KAPITEL 4
MEIN WEG DER PRÜFUNGEN:
1983–1994
N ach meinem Absturz an der Börse war ich so richtig pleite. Ich konnte nicht einmal mehr genügend Geld für ein Flugticket aufbringen, um mich mit einem potenziellen Kunden in Texas zu treffen. Das Honorar, das ich bekommen hätte, wäre zwar viele Male so hoch gewesen wie die Kosten für den Flug, aber ich musste darauf verzichten. Trotzdem gewann ich langsam wieder Kunden, Umsätze und ein neues Team. Mit der Zeit wurden meine Aufschwünge ausgeprägter, und meine Abschwünge waren sowohl verkraftbar als auch lehrreich. Was ich tat, betrachtete ich nie als den Aufbau (oder Wiederaufbau) eines Unternehmens: Ich verschaffte mir nur die Dinge, die ich brauchte, um mein Spiel zu spielen.
Computer gehörten zu meinen teuersten Anschaffungen. Ich kaufte sie, weil sie mir beim Denken halfen. Ohne sie wäre Bridgewater nicht annähernd so erfolgreich geworden, wie es letztlich der Fall war.
Die ersten Mikrocomputer (die später als Personal Computer, also PCs bekannt werden sollten) waren in den späten 1970er-Jahren auf den Markt gekommen, und ich hatte sie genutzt, wie es Ökonometriker tun – ich wendete statistische Methoden und Rechenleistung auf ökonomische Daten an, um die Funktionsweise der Wirtschaftsmaschine zu analysieren. Wie ich in einem Artikel im Dezember 1981 schrieb, glaubte ich (und glaube es nach wie vor), dass »sich die Zukunft perfekt voraussagen ließe, wenn es einen Computer gäbe, der alle Fakten der Welt speichert und perfekt darauf programmiert ist, alle Beziehungen zwischen allen Bestandteilen der Welt mathematisch auszudrücken«.
Allerdings war ich weit davon entfernt, so etwas zu können. Meine frühen Systeme lieferten zwar wertvolle Erkenntnisse darüber, wo Preise letztlich ein Gleichgewicht erreichen würden. Aber sie halfen mir nicht dabei, robuste Handelsstrategien zu entwickeln – sie sagten lediglich voraus, dass sich eine bestimmte Wette am Ende auszahlen würde. Zum Beispiel konnte ich meine Analysen laufen lassen und zu der Ansicht gelangen, dass der Preis irgendeines Rohstoffs beispielsweise 75 Cent betragen sollte. Wenn er zu der Zeit bei 60 Cent lag, wusste ich, dass ich kaufen wollte, aber ich konnte nicht vorhersagen, ob der Preis nicht auf 50 Cent fällt, bevor er auf 75 Cent steigt, und ich wusste nicht, wann der richtige Zeitpunkt für Kauf und Verkauf sein würde. Selten, aber immer noch zu oft, lag das System total falsch, und ich verlor viel Geld.
»Wer nach der Kristallkugel lebt, ist dazu bestimmt, gemahlenes Glas zu essen«, lautet ein Sprichwort, dass ich in dieser Zeit häufig zitierte. Zwischen 1979 und 1982 hatte ich genügend Glas gegessen, um zu erkennen, dass das Wichtigste nicht war, die Zukunft zu kennen – am wichtigsten war, zu wissen, wie man angemessen auf die Informationen reagiert, die zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbar sind. Um das zu schaffen, brauchte ich eine riesige Sammlung an Wirtschafts- und Marktdaten zur Auswertung – und zufälligerweise hatte ich die.
Schon sehr früh hatte ich damit begonnen, immer wenn ich eine Position an den Märkten einging, die Kriterien aufzuschreiben, die ich für meine Entscheidung verwendet hatte. Wenn ich ein Geschäft dann abschloss, konnte ich darüber nachdenken, wie gut die Kriterien funktioniert hatten. Mir kam die Idee, dass ich überprüfen könnte, wie gut meine Regeln in der Vergangenheit funktioniert hätten, wenn ich sie als Formeln (was man heutzutage Algorithmen nennt) aufschreiben und historische Daten mit ihnen abgleichen würde. In der Praxis funktionierte das so: Ich begann wie immer mit meiner Intuition, aber ich drückte sie logisch in Form von Kriterien zur Entscheidungsfindung aus und hielt sie auf eine systematische Weise fest; dadurch entwickelte ich eine kognitive Karte darüber, was ich in jeder einzelnen Situation tun würde. Dann ließ ich historische Daten durch meine Systeme laufen, um zu sehen, wie meine Entscheidungen in der Vergangenheit funktioniert hätten. Je nach Ergebnis nahm ich anschließend entsprechende Modifikationen an den Entscheidungsregeln vor.
Wir testeten die Systeme so weit zurück in die Vergangenheit, wie wir konnten, meistens mehr als ein Jahrhundert, für jedes Land, über das wir Daten hatten. Das verschaffte mir einen hervorragenden Blick darauf, wie die Wirtschafts-/Marktmaschine im Zeitverlauf arbeitete und wie ich auf sie wetten konnte. Diese Beschäftigung war aufschlussreich und hat mich dazu gebracht, meine Kriterien so weiterzuentwickeln, dass sie zeitlos und universell wurden. Nachdem ich die Zusammenhänge überprüft hatte, konnte ich neu verfügbare Daten in Echtzeit in die Systeme einfließen lassen, und der Computer arbeitete wie mein eigenes Gehirn daran, sie zu verarbeiten und Entscheidungen zu treffen.
Das Ergebnis war das erste Bridgewater-System für Zinsen, Aktien, Währungen und Edelmetalle, das wir dann zu einem einheitlichen System für die Verwaltung unseres Portfolios aus mehreren Wetten zusammenfassten. Unser System war wie ein EKG für die Vitaldaten der Volkswirtschaft: Wenn sie sich veränderten, veränderten wir unsere Positionen. Statt jedoch blind den Empfehlungen des Computers zu folgen, ließ ich ihn parallel zu meinen eigenen Analysen laufen und verglich die beiden Ergebnisse. Wenn die Entscheidung des Computers von meiner abwich, untersuchte ich, warum. Meistens hatte ich etwas übersehen. In diesen Fällen lernte ich etwas vom Computer. Manchmal aber fielen mir neue Kriterien ein, die in meinem System bislang nicht berücksichtigt worden waren, also lernte der Computer auch von mir. Wir halfen einander. Es dauerte nicht lange, bis der Computer mit seiner massiven Rechenleistung effektiver war als ich. Das war großartig. Es war, als hätte mir ein Schach-Großmeister geholfen, meine Züge zu planen, nur dass der elektronische Spieler nach einem Satz von Kriterien agierte, die ich verstand und für logisch hielt. Darum gab es nie einen Grund für uns, fundamental unterschiedlicher Meinung zu sein.
Der Computer funktionierte viel besser als mein Gehirn, wenn es darum ging, über mehrere Dinge gleichzeitig »nachzudenken«, und er konnte das präziser, schneller und emotionsloser. Aufgrund seiner großen Speicherkapazität konnte er besser mein Wissen und das meiner Partner und Mitarbeiter sammeln, das infolge des zunehmenden Wachstums von Bridgewater ebenfalls wuchs. Statt über unsere Schlussfolgerungen zu streiten, stritten wir über unterschiedliche Kriterien zur Entscheidungsfindung. Wir beendeten unsere Diskussionen, indem wir die Kriterien objektiv testeten. Die rasant zunehmende Leistung von Computern in dieser Zeit war für uns wie ein stetiger Strom von Himmelsgeschenken. Ich weiß noch, wie RadioShack einen preisgünstigen Handheld-Schachcomputer herausbrachte. Wir schickten jedem unserer Kunden einen davon mit der Botschaft: »Ein systematisierter Ansatz von Bridgewater«. Dieser kleine Schachcomputer konnte mich schon auf Stufe 2 von 9 vernichtend schlagen. Es hat Spaß gemacht, ihn gegen jeden meiner Kunden antreten zu lassen, damit sie sehen konnten, wie schwierig es ist, besser zu sein als computerisiertes Entscheiden.
Natürlich hatten wir immer die Freiheit, das System zu überstimmen, was wir in weniger als 2 Prozent der Fälle taten – meistens, um bei außergewöhnlichen Ereignissen, die nicht einprogrammiert waren, Geld vom Tisch zu nehmen, etwa beim Angriff auf das World Trade Center am 11. September 2001. Der Computer war zwar in vielerlei Hinsicht viel besser als unsere Gehirne, aber er verfügte nicht über die Fantasie, das Verständnis und die Logik, die wir besaßen. Aus diesem Grund war die Zusammenarbeit zwischen unseren Gehirnen und dem Computer eine so hervorragende Partnerschaft.
Diese Systeme zur Entscheidungsfindung waren viel besser als die Prognosesysteme, die ich zuvor benutzt hatte, hauptsächlich weil sie unsere laufenden Reaktionen auf Entwicklungen berücksichtigten, sodass wir mit einer größeren Bandbreite an Möglichkeiten umgehen konnten. Zugleich konnten sie Timing-Regeln mit aufnehmen. Unter der Überschrift »Geld verdienen vs. Prognosen erstellen« erklärte ich im Januar 1987 in einem Newsletter:
Um die Wahrheit zu sagen: Prognosen haben keinen sehr hohen Wert, und die meisten Leute, die sie erstellen, verdienen an den Märkten kein Geld. Der Grund dafür ist, dass nichts sicher ist, und wenn man die Wahrscheinlichkeiten all der unterschiedlichen Dinge, die Einfluss auf die Zukunft haben, übereinanderlegt, um zu einer Prognose zu gelangen, bekommt man eine große Bandbreite an Möglichkeiten mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten. Wir glauben, dass Marktbewegungen wirtschaftliche Bewegungen widerspiegeln. Wirtschaftliche Bewegungen zeigen sich in wirtschaftlichen Statistiken. Indem wir die Beziehungen zwischen wirtschaftlichen Statistiken und Marktbewegungen untersucht haben, haben wir präzise Regeln für das Identifizieren von bedeutenden Verschiebungen im Wirtschafts-/Marktumfeld und in Folge davon bei unseren Positionen entwickelt. Mit anderen Worten: Statt Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld zu prognostizieren und unsere Positionen vorausschauend anzupassen, registrieren wir diese Veränderungen, während sie eintreten, und verlagern unser Geld, um in den Märkten zu bleiben, die sich in diesem Umfeld am besten entwickeln.
In den vergangenen drei Jahrzehnten, in denen wir diese Systeme aufgebaut haben, haben wir viele zusätzliche Arten von Regeln aufgenommen, die jeden Aspekt unseres Börsenhandels steuern. Heutzutage gehen unsere Computer Echtzeitdaten aus mehr als 100 Millionen Datensammlungen durch, sobald sie vorliegen, und erteilen anderen Computern detaillierte Instruktionen, wie es mir logisch sinnvoll erscheint. Wenn ich diese Systeme nicht hätte, wäre ich wahrscheinlich pleite oder durch den Stress, es mit aller Kraft selbst zu versuchen, schon längst tot. Wir hätten an den Märkten mit Sicherheit nicht so gut abgeschnitten, wie es der Fall war. Wie Sie später sehen werden, entwickle ich jetzt ähnliche Systeme, die uns bei Managemententscheidungen unterstützen sollen. Wenn man die eigenen Entscheidungen verbessern möchte, ist es meiner Ansicht nach mit am wertvollsten, die Prinzipien für die Entscheidungsfindung zu durchdenken, sie sowohl in Worten als auch in Computer-Algorithmen festzuhalten, sie wenn möglich mit historischen Daten zu testen und dann in Echtzeit parallel zur Entscheidungsfindung im eigenen Gehirn einzusetzen.
Aber ich greife vor. Lassen Sie uns zurückblicken auf das Jahr 1983.
DIE WIEDERAUFERSTEHUNG VON BRIDGEWATER
Ende 1983 hatte Bridgewater wieder sechs Mitarbeiter. Bis dahin hatte ich keinerlei Marketing betrieben. Unsere Aufträge kamen durch Mundpropaganda zustande und von Leuten, die meine täglichen Telexe gelesen oder mich bei öffentlichen Auftritten gesehen hatten. Aber eindeutig gab es eine steigende Nachfrage nach unseren Analysen, und ich erkannte, dass wir sie als Ergänzung zu unseren Einnahmen aus Beratung und Handel verkaufen konnten. Also stellte ich einen siebten Mitarbeiter ein, einen früheren Haustürverkäufer von Bibeln namens Rob Fried. Mit einem Projektor und einem riesigen Stapel Folien machten wir uns auf den Weg, um ein monatliches Analysepaket mit meinen täglichen Telexen, wöchentlichen Telefonkonferenzen, zweiwöchentlichen und quartalsweisen Research-Berichten und quartalsweisen Meetings für 3000 Dollar anzubieten. Im Lauf des nächsten Jahres brachte Rob eine Reihe von Unternehmen und institutionellen Anlegern als Kunden ins Haus, darunter General Electric, Keystone Custodian Funds, die Weltbank, Brandywine, Loomis Sayles, Provident Capital Management, Singer Company, Loews Corporation, GTE Corporation und Wellington Management.
Zu diesem Zeitpunkt bestand unser Geschäft aus drei Hauptbereichen: Beratung auf Honorarbasis, Risikomanagement für Unternehmen gegen erfolgsabhängige Bezahlung und Verkauf des Analysepakets. Wir arbeiteten mit verschiedensten Unternehmens-, Finanz- und staatlichen Kunden zusammen, die Positionen am Markt hatten: Banken, breit gefächerte internationale Unternehmen, Lebensmittelproduzenten, öffentliche Versorgungsunternehmen und mehr. Zum Beispiel entwickelten wir einen Plan, der einem multinationalen Unternehmen helfen sollte, mit den Währungsrisiken umzugehen, die sich durch seine Aktivitäten in verschiedenen Ländern ergaben.
Mein Ansatz war, so weit in ein Unternehmen einzutauchen, bis ich das Gefühl hatte, Strategien zu liefern, die ich selbst einsetzen würde, würde ich das Unternehmen leiten. Ich zerlegte jedes Unternehmen in einzelne logische Einheiten und entwickelte dann einen Plan für deren Steuerung mithilfe einer Vielzahl von Finanzwerkzeugen, vor allem Derivaten. Die wichtigsten Komponenten, die es zu unterscheiden galt, waren die Gewinne aus dem Kerngeschäft und spekulative Gewinne und Verluste aufgrund von Preisveränderungen. Der Hintergrund dafür war, dass wir den Kunden zeigen wollten, wie eine »risikoneutrale« Position aussehen würde, also die korrekt abgesicherte Position, die man einnehmen würde, wenn man keine Meinung zu den Märkten hat. Ich riet den Kunden, von dieser Position nur dann abzuweichen, wenn sie spekulieren wollten, was sie nur maßvoll und in vollem Bewusstsein über die Auswirkungen tun sollten, die das auf ihr Kerngeschäft haben könnte. Dieser Ansatz war für die meisten Unternehmen, mit denen wir arbeiteten, eine Offenbarung. Er gab ihnen Klarheit und Kontrolle und lieferte bessere Ergebnisse. Manchmal wollten sie, dass wir für sie spekulieren, was wir gegen eine Gewinnbeteiligung auch taten.
Dieser Ansatz, eine »risikoneutralen« Referenzposition festzulegen und mit maßvollen Wetten davon abzuweichen, wurde zur Grundlage des Anlagemanagementstils, den wir später als »Alpha-Overlay« bezeichneten. Passive (»Beta«) und aktive (»Alpha«) Positionen werden darin getrennt betrachtet. Die Gesamtrendite eines Marktes (wie des Aktienmarktes) wird als Beta bezeichnet; Alpha wiederum ist die Rendite, die sich aus Wetten gegen andere Marktteilnehmer ergibt. So schneiden manche Leute besser ab als der gesamte Aktienmarkt und andere schlechter – man spricht dann von positivem oder negativem Alpha. Mit dem Alpha-Overlay boten wir eine Möglichkeit, Wetten unabhängig von der Entwicklung des Gesamtmarktes einzugehen. Durch diese Herangehensweise an den Markt habe ich gelernt: Einer der Schlüssel dafür, ein erfolgreicher Anleger zu sein, liegt darin, nur solche Wetten einzugehen, von denen man sehr überzeugt ist, und dabei trotzdem sorgfältig zu diversifizieren.
Einer unserer Kunden Mitte der 1980er-Jahre war Alan Bond, ein wagemutiger Entrepreneur und einer der reichsten Männer Australiens. Der Selfmade-Man war berühmt dafür, dass er als erster Nichtamerikaner in der damals 132-jährigen Geschichte die Segelregatta America’s Cup gewonnen hatte. Wie Bunker Hunt lag er irgendwann mit einer Wette völlig daneben und musste Bankrott anmelden. Ich beriet ihn und sein Team auf dem Weg nach oben und blieb während seines Abstiegs dabei, also konnte ich den Verlauf der Tragödie aus nächster Nähe beobachten. Es war ein klassischer Fall eines Menschen, der Geschäft und Spekulation verwechselte und sich erst absicherte, als es zu spät war.
Bond lieh sich US-Dollar, um in Australien Vermögenswerte wie Brauereien zu kaufen, weil die Zinsen in den USA niedriger waren als in Australien. Es war ihm nicht klar, aber damit spekulierte er darauf, dass der US-Dollar, in dem er seine Schulden zurückzahlen musste, nicht steigen würde. Als der US-Dollar Mitte der 1980er-Jahre gegenüber dem australischen Dollar dann doch anstieg und die Gewinne aus den Bierverkäufen, die in australischen Dollar getätigt wurden, zur Schuldenbegleichung nicht mehr ausreichten, bat Bonds Team mich um Unterstützung. Ich berechnete, wie seine Position mit einer Währungsabsicherung aussehen würde, und erkannte, dass er damit Verluste festgeschrieben hätte, die ihn ruiniert hätten; also riet ich ihm abzuwarten. Als der australische Dollar stark anzog, empfahl ich, die Absicherungsgeschäfte jetzt abzuschließen, aber das tat Bonds Team nicht, weil es glaubte, das Währungsproblem habe sich erledigt. Es dauerte nicht lange, bis der australische Dollar auf neue Tiefstände fiel und ich zu einer Krisensitzung gerufen wurde. Man konnte nicht mehr viel tun, ohne ruinöse Verluste festzuschreiben, also unternahm das Team wieder nichts, aber dieses Mal folgte keine Rally des australischen Dollars. Zu sehen, wie einer der reichsten und fähigsten Männer der Welt alles verlor, hinterließ enormen Eindruck bei mir.
Außerdem übernahmen wir auch einmalige Consulting-Projekte mit Marktbezug. Im Jahr 1985 konstruierte ich gemeinsam mit Paul Tudor Jones, einem guten Freund und hervorragenden Händler, einen Terminkontrakt auf den US-Dollar (einen handelbaren Index, der den Preis des Dollar gegenüber einem Korb von ausländischen Währungen abbildete), der an der New York Cotton Exchange gehandelt wurde (und noch heute wird). Der New York Futures Exchange habe ich bei Entwicklung und Vermarktung ihres CRB-Terminkontrakts geholfen (einem handelbaren Index, der den Preis eines Rohstoffkorbs abbildet).
Anders als die meisten Menschen, die an den Märkten arbeiten, hatte ich nie den Wunsch, Anlageprodukte zu entwickeln, erst recht nicht konventionelle, nur weil sie sich gut verkaufen würden. Ich wollte nichts weiter, als an den Märkten handeln und Beziehungen aufbauen und für unsere Kunden genau das tun, was ich tun würde, wenn ich in ihren Schuhen stecken würde. Zugleich aber entwickelte ich liebend gern brandneue Konzepte, vor allem wenn sie besonders und revolutionär waren. Bis Mitte der 1980er-Jahre waren mir einige Dinge klargeworden: Erstens lieferten wir gute Prognosen für die Zins- und Devisenmärkte, und die institutionellen Anlagemanager, die unser Research abonnierten, verdienten Geld damit. Zweitens waren wir erfolgreich darin, die Zinsund Währungsrisiken unserer Kunden zu steuern. Weil diese beiden Bereiche so gut liefen, überlegte ich, dass wir selbst erfolgreiche institutionelle Anlagemanager werden könnten. Diese Idee stellte ich den Leuten vor, die den Pensionsfonds der Weltbank verwalteten, allen voran Hilda Ochoa, damals ihr Chief Investment Officer. Trotz der Tatsache, dass wir noch keinerlei verwaltetes Vermögen und keine Erfolgsgeschichte vorzuweisen hatten, übertrug sie uns ein Mandat zur Verwaltung von 5 Millionen Dollar in US-Anleihen.
Dies war ein höchst bedeutender Wendepunkt für uns, der den Beginn von Bridgewater in seiner heutigen Form markierte. Die Strategie, die wir für die Weltbank einsetzten, wechselte zwischen Liquidität und 20-jährigen US-Staatsanleihen, weil wir mit diesen Positionen gehebelte Wetten auf die Richtung der Zinsentwicklung eingehen konnten. Wenn unsere Systeme anzeigten, dass Druck auf die Zinsen zu einem Rückgang führen würde, hielten wir die 20-jährigen Anleihen; wenn die Systeme steigende Zinsen anzeigten, blieben wir bei Liquidität. Das funktionierte sehr gut, und es dauerte nicht lange, bis uns auch andere große institutionelle Anleger Geld zur Verwaltung anvertrauten. Mobil Oil und Singer waren unsere nächsten großen Kunden, und weitere schlossen sich in rascher Folge an. Bald wurden wir der Anlagemanager mit der besten Performance bei US-Anleihen weltweit.
HINTER DER »VERSCHLOSSENEN TÜR«: CHINESISCHE WAGNISSE
Was ich unter anderem an meiner Consulting-Arbeit ungemein mochte, waren die Gelegenheiten zum Reisen, die sie mir verschaffte. Je ungewöhnlicher ein Ort war, desto mehr interessierte ich mich für ihn. Im Jahr 1984 führte mich diese Neugier nach Peking. Die einzigen Bilder von China hatte ich bis dahin als Kind gesehen: Massen von Menschen, die mit Maos Rotem Buch wedelten. Kaum verwunderlich, dass ich die Chance, hinter die damals noch weitgehend »verschlossene Tür« zu treten, sehr reizvoll fand. Eingeladen wurde ich, weil ich in Hongkong ein kleines Büro unterhielt, dessen Leiter ein Berater für CITIC war, dem einzigen Unternehmen in China, dem erlaubt war, Geschäfte mit der Außenwelt zu machen. Peking war voller wunderbarer und unglaublich gastfreundlicher Menschen, die uns mit der Tradition vertraut machten, Maotai-Schnaps zu trinken und dabei Ganbei! (Weg damit!) zu rufen, und uns allgemein eine tolle Zeit bereiteten. Mit meinem ersten Besuch in China, zusammen mit meiner Frau und ein paar weiteren Begleitern, begann eine unglaublich bereichernde Reise von mehr als 30 Jahren, die wesentliche Auswirkungen auf meine Familie und mich hatte.
Zu dieser Zeit gab es in China noch keine Finanzmärkte. Irgendwann machte sich eine kleine Gruppe aus neun chinesischen Unternehmen (darunter auch CITIC), die sich als Stock Exchange Executive Council bezeichnete, daran, Finanzmärkte zu entwickeln. Sie begannen damit im Jahr 1989, kurz vor dem Zwischenfall am Tiananmen-Platz. Der Versuch erwies sich als Rückschlag, weil solche Marktentwicklungen noch als zu kapitalistisch angesehen wurden. Die Gruppe arbeitete in einem kleinen Hotelzimmer und verfügte über so gut wie keine finanziellen Mittel. Wenn ich die Augen schließe, kann ich immer noch den großen Müllbehälter unter der Metalltreppe sehen, die nach oben zu dem Büro führte. Ich habe großen Respekt davor, welche Risiken diese jungen Leute eingingen, indem sie sich in einer so unruhigen Zeit an dieses Projekt wagten. Also spendete ich einen kleinen Betrag, um sie zu unterstützen, und war gern bereit, ihnen mein Wissen zur Verfügung zu stellen. Aus dem Nichts heraus bauten diese Leute die chinesischen Märkte und die staatliche Wertpapierregulierung auf.
Im Jahr 1994 gründete ich ein Unternehmen namens Bridgewater China Partners. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits überzeugt, dass China im 21. Jahrhundert die größte Volkswirtschaft der Welt werden würde. Trotzdem investierte immer noch kaum jemand dort, also konnte man sehr gute Geschäfte machen. Ich konnte Geld ins Land bringen, indem ich meine institutionellen Anlagekunden auf die Gelegenheiten dort aufmerksam machte, und ich konnte Know-how liefern, indem ich chinesische Unternehmen mit amerikanischen zusammenbrachte. Als Gegenleistung erhielten wir Anteile an den Unternehmen. Im Grunde etablierte ich damit die erste Private-Equity-Firma aus den USA mit Sitz in China.
Zum Start meines neuen Unternehmens nahm ich eine kleine Gruppe von institutionellen Anlegern, die zusammen 70 Milliarden Dollar verwalteten, mit auf eine Reise nach China. Nach unserer Rückkehr vereinbarten wir, als nächsten Schritt eine gemeinsame Handelsbank in Peking zu gründen. Ich wusste, dass der Einstieg in eine Region, in der vor uns noch kaum ein Ausländer gewesen war, viele Experimente und viel Lernen erfordern würde. Doch bald stellte ich fest, dass ich die Komplexität dieser Aufgabe und den Zeitaufwand dafür massiv unterschätzt hatte. Ständig fand ich mich um drei Uhr morgens am Telefon wieder, wo ich versuchte, die wackelige Buchhaltung und die fragwürdigen Kontrollmaßnahmen bei den Unternehmen zu verstehen, an denen wir beteiligt waren – und wenn die Sonne aufging, warteten auf mich alle Aufgaben, für die ich bei Bridgewater zuständig war.
Nach etwa einem Jahr erkannte ich, dass es nicht möglich sein würde, sowohl Bridgewater selbst als auch Bridgewater China Partners zu leiten; daher schloss ich das zweite Unternehmen wieder. Niemand hatte damit Geld verdient, aber auch keines verloren, weil ich mit dem, was ich zu sehen bekam, nie zufrieden genug gewesen war, um zu investieren. Ich bin sicher, wir hätten großen Erfolg gehabt, wenn ich dem China-Geschäft meine gesamte Zeit gewidmet hätte, aber dann wäre Bridgewater nicht das geworden, was es heute ist. Ich habe also eine große Gelegenheit an mir vorbeiziehen lassen, aber ich bereue diese Entscheidung nicht. Ich habe gelernt: Wenn man hart und kreativ arbeitet, kann man so ziemlich alles haben, was man möchte – aber eben nicht alles. Reife ist die Fähigkeit, auf gute Alternativen zu verzichten, um noch bessere zu verfolgen.
Obwohl ich die Gelegenheit China nicht konsequent nutzte, blieb das Land ein wichtiger Teil meines Lebens und des Lebens meiner Familie. Wir liebten es und wir liebten vor allem die Menschen dort. Im Jahr 1995 beschlossen meine Frau Barbara, unser elf Jahre alter Sohn Matt und ich, dass Matt ein Jahr in Peking verbringen sollte. Er sollte ein Jahr lang eine rein chinesische Schule besuchen und in dieser Zeit bei unserer Freundin Madame Gu leben, die in den Tagen des Tiananmen-Massakers bei uns in den USA gewohnt hatte; zusammen mit uns hatte Matt sie schon einmal besucht, als er drei Jahre alt gewesen war. Der Lebensstandard in China unterschied sich sehr von dem, was unser Sprössling aus Connecticut gewohnt war. Zum Beispiel lebten Madame Gu und ihr Ehemann in einer Wohnung, in der es nur zweimal pro Woche warmes Wasser zum Duschen gab, und die Schule, die Matt besuchte, fing erst tief im Winter mit Heizen an, sodass die Schüler im Klassenzimmer ihre dicken Jacken anbehielten. Matt konnte kein Chinesisch, und keiner seiner Klassenkameraden konnte Englisch.
Das war nicht nur ein riesiges Abenteuer für unseren Sohn, sondern auch vollkommen beispiellos, und es erforderte eine Sondergenehmigung der chinesischen Regierung. Ich freute mich für Matt, weil ich wusste, dass er eine andere Welt sehen und seinen Horizont erweitern würde. Für Barbara brauchte ich ein wenig Überzeugungsarbeit und zur Rückversicherung ein paar Besuche bei einem Kinderpsychologen, aber sie hatte selbst schon überall in der Welt gelebt und wusste, dass sie davon profitiert hatte. Also war sie letztlich offen für die Idee, auch wenn sie nicht begeistert von der Aussicht war, von ihrem Sohn getrennt zu sein. Matts schwierige, aber lebensverändernde Reise hatte nachhaltige Auswirkungen auf seine Werte und Ziele. Weil er sich in das Land China verliebte (wie er sagt, wurde er in dem Jahr zum Teil Chinese) und er den Wert von Empathie relativ zu materiellem Wohlstand kennenlernte, gründete er im Alter von nur 16 Jahren eine wohltätige Organisation namens China Care, um mit ihr Waisenkindern mit besonderem Betreuungsbedarf zu helfen. Er leitete sie zwölf Jahre lang (und tut das, in deutlich geringerem Ausmaß, noch heute). In dieser Zeit verschob sich der Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Frage, wie sich Computer in Schwellenländern als Unterstützung einsetzen lassen, worum er sich jetzt mit seinem Unternehmen Endless kümmert. Ich wiederum habe viel von meinem Sohn gelernt, vor allem welche Befriedigung Philanthropie schenkt, und wir beide haben viel über die tiefen Freuden inniger persönlicher Beziehungen erfahren. Über die Jahre habe auch ich (und damit Bridgewater) bedeutsame Beziehungen zu vielen wunderbaren Menschen in China aufgebaut, und wir haben den Finanzinstitutionen des Landes dabei geholfen, von frisch geschlüpften Organisationen zu raffinierten Giganten zu werden.
China war nicht das einzige Land, mit dessen Bevölkerung und Regierung Bridgewater in Verbindung treten sollte. Vertreter von staatlichen Anlagefonds von Singapur, Abu Dhabi und Australien sowie politische Entscheider aus Russland und Europa klopften an unsere Tür. Die Erfahrungen, die ich dabei gemacht habe, die Einblicke, die ich gewonnen habe, und die Unterstützung, die ich leisten konnte, ergaben zusammen ein Paket von Belohnungen, das nicht weniger groß war als jedes der anderen, die ich im Lauf meiner Karriere bekam.
Auch mein Kontakt zu Menschen und Institutionen in Singapur begeisterte mich. Es gab und gibt noch immer keinen Politiker, den ich mehr bewundere als Lee Kuan Yew, weil er Singapur von einem mückenverseuchten Sumpfland zu einer Vorzeige-Volkswirtschaft gemacht hat. Dass ich das sage, hat viel zu bedeuten, denn ich habe einige wichtige Politiker weltweit kennen und bewundern gelernt. Einen meiner spannendsten Momente erlebte ich bei einem Abendessen mit Lee in meinem Haus in New York, kurz vor seinem Tod im Jahr 2015. Er hatte darum gebeten, bei dem Essen über den Zustand der Weltwirtschaft zu sprechen. Ich lud den früheren Fed-Vorsitzenden Paul Volcker ein (ein weiterer meiner Helden), den früheren Finanzminister Robert Rubin (dessen breiter Erfahrungsschatz interessante Einblicke ermöglichte) und den Fernsehjournalisten Charlie Rose (einen der neugierigsten und bestinformierten Menschen, den ich kenne). Wir beantworteten Lees Fragen und wollten seine Meinung über die Weltpolitik und ihre Persönlichkeiten hören. Weil er in den vergangenen 50 Jahren so gut wie jeden Spitzenpolitiker getroffen hatte, wollten wir von ihm wissen, welche Eigenschaften hervorragende Politiker von schlechten unterscheiden und wie er die zu dieser Zeit amtierenden Staats- und Regierungschefs einschätzte. Angela Merkel bezeichnete er als die beste politische Führerin des Westens und Wladimir Putin als einen der besten Politiker der Welt. Man müsse Politiker vor dem Hintergrund der Umstände beurteilen, mit denen sie zu tun haben, erklärte Lee und berichtete, wie schwierig es sei, Russland zu regieren und warum er der Meinung war, dass Putin gute Arbeit leiste. Außerdem erzählte er uns von seiner besonderen Beziehung zu Deng Xiaoping, den er als den besten Politiker überhaupt ansah.
Ich liebe es, interessante Menschen aus interessanten Ländern kennenzulernen und die Welt durch ihre Augen zu betrachten. Das gilt unabhängig davon, ob sie reich oder arm sind. Das Leben durch die Augen der indigenen Menschen zu sehen, die ich in Papua-Neuguinea traf, war für mich nicht weniger erhellend als die Beschäftigung mit den Ansichten von Politik- und Wirtschaftsführern, weltverändernden Unternehmern und Spitzenwissenschaftlern, mit denen ich Zeit verbracht habe. Ich werde niemals den blinden heiligen Mann vergessen, mit dem ich in einer Moschee in Syrien ins Gespräch kam und der mir den Koran und seine Verbindung zu Gott erklärte. Begegnungen wie diese haben mich gelehrt, dass menschliche Großartigkeit und Schrecklichkeit nicht mit Wohlstand oder anderen konventionellen Erfolgsmaßstäben zusammenhängen. Ebenso habe ich gelernt, dass man Menschen nicht beurteilen sollte, bevor man die Welt nicht wirklich durch ihre Augen betrachtet hat, denn so wird man nie ihre Lebensumstände verstehen – und das zeugt nicht eben von Klugheit. Ich möchte Sie dringend auffordern, so neugierig zu sein, dass Sie verstehen wollen, warum manche Menschen Dinge anders sehen als Sie selbst und wie sie zu diesen Ansichten gekommen sind. Sie werden das als interessant und überaus wertvoll empfinden, und die breitere Perspektive, die Sie dadurch gewinnen, wird Ihnen dabei helfen, herauszufinden, was Sie tun sollten.
MEINE FAMILIE UND MEINE ERWEITERTE FAMILIE
Meine Familie, meine erweiterte Familie bestehend aus meinen Kollegen und meine Arbeit – all das war mir extrem wichtig. Arbeit und Familie miteinander zu verbinden, stellte mich vor dieselben Schwierigkeiten wie jeden anderen, vor allem, weil ich in beiden Bereichen besonders gut sein wollte. Folglich brachte ich beides zusammen, so oft ich konnte, und nahm zum Beispiel meine Kinder mit auf Geschäftsreisen. Als ich anfing, meinen Sohn Devon und später auch Matt zu Geschäftstreffen in China mitzubringen, waren unsere Gastgeber stets sehr freundlich und servierten den Kindern Kekse und Milch. Eine schöne Erinnerung aus Abu Dhabi ist, als meine Kunden/Freunde meinen Sohn Paul und mich mitnahmen in die Wüste, wo wir mit bloßen Händen eine frisch geschlachtete und gegrillte Ziege aßen. Ich fragte Paul, der in das traditionelle Gewand gekleidet war, das man ihm gegeben hatte, wie ihm das gefalle. »Was könnte besser sein, als auf dem Boden zu sitzen, einen Pyjama zu tragen und zusammen mit netten Leuten mit den Händen zu essen?«, lautete seine Antwort. Wir alle lachten. Ein anderes Mal brachte mein ältester Sohn Devon, damals zehn Jahre alt, aus China Seidenschals mit, die er für 1 Dollar gekauft hatte, und verkaufte sie kurz vor Weihnachten in einem Einkaufszentrum für 20 Dollar – das war nur das erste Anzeichen für seinen ausgeprägten Geschäftssinn.
Bis Mitte der 1980er-Jahre war Bridgewater auf etwa zehn Mitarbeiter gewachsen. Ich mietete ein großes altes Farmhaus; einen Teil besetzte Bridgewater und in den anderen Teil zog ich mit meiner Familie. Es ging extrem informell und familiär zu: Jeder parkte in der Einfahrt, wir trafen uns am Küchentisch, und meine Kinder ließen die Tür offen, wenn sie auf der Toilette saßen. Die Leute, mit denen ich arbeitete, winkten, wenn sie vorbeigingen.
Irgendwann wurde die Farm zum Verkauf ausgeschrieben. Ich kaufte eine Scheune, die auf dem Grundstück stand, und renovierte sie. Darin lebten meine Frau, unsere Kinder (am Ende hatten wir vier) und ich in einer kleinen Wohnung, und den unfertigen Heuboden richtete ich als Büro her, indem ich dort eine elektrische Fußbodenheizung einbaute – sie war am billigsten zu installieren. Damit hatten wir einen hervorragenden Ort für Partys, und draußen gab es genügend Platz, um Fußball und Volleyball zu spielen oder zu grillen. Bei der Weihnachtsfeier unseres Unternehmens gab es ein großes Essen mit meiner Familie, zu dem jeder etwas mitbrachte. Nach ein paar Drinks kam der Weihnachtsmann, und wir alle setzten uns für ein Foto auf seinen Schoß und erzählten, wer böse gewesen war und wer brav. Am Ende des Abends wurde immer viel getanzt. Außerdem veranstalteten wir jährlich unseren »Gammel-Tag«, an dem sich jeder ungepflegt kleidete. Sie sehen: Bridgewater war eine kleine Gemeinschaft von Freunden, die hart arbeiteten und hart feierten.
Bob Prince stieß im Jahr 1986 zu Bridgewater. Von Anfang an harmonierten Bob und ich großartig, wenn wir uns über Ideen austauschten. Wir machen das immer noch liebend gern und werden das fortsetzen, bis einer von uns stirbt. Außerdem ist Bob ein hervorragender Lehrer, für Kunden wie für Mitarbeiter. Mit der Zeit ist er wie ein Bruder für mich geworden, ebenso wie einer der wichtigsten Miterbauer und Säulen von Bridgewater.
Allmählich nahm Bridgewater die Gestalt eines richtigen Unternehmens an. Wir wurden zu groß für die Scheune und zogen in ein kleines Büro in einer Einkaufsstraße; Ende der 1980er-Jahre waren wir schon 20 Leute. Trotz des Wachstums betrachtete ich niemanden, mit dem ich zusammenarbeitete, als bloßen Angestellten. Ich wollte schon immer ein Leben voller sinnerfüllter Arbeit und sinnerfüllter Beziehungen führen und mich mit Menschen umgeben, die das Gleiche wollen. Für mich ist eine sinnerfüllte Beziehung eine, die offen und ehrlich ist und in der die Beteiligten geradeheraus miteinander umgehen. Traditionellere, antiseptische Beziehungen zu Menschen, die eine höfliche Fassade vor sich her tragen und nicht sagen, was sie wirklich denken, habe ich nie sehr gemocht.
Ich glaube, dass es in jeder Organisation im Grunde zwei Arten von Menschen gibt: Die einen arbeiten, um Teil einer Mission zu sein, die anderen für ihren Gehaltsscheck. Ich wollte mich mit Leuten umgeben, die das Gleiche brauchten wie ich, und das war, Dinge für mich selbst zu verstehen. Ich sprach offen und erwartete das auch von meinem Umfeld. Ich kämpfte für das, was ich für richtig hielt, und das sollten auch die anderen tun. Wenn ich der Meinung war, dass jemand etwas Dummes getan hatte, hielt ich mit meiner Meinung nicht hinterm Berg, und ich erwartete, meinerseits gesagt zu bekommen, wenn ich etwas Dummes tat. Das hielt ich für besser für jeden von uns. Genau so sollten starke und produktive Beziehungen für mich aussehen. Jede andere Vorgehensweise wäre unproduktiv und unmoralisch gewesen.
WEITERE IRRUNGEN UND WIRRUNGEN IN VOLKSWIRTSCHAFTEN UND MÄRKTEN
In den Jahren 1987 und 1988 gab es weitere große Irrungen und Wirrungen. Sie trugen dazu bei, mich und meine Herangehensweise an Leben und Geldanlage zu prägen. Wir gehörten zu den wenigen Anlagemanagern, die vor dem »Black Monday« – dem 19. Oktober 1987, an dem es zum damals größten prozentualen Tagesverlust in der Geschichte der Börse kam – Short-Positionen aufgebaut hatten. Wir erhielten viel Aufmerksamkeit, weil wir 22 Prozent gewannen, als die meisten anderen viel verloren. Die Medien bezeichneten uns als »Helden des Oktober«.
Kein Wunder, dass ich mich zu Jahresbeginn 1988 ziemlich gut fühlte. Meine ersten Schritte in der Finanzbranche hatte ich in einer Zeit mit hoher Volatilität gemacht und dabei gelernt, dass man damit am besten umgeht, indem man eine große Bewegung erwischt und sie mitmacht. Wir nutzten unsere Indikatoren, um veränderte Fundamentaldaten zu erkennen, und unsere technischen Trendfolgefilter, um zu bestätigen, dass die Kursbewegungen zu dem passten, was die Indikatoren aussagten. Wenn beides in die gleiche Richtung zeigte, hatten wir ein starkes Signal. Wenn sie sich widersprachen, hatten wir ein schwaches oder gar kein Signal. 1988 aber gab es, wie sich herausstellte, kaum Volatilität, sodass unsere technischen Filter unzuverlässig wurden und wir letztlich etwas mehr als die Hälfte des Gewinns von 1987 wieder verloren. Das war unerfreulich, brachte aber auch einige wichtige Lehren mit sich. Und es sorgte dafür, dass Bob und ich unseren technischen Trendfolgefilter mit besseren Wertkennzahlen und Risikokontrollen ersetzten.
Bis dahin waren unsere Systeme vollkommen diskret gewesen – wir wechselten von einer reinen Long-Position in eine reine Short-Position, wenn eine vorher festgelegte Schwelle überschritten wurde (so wie wir für die Weltbank von Anleihen zu Liquidität und zurück gewechselt waren). Aber wir waren nicht immer gleichermaßen sicher in unseren Beurteilungen, außerdem bezahlten wir enorme Transaktionsgebühren, wenn wir hin- und herwechselten. Bob machte das verrückt; ich weiß noch, wie er mehrmals um das Bürogebäude lief, um sich zu beruhigen. Also gingen wir Ende des Jahres zu einem flexibleren System über, bei dem wir das Volumen unserer Wetten auf unser Vertrauen in die jeweilige Einschätzung abstimmen konnten. Diese und andere Verbesserungen, die Bob vornahm, haben sich seitdem viele Male ausgezahlt.
Nicht jeder bei Bridgewater sah die Dinge so wie Bob und ich. Manche im Unternehmen zweifelten daran, dass eine Systematisierung funktionieren könnte; das galt vor allem in Phasen, in denen die Systeme keine guten Ergebnisse lieferten, wie es bei jeder Entscheidung immer mal wieder vorkommen kann. Es brauchte einiges an Argumenten, um manche meiner Mitarbeiter davon zu überzeugen, weiter mitzuziehen. Aber selbst wenn ich sie nicht überzeugen konnte – meine eigene Meinung konnten sie nicht ändern. Denn niemand konnte mir zeigen, warum unser Ansatz mit seiner klar formulierten, getesteten und systematisierten Logik weniger systematischen Entscheidungen nicht vorzuziehen gewesen wäre.
Alle hervorragenden Anleger und Anlageansätze haben ihre schwachen Phasen. In solchen Zeiten den Glauben an sie zu verlieren, ist ein häufiger Fehler – und ein anderer besteht darin, sich in guten Zeiten zu sehr in sie zu verlieben. Weil die meisten Menschen sich eher emotional als logisch verhalten, neigen sie dazu, auf kurzfristige Ergebnisse übertrieben zu reagieren; sie geben auf und verkaufen billig, wenn die Zeiten schlecht sind, und kaufen in guten Zeiten zu teuer ein. Meiner Erfahrung nach gilt das für Beziehungen ebenso sehr wie für die Geldanlage. Kluge Menschen bleiben guten Fundamentaldaten durch alle Aufs und Abs hindurch treu, gedankenlose dagegen reagieren emotional auf ihre aktuelle Einschätzung – sie springen auf Trends auf, wenn sie heiß sind, und geben auf, wenn die Aufregung schwindet.
Trotz unserer relativ schwachen Anlageperformance war 1988 ein hervorragendes Jahr für Bridgewater. Denn indem wir über unsere schwache Performance nachdachten und daraus lernten, schafften wir systematische Verbesserungen. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass schlechte Zeiten in Kombination mit gutem Nachdenken mit die besten Erkenntnisse überhaupt hervorbringen können, und zwar nicht nur im Geschäftsleben, sondern auch in Beziehungen. Man hat sehr viel mehr angebliche Freunde, wenn man im Aufstieg ist, als bei einem Abstieg, denn die meisten Menschen wollen nah an den Gewinnern sein und meiden Verlierer. Bei wahren Freunden ist es genau andersherum.
Ich habe aus meinen schlechten Zeiten viel mitgenommen, nicht nur weil ich Fehler gemacht habe, aus denen ich lernen konnte, sondern auch weil sie mir dabei geholfen haben, herauszufinden, wer meine wahren Freunde sind: die Freunde, die mit mir durch dick und dünn gingen.
DER NÄCHSTE BRÜCKENKOPF FÜR BRIDGEWATER
Ende der 1980er-Jahre waren wir immer noch ein sehr kleines Unternehmen mit nur 24 Beschäftigten. Im Jahr 1988 hatte Bob mir Giselle Wagner vorgestellt, die dann 20 Jahre lang meine Partnerin in der Geschäftsführung wurde. Dan Bernstein und Ross Waller kamen 1988 und 1989 dazu, beide frisch vom Dartmouth College. Damals und noch eine Weile später neigte ich dazu, Leute direkt von der Universität einzustellen. Sie hatten zwar noch nicht viel Erfahrung, waren aber intelligent, entschlossen und überzeugt von der Mission, das Unternehmen hervorragend zu machen.
Erfahrung war für mich weniger wichtig als Charakter, Kreativität und gesunder Menschenverstand. Wahrscheinlich hing das damit zusammen, dass ich Bridgewater schon zwei Jahre nach dem Ende meines Studiums gegründet hatte, und mit meiner Überzeugung, dass die Fähigkeit, Dinge selbst herauszufinden, wichtiger ist als konkretes Wissen darüber, wie etwas gemacht wird. Ich hatte das Gefühl, junge Menschen würden sinnvolle und spannende Innovationen hervorbringen. Ältere Menschen, die alles mit den alten Methoden angingen, fand ich uninteressant. Allerdings sollte ich hier hinzufügen, dass es nicht immer gut funktioniert hat, unerfahrenen Menschen Verantwortung zu übertragen. Einige schmerzhafte Erfahrungen, von denen Sie später noch lesen können, haben mich gelehrt, dass es ein Fehler sein kann, den Wert von Erfahrung zu unterschätzen.
Inzwischen waren aus den anfänglichen 5 Millionen Dollar von der Weltbank 180 Millionen Dollar geworden, die wir für verschiedene Kunden verwalteten. Aber wir versuchten immer noch, einen größeren Brückenkopf im Geschäft mit institutionellen Anlegern zu etablieren. Als Rusty Olson, Anlagechef des Pensionsfonds von Kodak, auf uns zukam, um ein Anlageproblem zu lösen, nutzten wir diese Chance. Olson war bemerkenswert innovativ und ein Mann mit einem großartigen Charakter, der 1954 bei Kodak angefangen und 1972 den Pensionsfonds übernommen hatte; in der Welt der Pensionsfonds wurde er weithin als Vordenker angesehen. Wir hatten ihm schon eine Zeitlang unsere Analysen zugeschickt, und im Jahr 1990 schrieb er uns, weil er unsere Meinung zu einer Frage hören wollte, die ihn sehr beschäftigte. Das Kodak-Portfolio war massiv in Aktien investiert, und Olson trieb die Sorge um, was damit in einem Umfeld passieren würde, in dem seine Papiere stark an Wert verlieren. Er hatte bereits versucht, eine Methode zur Absicherung gegen dieses Risiko zu finden, ohne damit seine erwartete Rendite zu verringern.
Olsons Fax kam an einem Freitagnachmittag, und wir legten sofort los. Einen so angesehenen und innovativen Kunden zu bekommen, wäre ein großer Schritt für uns gewesen. Wir wussten, dass wir für Kodak einzigartig gute Arbeit leisten konnten, weil wir viel über Anleihen und Finanz-Engineering wussten und über eine historische Perspektive verfügten wie kein anderer in der Branche. Bob Prince, Dan Bernstein und ich arbeiteten das Wochenende ohne Pause durch, um das Kodak-Portfolio und die Strategie zu analysieren, über die Olson nachdachte. Dann schrieben wir ein langes Memo, in dem wir ihm unsere Überlegungen erklärten.
So wie ich in den 1970er-Jahren das Geschäft eines Hühnerfleischproduzenten und anschließend vieler anderer Unternehmen dekonstruiert hatte, so zerlegten wir jetzt den Pensionsfonds von Kodak in seine Bestandteile, um diese »Maschine« besser zu verstehen. Die von uns vorgeschlagenen Lösungen beruhten auf den Ideen zum Portfolio-Engineering, die später zum Kern der besonderen Art von Bridgewater wurde, Geld zu verwalten. Olson lud Bob und mich nach Rochester ein, und wir kehrten mit einem Mandat über 100 Millionen Dollar zurück. Das veränderte das Spiel grundlegend. Nicht nur gewannen wir dadurch eine Menge Glaubwürdigkeit, es verschaffte uns auch eine verlässliche Einnahmequelle in einer Zeit, in der wir sie brauchten.
DER »HEILIGE GRAL DER GELDANLAGE«
Aus meinen früheren Misserfolgen wusste ich: Egal, wie sicher ich mir bei irgendeiner Wette war, ich konnte trotzdem noch falschliegen – und richtige Diversifikation war der Schlüssel zur Verringerung der Risiken ohne Verringerung der Rendite. Wenn ich ein Portfolio aus hochwertigen Renditeströmen 3 zusammenstellen konnte, die gründlich diversifiziert sind (sodass ihre Aufwärts- und Abwärtsbewegungen einander ausgleichen), konnte ich Kunden eine Portfolio-Gesamtrendite bieten, die deutlich konsistenter und zuverlässiger wäre als alles, was sie anderswo bekommen konnten.
Ein paar Jahrzehnte zuvor hatte der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Ökonom Harry Markowitz ein später weithin genutztes Modell geschaffen, in das man eine Reihe von Vermögenswerten zusammen mit ihren erwarteten Renditen, Risiken und Korrelationen (die zeigen, wie ähnlich sich die Vermögenswerte in der Vergangenheit entwickelt haben) eingeben und auf dieser Grundlage eine »optimale Mischung« dieser Vermögenswerte in einem Portfolio bestimmen konnte. Allerdings sagte sein Modell nichts über die inkrementellen Effekte aus, wenn sich irgendeine der Variablen veränderte, und es sagte auch nichts darüber aus, wie man mit Unsicherheit bezüglich dieser Annahmen umgeht. Ich sorgte mich schon damals schrecklich, was passieren würde, wenn sich meine Annahmen als falsch erwiesen. Also wollte ich Diversifikation auf einer sehr einfachen Ebene verstehen. Daher bat ich Brian Gold um Hilfe, einen frisch vom Dartmouth College eingestellten Mathematiker, der seit 1990 für Bridgewater arbeitete: Er sollte eine Grafik erstellen, die zeigt, wie die Volatilität eines Portfolios abnimmt und sich seine Qualität (gemessen an der Höhe des Risikos relativ zur Rendite) verbessert, wenn ich inkrementell Anlagen mit unterschiedlichen Korrelationen in es aufnehme. In meinen Prinzipien für Ökonomie und Geldanlage werde ich das genauer erklären.
Die einfache Grafik beeindruckte mich so sehr, wie meiner Vorstellung nach Albert Einstein beeindruckt gewesen sein muss, als er E = mc2 entdeckte: Ich erkannte, dass ich mit 15 bis 20 guten unkorrelierten Renditeströmen mein Risiko dramatisch reduzieren konnte, ohne die erwartete Rendite zu schmälern. Es war ausgesprochen einfach, versprach aber, ein echter Durchbruch zu werden, wenn die Theorie in der Praxis so gut funktionierte wie auf Papier. Ich nannte sie den »Heiligen Gral der Geldanlage«, weil sie den Weg dazu wies, ein Vermögen zu verdienen. Das war ein weiterer entscheidender Moment in unserem Lernprozess.
Das Prinzip, das wir entdeckt hatten, lässt sich ebenso gut auf alle Arten von Aktivitäten zum Geldverdienen anwenden. Ob Sie ein Hotel besitzen, ein Technologie-Unternehmen leiten oder in einer ganz anderen Branche sind: Ihr Geschäft erzeugt einen Renditestrom. Dafür über mehrere gute unkorrelierte Quellen zu verfügen, ist besser, als nur über eine zu verfügen, und zu wissen, wie man Renditeströme richtig kombiniert, ist sogar noch effektiver als nur die Fähigkeit, sich für gute zu entscheiden (obwohl man natürlich beides braucht). Damals (und auch heute noch) machten sich die meisten Anlagemanager diesen Umstand nicht zunutze, denn sie spezialisierten sich auf nur eine Anlageklasse – Aktienmanager auf Aktien, Anleihenmanager auf Anleihen und so weiter. Ihre Kunden vertrauten ihnen Geld an in der Erwartung, dass sie die Gesamtrendite der jeweiligen Anlageklasse erhalten würden (zum Beispiel des Aktienindex S&P 500) sowie zuzüglich die Rendite von Wetten, die der Manager durch die Über- oder Untergewichtung bestimmter Papiere abschließt (indem er zum Beispiel mehr Microsoft-Aktien kauft, als im Index enthalten sind). Jedoch sind die unterschiedlichen Papiere innerhalb derselben Anlageklasse im Allgemeinen zu 60 Prozent miteinander korreliert, was bedeutet, dass sie in mehr als der Hälfte der Fälle zusammen steigen oder fallen. Wie die Grafik zum Heiligen Gral mir gezeigt hatte, konnte ein Aktienmanager 1000 zu 60 Prozent korrelierte Aktien in sein Portfolio aufnehmen und damit trotzdem nicht deutlich mehr Diversifikation erreichen als mit nur 5 Aktien. Es würde einfach sein, diese Leute zu schlagen, indem wir unsere Wetten so ausbalancierten, wie es die Grafik nahelegte.
Dank meiner festen Angewohnheit, meine Anlageprinzipien und die Ergebnisse, die von ihnen zu erwarten waren, systematisch aufzuzeichnen, verfügte ich über eine große Sammlung von unkorrelierten Renditeströmen. Tatsächlich hatte ich ungefähr 1000 davon. Weil wir in mehreren verschiedenen Anlageklassen aktiv waren und in jeder davon eine Reihe von fundamentalen Handelsregeln programmiert und getestet hatten, standen uns deutlich mehr hochwertige Ströme zur Auswahl als einem typischen Fondsmanager, der eine geringere Zahl von Anlagemöglichkeiten beobachtet und wahrscheinlich keinen systematischen Handel betreibt.
Zusammen mit Bob und Dan machte ich mich daran, aus unserer ungeordneten Sammlung die besten Entscheidungsregeln herauszuarbeiten. Als wir sie gefunden hatten, nahmen wir Rückwärtstests über lange Zeiträume mit ihnen vor und simulierten, wie die Entscheidungsregeln in der Vergangenheit miteinander kombiniert funktioniert hätten.
Die Ergebnisse verblüfften uns. Auf dem Papier verbesserte der neue Ansatz unsere Rendite um den Faktor 3 bis 5 pro Risikoeinheit, und wir konnten die Höhe der angestrebten Rendite darauf abstimmen, wie viel Risiko wir eingehen konnten. Mit anderen Worten: Wir konnten haufenweise mehr Geld verdienen als die anderen Fondsmanager und liefen dabei weniger Gefahr, aus dem Rennen geworfen zu werden – wie es mir zuvor schon fast passiert war. Ich nannte es das »Killer-System«, weil es entweder hervorragende Ergebnisse für uns und unsere Kunden liefern oder uns den Garaus machen würde, wenn wir irgendetwas Wichtiges übersahen.
Der Erfolg dieses Ansatzes hat mich ein Prinzip gelehrt, das ich bei allen Aspekten meines Lebens anwende: Eine Handvoll guter unkorrelierter Wetten einzugehen, die ausgewogen und gehebelt sind, ist die sicherste Methode, um viel Aufwärtspotenzial zu bekommen, ohne inakzeptable Abwärtsrisiken auf sich nehmen zu müssen.
So begeistert wir von dem neuen Ansatz auch waren, zunächst gingen wir vorsichtig vor und gaben dem System anfangs eine Gewichtung von 10 Prozent. In unserem Testzeitraum verdienten wir in 19 von 20 Monaten Geld damit. Als wir zuversichtlicher wurden, beschloss ich, eine ausgewählte Gruppe von Anlegern zu kontaktieren, die ich gut kannte, und sie zu fragen, ob sie mit Testmandaten in Höhe von je 1 Million Dollar in die Strategie investieren würden. Ich wusste, dass es diesen institutionellen Anlegern schwerfallen würde, Nein zu sagen, wenn ich sie nach solchen relativ geringen Beträgen fragte. Ich nannte das neue Produkt zunächst »Top 5 %«, weil es die besten 5 Prozent unserer Entscheidungsregeln beinhaltete. Später änderte ich den Namen in Pure Alpha, um zu vermitteln, dass das Produkt ausschließlich aus Alpha-Quellen bestand. Weil Pure Alpha keinerlei Beta aufwies, neigte es auch nicht dazu, im Gleichklang mit irgendeinem Markt zu steigen oder zu fallen. Die Renditen hingen ausschließlich davon ab, wie gut wir darin waren, andere zu übertreffen.
Unser vollkommen neuer »Alpha Overlay«-Ansatz bot Anlegern die Möglichkeit, die Rendite der von ihnen gewählten Anlageklasse (dem Aktienmarkt im S&P 500, einem Anleihenindex, Rohstoffe – was auch immer) zu bekommen sowie zusätzlich die Rendite aus dem Portfolio an Wetten, die wir für sie über alle Anlageklassen hinweg abschlossen. So beispiellos unser Ansatz war, wir erklärten unsere Logik sehr sorgfältig und zeigten, warum sie tatsächlich deutlich weniger riskant war als traditionelle Vorgehensweisen. Ebenfalls zeigten wir den Anlegern, welche kumulative Rendite mit welcher Bandbreite darum herum wir erwarteten. Für unsere Kunden war das ein wenig so, als würden wir ihnen das Design eines Flugzeugs präsentieren, das noch nie zuvor geflogen war, aber auf dem Papier radikal besser aussah als jedes andere Flugzeug. Würde irgendjemand mutig genug sein, um einzusteigen?
Manche Kunden verstanden das Konzept und freuten sich darauf, die Regeln zu ändern. Andere verstanden es entweder nicht oder arbeiteten für Organisationen, die sich weigerten, neueste Ideen auszuprobieren. Offen gestanden waren wir begeistert, dass überhaupt jemand einen Versuch wagen wollte. Seit inzwischen mehr als 26 Jahren fliegt unser neuartiges Flugzeug exakt so, wie wir es antizipiert hatten, und es hat in 23 von diesen Jahren Geld verdient (bei nur mäßigen Verlusten in den anderen drei Jahren); insgesamt waren die Gewinne für unsere Kunden höher als jemals zuvor bei irgendeinem anderen Hedgefonds. Die Anlagekonzepte, die Pure Alpha zugrunde liegen, haben letztlich unsere Branche verändert. Doch der Weg von der Idee zur weiten Verbreitung dauerte viele Jahre mit viel Lernen und aufreibender Arbeit in einer Gruppe von engagierten Partnern.
UNSER KILLER-SYSTEM WIRD AUF DIE WELT LOSGELASSEN
Pure Alpha stand für die beste Möglichkeit zur aktiven Verwaltung von Vermögen, die wir kannten. Gleichzeitig aber wussten wir: Wenn wir eine bedeutende Summe an institutionellem Geld verwalten wollten, mussten wir die Realität akzeptieren, dass nur eine begrenzte Zahl von innovativen Kunden den neuen Ansatz ausprobieren würde. Während wir also Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre versuchten, Kunden davon zu überzeugen, unsere Methode zu nutzen, betraf Pure Alpha nur rund 10 Prozent unseres verwalteten Vermögens.
Bei unseren reinen Anleihenmandaten konnten wir keine Aktien und Rohstoffe handeln. Um unseren Anleihenkunden höhere Renditen bei niedrigerem Risiko zu verschaffen, wendeten wir dennoch auch bei ihnen die Prinzipien zur Portfoliostrukturierung an, die wir für Pure Alpha entdeckt und genutzt hatten. Dazu zählte der Handel mit Anleihen ausländischer Staaten, mit Anleihen von Schwellenländern, mit inflationsindexierten Anleihen, mit Unternehmensanleihen und mit den Währungspositionen, die sich durch die Auslandsinvestitionen ergaben. In unseren am wenigsten eingeschränkten Anleihenportfolios gingen wir ungefähr 50 unterschiedliche Arten von Wetten ein, weitaus mehr als traditionelle Anleihenmanager. Dadurch verschafften wir uns einen großen Vorsprung und landeten Jahr für Jahr an der Spitze vieler Tabellen zur Anlageperformance.
Unser Produkt Pure Alpha war nur das erste von mehreren innovativen Angeboten, die wir für unsere Kunden entwickelten. Im Jahr 1991 waren wir zum ersten Manager von Devisen-Overlays für institutionelle Kunden geworden. Damals investierten institutionelle Anleger größere Teile ihrer Portfolios in globale Aktien- und Anleihenmärkte. Das internationale Engagement sorgte zwar für mehr wertvolle Diversifizierung, doch es brachte auch unerwünschte Währungsrisiken mit sich. Das war ein großes Problem, denn die Währungspositionen bedeuteten höheres Risiko ohne zusätzliche erwartete Rendite. Wir hatten seit Jahren mit Währungen gehandelt und Kompetenzen im Portfolio-Engineering entwickelt, also waren wir in einer hervorragenden Position, um dieses Problem zu lösen. Später wurden wir der größte aktive Devisenmanager der Welt.
Außerdem entwickelten wir mehrere weitere neue und effektive Methoden für die Anlageverwaltung, die exakt so flogen, wie wir es vorgesehen hatten. Für jedes Konzept präsentierten wir unseren Kunden klar formulierte Performance-Erwartungen in Form einer Grafik, die eine Linie mit den akkumulierten Gewinnen und die erwarteten Schwankungen um diese Linie herum zeigte. Dazu waren wir in der Lage, weil die Systematisierung unseres Entscheidungsprozesses uns die Möglichkeit gab, Stresstests für die Performance unserer Entscheidungsregeln unter einer großen Bandbreite von Bedingungen vorzunehmen.
SYSTEMATISIEREN UNSERER ERKENNTNISSE AUS FEHLERN
Natürlich machten wir weiterhin Fehler, auch wenn sie sämtlich innerhalb der Bandbreite unserer Erwartungen lagen. Sehr nützlich daran war, dass wir aus den meisten unserer Fehler das Optimum herausholten, indem wir uns angewöhnten, sie als Chancen zum Lernen und zur Verbesserung zu betrachten. Einer unserer denkwürdigsten Fehler unterlief uns in den frühen 1990er-Jahren. Ross, damals verantwortlich für den Handel, hatte vergessen, eine Transaktion für einen Kunden einzugeben, und das Geld blieb einfach ungenutzt auf dem Konto liegen. Bis der Fehler entdeckt wurde, betrug der Schaden mehrere Hunderttausend Dollar.
Das war ein schrecklicher und teurer Fehler, und ich hätte irgendetwas Dramatisches tun können – zum Beispiel Ross rauswerfen, um klarzumachen, dass Fehler nicht toleriert werden. Aber weil Fehler andauernd passieren, hätte das andere Mitarbeiter nur ermutigt, ihre zu verbergen, was zu noch größeren und teureren Fehlern geführt hätte. Ich glaubte fest daran, dass wir Probleme und Meinungsverschiedenheiten ans Tageslicht holen sollten, um zu lernen, wie wir besser werden können. Also arbeiteten Ross und ich zusammen an einem »Fehlerprotokoll« für den Handelsbereich. Von da an hielt der jeweilige Händler fest, wenn es irgendeine Art von Problem gab (eine Transaktion wurde nicht ausgeführt, wir bezahlten deutlich höhere Transaktionskosten als erwartet etc.), und anschließend beschäftigten wir uns damit. Als wir diese Probleme konsequent protokollierten und uns darum kümmerten, wurde unsere Maschine für die Handelsausführung kontinuierlich besser.
Einen Prozess zu haben, der sicherstellt, dass Probleme ans Tageslicht kommen und dass nach ihren Ursachen gesucht wird, sorgt dafür, dass kontinuierliche Verbesserungen eintreten.
Aus diesem Grund bestand ich auch darauf, dass für ganz Bridgewater ein Problemprotokoll geführt wurde. Meine Regel war einfach: Wenn etwas schieflief, musste man es protokollieren, den Schweregrad beschreiben und erklären, wer dafür verantwortlich war. Wenn ein Fehler passierte und der Verantwortliche ihn protokollierte, war alles in Ordnung. Wer einen Fehler jedoch nicht protokollierte, bekam ernsthafte Schwierigkeiten. Auf diese Weise wurden unsere Manager auf Probleme aufmerksam gemacht, statt nach ihnen suchen zu müssen, was um Welten besser war. Das Fehlerprotokoll (das wir heute Problemprotokoll nennen) war unser erstes Managementwerkzeug. Später habe ich gelernt, wie wichtig solche Werkzeuge sind, um erwünschte Verhaltensweisen zu fördern. Also entwickelten wir eine ganze Reihe von Werkzeugen, die ich später beschreiben werde.
Unsere Kultur, Probleme und Uneinigkeit ans Tageslicht zu holen, führte zu viel Unbehagen und vielen Konflikten, vor allem wenn es darum ging, sich mit den Schwächen von Menschen zu beschäftigen. Es dauerte nicht lange, bis sich die Situation zuspitzte.
MEIN »UNLÖSBARES« PROBLEM MIT MENSCHEN
An einem Wintertag im Jahr 1993 luden mich Bob, Giselle und Dan zum Abendessen in einem Restaurant ein, um mir »Feedback darüber zu geben, welche Wirkung er [also ich] auf Menschen und die Moral im Unternehmen hat«. Zur Vorbereitung schickten sie mir ein Memo, in dem es im Wesentlichen hieß, meine Art zu arbeiten habe negative Folgen für jeden im Unternehmen. So war es formuliert:
Was kann Ray gut?
Er ist sehr intelligent und innovativ. Er kennt sich mit Märkten und Anlageverwaltung aus. Er ist intensiv und voller Energie. Er hat sehr hohe Standards und gibt sie an andere in seiner Umgebung weiter. Er hat gute Absichten in Bezug auf Teamwork, gemeinsame Verantwortung, flexible Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter und ihre Bezahlung.
Was kann Ray nicht so gut?
Manchmal sagt oder tut Ray gegenüber Mitarbeitern Dinge, die dazu führen, dass sie sich inkompetent, überflüssig, gedemütigt, überfordert, kleingemacht, unterdrückt oder auf andere Weise schlecht fühlen. Die Wahrscheinlichkeit dafür nimmt zu, wenn Ray im Stress ist. In solchen Zeiten erzeugen seine Worte und Taten gegenüber anderen Feindseligkeit ihm gegenüber und hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Die Folge davon ist, dass die Leute eher demotiviert werden als motiviert. Dies verringert die Produktivität und die Qualität des Arbeitsumfelds. Die Auswirkungen reichen weit über den einzelnen Mitarbeiter hinaus. Dass das Unternehmen klein ist und offen kommuniziert, bedeutet, dass jeder betroffen ist, wenn ein Einzelner demotiviert oder schlecht behandelt wird oder wenn ihm der Respekt versagt wird. Der zukünftige Erfolg des Unternehmens hängt in hohem Maß von Rays Fähigkeit ab, mit Menschen so gut umzugehen wie mit Geld. Wenn er nicht richtig mit Menschen umgeht, wird unser Wachstum behindert, und wir alle werden darunter leiden.
Autsch. Das verletzte und überraschte mich. Ich hatte nie gedacht, dass ich derartige Probleme bereitete. Diese Menschen waren meine erweiterte Familie. Ich wollte nicht, dass sie sich »inkompetent, überflüssig, gedemütigt, überfordert, kleingemacht, unterdrückt oder auf andere Weise schlecht« fühlen. Warum hatten sie mir das nicht direkt gesagt? Was machte ich falsch? Waren meine Ansprüche zu hoch? Wenn Bridgewater ein Unternehmen bleiben sollte, wie man es unter zehntausend nur einmal findet, brauchten wir außergewöhnliche Menschen und mussten extrem hohe Standards von ihnen erwarten. Verlangte ich zu viel von ihnen?
Für mich sah die Angelegenheit aus wie ein weiterer Fall einer Weggabelung, bei dem ich zwischen zwei anscheinend unverzichtbaren, aber sich gegenseitig ausschließenden Optionen entscheiden musste: 1) radikal ehrlich miteinander sein und nachbohren, um Probleme und Schwächen ans Tageslicht zu holen, damit wir offen damit umgehen können, und 2) glückliche und zufriedene Mitarbeiter haben. Ich erinnerte mich: Wenn man vor der Wahl zwischen zwei Möglichkeiten steht, die einander zu widersprechen scheinen, sollte man in Ruhe überlegen, wie man so viel von beidem bekommen kann wie nur möglich. Dafür gibt es immer einen guten Weg, den man nur noch nicht gefunden hat. Daher sollte man so lange suchen, bis man ihn findet, statt sich mit der offensichtlichen Entscheidung zufriedenzugeben.
Mein erster Schritt bestand darin, genau zu erfahren, was die Probleme waren und wie dann mit ihnen umzugehen war. Also fragte ich Bob, Giselle und Dan, was sich ihrer Meinung nach abspielte. Ich erfuhr, dass sie selbst und viele Menschen, die mich gut kannten, sich durch mich nicht so demoralisiert fühlten, wie es bei anderen der Fall war, denn sie wussten, dass ich mein Herz am rechten Fleck trug. Wenn sie nicht davon überzeugt gewesen wären, hätten sie gekündigt. Denn wie sie es ausdrückten, ich bezahlte ihnen nicht so viel Geld, dass sie sich »meinen Scheiß angetan« hätten.
Sie wussten, dass ich für sie und Bridgewater nur das Beste wollte und dass ich dafür radikal ehrlich mit ihnen sein musste, genau wie sie radikal ehrlich mit mir sein mussten. Der Grund dafür war nicht nur, dass dies bessere Ergebnisse brachte – ich war auch grundlegend überzeugt davon, dass man so miteinander umgehen sollte. Wir waren uns einig, dass diese Offenheit unverzichtbar war, dass sie aber einigen Leuten schlechte Gefühle bereitete; also musste sich etwas ändern.
Die Menschen, mit denen ich in Kontakt stand, verstanden mich, mochten mich und liebten mich zum Teil sogar. Andere aber, mit denen der Kontakt weniger eng war, fühlten sich von meiner Direktheit angegriffen. Es war klar, dass ich daran arbeiten musste, besser verstanden zu werden und andere besser zu verstehen. Damals wurde mir klar, wie wesentlich es bei zwischenmenschlichen Beziehungen ist, dass die Beteiligten die Prinzipien für den Umgang miteinander exakt kennen.
Damit begann unser mehrere Jahrzehnte währender Prozess, unsere Prinzipien schriftlich festzuhalten, woraus sich die Prinzipien für die Arbeit entwickelt haben. Diese Prinzipien enthielten sowohl Vereinbarungen darüber, wie wir miteinander umgehen wollten, als auch meine Überlegungen, wie wir jede entstehende Situation handhaben sollten. Weil die meisten Situationen mit leichten Abweichungen wiederholt auftraten, wurden die Prinzipien kontinuierlich weiterentwickelt. Was unsere Vereinbarungen miteinander anging, war die wichtigste davon die Vorgabe, drei Dinge zu tun:
  1. Unsere Gedanken ehrlich auf den Tisch bringen.
  2. Eine respektvolle Uneinigkeit pflegen und bereit sein, die eigene Meinung zu ändern, wenn man dazulernt.
  3. Vereinbarte Entscheidungsmethoden (zum Beispiel Abstimmungen oder klare Autoritäten) für den Fall haben, dass die Uneinigkeit fortbesteht, sodass wir sie ohne Verbitterung hinter uns lassen können.
Ich glaube, dass diese Dinge erforderlich sind, damit irgendeine Organisation oder Beziehung wirklich gut sein kann. Außerdem glaube ich, dass ein System zur Entscheidungsfindung in der Gruppe nur dann effektiv sein kann, wenn seine Nutzer der Meinung sind, dass es fair ist.
Unsere Prinzipien für die Arbeit aufzuschreiben und uns darüber auf dieselbe Weise zu synchronisieren, wie wir es mit unseren Prinzipien für die Geldanlage getan hatten, war unverzichtbar dafür, uns gegenseitig zu verstehen. Dies galt umso mehr, als unsere einzigartige Arbeitsweise mit radikaler Wahrhaftigkeit und radikaler Transparenz, die zu unseren einzigartigen Ergebnissen führte, kontraintuitiv und für manche emotional problematisch war.
Um herauszufinden, wie unsere sinnerfüllte Arbeit und unsere sinnerfüllten Beziehungen diese Direktheit überstehen können, unterhielt ich mich in den folgenden Jahrzehnten mit Neurowissenschaftlern, Psychologen und Pädagogen. Ich habe aus diesen Gesprächen viel gelernt und kann es wie folgt zusammenfassen: Im Gehirn jedes Menschen gibt es zwei Teile, den oberen logischen Teil und den unteren emotionalen. Ich nenne sie die »zwei Ichs«, und sie kämpfen in jedem Menschen um die Kontrolle. Wie mit diesem Konflikt umgegangen wird, ist der wichtigste Bestimmungsfaktor für unser Verhalten. Genau dieser Kampf war der entscheidende Grund für die Probleme, die Bob, Giselle und Dan angesprochen hatten. Der logische Teil des Gehirns bei den Mitarbeitern konnte problemlos verstehen, dass es eine gute Sache ist, die eigenen Schwächen zu kennen (weil darin der erste Schritt dazu liegt, sie zu überwinden). Aber dem emotionalen Teil gefällt das meistens überhaupt nicht.