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Tomaten

Von Sonne und Wärme verwöhnt und mit fast allen Geschmackskomponenten gesegnet, ist die Tomate Everybody’s Darling: Was wäre die italienische Küche ohne Caprese, Pizza und Sugo? Schon aufgrund der roten Farbe scheint der »Paradeiser«, wie die Tomate in Österreich genannt wird, sündhaft verlockend. Beim ersten Biss stellen wir dann oft fest: wässrig, fade – die Tomate kommt weder aus dem Paradies noch aus dem sonnigen Süden, sondern aus dem Treibhaus – eine echte Sünde!

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Das Geschmacksporträt

Bei wohl keinem anderen Gemüse zeigt sich der Zusammenhang zwischen äußeren Wachstumsbedingungen und Geschmack so eklatant wie bei Tomaten. Dazu muss man gar nicht Exemplare bemühen, die in Holland und inzwischen auch anderswo im Treibhaus vor sich hin vegetieren: unter künstlichem Licht, ohne mineralstoffreichen Boden, dafür mit Flüssignährstoffen auf Steinwolle gezogen, in antiseptischem Umfeld ohne natürliche Feinde.

AUCH DAS PFLÜCKEN unreifer Exemplare guter Herkunft ist eine Sünde im Paradies. Um volles Tomatenaroma zu erleben, sollte man sich gedulden, bis die Früchte hierzulande Saison haben – also von etwa Juli bis August –, und dann (Bio-)Freilandtomaten wählen. Das erhöht die Chance auf eine voll ausgereifte Tomate, die nicht frühzeitig geerntet wurde, um Transport oder​ Lagerzeit zu überstehen. Die gleichmäßige Röte, die viele an Tomaten schätzen, ist dabei kein Qualitätsmerkmal oder Zeichen für besondere Reife. Vielen Sorten wurde den Kunden zuliebe ein Gen herausgezüchtet, das zwar eine unregelmäßige Färbung rund um den Stiel verursacht, gleichzeitig aber für die Bildung vieler Aromastoffe verantwortlich ist. Farbliche Unregelmäßigkeiten, kleine Narben, Flecken und Ähnliches zeigen bei Tomaten vielmehr: it’s a natural beauty – hier ist Gemüse in Sonne, Wind und Wetter gereift und schmeckt auch so!

Je nach Sorte bieten Tomaten ein ausgeprägtes, komplexes Spektrum an unterschiedlichen Aromen, das von grasig-grün über zitrusartig und blumig bis zu holzig reichen kann. Ein im Idealfall ausbalanciertes Spiel an unterschiedlichen Geschmäckern von süß, sauer, viel Umami (durch den beachtlichen Glutaminsäuregehalt) und kaum Bitterkeit macht Tomaten zusammen mit ihren vielschichtigen Aromen zum vielseitigen Kombipartner für unterschiedlichste Lebensmittel – es gibt kaum etwas zu dem Tomate nicht passt – gegebenenfalls auch in Form von Ketchup. Oder wie wäre es einmal mit Himbeeren als Eis? Perfekt – wie unser Geschmacksexperiment zeigt, das mit Rosenwasser auch die blumigen Noten der Tomate zum Tragen bringt (siehe >). Wer die ganze geschmackliche Bandbreite der meist roten Früchtchen erleben möchte, probiert sich am besten einmal komplett durch unsere vier Rezepte (siehe >->).

REZEPT 1: VOLL KONZENTRIERT

Tomatengeschmack pur und hochkonzentriert: In selbst gekochtem Tomatenmark verdichten sich alle Aromen der Tomate zur vollen, runden und gesunden Geschmacksbombe (siehe >). Damit die komplett zündet, braucht es nur noch das richtige Quäntchen (Meer-)Salz.

REZEPT 2: SWEET AND SOUR

Mal nicht in Form von Caprese: Insalata tricolore, bei dem Süße und Säure der Tomate zusätzliche Unterstützung und Ausbalancierung durch Limette und die Süße von Kokosfleisch und -milch erhalten – die ist so mild, dass sie ruhig einen kleinen Schärfekick durch Chili vertragen kann.

REZEPT 3: CLASSIC GOES UMAMI

Lange zu vollem, rundem Aroma gekocht, hat Tomatensuppe an sich schon das Zeug zum Klassiker – kaum zu toppen. Wir versuchen es, indem wir den »geschmackigen« Umami-Faktor weiter erhöhen: durch eine ofengetrocknete Tomateneinlage, in der sich Umami verdichten kann und leichte Karamell- und Röstaromen dazubekommt. Diese röstig-nussige Note wird durch darübergestreute Erdnüsse noch unterstrichen. Die Sojasauce als zusätzliche Umami-Stütze braucht es eigentlich kaum – oder doch: Denn zusammen mit den Gewürzen kommen so auch einmal die dunklen, holzigen Noten der Tomate zum Tragen.

REZEPT 4: LEBENSLANG GRÜN-WEISS

Die geschmacklich fast sakrosankte Caprese-Dreifaltigkeit wird hier nochmals uminterpretiert: Tomate, Käse und Basilikum als Grundlage von dreifarbigem Risotto. Dabei gart nur der Reis lange: Die farbgebenden Tomaten sind zwar rot, erhalten aber, erst am Ende zugegeben, ihre grün-grasigen Noten und schmelzen fast im Risotto. Parmesan im Mantel für die gebackene grüne Tomate verstärkt den Umami-Geschmack, während Basilikum in altgewohnter Manier die blumig-floralen Noten der Tomaten hebt.