nehmen. Als ein ebenfalls wesentlicher Punkt in Cloud‐Verträgen stellt sich das Thema Daten dar. Die IT‐Abteilung oder der Fachbereich machen sich meist noch Gedanken darüber, wie die Daten in die Cloud kommen und dort aktuell gehalten werden oder wie Ergebnisse wieder zurückfliesen. Häufig wird jedoch das Thema Rückübertragung der Daten immer noch ausgeblendet. Der Vertrag endet irgendwann und dann müssen die Daten in ein anderes System übertragen werden. Oder es handelt sich um kritische Daten, von denen der Gesetzgeber oder eine Aufsichtsbehörde eine gewisse revisionssichere Aufbewahrungsfrist von zehn oder 30 Jahren verlangt. Hierfür haben leider noch nicht alle Cloud‐Anbieter eine Antwort. Ein Anbieter hat mir einmal den Transfer in Excel angeboten. Eher nicht revisionssicher…
Ein sehr großes Thema bei allen Cloud‐Diensten ist die DSGVO (Datenschutz‐Grundverordnung) und das BDSG (Bundesdatenschutzgesetz), sofern es sich um personenbezogene Daten handelt, die in der Cloud verarbeitet werden. Die Sensibilität steigt hier zwar erfreulicherweise stark, aber als IT‐Einkäufer sollten Sie auf jeden Fall aktiv nachfragen, auch wenn das Thema nicht direkt in Ihren Verantwortungsbereich fällt. Hierfür haben Sie im Unternehmen den Datenschutzbeauftragten. Deshalb beleuchte ich das Thema hier nicht weiter.
Allen Cloud‐Arten gemein ist die prozessuale Abruffrage. Mit wenigen Mausklicks ist ein neuer Server „bestellt“ oder eine neue Datenbank aufgebaut. Eine förmliche Bestellung wird es nicht geben, womit weder das Vier‐Augen‐Prinzip des Einkaufs gewahrt ist noch eine automatisierte Rechnungsprüfung erfolgen kann. Hier sind auf jeden Fall Vorkehrungen zu treffen, wie dies nur von ein oder zwei Mitarbeitern in der IT ausgelöst werden darf und wie dies abrechnungstechnisch intern abgebildet wird. Auch gibt es bei manchen Cloud‐Themen dynamische Abrechnungsmodelle. Greifen viele Anwender zu, zahlt man viel, bei wenigen Zugriffen entsprechend weniger. Coole Sache, aber nur sehr schwer in den starren Einkaufssystemen abbildbar. Leider muss hier jeder neue Cloud‐Anbieter einzeln betrachtet werden. Zudem ist das Feld noch sehr dynamisch, so dass Lösungen die heute noch funktionieren, nächstes Jahr leider nicht mehr funktionieren müssen. Und umgekehrt.
Auf der preislichen Seite gilt Ähnliches wie bei Software. Meist bindet man sich über mehrere Jahre an den Cloud‐Anbieter. Fängt klein an und weitet dann die Nutzung sukzessive aus. Haben Sie also ruhig die optimistischen nächsten fünf Jahre im Blick, wenn Sie in die Preisverhandlungen einsteigen und sorgen Sie unbedingt für Wettbewerb. Im Moment ist der Cloud Markt noch sehr dynamisch mit Wachstumsraten im Bereich 50 % und mehr. Die Anbieter positionieren sich jetzt, um dann in einigen Jahren im gemachten Bett zu dösen. Gerade jetzt sind also die Bedingungen gut, an der Preisschraube zu drehen. Dafür benötigen Sie aber den Wettbewerb. Einer der Wettbewerber kann dabei durchaus die eigene IT sein. Was kostet es mich, den Service konventionell zu betreiben? Cloud sollte mindestens zehn Prozent bis 20 % günstiger sein. So ist es bei der Auswahl eines Cloud‐Anbieters wichtig, dass der IT‐Einkauf früh eingebunden ist. Nur damit können Sie sicherstellen, dass sich der Fachbereich nicht auf einen Anbieter festgelegt hat, bevor Sie in die Preisverhandlungen einsteigen.
Betrachten wir nun die wesentlichen vertraglichen Aspekte bei den einzelnen Cloud‐Arten.
IaaS
Bei IaaS handelt es sich in etwa um die gleiche Thematik wie Outtasking. Das unter Abschn. 2.5 Gesagte gilt also auch hier. Wo die Verantwortung des Anbieters endet, ist meist der wichtigste Punkt, ebenso wie die Verfügbarkeit der Systeme. Alles andere ist eher IT‐fachlicher Natur.
PaaS
Je nach Ausprägung besteht PaaS mehr aus IaaS oder mehr aus SaaS. Meist hat es jedoch beide Komponenten, weshalb in diesem Fall der Vertrag eine Mischung darstellt und im Einzelfall betrachtet werden muss.
SaaS
Bei SaaS handelt es sich zum einen um einen Softwaremietvertrag, verknüpft mit der Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur, der Datenbanken oder Middleware. Dies bedeutet, dass der Vertrag umfangreicher wird, aber nichts wesentlich Neues erhält. Themen sind die Verfügbarkeit, die Abgrenzung und das Lizenzmodell. Entgegen manchen Vermutungen in der Regel unkompliziert.
Zusammenfassung
Die Highlights für die Beschaffung von Cloud‐Lösungen
Bei IaaS handelt sich im Allgemeinen um ein Outtasking – nur moderner.
PaaS ist eine Mischform von IaaS und SaaS, mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
SaaS ist ein Software‐Mietvertrag, der allerdings auch die Bereitstellung und Infrastruktur beinhaltet, mithin ein Outtasking.
Gerade bei SaaS nicht die Rückabwicklung vergessen.
Der Wettbewerb ist ein entscheidender Faktor bei der Preisverhandlung von Cloud‐Lösungen.