Kapitel 16
IN DIESEM KAPITEL
Feedback spielt eine entscheidende Rolle im Bildungswesen, da es nicht nur der persönlichen Entwicklung von Lehrkräften und Schülern dient, sondern auch die Qualität der pädagogischen Arbeit verbessern kann.
Auf pädagogischer Ebene trägt konstruktives Feedback dazu bei, Lern- und Verhaltensstrategien zu verfeinern und eine positive Lernumgebung zu schaffen, die auf die Entwicklung der Schüler zugeschnitten ist. Feedback ist somit unverzichtbar für einen effektiven Bildungs- und Entwicklungsprozess. Mit dieser Haltung der Prozessorientierung kann durch eine qualitative Rückmeldung (Feedback) eine vorwärtsgewandte Entwicklung angeregt werden (Feedforward, vom Englischen forward, nach vorne).
Die Rückmeldung der Lehrkraft stellt eine wirkungsvolle Intervention für den Lernerfolg der Schüler dar. Feedback unterstützt Schüler dabei, ihre Fortschritte zu verstehen und individuelle Schwächen zu identifizieren. Schüler sind auf Rückmeldung angewiesen, um Einblick in die eigenen Leistungen zu erhalten, aber auch, um ein Gefühl für die eigenen Einflussfaktoren zu entwickeln.
Im Rahmen der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (siehe Kapitel 14 Vom Wert der Motivation) kommt dem informierenden Feedback eine Bedeutung zu. Die Rückmeldung spricht den Aspekt der Kompetenz an und im weiteren Sinne auch die Verbundenheit durch den Prozess der Rückmeldung und den Austausch von Selbst- und Fremdwahrnehmung. Das Einschätzen der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten ist wichtig für den Ausbau des individuellen Kompetenzerlebens.
Das Selbstbild und Mindset bilden eine Einheit, die sich gegenseitig bedingt. In Kapitel 7 habe ich die Begriffe Fixed Mindset und Growth Mindset beschrieben und voneinander abgegrenzt. Dort habe ich bereits darauf hingewiesen, wie wichtig die sprachliche Form von Rückmeldungen ist. Ein Growth Mindset, also innere Haltungen, Einstellungen und Überzeugungen über sich selbst und die Umwelt ist dynamisch und flexibel. Dadurch findet Wachstum statt. Feedback, die Meinung anderer dient als wichtige Informationsquelle für die eigene Entwicklung. Anders beim Fixed Mindset, das statisch und starr bleibt. Rückmeldungen werden tendenziell als Bewertungen aufgefasst und als Urteil über die eigenen Fähigkeiten.
Aus der Definition ergibt sich eine Ausrichtung auf Gelingensbedingungen. Um diese zu sichern, liegen zwei wesentliche Verantwortungen bei der Lehrkraft:
Die Lernumgebung bildet einen sozialen Raum, in dem sich Lehrkräfte und Schüler gleichermaßen bewegen. Damit das soziale Miteinander gelingt, formuliert die Lehrkraft als Führungsverantwortliche ihre Vorstellungen vom gemeinsamen Arbeiten zu Beginn der gemeinsamen Arbeit (proaktiv). Daran geknüpfte Erwartungen an das Lernen und Verhalten der Schüler müssen transparent sein. Die transparente Vorwegnahme schafft Orientierung. Das ist eines der vier psycho-sozialen Grundbedürfnisse (vergleiche dazu Kapitel 12 Bedürfnisse und Entwicklungsaufgaben und ihre Bedeutung für Führung).
Im Abgleich zwischen gewünschter Wirklichkeit (so sollen die Schüler sich verhalten) und erlebter Wirklichkeit (so verhalten sich die Schüler) braucht es achtsame Wahrnehmung und Feedback. Das Feedback ist ein wichtiges Instrument, Schüler in ihrer Eigenverantwortung zu stärken. Jedes Verhalten hat Auswirkungen in zwei Richtungen:
Es gibt verschiedene Formen von Feedback, die je nach Kontext und Zielsetzung unterschiedliche Zwecke erfüllen können. Die Rückmeldungen können sich sowohl auf den Prozess als auch auf das Ergebnis beziehen. An dieser Stelle möchte ich auf das Feedback von Schülern als Rückmeldung zum Lernprozess eingehen.
Feedback mit Schülern sollte das Lernen und die Interaktion fokussieren. Unterricht findet in Interaktion zwischen Lehrkraft und Schülern statt. Die Auswertung dieser Interaktion und der damit verbundenen Ergebnisse kann Feedback leisten. Durch die Rückmeldung der Lernenden erhält die Lehrkraft wichtige Informationen zu ihrem professionellen Wirken. Viele Feedbackformate lassen sich mit wenig Zeitaufwand in den unterrichtlichen Alltag integrieren. Sind sie einmal methodisch eingeführt, brauchen sie nur wenig Zeit in der Umsetzung.
Es stärkt zugleich demokratische Prozesse, denn die Schüler machen die Erfahrung, dass ihre Meinung von Bedeutung ist. Wenn Schüler erleben, dass ihre Meinung Gewicht hat, werden sie sich auf das Feedback gut einlassen können. Als Lehrkraft ist es daher wichtig, Rückschlüsse aus dem Feedback für die Schüler sichtbar zu machen.
Für Lehrkräfte dient Feedback als wertvolles Instrument zur Reflexion über ihren Unterricht und ermöglicht die Anpassung an die Bedürfnisse der Schüler und an eine gute Lernumgebung.
Die Einbindung Ihrer Schüler in den Rückmeldeprozess gelingt über eine Auswahl bestimmter Impulse, die Sie zum Abschluss Ihrer Stunde (oder Einheit) anbieten. Die Schüler dürfen auswählen, mit welchem Impuls sie Rückmeldung geben.
Durch das niederschwellige Setting in Form von Satzanfängen erhalten Sie auswertbare Informationen;
Die Impulse und Satzanfänge können Sie nach Belieben erweitern. Achten Sie darauf, dass die Rückmeldung einen beobachtbaren Bezugspunkt hat und eine Begründung erfolgt. Wenn Schüler zum Beispiel eine bestimmte Methode oder Aufgabenart nicht gerne machen, lassen Sie sich erzählen, warum. Seien Sie dankbar für die Rückmeldungen und nutzen Sie diese für Ihren weiteren Unterricht. Vielleicht haben die Schüler auch eigene Ideen. Diese Form der Rückmeldung dauert wenige Minuten. Sie erfahren in kurzer Zeit einiges. Es müssen nicht alle rückmelden. Wenn Sie die Methode regelmäßig einbinden, kommen alle früher oder später zu Wort.
Die Art der Darbietung können Sie an die Klassenstufe anpassen. In jüngeren Klassen können Sie zunächst auch nur mit einem Ampel-Symbol arbeiten.
Durch das Einbeziehen der Schülereindrücke leiten Sie diese auch zur Selbsteinschätzung an. So werden die Schüler in die Verantwortung für den Lernerfolg miteinbezogen.
Hier weitere Methoden, die schnell umsetzbar sind:
Ampel
Jeder Schüler der Klasse hat einen Satz an Farbkarten im Mäppchen, die für diese Methode griffbereit sind. Mit einer entsprechenden Farbkarte können die Schüler Zustimmung oder Ablehnung zu einer Fragestellung signalisieren.
Blitzlicht
Zu einer Frage geht reihum die Rückmeldung wie ein Blitzlicht durch die Klasse. Das bedeutet, jeder Schüler sagt blitzschnell zum Beispiel nur ein (für ihn zentrales) Wort zur heutigen Stunde.
Handabstand
Die Schüler halten ihre Handflächen parallel zueinander und über den Abstand signalisieren sie zum Beispiel, wie schwierig eine Aufgabe für sie zu bearbeiten war. Dabei gilt: Kleiner Abstand steht für »einfach«, großer Abstand steht für »schwierig«. So kann die Lehrkraft als Nächstes fragen, wie die Schüler die Formulierung der Aufgabe (Arbeitsanweisung) erlebt haben (»gut erklärt« / »missverständlich«). Und sich so mit wenigen Fragen einen Überblick verschaffen, auf welchem Stand die Schüler den heutigen Unterricht verlassen.
Punkteabfrage/Fadenkreuz
Das Fadenkreuz besteht aus vier Feldern (vier Quadranten) und in jedem der vier Felder steht eine Aussage. Die Schüler markieren ihre Position zum Beispiel mit Klebepunkten oder einem schriftlichen »X«. Je näher sie am Innenpol sind, desto stärker stimmen sie einer Aussage oder Fragestellung zu.
Skalierung
Zu Stundenbeginn verorten sich die Schüler mit einer Namensklammer auf einer Skala von 0 (keine Fragen, alles klar) bis 10 (bin nicht arbeitsfähig / brauche Hilfe). Die Lehrkraft sieht unmittelbar, wer Unterstützung benötigt, und kann Hilfestellungen auch an Schüler untereinander delegieren. Schüler, die arbeitsfähig sind, können zügig weiterarbeiten oder anderen Hilfe leisten.
Neben der Rückmeldung durch Ihre Zielgruppe, die Schüler, können Sie auch in der Selbstreflexion Ihren Unterricht nachträglich beleuchten und Entscheidungen für Ihre nächste Stunde(n) treffen. Qualitative Fragen richten den Blick auf professionelles Wissen und Können, unter anderem auf Ihre unterrichtlichen Planungen, Ihre Kommunikation, Ihr Führungshandeln, Ihre Präsenz sowie Ihre selbstregulativen Fähigkeiten.
Fragen und Impulse:
Diese Selbstreflexion soll Sie befähigen, Ihre professionellen Entscheidungen zu überdenken und bei Bedarf anzupassen. Die Impulse und Fragen werden mehr und mehr in Ihr reflektiertes Selbst übergehen. Das bedeutet, dass sie Ihren Blick bereits bei der Planung des Unterrichts schärfen und dadurch Ihre Unterrichtsqualität steigern können.
Das Johari-Fenster ist ein Modell, das 1955 von den Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham entwickelt wurde. (Der Name setzt sich aus den jeweiligen Anfangsbuchstaben der beiden Vornamen zusammen.) Es dient als Instrument der Selbsterkenntnis und dazu, die Interaktion und das Verständnis zwischen Menschen zu verbessern. Als Feedback-Methode ist es etabliert.
Menschen steuern bewusst und unbewusst, was die Umwelt über sie erfährt. Das Johari-Fenster deckt die bewussten und unbewussten Merkmale von Persönlichkeit und Verhalten auf und zielt darauf ab, den sogenannten blinden Fleck zu verkleinern (siehe Abbildung 16.1).
Abbildung 16.1: Das Johari-Fenster
Den blinden Fleck zu verringern, dient dem (Selbst-)Erkenntnisgewinn und ist generell ein Ziel von Feedback. Damit dies konstruktiv erfolgen kann, braucht es neben einer wertschätzenden Atmosphäre vor allem auch Offenheit und die Bereitschaft, unterschiedliche Perspektiven zuzulassen und zu berücksichtigen.
Menschen können sich nicht umfassend selbst beobachten und sind daher auf Rückmeldungen über die eigene Wirkung im sozialen Kontext angewiesen. Feedback stellt die Fremdwahrnehmung zur Verfügung (Feedbackgeber). Diese Fremdwahrnehmung wird dem Feedbacknehmer »zur Verfügung gestellt«. Sie kann in Beziehung zur Selbstwahrnehmung gesetzt werden. Durch die Erweiterung der eigenen Wahrnehmung wird Wachstum und Entwicklung ermöglicht.
Würden wir uns gemeinsam eine Unterrichtssequenz auf Video anschauen, würden viele subjektive Beobachtungseinstellungen zu unterschiedlichen Wahrnehmungsschwerpunkten führen. Diese wiederum würden das Feedback zur gesehenen Sequenz prägen. Es ist wichtig, sich dessen beim Feedbackgeben gewahr zu sein.
Wenn Sie dies selbst einmal ausprobieren möchten, können Sie diese Videos unter dem Stichwort Monkey Business Illusion anschauen. Auch der Color Changing Card Trick spielt mit diesem Phänomen. Nun sind Sie natürlich schon geprimt und daher ist Ihre Aufmerksamkeit fokussiert; es macht Spaß, die Videos mit nicht eingeweihten Personen zu schauen.
Damit der Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung gut gelingt, braucht es gewisse Regeln, auf deren Einhaltung alle Beteiligten achten sollten. Die Regeln zuvor transparent zu machen, ist hilfreich und nimmt dem Feedback den Bewertungscharakter.
Verantwortung beim Feedbackgeber:
Verantwortung beim Feedbacknehmer:
Durch den Fokus auf konkrete Situationen und Beispiele im sozialen Kontext findet das Feedback einen Handlungsrahmen, der beide Seiten absichert. Er schützt vor »falschen« willkürlichen Beobachtungen.
Diese Situation hinterlässt gewisse Spuren zum Thema Feedback. Dass Formate wie das »kollegiale Feedback« (Lehrkräfte besuchen sich gegenseitig im Unterricht und geben sich strukturierte Rückmeldung) nicht so gut angenommen werden, ist möglicherweise eine solche Auswirkung.