»Wir sehen Dinge nicht, wie sie sind,
wir sehen sie, wie wir sind.«

Anaïs Nin

Ein großes chinesisches Unternehmen hatte einem US-Zulieferer eine Reihe von Lieferungen nicht gezahlt.1 Trotz zahlreicher juristischer Drohungen und Gesprächen auf der mittleren Führungsebene gaben die Chinesen nicht nach. Die höchste Führungsriege der Amerikaner reiste schließlich zu ihren chinesischen Pendants. Beraten von einem Verhandlungsexperten, drohten Sie nicht mit juristischen Konsequenzen, sondern sagten: »Dadurch, dass Sie unsere Rechnungen nicht gezahlt haben, wurden wir entehrt. Vor unseren Kollegen, vor unseren Mitarbeitern und vor unserer Familie.« Die Chinesen zahlten nach drei Wochen.

Ein Rahmen ist der subjektive Bereich, mit dem Menschen ihre Situation bewerten und Entscheidungen treffen.2 Es ist sehr schwierig, einen Menschen in einer Verhandlung von etwas zu überzeugen, was seinen Ansichten zuwiderläuft. Viel leichter ist es, seine Sichtweise zu ändern. Wenn Ihr Sohn eine Playstation haben will, dann kann er versuchen, Sie mit Argumenten zu überzeugen, die in seiner Welt wichtig sind: Spaß haben oder besser werden als die Freunde. Die Wirkung bei Ihnen? Fast null. Anders wäre es, wenn er zu Ihnen käme und etwas sagte wie: »Ich möchte gerne lernen, schnell und eigenständig Entscheidungen unter Stress zu fällen, deren Konsequenzen ich selbst ausbaden muss.«3 »Ein komischer Kauz«, würden Sie vielleicht denken, aber die Argumente hätten Gewicht.

Mit zwei Menschen treffen sich auch zwei Rahmen.4 Platons Höhlengleichnis stellt es gut dar: Menschen, die ihr ganzes Leben lang in einer Höhle gelebt haben und nur Schatten unserer Welt sehen, halten die Schatten für die Realität. Verließen sie die Höhle, hielten sie den Baum für weniger real als den Schatten, den er wirft.

Wollen Sie nun einen solchen Höhlenmenschen von etwas überzeugen, müssen Sie in seinem Rahmen bleiben. Statt eines Baumes würden Sie ihm den Schatten verkaufen. Sie würden einen Baum suchen, bei dem die Lichtverhältnisse derart sind, dass möglichst lange am Tag Schatten fällt. Sie würden eine Stelle suchen, die einen guten Platz bietet, den Schatten zu beobachten. Wenn Sie einen Rahmen finden, der mit der Sichtweise Ihres Gegenübers übereinstimmt, dann ist die Chance hoch, dass er Ihnen folgt. Nicht entehrt zu werden etwa, ist für chinesische Manager ein Gedanke, der ihrem Wertesystem völlig vertraut ist. Ihr Gegenüber trifft seine Entscheidungen noch immer selbst. Sie aber haben die Eckpunkte dazu definiert.

Wenn Sie für sich und Ihre Kollegin gerne einen Assistenten hätten, dann sollten Sie Ihre Argumentation den Wünschen und Vorstellungen Ihres Arbeitgebers anpassen: Wenn er sich zum Ziel gemacht hat, die intelligentesten Köpfe der Branche anzuziehen, dann könnten Sie damit argumentieren, dass die besten sich eher für Arbeitgeber entscheiden, wenn sie sich voll und ganz auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, ohne sich um die Administration zu kümmern. Wenn aber das aktuelle Ziel Sparen lautet, können Sie so argumentieren, dass mit einem Assistenten hochbezahlte Spezialisten ihre teure Arbeitszeit nicht mehr mit banalen Büroarbeiten verschwenden müssten. Stellen Sie sich vor, Sie sind Abteilungsleiter und bekommen die Order, 10 Prozent des Personals zu kürzen.5 Sie könnten zu Ihrer Vorgesetzten gehen und darüber klagen, dass die Arbeit dann nicht mehr zu bewältigen wäre. Das ist aber genau das, was die letzten zwanzig Besucher in ihrem Büro ihr bereits gesagt haben und daher kaum wirksam. Wenn Effizienz das Ziel ist, sollten Sie Ihre gesamten Argumente entsprechend strukturieren: Indem Ihre Abteilung bleibt, könnte man die Arbeit anderer Bereiche effektiv übernehmen und so noch effizienter werden – das Ziel würde noch besser erreicht.

Der richtige Rahmen kann deckungsgleich sein mit den objektiven Kriterien Ihres Gegenübers, die vorher beschrieben wurden. Der Unterschied ist aber, dass man sich beim Rahmen nicht auf einen Punkt festlegt, und ihn dem anderen unter die Nase reibt, sondern, dass man sein ganzes Verhalten den gesammelten Kriterien des anderen, nämlich seinem Rahmen, anpasst. Eine der Stärken, die Rupert Murdoch zu einem Medien-Tycoon gemacht hat, ist, seine Angebote immer genau dem Rahmen der Wünsche und Bedürfnisse seiner Verhandlungspartner anzupassen.6

Tatsächlich hat der US-Psychologe Robert Cialdini dem Phänomen ein ganzes, sehr empfehlenswertes Buch gewidmet, das er Pre-Suasion betitelte. Ein Wortspiel aus dem englischen Begriff für Überzeugung »Persuasion«, was auf die Überzeugung vorher – also »Pre« – anspielt: dem Framing.

Es gibt unzählige Frames: Fairness, wie bereits besprochen, ist ein starker Frame. Ein anderer guter Frame ist Wert. Statt sich in Preisverhandlungen zu verlieren, sollten Sie den Frame auf den Wert der Sache legen. Nicht: »Heute haben wir ein super Angebot für Sie«, sondern: »Heute geht es darum, wie unser CRM dafür sorgt, dass Ihr Unternehmen 20 Prozent profitabler ist.«. Oder Sie framen es als Verlust, was sogar noch stärker ist: »Heute geht es darum, wie Sie mit unserem CRM vermeiden, jeden Monat 20 Prozent Ihres Umsatzes zu verschenken.«

Was aber, wenn Ihr Gegenüber Sie drängt: »Ja oder nein?« Tatsächlich gibt es nie nur A oder B, es gibt immer noch ein C. Einen neuen Rahmen zu setzen ist, als ob Sie ein altes Bild neu einrahmen.

Wenn jemand empört aufschreit: »Vertrauen Sie mir etwa nicht?!«, sind Sie nicht gezwungen zuzugeben, kein Vertrauen zum anderen zu haben oder nachzugeben. Ändern Sie den Rahmen: »Es geht hier um Zeitersparnis, damit es später keine Missverständnisse gibt. Das ist doch sicherlich auch in Ihrem Interesse, oder nicht?«

Wenn Sie im Laden ein unliebsames Geschenk umtauschen wollen, dann ist der Rahmen für den Verkäufer vielleicht »lästiger Kunde«. Sie könnten den Rahmen aber dahingehend verschieben, dass Sie »Stammkunde, der ein kleines Problem hat« für ihn werden. Aus der anderen Perspektive: Kunden, die erwarten, dass Sie sehr viel Arbeit kostenlos für sie machen, sehen dies im Rahmen »Kundenservice«. Sie können diese Wahrnehmung ändern: »Sie erwarten also, dass meine Mitarbeiter zwölf Stunden kostenlos für Sie arbeiten?« Der Rahmen ist nun also Fairness – ein Wert, dem, wie wir wissen, kaum einer widerspricht und den Sie auch bei Kindern dem Rahmen »übliches Elternschimpfen« vorziehen sollten: »Fändest du es gut, wenn Mama und ich dir was versprechen würden und es dann nicht halten?«7

Wenn Ihr Angebot den persönlichen Interessen Ihres Gegenübers zuwiderläuft, dann verlassen Sie den »egoistischen« und finden einen »hehren« Rahmen.8 »Wir wollen beide, dass das Unternehmen auch in zehn Jahren noch gut dasteht und sogar noch mehr Menschen beschäftigt.«

Ein falscher Rahmen kann die Problemlösung fast unmöglich machen. Politische Konflikte, die gerahmt sind als »religiös« oder »ethnisch«, sind häufig sehr schwierig zu lösen. Eine der Hauptaufgaben eines guten Unterhändlers in solchen verfahrenen Angelegenheiten besteht deshalb darin, einen neuen Rahmen für die Situation zu finden, etwa als »Kampf um die nationale Einheit« oder »Aktion gegen den Zerfall des Landes«.

Metaphern, Analogien oder Beispiele helfen dabei, eine Situation völlig neu zu rahmen. Wenn etwa Aktivisten einer Gemeinde eine lokale Bank mit Demonstrationen und Kundgebungen dazu bringen wollen, ihre Kreditbedingungen für Eigenheime aufzuweichen, dann kann der Bankdirektor das Problem in der Öffentlichkeit nun in verschiedene Rahmen setzen, die alle verschiedene Konsequenzen hätten9: Er könnte die Demonstrationen als »Erpressung« bezeichnen. Nicht nachzugeben, wäre dann die Implikation. Würde er es als »geschäftliches Problem« einrahmen, wäre die Konsequenz etwa, öffentlichkeitswirksame Kreditförderungsprogramme zu starten. Der gesetzte Rahmen entscheidet über die öffentliche Meinung, den Verhandlungsstil und schlussendlich auch über das Verhandlungsergebnis.

Wenn Menschen wählen müssen zwischen einer »Operation mit einer Überlebensrate von 90 Prozent« und einer mit einer »Sterberate von 10 Prozent« wählen deutlich mehr die erste Option.10 Menschen entscheiden sich eher für die positiv gerahmte Möglichkeit – auch wenn die Situation die gleiche ist. Tatsächlich tun wir sehr viel dafür, scheinbare Verluste zu vermeiden.11

Bewegen Sie sich weg von dem Rahmen »Tod« hin zu dem Rahmen »Chance«. Politische Bewegungen wissen, dass man sich eher für sie entscheidet, wenn sie einen positiven Rahmen verwenden.12 Die US-amerikanische Bewegung gegen Abtreibung heißt nicht etwa

»Against Abortion«, sie heißt »Pro Life«. Ihr Pendant für eine liberalere Abtreibungspolitik wiederum nennt sich nicht »Against Life«, sondern »Pro Choice«.

Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton sagte einmal: »Wenn man mit anderen Nationen verhandelt, sollte man nicht nur deren Interessen, sondern auch deren Alpträume kennen.« Zeigen Sie Ihrem Verhandlungspartner also den Rahmen auf für das, was er gewinnen wird, wenn er mit Ihnen zusammenarbeitet. Und vor allem: Geben Sie ihm auch den Rahmen für das, was er verlöre, wenn der Deal nicht besiegelt würde.13

Es ist wie bei einer Kissenschlacht: Die Angst ist stärker als der Schlag – fast sind wir froh, ihn endlich zu spüren, weil wir dann keine Angst mehr haben müssen. Menschen sind die Konsequenzen lieber als die Angst vor ihnen. Das kann zu exremen Blüten führen: Innerhalb der Gay-Community gibt es Menschen, die sich absichtlich mit HIV infizieren lassen, damit sie keine Angst mehr vor der Ansteckung haben müssen (Pozzen).14

Ohne zu drohen malen Sie Ihrem Verhandlungspartner seine möglichen Verluste in den grellsten Farben aus: »Wenn wir uns nicht einigen über den Zimmerpreis, dann steht das Zimmer über Nacht leer, da ja keiner mehr kommt, jetzt nach 22 Uhr. Und schon in ein paar Stunden ist es nicht einmal so viel wert, wie eine Kiste Bananen, die eine Nacht zu lange im Obstladen lagen und etwas schwarz geworden sind, sondern genau null Euro.« Unangenehmes, das wir uns vorstellen können, ist viel furchterregender als Schwammiges. Der Führerscheinentzug ist eines der stärksten Abschreckungsmittel des Strafrechts.15 Abhängig von anderen sein, bei der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln dreimal umsteigen zu müssen, das hämische Grinsen der Kollegen – das können wir uns nur allzu gut vorstellen.

Seien Sie sich im Klaren darüber, dass jeder Mensch seine Entscheidung innerhalb seines Rahmens trifft. Kinder etwa leben in der Gegenwart, Erwachsene denken bei ihren Entscheidungen eher an die Zukunft. Das ist der wichtigste Unterschied und führt zu völlig unterschiedlichen Rahmen. Wenn Ihre Tochter ihr Zimmer nicht aufräumen will, können Sie ihr erklären, wie wichtig Ordnung ist.16 In ihrer Welt ist Ordnung aber ziemlich egal und höchstens langweilig. Was geht in Ihrer Tochter vor? Sie liebt Ponys, fein anziehen und träumt davon, eine Prinzessin zu sein? Gehen Sie in ihr Zimmer und fragen Sie sie: »Nanu, sieht denn das hier aus wie das Zimmer einer Prinzessin?« Den Rahmen Ihres Gegenübers zu verstehen und zu nutzen, ist ein Schlüssel zur effektiven Verhandlung.

ANKERN

  • Setzen Sie einen extremen Anker.

  • Ziele sind die Messlatte Ihres Erfolgs.

  • Setzen Sie konkrete und optimistische Ziele.

  • Nutzen Sie die goldene Mitte zu Ihren Gunsten.

  • Reagieren Sie auf das Angebot Ihres Gegenübers mit Flinch und Crunch.

FAIRNESS

  • Menschen handeln irrational, wenn ihr Gefühl von Fairness verletzt ist.

  • Nutzen Sie »objektive« Kriterien Ihrer Wahl.

  • Seien Sie sich der Macht des geschriebenen Wortes bewusst.

  • Benutzen Sie die Kriterien Ihres Gegenübers.

STRATEGISCHES ENTGEGENKOMMEN

  • Erhöhen Sie den Wert für jedes Entgegenkommen Ihrerseits.

  • Machen Sie »Wenn …, dann …« zu Ihrer Gewohnheit.

  • Beschweren Sie sich niemals nur, sondern verlangen Sie stattdessen etwas.

  • Nutzen Sie »Guter Bulle – böser Bulle« zu Ihren Gunsten.

  • Neutralisieren Sie Versuche, das Prinzip der Gegenseitigkeit bei Ihnen anzuwenden.

FRAMING

  • Setzen Sie den Rahmen nach Ihren Interessen.

  • Verändern Sie den Rahmen.

  • Nutzen Sie positive Rahmen und grenzen Sie sich von Ängsten ab.