Totenstadt unter dem Petersdom

Dass man innerhalb des Petersdoms eine »Etage« tiefer gehen kann, habe ich Ihnen ja bereits erzählt – also hinunter in die Vatikanischen Grotten, dort wo viele Päpste beerdigt liegen. Doch haben Sie schon mal davon gehört, dass man sogar noch tiefer in die Erde – und in die Geschichte – eintauchen kann?

Unterhalb des Petersdoms befindet sich nämlich Erstaunliches: eine uralte und 1600 Jahre verschüttete Nekropole. Eine Totenstadt, in der auch das Grab des Apostelfürsten Petrus verehrt wird, des ersten Papstes der Geschichte. Genau dieses Grab wollen wir heute besuchen. Eine ziemlich exklusive Tour, denn nur ein paar Dutzend Menschen bekommen jeden Tag die Chance dazu, auf diese faszinierende Reise durch 2000 Jahre Geschichte zu gehen. Deshalb bitte ich Sie: Machen Sie diesen Ausflug in den Untergrund unbedingt. Sie werden ihn nie wieder vergessen!

10. Februar 1939: Papst Pius XI. stirbt. Und schon bald beginnen die Vorbereitungen für seine Beisetzung. In seinem Testament hatte der Papst verfügt, in den Grotten von Sankt Peter beerdigt zu werden, also in jenem Bereich, der sich einige Meter unterhalb des heutigen Bodenniveaus der Petersbasilika befindet. Man fängt an zu graben und … stutzt! Was sind denn das plötzlich für Steine? Man hatte ja schon immer davon gehört – aber könnte es tatsächlich sein, dass dies die verschüttete Nekropole ist? Die fast vergessene Totenstadt, die sich sogar noch unterhalb des heutigen Friedhofs der Päpste befindet? Pius XII., der Nachfolge-Papst, ist fest entschlossen nachzuschauen. Nur, was würde man dort unten wohl finden? Vielleicht tatsächlich den Grund für den Bau des Petersdoms? Den Ursprung all dessen, was wir heute mit dem Vatikan und dem 2000 Jahre alten Papstamt verbinden? War man also tatsächlich dem Petrusgrab auf der Spur?

»Tief unten« war früher ganz oben

Ich treffe mich mit Frau Dr. Karin Mair. Seit 2008 ist sie Mitarbeiterin der Dombauhütte von Sankt Peter und arbeitet unter anderem als Führerin in den sogenannten Scavi, also den Ausgrabungen unterhalb des Petersdoms. Sie hat in Salzburg, Siena und Rom Geschichte und Theologie studiert – und ist ein wandelndes Lexikon: eine Frau mit einem beeindruckenden und umfassenden Wissen rund um die Geschichte der Nekropole und des Petrusgrabes. Wir sind am Ufficio Scavi, dem Ausgrabungsbüro, verabredet. Es befindet sich innerhalb des Vatikans, ganz in der Nähe des Campo Santo Teutonico und der Sakristei von Sankt Peter.

Übrigens: Ich hatte Ihnen auf > ja versprochen – als es um den vatikanischen Obelisken mitten auf dem Petersplatz ging –, dass ich Ihnen auch den ehemaligen Standort des Obelisken zeigen würde. Hier nun also, nur wenige Schritte vom Ufficio Scavi entfernt, befand er sich bis zum Jahr 1568. Er war Teil des Circus des Nero, von dem wir gleich noch hören werden. Zusammen mit Frau Dr. Mair gehe ich zum Eingang der Scavi und bin extrem gespannt, was mich dort unten erwarten wird. Eine Nekropole? Das Wort leitet sich vom altgriechischen nekrós, »Toter« und pólis, »Stadt« ab. Eine Totenstadt also, direkt unterhalb der weltberühmten Petersbasilika? Lassen Sie uns hinuntergehen und Stück für Stück herausfinden, welches Geheimnis dort unten versteckt liegt. Wir starten an einer ziemlich steilen Treppe.

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Per Zahlencode geht es hinab in die Scavi, die Ausgrabungen unterhalb des Petersdoms.

Mit Dr. Karin Mair in der Nekropole
Hier geht’s ganz schön tief hinab!

Ja, wir sind jetzt ungefähr neun Meter unterhalb des Fußbodenniveaus der heutigen Basilika – und das hier ist antikes römisches Straßenniveau. Genau hier sind die Menschen also damals auch gegangen. Was viele Besucher nicht sofort verstehen, weil wir so tief unten sind: In der Antike war über uns kein Bauwerk, sondern einfach nur blauer Himmel. 70 Meter der Nekropole sind freigelegt mit insgesamt 22 Mausoleen, in denen knapp 1000 Menschen beerdigt wurden. Die Totenhäuser, die wir sehen, sind aus dem beginnenden zweiten nachchristlichen Jahrhundert, also rund 1800 Jahre alt. Wir gehen in diesen Ausgrabungen also auf der Geschichte und durch die Geschichte.

Was sofort auffällt: Es ist recht feucht hier drin.

Das stimmt. Wir haben 98 Prozent Luftfeuchtigkeit – die wird künstlich hergestellt, ansonsten würde uns das antike Mauerwerk zerbröseln. Und es herrscht eine konstante Temperatur zwischen 16 bis 18 Grad Celsius. Man muss da einen goldenen Mittelweg finden: für den Friedhof, aber auch für die Besucher. Maximal 250 Menschen pro Tag dürfen runter, normalerweise in Gruppen von 15 Personen.

Die Totenhäuser sind erstaunlich bunt. Sind die Farben noch original?

Ja, das sind sie. Die rote Farbe ist ein Symbol für Reichtum und wurde aus der Purpurschnecke gewonnen. Man brauchte eine Unmenge von Schnecken für ein paar Tropfen Farbe. Wenn wie hier der gesamte Innenraum rot ausgemalt ist, kann man sich schon vorstellen, wie reich die Familie war.

Was für Menschen konnten sich denn so eine Beerdigung leisten?

Das hier war ein Friedhof für Libertis, also freigelassene Sklaven. Das bedeutet, sie waren am kaiserlichen Hof beschäftigt: Lehrer, Ärzte, Beamte und Rechtsanwälte. Sie hatten ein gutes Gehalt und konnten sich dementsprechend auch diese Totenhäuser leisten. Ein Totenhaus gehörte immer einer einzigen Familie, aber es wurde natürlich über mehrere Generationen hinweg verwendet. Und eine Familie hieß in der Antike nicht »Vater, Mutter, Kind«, sondern meinte den Oíkos, den Haushalt, zu dem auch die Sklaven gehörten. Wir reden dann schnell von 80, 90 oder 100 Familienmitgliedern.

Wie lange wurden diese Mausoleen denn genutzt?

Die Totenhäuser haben knapp 200 Jahre existiert. Ab dem Jahr 320 n. Chr. beginnt Kaiser Konstantin dann mit dem Vorhaben, die Peterskirche zu bauen. Aus Pietätsgründen zerstört er die Totenhäuser aber nicht, sondern nimmt ihnen einfach nur die Dächer ab. Und dann wird alles mit Schutt aufgefüllt. Der Kaiser hat also ein perfektes Fundament, und auf diesem Fundament baut er seine Basilika. Dann schlummert der Friedhof vor sich hin, für knapp 1600 Jahre – bis 1939, als man mit den Ausgrabungen beginnt.

Man sagt, diese Nekropole wurde durch den Tod eines Papstes wiederentdeckt?

So ist es. Papst Pius XI. war verstorben und wollte in den Grotten beigesetzt werden, in nächster Nähe des Petrus. Und bei der Anlage des Grabplatzes hat man dann einen Teil eines Totenhauses gefunden. Man wusste zwar, dass es unterhalb von Sankt Peter einen Friedhof gab, aber natürlich war man trotzdem überrascht. Pius XII., der Nachfolger, hat dann die Ausgrabungen erlaubt, begonnen, geleitet und auch zu Ende geführt. Es war für den Papst wichtig, wissenschaftlich-methodisch aufzuzeigen: Hier befindet sich das Grab des Petrus. Man hat zehn Jahre lang gegraben – ein insgesamt sehr kompliziertes Unterfangen, denn darüber steht ja eine Abertausende Tonnen schwere Basilika. Wenn man darunter alles aushöhlt, muss man gleichzeitig enorm stabilisieren.

Wir sehen hier einige Sarkophage. Befinden sich darin noch Gebeine?

Wenn der Sarkophag in situ ist – also an originaler Stelle –, dann sind auch noch die Gebeine vorhanden. Der Rest ist heute in den Vatikanischen Grotten beigesetzt. Man darf nicht vergessen, es ist immer noch ein Friedhof, auch wenn er nicht mehr aktiv ist. Man sollte diesem Ort deshalb auch Respekt und Pietät zollen.

Wie sah der Totenkult vor 1800 Jahren eigentlich genau aus?

Wir haben hier zwei Reihen von Mausoleen. Die ältere ist direkt in den Hügel hineingebaut. Deshalb gibt es in einigen Totenhäusern eine Treppe, die auf den Hügel hinaufführt – oder auf eine Art Dachterrasse. Und dort hat die Familie dann ein sogenanntes Refrigerium gefeiert, also eine Erfrischung, eine Erquickung. Heute würden wir sagen: Totenmahl. Das Ganze geschah an verschiedenen Feiertagen. Dann kam die Familie zusammen und hat gemeinsam gegessen und getrunken. Auch die Verstorbenen selbst hat man übrigens mit Essen versorgt: Es gibt Sarkophage, die haben kleine Röhren, also Öffnungen, und dadurch hat man Speis und Trank in den Sarkophag hineinbefördert.

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Reich verzierte Sarkophage sind keine Seltenheit in der Vatikanischen Nekropole. Viele wurden oft mehrfach benutzt.

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Historische Fotos der Ausgrabungsarbeiten aus den 1940er-Jahren

Was für ein spannender Blick in die Geschichte! Dort hinten scheint der Gang aufzuhören. Aber endet dort auch die gesamte Nekropole?

Nein, das ist nur das Ende der Ausgrabungen. Und es gibt nochmal einen guten Einblick, wie diese Räume komplett zugeschüttet waren. Und da oben haben wir einen Titulus – also eine Schrifttafel. Dieser Titulus ist enorm wichtig. Er zeigt uns nämlich an, dass das Totenhaus 6000 Sesterzen gekostet hat, das war damals das fünffache Jahresgehalt eines kaiserlichen Beamten. Aber was noch viel wichtiger ist: Der Verstorbene wollte – so steht es hier – »beim Circus« beigesetzt werden. Das ist also ein schriftlicher Beweis, dass der Circus des Nero wirklich existiert hat.

Gibt es eine Schätzung, wie weit die Nekropole in diese Richtung dort weitergeht?

Man hat keine schriftliche Quelle, aber Teile entlang des Tibers und der nahe liegenden Stadtausfahrtsstraßen wurden damals wohl als Friedhofszone genutzt. Es gibt dort ja auch die Engelsburg, also das Mausoleum von Kaiser Hadrian.

Das heißt also: Unterhalb des gesamten Petersplatzes und auch die komplette Via Conciliazione hinunter bis zum Tiber, befinden sich lauter unterirdische, zugeschüttete Mausoleen?

Höchstwahrscheinlich ja!

Wie ging es Ihnen, als Sie zum ersten Mal in diese Totenstadt kamen?

Als Besucherin war ich zutiefst beeindruckt. Und ich muss auch sagen: Es reicht nicht aus, nur ein einziges Mal zu kommen. Es ist eine Zeitreise, die man macht. Und man muss sich auch auf diese Zeitreise einlassen, um das ganze Ausmaß hier überhaupt wahrnehmen zu können. Wir haben ja die Petersbasilika über uns, darunter sind die Grotten. Und ganz unten, da wo wir jetzt stehen, ist der Friedhof. Das heißt, wir haben drei Ebenen, und zwischen diesen drei Ebenen haben wir 2000 Jahre Geschichte. Und 2000 Jahre Geschichte während einer einstündigen Führung auf- und wahrzunehmen, das ist nicht ganz leicht.

Und Ihre Gedanken, wenn Sie eine Führung machen?

Nun ja, es ist nicht immer einfach, das Ganze den Leuten nahezubringen, die ja aus verschiedensten Ländern kommen – mit unterschiedlichen Erwartungen und Wissensständen. Es sind auch nicht alle Besucher römisch-katholisch – was sie natürlich auch nicht sein müssen, jeder ist herzlich willkommen! Aber das Interessanteste sind die Reaktionen der Besucher.

Welche Reaktionen gibt es denn?

Einige Leute verstehen überhaupt nicht, wo sie sind, und manche wollen unbedingt ihre negative Einstellung zur katholischen Kirche demonstrieren. Dann gibt es natürlich auch Pilger, die beten und singen. Einige Besucher sind inhaltlich extrem gut vorbereitet. Es kommen aber auch Leute, die sich eigentlich gar nichts erwarten. Das sind übrigens oft die, die am Ende der Führung am stärksten bewegt sind. Gerade bei diesen Gruppen muss man – wenn man bei den Reliquien des Petrus steht – meist nicht um einen Moment der Stille bitten, der kommt dann ganz automatisch.

Was ist eigentlich die meistgestellte Frage hier unten?

»Ist es sicher, dass das hier das Petrusgrab ist?«

Gibt es darauf eine eindeutige Antwort?

Es gibt eine klare Antwort: Hier ist das Petrusgrab. Man muss dazu sagen: Kein anderer Ort, kein anderes Land hat jemals für sich beansprucht, das Petrusgrab zu haben. Auch die archäologische Evidenz der Ausgrabungen bestätigt das. Sie haben ja gezeigt, dass um jenes schlichte Erdgrab viele Gräber angelegt worden sind. Damit hat man dessen Wichtigkeit hervorgehoben. Und das Ganze wird noch einmal stärker untermauert durch den Bau des sogenannten Tropaions über dem Grab, das wir gleich noch sehen werden. Dadurch konnte es von allen anderen Gräbern unterschieden werden. Und man darf nicht vergessen: Wir haben ab dem zweiten Jahrhundert ja auch noch Inschriften und schriftliche Quellen, die explizit auf das Petrusgrab hinweisen. Wenn man dazu noch bedenkt, dass seit knapp 2000 Jahren die Leute immer an den gleichen Ort kommen, um das Petrusgrab zu besuchen – dann kann und darf man auch diese Tradition nicht unterschätzen.

Und so gehen Frau Dr. Mair und ich weiter in Richtung des Ortes, der seit zwei Jahrtausenden als Grab des Petrus verehrt wird.

Übrigens, falls Sie diese Führung – hoffentlich sehr bald – selbst erleben, werden Sie mir vermutlich Recht geben: Trotz der exzellenten Erklärungen wird es an dieser Stelle ziemlich verwirrend. Die verschiedenen Schichten, Altäre, Mauern, Gräber und Säulen rund um das vermutete Petrusgrab auseinanderzuhalten ist ziemlich kompliziert. Zu viel wurde über die Jahrhunderte um- und angebaut, als dass man sofort eine klare Vorstellung davon hätte, wo genau sich das Petrusgrab lokalisieren lässt.

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Die original erhaltene rote Farbe wurde aus kostbaren Purpurschnecken hergestellt. Ein Hinweis darauf, wie reich die Totenhaus-Besitzer waren.

Hier sind wir jetzt aber schon sehr nah dran, oder?

Ja, dort hinten ist das sogenannte Tropaion des Gaius, das erste Monument über dem Petrusgrab aus der Mitte des 2. Jahrhunderts. Tropaion bedeutet eigentlich »Siegessäule«, gemeint ist aber die Ädikula über dem Grab. Gaius war ein Priester, und er erwähnt dieses Monument zum ersten Mal in einem Brief. Darin geht es um die Frage, wer denn nun den rechten Glauben habe: die Menschen in Rom oder die in Kleinasien, der heutigen Türkei. Gaius schreibt: »In Rom, weil ich Dir hier die Tropaia der Apostel zeigen kann, die die Kirche gegründet haben.« Er meinte damit das Paulusgrab – und natürlich auch das Petrusgrab hier. Dort hinten, in einer kleinen Schatulle, sind die vermuteten Gebeine des Petrus enthalten.

Ein unfassbar spannender Ort. Aber so unglaublich komplex …

Ja, tatsächlich. Wir sind hier beim Grab des Petrus, darüber ist das Tropaion, darüber wiederum der Papstaltar, dann der Baldachin und oben die Kuppel von Sankt Peter – eine gerade Linie von 136,5 Metern. Und das ist sehr wichtig zu verstehen: Diese Linie geht von genau hier unten bis ganz nach oben. Ohne das schlichte Erdgrab des Petrus würde es die Basilika nicht geben. Hier unten ist der Ausgangspunkt für alles!

Was?

Den Ort besuchen, der seit 2000 Jahren als das Grab des Apostels Petrus verehrt wird. Die Nekropole war 1600 Jahre lang verschüttet und wurde erst ab 1939 wieder freigelegt. 70 Meter der Ausgrabungen mit insgesamt 22 faszinierenden Mausoleen können besucht werden.

Wie, wo und wann?

Für den Besuch der Scavi brauchen Sie eine Reservierung. Zur Hochsaison empfiehlt sich eine Anfrage bereits einige Wochen vor dem gewünschten Termin – mit den Namen der Teilnehmenden, der gewünschten Sprache der Führung sowie dem präferierten Zeitraum.

Mein Tipp: Sollten Sie z.B. eine Woche in Rom sein, geben Sie – wenn möglich – den gesamten Zeitraum an und bauen Sie Ihren restlichen Rombesuch später drumherum. Das erhöht die Chancen, ein Ticket zu bekommen. Einzelreisende können sich auch direkt beim Ufficio Scavi vor Ort nach Resttickets erkundigen. Auch hier ist es von Vorteil, zeitlich flexibel zu sein und evtl. auch an einer Führung auf Englisch teilzunehmen.

Um zu den Scavi zu gelangen, müssen Sie bei den Schweizergardisten links der Kollonaden – am Cancello Petriano – Ihre Reservierung vorzeigen. Seien Sie spätestens zehn Minuten vor Führungsbeginn vor Ort!

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Im Anschluss an die Führung zeigt mir Frau Dr. Mair noch das Modell des Petrusgrabes.

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UNNÜTZES PARTYWISSEN RUND UM GESEGNETE SCHAFE UND DIE AGNES-LEGENDE

Auf dem Weg zu den Papstgräbern im Petersdom kann man einen Blick in die Confessio werfen, den Bereich direkt unterhalb des Papstaltars. Dort ist vor einem byzantinischen Christusmosaik die Palliennische zu sehen, in der am 28. Juni, dem Vortag des kirchlichen Hochfestes Peter und Paul, die sogenannten Pallien ausgelegt werden. Diese weißen Wollstolen mit aufgestickten Kreuzen werden den neuen Metropoliten (Erzbischöfe, die auch Leiter von Kirchenprovinzen sind) vom Papst als Zeichen der Würde, aber auch der Bürde verliehen. Durch Aufbewahrung in der Nische werden die Pallien zu Berührungsreliquien. Die Wolle für die Pallien kommt übrigens von ganz besonderen, nämlich gesegneten Schafen, die am 21. Januar, dem Tag der Heiligen Agnes, geschoren werden. Warum Agnes? Der Heiligenlegende nach soll die erst zwölfjährige Agnes mit einem Schwertstich durch die Kehle getötet worden sein, so wie man Lämmer tötet. Auch ähnelt der Name Agnes dem lateinischen agnus – Lamm. Traditionell dürfen nur die Nonnen des Klosters Santa Cecilia in Trastevere aus der Wolle der gesegneten Schafe neue Pallien weben.

TIPPS
UNTERIRDISCHE ABENTEUER

Mehr als 60 Katakomben gibt es in der Ewigen Stadt, sie gehören zu den erstaunlichsten und besterhaltenen Komplexen der antiken Welt. Doch nur einige von ihnen können besichtigt werden: die Calixtus-, Sebastian- und Domitilla-Katakomben an der Via Appia Antica sowie die Priscilla-Katakomben im Norden der Stadt – dort findet man übrigens die älteste Marien-Darstellung überhaupt. Doch falls Sie nicht extra in die engen unterirdischen Gänge hinabsteigen möchten, hier noch einige Tipps, die quasi auf dem Weg liegen.

Weltweit einmalig: McDonald’s mit 2400 Jahre alter Mauer!

Schnell einen Burger zur Stärkung zwischendurch? Selbst das kann in Rom zu einem archäologischen Erlebnis werden: Durch die McDonald’s-Filiale im Untergeschoss des Hauptbahnhofs Termini zieht sich ein antikes Bollwerk, 2400 Jahre alt: die Servianische Mauer. Sie besteht aus vulkanischem Tuffstein, war stellenweise bis zu zehn Meter hoch, ursprünglich elf Kilometer lang und diente als römische Verteidigungsbarriere. Stellen Sie sich vor: Diese starke, tapfere Mauer hat die Irrungen und Wirrungen von gut zweieinhalb Jahrtausenden überstanden. Und heute kann man an ihr – nun ja … Fast Food bestellen. Ein bisschen traurig ist das schon, aber die Ironie der Geschichte macht eben vor keiner Mauer halt, und sei sie noch so hoch. Darauf ein Happy Meal.

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Die Schwimmer sind nur aufgemalt, das Wasser fließt aber ganz real durch das Aquädukt im Kaufhaus La Rinascente.

Glühende Kreditkarte? Kein Problem: Löschwasser vorhanden!

Und noch schnell ein »unterirdischer« Tipp für alle Shopping-Queens und -Kings! An der Via del Tritone steht das Edelkaufhaus La Rinascente, das übrigens auch eine tolle Rooftop-Bar hat. Doch die eigentliche Sensation befindet sich im Untergeschoss: eine antike Wasserleitung, die Acqua Vergine. Sie stammt ursprünglich aus dem Jahr 19 v. Chr. und bringt noch immer frisches Wasser aus dem Umland Roms zum weltberühmten Trevi-Brunnen. Alle 15 Minuten gibt es am Aquädukt eine erklärende Lightshow, die Sie vom kleinen Café aus ganz gemütlich anschauen können.

Kirchen im Lasagne-Prinzip: immer schön eine Schicht auf die andere!

Schon beim Petersdom haben wir ja gesehen, dass es in Rom völlig normal ist, Gebäude auf den Resten anderer zu errichten. Wenn man Glück hat, sind alle Schichten noch intakt. In der Basilika San Clemente zum Beispiel, in der Nähe des Kolosseums, kann man eine spannende Zeitreise unternehmen: Es geht hinab durch verschiedenste Ebenen in ein christliches Wohnhaus aus dem 1. Jahrhundert, rund 20 Meter unterhalb des heutigen Straßenniveaus. Ähnlich beeindruckend ist der Untergrund der Kirche Santi Silvestro e Martino ai Monti: Riesenhafte Räume einer frühchristlichen Hauskirche sind hier mit erstaunlichen Fresken verziert. Und auch in Trastevere eröffnen sich unterhalb der Basilika San Crisogono unerwartete Welten mit uralten Wandmalereien, die von Ihnen entdeckt werden wollen.