»Drohungen sind das letzte Mittel eines Mannes,
der keinen Wortschatz hat.«
Tamora Pierce
Plumpe Drohungen sind eine Technik von Amateuren, versierte Verhandler hüten sich davor. Mit ihnen schneidet man regelmäßig schlechter ab.1 Drohungen sind nichts anderes als Versprechen, jemandem zu schaden.2 Der Effekt: Die Beziehung zum Gegenüber wird zerstört und Rachegelüste bestimmen den Rest der Verhandlung. Sie führen dazu, dass die andere Seite näher zusammenrückt – ob es Kollegen oder auch nur Geschäftspartner sind: Gegen eine Bedrohung verbündet man sich. Außerdem ändern Sie so den Einsatz. Es geht nun weniger um Fakten als um Egos, und Menschen tun die irrationalsten Dinge, um ihr Gesicht zu wahren.
Bei einer Drohung sagen Sie etwas wie: »Wenn Sie mir nicht sofort meinen Tisch geben, werde ich hier nie wieder essen.« Der Wirt sieht rot und wirft Sie raus. Eine weniger konfrontative Methode ist eine Warnung: »Wenn wir jetzt keinen Tisch bekommen, werden es mir meine Gäste sehr übelnehmen und ich stehe dumm da.«3 Statt »wehe …, wenn …« sagen Sie also das Bewährte »wenn …, dann …«. Sie zeigen dem anderen die Konsequenzen seines Handelns – sachlich und objektiv. Es geht dabei nicht darum, den anderen zu bestrafen, sondern darum, Ihre Interessen durchzusetzen. Damit bleibt es bei einem Kampf um Interessen, statt bei einem um Egos.4
Wenn die Situation aber nach einer Drohung verlangt, dann gibt es einige Taktiken, die Drohung effektiv zu machen. Wirksamer ist Ihre Drohung etwa, wenn es scheint, dass Sie äußeren Zwängen unterworfen sind. Donald Trump verhandelte in den späten Siebzigerjahren mit Walter Hoving, dem damaligen Eigentümer von Tiffany & Co.5 Trump wollte seinen Trump Tower neben Tiffany in der Fifth Avenue errichten und benötigte dafür die Luftrechte von Hoving. Er ließ einen Architekten zwei Modelle des Trump Towers bauen: Das eine war das, was Trump tatsächlich bauen wollte, das andere war entsetzlich hässlich, mit winzigen Fenstern und einem Drahtzaun. Dies, so erzählt er Hoving, müsse er bauen, falls er die Luftrechte nicht erhielte – und er bekam sie.
Wenn eine Drohung von Gegebenheiten außerhalb Ihres Einflussbereiches abhängt, klingen sie weniger aggressiv.6 Statt: »Wenn Sie mir nicht entgegenkommen, werde ich unsere Zusammenarbeit beenden«, sagen Sie: »Ich verstehe Ihre Lage. Das Problem ist, dass ich nicht mehr zahlen kann. Bitte kommen Sie mir entgegen, damit wir weiterhin zusammenarbeiten können.«7 Oder: »Sie wissen, wie gerne ich mit Ihnen zusammenarbeite. Aber Ihr Mitbewerber gibt uns einfach den viel besseren Deal. Dabei würde ich sehr gerne bei Ihnen bleiben. Was können wir denn tun?« Oder Sie wollen mehr Gehalt, gehen zu Ihrer Chefin und sagen etwas wie: »Meine Miete ist gestiegen, ich habe jetzt zwei Kinder und muss eine Familie versorgen. Ich würde hier sehr gerne weiterarbeiten und mir keinen anderen Job suchen müssen, bei dem ich mehr verdiene. Was können wir tun?« Aus einer Drohung machen Sie ein kooperatives Gespräch.8 Wird Sie Ihr Gegenüber dafür umarmen? Nein, es ist noch immer eine Art Drohung. Aber sie ist so formuliert, dass die negativen Emotionen der Drohung ausgeklammert sind.
Sollte der andere auf Ihre Drohung nicht eingehen, müssen Sie die angedrohten Konsequenzen auch wahrmachen. Die Rolling Stones können sich als Altrocker die fünfte letzte Tour erlauben, wenn Sie aber nach dem allerletzten noch ein allerallerletztes Angebot machen, haben Sie schnell den Ruf eines zahnlosen Tigers und werden auch selbst Ihre nächste Drohung nicht mehr glauben. Wenn Sie mit Klage gedroht haben, dann klagen Sie. Damit bauen Sie Ihre Glaubwürdigkeit auf und schaffen sich zudem eine Organisationsstruktur, die bei allen Verhandlungen hinter Ihnen stehen wird. Wenn Sie noch nie gegen jemanden geklagt haben, und keine Ahnung haben, zu welchem Anwalt Sie gehen sollten und wie überhaupt vorzugehen ist, dann sind Sie in einer schlechteren Position, als wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung und einen Anwalt in der Hinterhand haben, dem Sie vertrauen. Jetzt glauben Sie selbst an Ihre Worte und sind jederzeit bereit, sie umzusetzen.
Eine weitere Technik, die Drohung wirkungsvoller zu gestalten, ist, sie vage zu formulieren. Was würde Ihnen mehr Angst machen?
»Wenn du nicht abhaust, breche ich deinen rechten Arm.«
Oder: »Ich vergesse niemals ein Gesicht und ich lasse niemals eine Rechnung offen.«
Was passieren könnte, ist fast immer schlimmer als das, was wirklich passieren würde.9 Ihr Gegenüber weiß am besten, was ihm schadet. In seiner Vorstellungskraft sieht er die Dinge, die für ihn am schlimmsten sind. Die bloße Frage: »Was würden Sie tun, wenn Sie an meiner Stelle wären?«, kann schon genügen. Jetzt arbeitet die Fantasie Ihres Gegenübers auf Hochtouren und Sie müssen gar nicht drohen. Wenn Ihr Mitarbeiter ständig zu spät kommt, fragen Sie ihn: »Was würden Sie an meiner Stelle tun, wenn Sie wieder zu spät sind?«10 Stellen Sie sich vor, Sie reden mit einem Makler, der Ihr Traumhaus einfach einem anderen Kunden verkaufen will, obwohl das Haus für Sie reserviert war und Sie in monatelanger Arbeit eine Finanzierung aufgestellt haben: »Was denken Sie denn, was ich tun werde?« – »Sie werden mich bestimmt verklagen wegen Verletzung von Pflichten aus vorvertraglichem Schuldverhältnis.« – »Und was noch?« – »Sie werden mit der Geschäftsleitung sprechen.« – »Denken Sie, das wäre alles?« – »Wie ich Sie einschätze, werden Sie an die Presse gehen.«11
Wenn Sie als Betriebsrat mit dem Arbeitgeber verhandeln, der rot sieht und damit droht, das ganze Werk dichtzumachen, könnten Sie etwas sagen wie: »Das können Sie niemals durchsetzen!«12 Was geschieht nun? Er explodiert und will Ihnen zeigen, wer die Macht hat. Machen Sie sich klar, dass eine Drohung gerade kein Zeichen von Stärke ist, sondern dass sie vielmehr Schwäche, Unreife und mangelndes Selbstvertrauen widerspiegelt.13
Die beste Reaktion ist, so zu tun, als ob Sie die Drohung nicht gehört hätten und das Thema zu wechseln.14 Warum? Eine Drohung ist fast immer eine emotionale Reaktion Ihres Gegenübers, die ihm wenig später schon leidtut. Nicht darauf einzusteigen, verhindert, dass sich die Gefühle aufschaukeln. Sie geben dem anderen so auch eine gute Möglichkeit, sein Gesicht zu wahren und die Drohung einfach zu vergessen. Anders wäre es, wenn Sie etwa so reagierten: »Was, Sie drohen mir?!?!« Und schon wäre es Ihrem Verhandlungspartner fast unmöglich, einen Rückzieher zu machen.
Wenn Ihr Gegenüber seine Drohung allerdings wiederholt, dann meint er es ernst. Reagieren Sie dennoch nicht, wie Ihr Gegenüber es vielleicht beabsichtigt. Machen Sie sich bewusst, dass eine Verhandlung ein Spiel ist! Statt aggressiv zu reagieren, stellen Sie sich dumm: »Wie genau meinen Sie das? Ich bin manchmal etwas schwer von Begriff.« Jetzt muss Ihr Gegenüber seine Drohung erneut wiederholen. Wieder geben Sie vor, nicht verstanden zu haben. Die Drohung verliert nun Ihre Bedrohlichkeit und wirkt fast schon lachhaft, wenn der andere sie zum dritten Mal wiederholt. Bankräuber, die nach der Drohung vom Schalterangestellten nur etwas wie: »Leider habe ich jetzt Mittagspause, gehen Sie bitte an den nächsten Schalter«, zu hören bekamen, haben sich sehr schnell lächerlich gefühlt und sind unverrichteter Dinge abgezogen.15
Eine weitere Möglichkeit, die Drohung zu neutralisieren, ist, sie umzudeuten. Wenn Ihr Gegenüber etwa sagt: »Entweder Sie gehen auf unter drei Euro pro Flasche, oder wir lassen es«, ändern Sie den Rahmen. Statt einer Drohung sehen Sie ein Ziel, das Sie gemeinsam erreichen wollen: »Ja, wir werden alles versuchen, damit wir den Preis so niedrig wie möglich veranschlagen.« Oder wenn er Ihnen eine Frist stellt, erwidern Sie: »Ja, wir möchten es alle so schnell wie möglich hinter uns bringen.«16
Sollte Ihr Gegenüber bei seiner Forderung bleiben, machen Sie darauf aufmerksam, dass Sie leider keine Autorität haben, der Forderung nachzugeben, so wie Sie es bereits aus dem Kapitel »Die Macht« kennen: »Ich würde Ihnen gerne das Doppelte zahlen, aber ich darf leider nicht. Da müssen Sie mit denen da oben verhandeln.«
Die häufigste Drohung bei Verhandlungen ist eine indirekte, nämlich aufzustehen und zu gehen. Damit sagen Sie nichts anderes, als dass der Deal nicht zustande kommt, falls Ihr Gegenüber nicht einlenkt. Im richtigen Moment kann der Walkout durchaus eine effektive Methode sein, einen schnellen Sieg zu erringen.17
Wenn Sie – wie Donald Trump oben – dem anderen zeigen, dass Sie bereit sind, die Verhandlung abzubrechen, stärkt das Ihre wahrgenommene Macht. Außerdem testen Sie damit die Macht des anderen: Zieht er Sie an den Tisch zurück oder ist er ebenfalls bereit, abzubrechen? Falls er Sie mit allen Mitteln zurück in die Verhandlung bekommen möchte, wissen Sie, dass Sie noch einiges herausschlagen können. Falls nein, ist hier möglicherweise das Ende der Fahnenstange erreicht, und er kann Ihnen tatsächlich nicht weiter entgegenkommen.
Seien Sie aber nicht aggressiv dabei. Lächeln Sie und sagen Sie dem anderen, dass Sie hier leider nicht weitermachen können, da es für Sie keinen Sinn ergibt. Wenn Sie höflich sind und dem anderen eine Tür offen lassen wie »Ich bin für Gespräche bereit, wenn Sie Ihre Meinung ändern sollten«, machen Sie es ihm nicht so schwer, Ihnen entgegenzukommen.
Allerdings setzen Sie damit alles auf eine Karte: Wenn Sie gehen und Ihnen niemand hinterherläuft, dann können Sie kaum wieder zurückkommen. Hier ist es hilfreich, wie bei einer Spielart von
»Guter Bulle – Böser Bulle« jemanden aus Ihrem Team im Raum zu lassen, der Sie in diesem Fall wieder mit großem Theater an den Tisch zerrt.
Verwenden Sie die Technik aber nur sparsam: Sie drohen ja auch nicht Ihrem Ehepartner bei jedem Streit mit Scheidung.18 Wir alle kennen Menschen, die ihre Beziehungen bei den kleinsten Unstimmigkeiten verlassen – ob es der Partner oder der Job ist. Sie kommen nicht weit, da sie immer wieder von vorn beginnen.19 Meistens verlassen Menschen eine Verhandlung aus irrationalen Gründen und merken erst viel später, dass es keine gute Idee war. Den Verhandlungstisch überhastet zu verlassen, ist kein Zeichen von Stärke, denn gehen kann jeder. Der Wharton-Professor Stuart Diamond beginnt Verhandlungen damit, dass sich alle Parteien einig sind, dass jeder im Raum ohne Weiteres aufstehen und gehen könnte. Dann fragt er: »Aber gibt es einen besseren Deal für jeden, den wir zusammen abschließen können?«20
Wenn Ihr Gegenüber ganz konkret mit dem Walkout droht, ändern Sie etwas, wechseln Sie zum Beispiel jemanden in Ihrem Team aus. Es kann ja durchaus sein, dass jemand aus Ihrem Team den »Bösen Bullen« gespielt hat und er wird daher nicht beleidigt sein, wenn er ausgetauscht wird. Bereits Macchiavelli hat dem Herrscher Borgia im 16. Jahrhundert geraten, einen bei den Bürgern unliebsamen Verwalter auf dem Marktplatz hinrichten zu lassen, um seine Position bei der Bevölkerung zu verbessern.21 Mit Änderungen kommen Sie Ihrem Gegenüber entgegen und bauen ihm eine goldene Brücke.22