Direkt vor dem Fenster ist der ideale Ort, mit der Vogelbeobachtung zu beginnen. Das Artenspektrum ist hier begrenzt und viele der häufigen Gartenvögel sind schon bekannt. Durch genaueres Hinschauen lernt man, weitere Arten zu unterscheiden. Eine Futterstelle hilft, denn hier verweilen die Vögel gut sichtbar. Bei uns nur zur Brutzeit anwesende Zugvögel verraten sich dann eher über ihren Gesang.
Die meisten unserer Gartenvögel lassen sich an einem oder wenigen Merkmalen in Aussehen, Gesang oder Verhalten sofort erkennen. Jeder merkt sich solche Besonderheiten anders, beispielsweise über ein fotografisches Gedächtnis, über Eselsbrücken oder lautmalerische Sätze beim Gesang.
ZAHLEN & FAKTEN
• Etwa 250 verschiedene Vogelarten brüten in Deutschland.
• 70 Vogelarten kommen im Winter als Gäste.
• 35 Vogelarten sind nur auf dem Zug in Deutschland zu sehen.
Die kleine Blaumeise beispielsweise ist der einzige heimische Vogel mit blau-gelber Gefiederfärbung. Einzelne blau-schwarz gestreifte Federn trägt sonst nur der viel größere Eichelhäher. Die Kohlmeise dagegen ist gelb-schwarz gefärbt, mit einer weißen Wange im schwarzen Gesicht. Das Rotkehlchen ist eindeutig an der rostroten Kehle erkennbar. Ein anderer kleiner Vogel im Gestrüpp mit ähnlich kugeliger Gestalt sitzt mit hochgerecktem Schwanz: eindeutig ein Zaunkönig. Die Mönchsgrasmücke kommt als Zugvogel erst im Frühjahr ins Brutgebiet zurück und sitzt gerne in dichten Sträuchern, von wo man ihren charakteristischen Gesang hört. Bekommt man sie zu Gesicht, erklärt sich sofort der Name Mönchsgrasmücke, denn die grauen Männchen tragen eine schwarze Kappe, die Weibchen eine braune.
Sinnvoll kann es sein, sich die wohlbekannte Amsel mit ihrem pechschwarzen Federkleid als Größenvergleich einzuprägen. Später lassen sich Vögel dann in größer und kleiner als eine Amsel einteilen und merken.
Manchmal sind Vögel individuell erkennbar, zum Beispiel eine Amsel mit weißen Federpartien oder eine Kohlmeise mit einem besonders breiten Bruststreifen.
Für Anfänger empfiehlt sich, Vogelstimmen nicht am frühen Morgen im Mai lernen zu wollen. Jetzt finden die besten Vogelkonzerte statt, weil die Männchen zu Beginn der Brutzeit mit ihrem Gesang Weibchen anlocken wollen und ihre Reviere anzeigen. Dazu singen die Vögel vor allem rund um die Zeit des Sonnenaufgangs, wenn es zur Nahrungssuche noch zu dunkel ist. Für Ungeübte ist es allerdings schwierig, einzelne Arten aus diesem fantastischen Event der Natur herauszufiltern. Den Gesang oder Ruf einer Art lernt man am besten, wenn man den singenden Vogel sieht oder von einem erfahrenen Vogelbeobachter gezeigt bekommt.
Über Melodie und Strophen, manchmal auch in Kombination mit einem bestimmten Verhalten, kann man Vögel am Gesang bestimmen. Die Amsel singt ihr melodiöses Lied in flötenden Schnörkeln fast immer von einer erhöhten Warte, zum Beispiel einem Hausgiebel oder einer Baumspitze, sodass es weit hörbar ist. Auch Singdrosseln nutzen Warten, ihr Gesang besteht jedoch aus einzelnen Motiven, die jeweils zwei- bis dreimal hintereinander wiederholt werden. Der Hausrotschwanz singt ebenfalls von Hausgiebeln, ist jedoch kleiner als Amsel oder Singdrossel. Der Gesang besteht aus gequetschten und knirschenden Strophen, die wie aneinanderreibende Kieselsteine klingen. Der Zilpzalp ruft dagegen seinen Namen wie „zip-zap, zip-zap“.
In Bestimmungsbüchern wird der Gesang oft über Silben, als aufsteigend, abfallend oder über Stimmungen beschrieben. Merksätze wie „Bitte noch ein Weizenbiiiiier“ für den Gesang des Buchfinken kann sich jeder selber ausdenken oder abgucken. Der Gesang von Ringel- und Türkentaube ähnelt sich sehr, allerdings ruft die größere Ringeltaube mehr „huh“ (fünfteilige Strophe: „gu-guh-gu, guhgu“) als die kleinere Türkentaube (dreiteilige Strophe: „gu, guuh-gu“).
Einhergehend mit einer ganz bestimmten Lebensweise (Einnischung, Seite 10) zeigen manche Vogelarten besonderes Verhalten. Der relativ bunte Kleiber beispielsweise sucht Insekten und deren Larven vorwiegend an Baumstämmen und Ästen. Er ist der einzige unserer heimischen Gartenvögel, der am Stamm kopfunter klettert. Der Gartenbaumläufer sucht ebenfalls an der Rinde nach Nahrung. Er ist aber zum einen kleiner als der Kleiber, mit rindenfarbenem Gefieder, zum anderen hüpft er spiralförmig um einen Baumstamm aufwärts. Oben angekommen, fliegt der Baumläufer zum Stammfuß des Nachbarbaums und klettert wieder in Spiralen aufwärts. Haus- und Feldsperlinge sind sehr sozial und nie alleine unterwegs. Lautes Tschilpen aus einer dichten Hecke verrät den Trupp.
Auch wenn Vögel nicht zu sehen oder zu hören sind, lässt sich ihre Anwesenheit im Garten über Hinterlassenschaften feststellen. Eine Feder kann man einer Art vielleicht noch zuordnen, bei Kothäufchen wird das schon schwieriger. Dafür deuten Kleckse darauf hin, wo Vögel sich häufig aufhalten, einen Sitz- oder Schlafplatz haben. Dann lohnt sich der Blick nach oben, vielleicht ist der Vogel ja gerade da. Fußspuren in Schlamm oder Schnee können regelrecht Geschichten erzählen: Ist der Vogel mit beiden Beinen gehüpft oder mit rechtem und linkem Fuß abwechselnd gelaufen? Wo ist er gelandet oder abgeflogen? Fraßspuren, beispielsweise an Fallobst, erkennt man an kleinen Löchern, die beim Picken mit dem Schnabel im Fruchtfleisch zurückbleiben. Ein Vorrat an Sonnenblumenkernen in einer Rindentasche stammt wahrscheinlich von einem Kleiber, der sich an der Futterstelle bedient und Kerne für später weggetragen hat.
Aufmerksamen Beobachtenden fallen die Ankunft oder der Abflug von Zugvögeln wie Zilpzalp, Rauchschwalbe oder Mauersegler auf, ebenso Gäste am Futterhaus im Winter, zum Beispiel Erlenzeisige oder Bergfinken. Schöne Naturerlebnisse liefern Vogelkinder, die im Garten noch einige Tage von den Eltern gefüttert werden.