D
amit Ihre Maschine besser werden kann, müssen sich sowohl ihre Menschen als auch ihre Konstruktion weiterentwickeln. Wenn Sie die persönliche Evolution richtig gestalten, sind die Renditen exponentiell. Denn wenn Menschen immer besser werden, sind sie auch besser in der Lage, unabhängig zu denken, nachzubohren und Ihnen dabei zu helfen, Ihre Maschine zu überarbeiten. Je schneller sie sich entwickeln, desto schneller verbessern sich Ihre Ergebnisse.
Ihr Beitrag für die persönliche Weiterentwicklung von Mitarbeitern beginnt mit einer offenen Einschätzung ihrer Stärken und Schwächen, gefolgt von einem Plan, wie die Schwächen reduziert werden können, entweder durch Schulungen oder durch den Wechsel in eine andere Position, die besser zu ihren Stärken und Vorlieben passt. Neue Mitarbeiter bei Bridgewater sind oft verwundert darüber, wie offen und direkt solche Gespräche sein können, aber sie sind weder persönlich noch hierarchisch zu verstehen – niemand wird von dieser Art von Kritik verschont. Zwar ist dieser Prozess sowohl für Manager als auch für ihre Mitarbeiter meist schwierig, aber langfristig macht er die Leute glücklicher und Bridgewater erfolgreicher. Bedenken Sie, dass die meisten Menschen am glücklichsten sind, wenn sie besser werden und Dinge tun, die auf natürliche Weise zu ihnen passen und ihnen dabei helfen, Fortschritte zu machen. Die Schwächen Ihrer Mitarbeiter kennenzulernen, ist deshalb genauso wertvoll (für Sie und den anderen), wie ihre Stärken zu verstehen.
Auch wenn Sie Mitarbeitern bei der Weiterentwicklung helfen, müssen Sie ständig überprüfen, ob sie in der Lage sind, ihre Aufgaben exzellent zu erfüllen. Dabei objektiv zu bleiben, ist nicht einfach, denn oft werden Sie sinnerfüllte Beziehungen zu Ihren Untergebenen haben und deshalb vielleicht zögern, sie bei unzureichender Leistung korrekt zu bewerten. Ähnlich könnten Sie geneigt sein, einen Mitarbeiter schlechter zu bewerten, als er es verdient hätte, wenn er Ihnen nicht sympathisch ist. Eine Ideen-Meritokratie braucht Objektivität. Viele der von uns entwickelten Managementwerkzeuge dienen genau diesem Ziel. Sie sollen uns ein unvoreingenommenes Bild von Menschen und ihrer Leistung zeigen,
das nicht von den Vorlieben irgendeines Managers verzerrt ist. Solche Daten sind unverzichtbar in Fällen, in denen ein Manager und sein Untergebener bei einer Einschätzung nicht synchronisiert sind und andere zur Klärung des Konflikts dazugerufen werden.
Vor einigen Jahren wurde einer unserer Mitarbeiter versuchsweise als Abteilungsleiter eingesetzt. Sein Vorgänger hatte das Unternehmen verlassen, und Greg, damals der CEO, wollte wissen, ob dessen Stellvertreter die richtigen Fähigkeiten für diese Rolle mitbrachte. Er selbst fühlte sich ihr gewachsen, Greg und andere hingegen waren nicht davon überzeugt. Dennoch wurde die Entscheidung nicht einfach durch ein Votum des CEO getroffen. Wir wollen, dass Entscheidungen stärker evidenzbasiert gefällt werden. Durch unser System Dot Collector für ständiges Feedback hatten wir buchstäblich Hunderte Datenpunkte zu den spezifischen Eigenschaften, die für den Job erforderlich waren, unter anderem zur Synthesefähigkeit, zu der Frage, ob jemand weiß, was er nicht weiß, und zu Management auf der richtigen Ebene. Also ließen wir all diese Daten auf einem Bildschirm anzeigen und schauten sie uns zusammen mit höchster Konzentration an. Dann baten wir den Mitarbeiter, einen Blick auf die Belege zu werfen und zu überlegen, ob er sich selbst den Job geben würde, wenn er selbst darüber entscheiden müsste, ob er sich diesen Job geben würde. Als er in der Lage war, einen Schritt zurückzutreten und sich das objektive Beweismaterial anzusehen, erklärte er sich bereit, Platz zu machen und eine andere Rolle bei Bridgewater auszuprobieren, die besser zu seinen Stärken passte.
Menschen bei der Aneignung von Kompetenzen zu helfen ist ganz einfach – meistens muss man dafür nichts weiter tun, als ihnen die richtige Schulung zu geben. Verbesserungen bei Fähigkeiten dagegen sind schwieriger, aber unverzichtbar, um einer Person mit der Zeit mehr Verantwortung geben zu können. Auf keinen Fall aber sollten Sie darauf zählen, die Werte von jemandem verändern zu können. In jeder Beziehung kommt irgendwann ein Punkt, an dem Sie entscheiden müssen, ob Sie füreinander gemacht sind – im Privatleben wie in jeder Organisation, die hohe Standards einhält. Bei Bridgewater wissen wir, dass wir keine Kompromisse bei den
Grundlagen unserer Kultur machen dürfen. Wenn jemand nicht in vertretbarer Zeit die Anforderungen erfüllt, muss er gehen.
Jede Führungskraft muss entscheiden, ob sie 1) sich von beliebten, aber inkompetenten Mitarbeitern trennt, um ihre Ziele zu erreichen, oder 2) beliebte, aber inkompetente Mitarbeiter behält und die Ziele nicht erreicht. Ob Sie solche schwierigen Entscheidungen treffen können oder nicht, ist der wichtigste Bestimmungsfaktor für Ihren eigenen Erfolg oder Misserfolg. In einer Kultur wie der von Bridgewater haben Sie keine Wahl. Sie müssen sich für Erstklassigkeit entscheiden, auch wenn das in einem bestimmten Moment schwierig ist, denn es ist am besten für alle.
9.1
Verstehen, dass Sie und Ihre Untergebenen einen Prozess der persönlichen Evolution durchlaufen werden
Niemand ist von diesem Prozess ausgenommen. Ob er gut verläuft, hängt von der Fähigkeit der Beteiligten ab, offene Einschätzungen zu Stärken und Schwächen zu äußern (wobei die Schwächen am wichtigsten sind). Zwar ist es für Manager im Allgemeinen genauso schwierig, dieses Feedback zu geben, wie es für die Untergebenen schwierig ist, es anzunehmen. Doch auf lange Sicht macht es Menschen glücklicher und Organisationen erfolgreicher.
a.
Anerkennen, dass persönliche Weiterentwicklung eine relativ schnelle und natürliche Folge der Entdeckung der eigenen Stärken und Schwächen ist; Karrierewege sollten deshalb nicht gleich am Anfang geplant werden.
Beim Evolutionsprozess geht es darum, die Vorlieben und Abneigungen von Menschen ebenso zu entdecken wie ihre Stärken und Schwächen. Er beginnt, wenn jemand eine Position bekleidet, in der er wahrscheinlich Erfolg haben wird, für den er sich aber anstrengen muss. Die Karriere jeder einzelnen Person bei uns entwickelt sich auf der Grundlage von dem, was wir alle darüber lernen, wie diese Person ist.
Mitarbeitern sollte genügend Freiheit zugestanden werden, damit
sie lernen und eigenständig denken können. Gleichzeitig sollten sie Betreuung erfahren, um zu verhindern, dass ihnen inakzeptable Fehler unterlaufen. Feedback sollte ihnen beim Nachdenken darüber helfen, ob ihre Probleme so beschaffen sind, dass sie durch zusätzliches Lernen behoben werden können, oder ob sie auf natürlichen Fähigkeiten beruhen, die sich eher nicht verändern werden. Meist dauert es sechs bis zwölf Monate, um einen neuen Mitarbeiter einigermaßen kennenzulernen, und ungefähr 18 Monate, bis er die Kultur aufgenommen und sich an sie angepasst hat. In dieser Zeit sollte es regelmäßige kleine Beurteilungen und mehrere große geben. Nach jeder Beurteilung sollte der Mitarbeiter neue Aufgaben bekommen, die auf seine Vorlieben und Abneigungen sowie Stärken und Schwächen abgestimmt sind. Dies ist ein schrittweise ablaufender Prozess, in dem die durch Schulung, Tests und Anpassung gesammelten Erfahrungen die Person zu immer besser passenden Rollen und Aufgaben führen. Bei Bridgewater ist dieser Prozess in den meisten Fällen herausfordernd und lohnend zugleich; der Mitarbeiter profitiert davon, weil er sich selbst besser verstehen lernt und mit unterschiedlichen Aufgaben vertraut wird. Wenn er dazu führt, dass sich unsere Wege trennen, liegt das meist daran, dass der Betroffene feststellt, dass er bei Bridgewater in keiner Position exzellent und glücklich sein kann.
b.
Verstehen, dass Training/Schulung den Prozess der persönlichen Weiterentwicklung leitet.
Wer an einem Training teilnimmt, muss aufgeschlossen sein. Für diesen Prozess muss er sein Ego zurückstellen, um herauszufinden, was er gut macht und was schlecht, und um zu entscheiden, was deswegen zu tun ist. Auch der Trainer muss aufgeschlossen; am besten arbeiten jeweils mindestens zwei glaubwürdige Trainer mit jedem Trainee zusammen, damit sie ihre Ansichten über den Trainee abstimmen können. Dieses Training ist ein »Ausbildungsverhältnis«. Es beruht darauf, dass Trainer und Trainee zusammen Erfahrungen machen, wie wenn ein Skilehrer zusammen mit seinem Schüler fährt. Der Prozess fördert Wachstum, Weiterentwicklung und Transparenz darüber, wo Mitarbeiter stehen, warum sie dort stehen, wo sie stehen, und was sie tun können, um das zu verbessern. Er
beschleunigt nicht nur die persönliche Weiterentwicklung der Teilnehmer, sondern auch die der Organisation.
c.
Den Mitarbeitern Angeln beibringen, statt ihnen Fische zu geben, selbst wenn sie dann Fehler machen.
Manchmal müssen Sie daneben stehen und zusehen, wie jemand einen Fehler macht (ausgehend davon, dass er nicht zu gravierend ist), damit er lernen kann. Wenn Sie Menschen dauernd sagen, was sie tun sollen, ist das ein schlechtes Zeichen – Mikromanagement weist meist auf Inkompetenz bei der damit angeleiteten Person hin. Statt Mikromanagement zu betreiben, sollten Sie schulen und testen. Lassen Sie die Leute wissen, wie sie ihre Entscheidungen angehen könnten, aber diktieren Sie ihnen das nicht. Das Nützlichste, was Sie tun können, ist, sich mit ihnen zu synchronisieren und zu erkunden, wie sie Dinge erledigen und warum.
d.
Anerkennen, dass Erfahrung internalisiertes Lernen ermöglicht, das sich durch Buchwissen nicht ersetzen lässt.
Es gibt riesige Unterschiede zwischen gedächtnisbasiertem Bücherwissen und praktischem, internalisiertem Lernen. Ein Medizinstudent, dem in einer Vorlesung erklärt wurde, wie eine bestimmte Operation durchgeführt werden muss, hat sie nicht auf dieselbe Weise erlernt wie ein Arzt, der bereits mehrere dieser Operationen selbst vorgenommen hat. Menschen, die besonders gut im Lernen aus Büchern sind, rufen meist aus ihrem Gedächtnis ab, was sie gelernt haben, um den dort gespeicherten Instruktionen zu folgen. Menschen, die internalisiert gelernt haben, nutzen die Gedanken, die aus ihrem Unterbewusstsein strömen, ohne aktiv zu denken, ungefähr so wie sie eine Straße entlanggehen. Diese Unterschiede zu verstehen, ist von entscheidender Bedeutung.
9.2
Kontinuierlich Feedback geben
Die meisten Trainingserfolge beruhen darauf, eine Leistung zu erbringen und sich danach darüber zu synchronisieren. Das Feedback sollte ansprechen, was gut läuft und was nicht,
proportional zur tatsächlichen Situation sein und nicht in einem Versuch enden, Lob und Kritik im Gleichgewicht zu halten. Denken Sie daran, dass Sie für die Erreichung Ihrer Ziele verantwortlich sind und dass Sie wollen, dass Ihre Maschine funktioniert wie geplant. Dafür müssen Ihre Mitarbeiter die Erwartungen erfüllen, und nur Sie können ihnen dabei helfen, zu erkennen, ob ihnen das gelingt. Wenn die Stärken und Schwächen Ihrer Mitarbeiter klarer werden, können ihre Aufgaben besser auf sie zugeschnitten werden, damit die Maschine besser funktioniert und persönliche Weiterentwicklung möglich ist.
9.3
Korrekt bewerten, nicht freundlich
Niemand hat behauptet, dass radikale Ehrlichkeit einfach ist. Vor allem für neue Mitarbeiter, die sich noch nicht daran gewöhnt haben, kann eine ehrliche Beurteilung wie ein Angriff erscheinen. Behalten Sie von einer höheren Warte aus das Gesamtbild im Auge und raten Sie der von Ihnen bewerteten Person, das Gleiche zu tun.
a.
Letztlich sind Korrektheit und Freundlichkeit das Gleiche.
Etwas kann freundlich erscheinen, doch wenn es nicht korrekt ist, wird es für die betroffene Person und häufig auch für andere in der Organisation schädlich sein.
b.
Lob und Kritik in den Zusammenhang stellen.
Hilfreich ist, wenn Sie klarmachen, ob die Schwäche oder der Fehler, um die oder den es geht, repräsentativ für die Gesamtbewertung einer Person ist. Einmal habe ich zu einem unserer neuen Research-Mitarbeiter gesagt, was für einen guten Job er meiner Meinung nach machte und wie überzeugend ich sein Denken fand. Es war eine sehr positive Erstbeurteilung. Ein paar Tage später hörte ich, wie er ausgiebig über Sachen plauderte, die nichts mit seiner Arbeit zu tun hatten, also wies ich ihn auf die Kosten für seine und unsere Entwicklung hin, wenn er regelmäßig Zeit verschwenden würde. Anschließend bekam ich mit, dass er dachte, kurz vor der Entlassung zu stehen. Dabei hatte meine Bemerkung über die Notwendigkeit von Konzentration
nichts mit meiner Gesamtbeurteilung zu tun. Hätte ich meine Kritik besser erklärt, als wir uns zum zweiten Mal zusammensetzten, hätte er sie im richtigen Zusammenhang verstehen können.
c.
An Korrektheit denken, nicht an die Folgen.
Häufig kommt es vor, dass sich eine Person nach Erhalt eines kritischen Feedbacks vor allem mit den Folgen dieses Feedbacks beschäftigt statt mit der Frage, ob es berechtigt ist. Das ist ein Fehler. Wie ich später erklären werde, sind meist schlechte Entscheidungen das Resultat, wenn man »Was ist?« mit »Was tun?« verwechselt. Helfen Sie anderen, indem Sie Feedback so äußern, dass erkennbar wird, dass Sie nur zu verstehen versuchen, was richtig ist. Herauszufinden, was deswegen zu tun ist, ist eine ganz andere Diskussion.
d.
Korrekte Einschätzungen treffen.
Menschen sind Ihre wichtigste Ressource, und Wahrhaftigkeit ist die Grundlage von Erstklassigkeit. Also sollten Ihre Personalbeurteilungen so präzise und korrekt wie möglich sein. Das erfordert Zeit und einen intensiven Austausch. Ihre Einschätzung der Leistung von verantwortlichen Personen sollte nicht darauf beruhen, ob sie so vorgehen, wie Sie es tun würden, sondern darauf, ob sie es gut machen. Sprechen Sie offen, hören Sie aufgeschlossen zu, berücksichtigen Sie die Ansichten von anderen glaubwürdigen und ehrlichen Menschen und versuchen Sie, sich darüber zu synchronisieren, wie es in Bezug auf die betroffene Person aussieht und warum. Denken Sie daran, nicht zu sehr auf Ihre eigenen Einschätzungen zu vertrauen, denn damit können Sie durchaus falschliegen.
e.
Von Erfolgen ebenso lernen wie von Misserfolgen.
Radikale Wahrhaftigkeit bedeutet nicht, dass Sie die ganze Zeit negativ sein müssen. Nennen Sie Beispiele für Aufgaben, die gut erledigt wurden, und die Gründe für diesen Erfolg. Dies wirkt als Verstärkung für die Aktivitäten, die zu den guten Ergebnissen geführt haben, und schafft Vorbilder für diejenigen, die noch lernen.
f.
Wissen, dass jeder das, was er getan hat und tut, für deutlich wichtiger hält, als es wirklich ist.
Wenn Sie jeden Mitarbeiter einer Organisation fragen, für welchen Anteil des Erfolgs er persönlich verantwortlich ist, bekommen Sie einen Gesamtwert von ungefähr 300 Prozent.
39
Das ist einfach die Realität, und sie zeigt, warum Sie präzise sein müssen, wenn Sie konkrete Ergebnisse auf die Arbeit konkreter Menschen zurückführen. Andernfalls werden Sie nie wissen, wer wofür verantwortlich ist – und noch schlimmer, vielleicht machen Sie den Fehler, Leuten zu glauben, die zu Unrecht von sich behaupten, für herausragende Ergebnisse verantwortlich zu sein.
9.4
Erkennen, dass liebevolle Strenge sowohl die schwierigste als auch die wichtigste Form von Liebe ist (weil sie so selten willkommen ist)
Das größte Geschenk, das Sie jemandem machen können, ist die Macht, erfolgreich zu sein. Menschen die Chance zu bieten, zu kämpfen, statt ihnen einfach die Dinge zu geben, für die sie kämpfen, wird sie stärker machen.
Ein Lob lässt sich leicht aussprechen, aber es trägt nicht dazu bei, dass Menschen sich anstrengen. Die Fehler und Schwächen einer Person anzusprechen (damit sie weiß, worum sie sich kümmern muss), ist deutlich schwieriger und wird weniger geschätzt, hat langfristig jedoch einen viel höheren Wert. Neue Mitarbeiter werden irgendwann zu schätzen lernen, was Sie tun, aber anfangs fällt es ihnen meist schwer, es zu verstehen. Um effektiv zu sein, müssen Sie deutlich und wiederholt die Logik und die Fürsorge dahinter erklären.
a.
Erkennen, dass die meisten Menschen Lob zwar lieber mögen, dass Kritik aber wertvoller ist.
Den Spruch »Qualität kommt von quälen« werden Sie schon einmal gehört haben. Wie Psychologen gezeigt haben, beruhen die mächtigsten persönlichen Transformationen darauf, dass eine Person nie wieder die Schmerzen
erleben möchte, die ein Fehler bei ihr verursacht hat; man spricht dann auch davon, »den Boden zu erreichen«. Zögern Sie also nicht, anderen diese Erfahrungen zu ermöglichen und sie auch selbst zu haben.
Zwar ist wichtig, Mitarbeitern deutlich zu sagen, was sie richtig machen. Noch wichtiger aber ist es, sie auf ihre Schwächen hinzuweisen und sie zu motivieren, darüber nachzudenken.
Probleme erfordern mehr Zeit als Dinge, die gut laufen. Sie müssen identifiziert, verstanden und angegangen werden, während Dinge, die funktionieren, weniger Aufmerksamkeit benötigen. Statt zu feiern, wie toll wir sind, konzentrieren wir uns darauf, wo wir besser werden müssen. Genau auf diese Weise sind wir so gut geworden.
9.5
Beobachtungen über Menschen nicht für sich behalten
Erkunden Sie Menschen offen und mit dem Ziel, herauszufinden, wie Sie und Ihre Mitarbeiter ticken, damit die richtigen Personen mit den richtigen Aufgaben betraut werden können.
a.
Die Synthese von konkreten Punkten ausgehend entwickeln.
Mit Synthese meine ich, auf der Grundlage von reichlich Daten ein präzises Bild zu zeichnen. Zu viele Menschen beurteilen andere, ohne diese Einschätzung mit konkreten Daten zu verbinden. Wenn Sie so viele konkrete Daten haben wie wir bei Bridgewater – die Punkte, die Aufzeichnungen von Meetings und so weiter –, können und müssen Sie vom Konkreten ausgehen und Muster in den Daten erkennen. Sogar ohne Werkzeuge wie unsere können Ihnen andere Daten wie Kennzahlen, Testergebnisse und Informationen von anderen dabei helfen, ein vollständigeres Bild von einer Person zu bekommen und zu erkunden, was sie gemacht hat.
b.
Die Punkte auspressen.
Jede Beobachtung einer Person kann Ihnen etwas Wertvolles darüber verraten, wie sie vorgeht. Wie ich weiter oben erklärt habe, bezeichne ich diese Beobachtungen als
»Punkte«. Ein Punkt ist ein Datenpunkt zusammen mit Ihrer Einschätzung seiner Bedeutung – ein Urteil über etwas, dass jemand entschieden, gesagt oder gedacht hat. Meistens ziehen wir solche Schlüsse und fällen wir solche Urteile implizit und behalten sie für uns. Ich aber bin der Meinung, dass sie extrem wertvoll sein können, wenn es Zeit wird, einen Schritt zurückzutreten und das Bild von einer Person zu synthetisieren. Dazu müssen sie systematisch gesammelt und in einen zeitlichen Kontext gestellt werden.
c.
Die Punkte nicht zu sehr auspressen.
Denken Sie daran: Ein Punkt ist nur ein Punkt – entscheidend ist das Gesamtbild. Betrachten Sie jeden einzelnen Punkt als einen Schlagversuch im Baseball. Selbst hervorragende Spieler werden viele Male nicht richtig treffen, und es wäre idiotisch, sie auf der Grundlage von nur einem Patzer zu beurteilen. Aus diesem Grund gibt es im Sport Statistiken, die unterschiedliche Quoten exakt erfassen.
Mit anderen Worten: Für jedes Einzelereignis gibt es viele mögliche Erklärungen, wohingegen ein Verhaltensmuster Ihnen viel über die dahinterliegenden Ursachen verraten kann. Wie viele Beobachtungen für eine Mustererkennung nötig sind, hängt davon ab, wie gut Sie sich nach jeder einzelnen Beobachtung miteinander synchronisieren. Eine hochwertige Diskussion darüber, wann und warum sich eine Person auf eine bestimmte Weise verhalten hat, dürfte Ihnen beim Verständnis des Gesamtbildes helfen.
d.
Werkzeuge wie Performance-Befragungen, Kennzahlen und formale Bewertungen nutzen, um alle Aspekte der Leistung einer Person zu dokumentieren.
Es ist schwierig, ein objektives, aufgeschlossenes und emotionsfreies Gespräch über die Leistung eines Mitarbeiters zu führen, wenn keine Daten als Grundlage dafür vorliegen. Ebenfalls ist es dann schwierig, Fortschritte zu erfassen. Dies ist einer der Gründe dafür, dass ich den Dot Collector entwickelt habe. Außerdem empfehle ich, über weitere Möglichkeiten nachzudenken, die Leistung von Mitarbeitern in Kennzahlen abzubilden. Zum Beispiel kann man dafür sorgen, dass sie auf Checklisten festhalten, was sie erledigt haben und was nicht; auf dieser Grundlage lässt sich dann ein Prozentanteil der erledigten
Aufgaben berechnen. Kennzahlen verraten, ob die Dinge laufen wie geplant – sie sind ein objektives Mittel der Einschätzung und erhöhen die Produktivität von Mitarbeitern.
9.6
Den Prozess des Lernens, wie jemand ist, offen, evolutionär und schrittweise gestalten
Formulieren Sie Ihre Einschätzung der Werte, Fähigkeiten und Kompetenzen eines Mitarbeiters vorläufig und kommunizieren Sie sie; hören Sie sich die Reaktion des Betroffenen und anderer Personen darauf an, organisieren Sie einen Plan für Trainings, Schulungen und Tests und überprüfen Sie Ihre Schlussfolgerung anhand der Performance, die Sie dann beobachten, noch einmal. Machen Sie das laufend. Nach mehreren Monaten mit Diskussionen und Tests in der realen Welt dürften Sie und Ihr Mitarbeiter eine ziemlich gute Vorstellung davon haben, wie er ist. Mit der Zeit werden sich durch diese Praxis geeignete Rollen und passende Trainings- und Schulungsmaßnahmen herauskristallisieren – oder es zeigt sich, dass es für die Person Zeit ist, sich anderswo einen Job zu suchen, der besser zu ihr passt.
a.
Kennzahlen deutlich und unparteiisch gestalten.
Um den Bau Ihres Perpetuum mobile zu erleichtern, sollten Sie einen Satz von klaren Regeln und einen Satz von klaren Kennzahlen haben, der die Leistung von Mitarbeitern gemessen an diesen Regeln erfasst. Außerdem brauchen Sie im Voraus festgelegte Konsequenzen, die sich aus festen Formeln auf der Grundlage der erfassten Kennzahlen ergeben.
Je exakter die Regeln formuliert sind, desto weniger wird darüber gestritten werden, ob jemand wirklich etwas falsch gemacht hat. Zum Beispiel haben wir Regeln dazu, wie Mitarbeiter ihre eigenen Geldanlagen so verwalten können, dass sie nicht in einen Konflikt mit unserem Anlagemanagement für Kunden geraten. Weil die Regeln exakt sind, gibt es bei Verstößen keinen Spielraum für Streitigkeiten.
Kennzahlen zu haben, die jedem die Möglichkeit geben, die
Ergebnisse aller anderen zu sehen, macht Bewertungen objektiver und fairer. Die Leute werden dann das tun, für das sie bessere Noten bekommen, und weniger darüber streiten. Natürlich haben die meisten Mitarbeiter unterschiedliche Aufgaben, die unterschiedlich wichtig sind, also müssen unterschiedliche Kennzahlen verwendet und entsprechend gewichtet werden. Je mehr Daten Sie sammeln, desto unmittelbarer und präziser wird Ihr Feedback sein. Dies ist einer der Gründe dafür, dass ich unser Werkzeug Dot Collector so entwickelt habe, wie es funktioniert (es liefert reichlich unmittelbares Feedback). Häufig werden die Rückmeldungen daraus genutzt, um noch während eines Meetings in Echtzeit den Kurs zu korrigieren.
Wenn man Kennzahlen hat, kann man sie in einen Algorithmus einfließen lassen, der die Konsequenzen berechnet. Das kann so einfach sein wie die Aussage »Jedes Mal, wenn du X machst, verdienst du den Geldbetrag Y (oder Bonuspunkte).« oder viel komplexer (zum Beispiel kann man die gewichtete Kombination der einzelnen Kennzahlen in verschiedene Algorithmen einbinden, die zusammen die geschätzte Vergütung oder die Bonuspunkte berechnen).
Zwar kann dieser Prozess niemals exakt sein, aber selbst in seiner einfachsten Form ist er immer noch hilfreich, und mit der Zeit dürfte er sich so weiterentwickeln, dass er hervorragend ist. Auch wenn es Fehler enthält, lässt sich das Ergebnis der formelhaften Berechnung zusammen mit einem gewissen Ermessensspielraum nutzen, um Bewertungen und Vergütung präziser zu machen; mit der Zeit wird sich daraus eine wundervolle Maschine entwickeln, die einen großen Teil Ihrer Managementarbeit besser erledigt, als Sie es selbst könnten.
b.
Mitarbeiter ermutigen, objektiv über ihre eigene Leistung nachzudenken.
In der Lage zu sein, sich selbst von einer höheren Warte aus zu betrachten, ist unverzichtbar für persönliche Weiterentwicklung und das Erreichen Ihrer Ziele. Also sollten Sie und die Menschen, die für Sie arbeiten, sich gemeinsam die Indizien für ihre Leistung ansehen. Damit das gut funktioniert, brauchen Sie ausgesprochen viele von diesen Indizien und einen objektiven
Standpunkt. Ziehen Sie, wenn nötig, gemeinsam vereinbarte Dritte hinzu, um deren Ansichten mit dem Bild abzugleichen, das aus den Indizien entsteht.
c.
Das Gesamtbild betrachten.
Wenn Sie jemanden bewerten, ist es das Ziel, Muster zu erkennen und das Gesamtbild zu sehen. Niemand kann in jeder Hinsicht erfolgreich sein (wer zum Beispiel extrem akkurat ist, kann vielleicht nicht gleichzeitig schnell sein, und umgekehrt). Die Einschätzungen in Bewertungen müssen konkret sein. Es geht darin nicht darum, wie Menschen sein sollten
, sondern darum, wie sie sind
.
d.
Bei Performance-Beurteilungen von konkreten Fällen ausgehen, nach Mustern suchen und sich mit der bewerteten Person synchronisieren, indem Sie die Belege gemeinsam durchgehen.
Feedback sollte laufend gegeben werden, formelle Beurteilungen aber erfolgen meist in bestimmten Zeitabständen. Ihr Sinn ist die Zusammenstellung der Indizien, die Aufschluss über eine Person geben, soweit sie mit ihrer beruflichen Leistung zusammenhängen. Wenn das laufende Feedback richtig gegeben wird, hat es Ähnlichkeit mit einer laufenden Beurteilung, weil die einzelnen Teile das Ganze ergeben. Eine Beurteilung sollte nur wenige Überraschungen enthalten, denn Sie sollten versuchen, kontinuierlich zu verstehen, wie eine Person ihren Job erledigt. Wenn Sie nicht mit ihrer Leistung einverstanden sind, sollten Sie in jedem einzelnen Fall nachfragen, um die Ursachen dafür zu identifizieren und ihre Behebung anzugehen. Menschen fällt es schwer, ihre eigenen Schwächen zu identifizieren; um zu einer echten Einsicht zu gelangen, wie sie sind und wie gut sie in ihre Jobs passen, brauchen sie das richtige Nachbohren (aber keine Spitzfindigkeiten) anhand konkreter Fälle durch andere.
In manchen Fällen wird es nicht lange dauern, bis man erkennt, wie ein Mensch ist; in anderen Fällen ist es deutlich schwieriger. Doch mit der Zeit und mit genügend Fällen sollte die Erfolgsgeschichte einer Person (der Stand ihrer Leistung und die allgemeine Richtung und Steilheit der Entwicklung in den Bereichen, für die sie verantwortlich ist, nicht die kleinen Ausschläge) ein
deutliches Bild davon zeichnen, was Sie von ihr erwarten können. Wenn es Performance-Probleme gibt, liegt das entweder an Problemen mit der Konstruktion (vielleicht hat die Person zu viele Aufgaben) oder an Problemen im Bereich Übereinstimmung/Fähigkeiten. Wenn die Probleme auf mangelnde Fähigkeiten zurückzuführen sind, beruht dies entweder auf angeborenen Schwächen (so ist jemand, der nur 1,60 Meter groß ist, wahrscheinlich nicht besonders gut als Center eines Basketballteams geeignet) oder an unzureichendem Training. In einer Beurteilung sowie bei der das ganze Jahr über laufenden Synchronisierung sollten diese Themen angesprochen werden. Achten Sie darauf, Ihre Einschätzung in Bezug auf die absolute Messlatte zu formulieren, nicht nur gemessen am Fortschritt im Zeitverlauf. Am wichtigsten sind nicht die reinen Ergebnisse, sondern die Art und Weise, wie jemand mit seinen Aufgaben umgeht. Das Ziel einer Beurteilung ist, auf der Grundlage von dem, was man über eine Person weiß, deutlich zu machen, in welchen Feldern man sich auf sie verlassen kann und in welchen nicht. Ausgehend davon können Sie festlegen, was deswegen zu tun ist.
e.
Daran denken, dass es bei der Einschätzung von Menschen zwei große Fehler gibt: zu sehr auf die eigene Einschätzung vertrauen und sich nicht darüber synchronisieren.
Wenn Sie glauben, dass ein Sachverhalt auf eine bestimmte Person zutrifft, sind Sie verpflichtet, sicherzustellen, dass er tatsächlich wahr ist und dass die betroffene Person dem zustimmt. Natürlich mag in manchen Fällen eine Synchronisation unmöglich sein (zum Beispiel wenn Sie glauben, dass eine Person unehrlich war, und sie das Gegenteil behauptet). Aber in einer Kultur von Wahrhaftigkeit und Transparenz hat man die Pflicht, die eigenen Ansichten zu teilen und anderen Gelegenheit zu geben, die ihren zu äußern.
f.
Bei Beurteilungen auf nichthierarchische Weise Synchronisation anstreben.
In den meisten Organisationen laufen Beurteilungen nur in eine Richtung: Der Vorgesetzte bewertet seine Untergebenen. Der Bewertete ist mit der Bewertung meist nicht einverstanden, vor allem wenn sie schlechter ausfällt als seine
eigene Einschätzung, denn die meisten Menschen beurteilen sich selbst besser, als sie wirklich sind. Zudem haben Untergebene Meinungen über ihre Vorgesetzten, die sie in den meisten Unternehmen niemals zu äußern wagen würden, also gären Missverständnisse und Feindseligkeiten vor sich hin. Dieses perverse Verhalten untergräbt die Effektivität der Arbeitsumgebung und die Beziehungen zwischen Menschen. Vermeiden lässt es sich, indem man sich auf hochwertige Weise synchronisiert.
Ihre Untergebenen müssen davon überzeugt sein, dass Sie nicht ihr Feind sind – dass Ihr alleiniges Ziel darin besteht, der Wahrheit näherzukommen, und dass Sie versuchen, ihnen zu helfen, und aus diesem Grund weder Selbsttäuschung zulassen noch Lügen weiterverbreiten noch sie vom Haken lassen. Dies muss auf eine ehrliche und transparente Weise geschehen, denn wenn jemand glaubt, dass er zu Unrecht in eine Schublade gesteckt wird, ist der Prozess von vornherein zum Scheitern verurteilt. Als gleichberechtigte Partner liegt es an beiden Seiten, zur Wahrheit zu gelangen. Wenn beide Parteien die gleichen Rechte haben, kann sich niemand in die Ecke gedrängt fühlen.
g.
Durch offene Gespräche über Fehler und ihre Ursachen Menschen kennenlernen und sich kennenlernen lassen.
Sie müssen sich unmissverständlich äußern, wenn Sie Ihren Mitarbeitern Ihre Einschätzungen übermitteln, und aufgeschlossen sein, wenn Ihre Mitarbeiter darauf antworten, damit Sie zusammen daran arbeiten können, die passenden Trainings- und Karrierewege zu definieren. Schwächen von Menschen zu erkennen und darüber zu sprechen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben eines Managers. Wichtig ist, dass die Seite, an die das Feedback gerichtet ist, Mitgefühl mit der Seite hat, die es äußert, denn das ist nicht einfach – um zur Wahrheit zu gelangen, braucht es Charakter bei beiden Beteiligten.
h.
Verstehen, dass man nicht immer bei allem zusehen muss, um sicherzustellen, dass Mitarbeiter gute Arbeit leisten.
Sie müssen lediglich wissen, wie Mitarbeiter sind, und dann Stichproben machen. Regelmäßige Stichproben mit einer statistisch
aussagekräftigen Zahl an Fällen werden Ihnen zeigen, wie eine Person ist und was Sie von ihr erwarten können. Entscheiden Sie, welche ihrer Aktivitäten so kritisch sind, dass sie eine vorherige Genehmigung erfordern, und mit welchen Sie sich später beschäftigen können. Denken Sie aber auf jeden Fall darüber nach, denn wenn Menschen bemerken, dass sie nicht kontrolliert werden, gönnen sie sich tendenziell zu viel Leerlauf oder könnten sogar betrügen.
i.
Anerkennen, dass Veränderung schwierig ist.
Alles, was Veränderung erfordert, kann schwierig sein. Doch um zu lernen, zu wachsen und Fortschritte zu machen, müssen Sie sich verändern. Wenn Sie mit Veränderung konfrontiert sind, fragen Sie sich selbst: Bin ich aufgeschlossen? Oder eher störrisch? Stellen Sie sich Ihren Schwierigkeiten direkt und zwingen Sie sich, zu erkunden, worauf sie beruhen, und dann werden Sie feststellen, dass Sie eine Menge lernen.
j.
Menschen durch den Schmerz helfen, der durch die Beschäftigung mit ihren Schwächen entsteht.
Bei den meisten Meinungsverschiedenheiten erhitzen sich die Gemüter, vor allem wenn es um die Schwächen einer Person geht. Sprechen Sie auf ruhige, langsame und analytische Weise, um Kommunikation zu ermöglichen. Stellen Sie Dinge in ihren Kontext, indem Sie Betroffene daran erinnern, dass es sich bei ihren Schmerzen um Schmerzen handelt, die mit Lernen und persönlicher Weiterentwicklung einhergehen – und dass die Erfahrung der Wahrheit sie auf den Weg zu einem viel besseren Ort bringen wird. Erwägen Sie, Betroffene zu bitten, sich zurückzuziehen und wiederzukommen, wenn sie sich beruhigt haben, und setzen Sie das Gespräch ein paar Tage später fort.
Um Menschen dabei zu helfen, Erfolg zu haben, müssen Sie letztlich zwei Dinge tun: Erstens müssen Sie ihnen ihre Fehler so deutlich vor Augen führen, dass sie motiviert sind, etwas zu verändern, und zweitens müssen Sie ihnen zeigen, wie sie entweder etwas verändern oder andere hinzuziehen können, die dort stark sind, wo sie selbst Schwächen aufweisen. Das Erste zu tun und auf das
Zweite zu verzichten, kann demoralisierend auf diejenigen wirken, denen Sie helfen wollen. Beides zusammen aber sollte sie motivieren, vor allem wenn sie anfangen, die Vorteile zu erleben.
9.7
Zu wissen, wie Mitarbeiter vorgehen, und einschätzen zu können, ob diese Vorgehensweise zu guten Ergebnissen führen wird, ist wichtiger als zu wissen, was sie getan haben
Das Wissen darüber, wie Menschen sind, ist der beste Indikator dafür, wie gut sie in Zukunft mit ihren Aufgaben umgehen werden. Bei Bridgewater sagen wir dazu: »stärker auf die Ausholbewegung achten als auf den Schlag«. Weil gute und schlechte Ergebnisse auf Umständen beruhen können, die nicht unbedingt etwas damit zu tun haben, wie eine Person mit einer Situation umgegangen ist, sollte man Menschen nicht nur anhand ihrer Ergebnisse, sondern auch anhand der Überlegungen dahinter beurteilen. Ich habe die Angewohnheit, hier sehr offen nachzubohren und niemanden vom Haken zu lassen. Dadurch habe ich viel darüber gelernt, wie ich die Logik anderer Menschen beurteilen und meine eigene Logik verbessern kann. Wenn sowohl das Ergebnis als auch die Überlegungen dahinter nicht überzeugend sind und wenn das bei jemandem mehrmals vorkommt, weiß ich, dass ich auf die von ihm zur Schau gestellte Art des Denkens lieber verzichten möchte.
Wenn Sie zum Beispiel Pokerspieler sind und häufig spielen, werden Sie manche Hände gewinnen und andere verlieren, und Sie könnten jeden beliebigen Abend mit weniger Geld beenden als ein schlechterer Spieler, der einfach Glück hatte. Es wäre deshalb ein Fehler, die Qualität eines Spielers nur auf der Grundlage eines einzigen Ergebnisses zu beurteilen. Stattdessen sollten Sie sich ansehen, wie gut jemand das tut, was er tut, und welche Ergebnisse er damit im Lauf der Zeit erreicht.
a.
Wenn jemand seinen Job nicht gut macht, darüber nachdenken, ob das an unzureichendem Lernen oder unzureichenden Fähigkeiten liegt.
Verstehen Sie die Leistung einer Person als etwas, das sich aus zwei Elementen zusammensetzt: Lernen und Fähigkeiten, wie auf Seite 508 dargestellt. Eine Schwäche, die sich auf einen Mangel an Erfahrung oder Training und Schulung zurückführen lässt, lässt sich beheben, nicht aber eine Schwäche, die auf einem Mangel an Fähigkeiten beruht. Viele Manager machen den Fehler, nicht zwischen diesen beiden Ursachen zu unterscheiden, weil sie nicht unfreundlich oder wertend erscheinen möchten. Außerdem wissen sie, dass Menschen, die so beurteilt werden, sich oft wehren. Dies ist eine weitere Situation, in der Sie sich zwingen müssen, pragmatisch und realistisch zu sein.
b.
Ein häufiger Fehler ist, eine Person mit schwacher Leistung zu schulen und zu testen, um herauszufinden, ob sie die erforderlichen Kompetenzen erwerben kann, ohne gleichzeitig zu versuchen, ihre Fähigkeiten einzuschätzen.
Kompetenzen lassen sich leicht testen, also sollten sie auch leicht festzustellen sein. Bei Fähigkeiten, insbesondere bei denen in der rechten Hirnhälfte angesiedelten, ist das schwieriger. Wenn Sie darüber nachdenken, warum jemand schwache Leistungen zeigt, sollten Sie offen die Möglichkeit prüfen, dass es mit seinen Fähigkeiten zusammenhängt.
9.8
Anerkennen, dass die Schwächen wahrscheinlich eine Tatsache sind, wenn Sie mit dem Betroffenen wirklich synchronisiert darüber sind
Wenn Sie zu einer Einigung kommen, ist das ein gutes Zeichen dafür, dass Sie die Wahrheit gefunden haben – aus diesem Grund ist es eine bemerkenswerte Leistung, diesen Punkt zu erreichen. Zugleich ist dies einer der Hauptgründe dafür, dass die bewertete Person bei diesem Prozess ein gleichberechtigter Teilnehmer sein muss. Wenn
Sie sich einigen, sollten Sie das formell festhalten. Diese Information wird ein entscheidender Baustein für späteren Erfolg sein.
a.
Bei der Bewertung von Menschen daran denken, dass Sie nicht den Punkt »jenseits eines Hauchs von Zweifel« erreichen müssen.
Perfektes Einvernehmen ist nicht möglich, und sich daran zu versuchen, bedeutet Zeitverschwendung und behindert den Fortschritt. Stattdessen sollten Sie auf ein gegenseitiges grobes Einvernehmen über die Frage hinarbeiten, wie jemand ist, und sich relativ sicher mit dieser Einschätzung sein. Nehmen Sie sich wenn nötig die Zeit, um dieses Einvernehmen zu konkretisieren.
b.
Nicht länger als ein Jahr brauchen, um herauszufinden, wie eine Person ist und ob sie gut für ihre Aufgabe geeignet ist.
Nach sechs bis zwölf Monaten mit engem Kontakt, zahlreichen Tests und Synchronisierungen sollten Sie in der Lage sein, die Fähigkeiten einer Person grob einzuschätzen. Eine Einschätzung mit größerer Sicherheit erfordert wahrscheinlich eher 18 Monate. Der genaue Zeitaufwand hängt natürlich von der Aufgabe, der Person selbst, der Intensität des Kontakts zu ihr und der Qualität Ihrer Synchronisierung ab.
c.
Menschen immer weiter einschätzen.
Wenn Sie Ihre Mitarbeiter
besser kennenlernen, werden Sie besser in der Lage sein, sie zu schulen und ihnen Orientierung zu geben. Am wichtigsten ist, dass Sie besser in der Lage sein werden, ihre Kernwerte und Fähigkeiten einzuschätzen und dafür zu sorgen, dass sie Ihre eigenen ergänzen. Geben Sie sich aber nicht mit Ihrer anfänglichen Einschätzung zufrieden. Fragen Sie sich stets, ob sie jemanden für seinen aktuellen Job eingestellt hätten, wenn Sie gewusst hätten, was Sie inzwischen über ihn wissen. Falls dem nicht so ist, nehmen Sie ihm diesen Job wieder weg.
d.
Mitarbeiter genau so streng bewerten wie Bewerber.
Ich finde es merkwürdig, dass Personalmanager offen und selbstsicher Bewerber kritisieren, die sie nicht gut kennen, aber nicht bereit sind, Mitarbeiter für ähnliche Schwächen zu kritisieren, obwohl sie über mehr Indizien dafür verfügen. Der Grund ist, dass sie Kritik für schädlich halten und das Gefühl haben, Kollegen stärker schützen zu müssen als Externe. Wenn Sie glauben, dass die Wahrheit für alle das Beste ist, dürften Sie erkennen, warum dieses Vorgehen ein Fehler ist und warum offene und ständige Bewertungen so wichtig sind.
9.9
Menschen schulen, absichern oder entfernen, nicht resozialisieren
Schulungen sind Teil des Plans zur Verbesserung der Kompetenzen von Mitarbeitern und eine Hilfe für ihre Weiterentwicklung. Eine Resozialisierung ist der Versuch, signifikante Veränderungen bei Werten und/oder Fähigkeiten herbeizuführen. Weil sich Werte und Fähigkeiten nur schwierig verändern lassen, ist eine Resozialisierung in der Praxis zumeist nicht möglich. Weil Menschen mit unzureichenden Werten und Fähigkeiten verheerende Auswirkungen auf eine Organisation haben können, sollte man sie entlassen. Wenn man eine Resozialisierung versucht, dann sollte sie im Allgemeinen von Experten angeleitet werden und einen längeren Zeitraum umfassen.
Denken Sie daran: Wenn Sie erwarten, dass jemand in Zukunft
besser ist als in der jüngeren Vergangenheit, dann begehen Sie wahrscheinlich einen schweren Fehler. Menschen, die wiederholt auf eine bestimmte Weise agiert haben, werden wahrscheinlich genau so weitermachen, weil dieses Verhalten zeigt, wie sie sind. Weil sich Menschen allgemein nur langsam verändern, sollten Sie (bestenfalls) mit langsamer Verbesserung rechnen. Stattdessen müssen Sie also entweder die Menschen oder die Konstruktion auswechseln. Weil es allgemein keine gute Idee ist, die Konstruktion zu verändern, um sie an die Schwächen von Personen anzupassen, sollten Sie lieber bei den Menschen ansetzen. Manchmal verlieren gute Mitarbeiter »ihre Kisten« (sie werden aus ihrer aktuellen Aufgabe entlassen), weil sie sich nicht schnell genug zu verantwortlichen Personen weiterentwickeln konnten. Manche von ihnen sind möglicherweise in einer anderen Position gut aufgehoben und sollten dann innerhalb des Unternehmens wechseln. Bei anderen ist das nicht so, und sie sollten gehen.
a.
Keine Menschen sammeln.
Jemanden in einem für ihn ungeeigneten Job zu behalten, ist viel schlimmer, als ihn zu entlassen oder an anderer Stelle einzusetzen. Denken Sie an die enormen Kosten dafür, jemanden nicht zu entlassen, der für einen Job nicht geeignet ist: die Kosten der schlechten Leistung, die Zeit und die Mühe, die für seine Schulung verschwendet werden, und die viel größeren Schmerzen, wenn man jemanden entlässt, der schon eine Weile (sagen wir fünf Jahre oder länger) im Haus ist, statt jemanden, der erst seit einem Jahr dabei ist. Menschen in Jobs zu behalten, für die sie nicht geeignet sind, ist schrecklich für sie, weil sie dadurch in einer falschen Realität leben können, die ihre persönliche Weiterentwicklung behindert; und es ist schrecklich für die Gemeinschaft, weil es die Meritokratie untergräbt, worunter jeder zu leiden hat. Lassen Sie sich von niemandem als Geisel nehmen – es gibt immer jemand anderen. Machen Sie keine Abstriche an Ihren Standards und lassen Sie sich nicht ausquetschen.
b.
Bereit sein, »Menschen, die Sie lieben, zu erschießen«.
Leute zu entlassen, die Ihnen am Herzen liegen, ist sehr schwierig. Sich von
jemandem zu trennen, zu dem Sie eine sinnerfüllte Beziehung haben, der aber in seinem Job nicht zur ersten Garde zählt, ist schwierig, weil es stets schwierig ist, eine gute Beziehung zu beenden. Doch für die langfristige Erstklassigkeit des Unternehmens ist es unverzichtbar. Möglicherweise brauchen Sie dringend jemanden für die Arbeit, die eine solche Person erledigt (selbst wenn sie das nicht exzellent macht), und Sie tun sich schwer, eine Änderung vorzunehmen. Aber wenn Sie das nicht tun, wird die Person das ganze Umfeld in Mitleidenschaft ziehen und genau dann versagen, wenn Sie sie am dringendsten brauchen.
Dies zu tun, ist eine Ihrer schwierigen, aber notwendigen Aufgaben. Die beste Vorgehensweise dafür ist, »die Menschen, die Sie erschießen, zu lieben« – gehen Sie besonnen vor und so, dass es den Betroffenen hilft.
c.
Wenn jemand »ohne Kiste« ist, überlegen, ob es eine freie Kiste gibt, in die er besser passen würde, oder ob Sie ihn aus dem Unternehmen entfernen müssen.
Erkennen Sie an, dass der Grund dafür, dass eine Person in ihrem Job versagt hat, in bestimmten Eigenschaften liegt. Sie müssen verstehen, welche Eigenschaften das sind, und sicherstellen, dass sie für eine andere Aufgabe keine Bedeutung haben. Außerdem sollten Sie nicht zulassen, dass jemand, bei dem Sie erkannt haben, dass es ihm an Potenzial für einen Aufstieg mangelt, den Stuhl von jemandem besetzt, der über dieses Potenzial verfügt.
Denken Sie daran: Sie versuchen, Menschen auszuwählen, mit denen Sie Ihr Leben teilen wollen. Jeder entwickelt sich weiter. Vorgesetzte erhalten mit der Zeit eine bessere Vorstellung von den Stärken und Schwächen neuer Mitarbeiter sowie von ihrer Eignung für die Kultur, als es bei Einstellungsgesprächen möglich ist. Dadurch sind sie gut dafür positioniert, ihre Eignung für eine andere Aufgabe einzuschätzen, wenn es mit der, für die jemand ursprünglich eingestellt wurde, nicht gut funktioniert.
Immer wenn jemand in einem Job versagt, ist es entscheidend, zu verstehen, was die Gründe für dieses Versagen waren und warum sie in einer anderen Position nicht dieselben Probleme verursachen werden.
d.
Zurückhaltend sein, wenn Mitarbeiter nach einem Misserfolg eine andere Rolle übernehmen wollen.
Beachten Sie, dass ich »zurückhaltend« schreibe. Ich schreibe nicht »ablehnend«, denn entscheidend sind immer die Umstände. Einerseits wollen Sie, dass Menschen sich anstrengen und mit neuen Aufgaben experimentieren – Sie werden sich nicht von einem hervorragenden Mitarbeiter trennen, nur weil er etwas Neues ausprobiert hat und daran gescheitert ist. Auf der anderen Seite werden Sie später in den meisten Fällen bereuen, wenn Sie zugelassen haben, dass jemand eine andere Position übernimmt.
Es gibt drei Gründe dafür: 1) Sie blockieren damit einen Platz für eine andere Person, die vielleicht in der Lage wäre, von dort aus voranzukommen, und es ist besser, solche Mitarbeiter zu haben als andere; 2) die Person, die eine neue Position einnimmt, will möglicherweise weiterhin das tun, wozu sie nicht in der Lage ist, also besteht eine echte Gefahr, dass sie wieder Aufgaben übernimmt, die sie nicht beherrscht; 3) die betroffene Person könnte ein Gefühl der Einengung und der Verbitterung entwickeln, wenn sie eine Position übernimmt, über die hinaus sie wohl nicht mehr aufsteigen kann. Sie zu behalten, wird allgemein als die kurzfristig bessere Entscheidung angesehen, langfristig aber ist sie wahrscheinlich falsch. Dies ist eine schwierige Entscheidung. Bevor Sie sich festlegen, müssen Sie eingehend verstehen, wie die Person ist, um die es geht, und sorgfältig die Kosten abwägen.
9.10
Daran denken, dass das Ziel einer Umbesetzung ist, einen Mitarbeiter möglichst gut und intensiv so einzusetzen, dass die Gemeinschaft insgesamt profitiert
Beide von einer solchen Entscheidung betroffenen Manager sollten übereinstimmen, dass die neue Rolle die beste und intensivste Verwendung für einen Mitarbeiter ist, oder die Entscheidung darüber auf einer höheren Ebene treffen lassen. Der Manager, der die Person übernehmen möchte, ist dafür verantwortlich, damit keine
Störungen zu verursachen. Ein informelles Gespräch, um zu sehen, ob jemand Interesse zeigt, ist schön und gut, aber es sollte keine aktiven Rekrutierungsbemühungen geben, bevor die Synchronisierung mit dem bisherigen Manager stattgefunden hat. Die Zeitplanung für den Wechsel sollte durch den bisherigen Manager in Abstimmung mit den relevanten Parteien erfolgen.
a.
Mitarbeiter »ihre Ausholbewegungen beenden lassen«, bevor sie in neue Positionen wechseln.
Wenn kein dringender Grund vorliegt, der etwas anderes erfordert (zum Beispiel, weil jemand hervorragend für einen anderen Job wäre, der sofort besetzt werden muss), sollte es stets Kontinuität geben, keine Unterbrechungen. In einem Unternehmen, in dem sich die Dinge rasch weiterentwickeln und in dem von den Mitarbeitern erwartet wird, dass sie offen sprechen, ist nur natürlich, dass es einen stetigen Strom an Gelegenheiten geben wird, in neue Positionen zu wechseln. Aber wenn zu viele Leute von einem Job zum nächsten springen, ohne ihre Aufgaben zu erfüllen, kommt es zu Diskontinuität, Durcheinander und Instabilität; das ist schlecht für die Manager, schlecht für die Kultur und schlecht für die Wechselnden selbst, weil dann ihre Fähigkeit, Dinge bis zur Vollendung voranzutreiben, nicht ausreichend getestet wird. Als Richtschnur sollte ein Jahr in einem Job vergehen, bevor über eine neue Rolle gesprochen wird. Aber das ist keine Frage von Schwarz und Weiß – abhängig von den Umständen kann die Zeitspanne auch eine ganz andere sein.
9.11
Die Latte nicht niedriger legen
In allen Beziehungen erreicht man irgendwann einen Punkt, an dem man entscheiden muss, ob man füreinander bestimmt ist – das gilt für das Privatleben wie für jede Organisation, die sehr hohe Standards verlangt. Bei Bridgewater wissen wir, dass wir keine Kompromisse in Bezug auf die Grundlagen unserer Kultur machen dürfen. Wenn es jemandem also nicht gelingt, in vertretbarer Zeit unsere Anforderung von Erstklassigkeit durch radikale Wahrhaftigkeit und radikale Transparenz zu erfüllen, muss er gehen.