Zum Anlass von Jörg Ulrichs 60. Geburtstag am 9. Juni 2020 ist es dem Herausgeber eine große Freude und Ehre, dem Jubilar die vorliegende Auswahl wichtiger von ihm verfasster Aufsätze zu überreichen, welche sein forscherisches Schaffen im zurückliegenden Vierteljahrhundert widerspiegeln. Diese papierene Gabe verbindet sich mit den besten Glücks- und Segenswünschen zum Geburtstag, für das weitere wissenschaftliche Wirken wie für das Leben jenseits dieses Schaffens. Der Herausgeber freut sich darauf, als Kollege und Freund einzelne Abschnitte des vor dem Jubilar liegenden, hoffentlich noch langen Lebensweges mitgehen zu dürfen!
Wichtige Stationen auf Jörg Ulrichs bisherigem Schaffensweg seien hier in aller Kürze in Erinnerung gerufen: Nach dem Vikariat in der Kirchengemeinde Arnum (Hannoversche Landeskirche) und der Ordination war er von 1991 bis 2001 wissenschaftlicher Assistent am kirchengeschichtlichen Lehrstuhl seines Doktorvaters Hanns-Christof Brennecke an der Universität Erlangen, wo er im Jahre 1993 mit seiner Arbeit zum Thema „Die Anfänge der abendländischen Rezeption des Nizänums“ promovierte und sich im Jahr 1997 mit seiner Studie „Euseb von Caesarea und die Juden. Studien zur Rolle der Juden in der Theologie des Eusebius von Caesarea“ habilitierte. Im Jahr 2002 folgte er dann dem Ruf auf eine Professur für Kirchengeschichte an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, von wo er kurz darauf an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wechselte, an deren theologischer Fakultät er seitdem forscht und lehrt. Unter seinen zahlreichen Funktionen und Ämtern seien besonders hervorgehoben sein Wirken als Universitätsprediger der Martin-Luther-Universität seit 2003 sowie als „Adjungeret Professor“ (Honorarprofessor) an der Universität Aarhus / Dänemark seit 2005.
Jörg Ulrichs Qualifikationsschriften weisen die auf dem Gebiet der Patristik traditionell zentrale Epoche des 4./5. Jahrhunderts als ersten großen Arbeitsschwerpunkt aus, mit den zwei großen Unteraspekten der trinitarischen Auseinandersetzungen und insbesondere der Rezeption des Nizänums im Westen einerseits sowie des Wirkens Eusebs von Cäsarea, speziell vor dem Horizont des Verhältnisses zwischen Christen und Juden in der Spätantike andererseits. Die in diesem Band versammelte Aufsatzauswahl spiegelt natürlich diesen Fokus wider, macht darüber hinaus aber zwei weitere Arbeitsgebiete kenntlich, die für Jörg Ulrichs Forschen ebenfalls zentral sind und die Spannbreite wie den Titel dieses Bandes prägen: zum einen die frühchristlichen Apologeten und ihr historisches Umfeld, mit besonderem Augenmerk auf Justin, zum anderen auch die Kirchen- und Theologiegeschichte des abendländischen 12. Jahrhunderts, welche den Bogen bis zu Hildegard von Bingen spannt. Dass Jörg Ulrichs literarisches Schaffen auch diesen Bogen noch übersteigt, zeigen z. B. etliche Publikationen zur neueren Kirchengeschichte1 sowie seine so zahlreich veröffentlichten Predigten,2 die freilich eng mit seinem Amt als Universitätsprediger verbunden sind und in diesem Band nur wegen der Ausrichtung auf sein kirchenhistorisches Arbeiten keine Berücksichtigung fanden.
Ein wichtiger Aspekt, der sich an Jörg Ulrichs Freude am Predigen besonders zeigt, prägt freilich auch seine Arbeitsweise als Kirchenhistoriker, wie sie sich in den hier abgedruckten Aufsätzen niederschlägt: Er versteht es auf hervorragende Weise, die Verstehenswelt seiner Adressaten – seien es Predigthörer, seien es Kirchenhistoriker (das eine muss das andere nicht ausschließen) – bei seinen Ausführungen im Blick zu haben, sich an ihr zu orientieren und seine Inhalte sehr anschaulich und einleuchtend zu präsentieren. Und so erweist Jörg Ulrich sich in seinem kirchenhistorischen Schaffen zwar mit gutem Grund nicht als Prediger, aber sehr wohl als ausgezeichneter Lehrer – die hier versammelten Aufsätze mögen bestätigen, dass sich diese Charakterisierung durch den Herausgeber nicht allein der Voreingenommenheit des Schülers verdankt.
Befragt man den Kirchengeschichts-Lehrer Jörg Ulrich nach dem methodischen Spezifikum, das er seinen Lesern vermitteln will und das ihn selbst prägt, so ist es wohl immer wieder der genaue und kritische Blick auf die Quellen, das Streben, vergangene Begebenheiten aus der Geschichte des Christentums und speziell theologische Zusammenhänge anhand des vorhandenen Quellenmaterials, freilich im Bewusstsein der eigenen Perspektive, in ihrem jeweiligen historischen Kontext möglichst präzise einzuzeichnen und zu verstehen. Dieser Blick fürs Detail durchzieht Jörg Ulrichs Veröffentlichungen, und er lässt ihn auch in historischen Horizonten, die in der Forschung z. T. schon ausgiebig traktiert wurden, immer wieder interessante, wichtige Details erkennen, die vorher unterbelichtet blieben: sei es Justins innovative Eigenleistung beim vielzitierten Konzept des logos spermatikos oder das außergewöhnliche Phänomen der Vision bei der vielbeachteten „Mystikerin“ Hildegard von Bingen.
Dass der vorliegende Band in der Reihe „Early Christianity in the Context of Antiquity (ECCA)“ erscheint, ist freilich kein Zufall, hat Jörg Ulrich diese Reihe doch mitbegründet und bildet sie einen zentralen Fokus seines Forschens trefflich ab. Für den Band wurden die Formalia der 18 Aufsätze den Reihenvorgaben angepasst, offensichtliche Druckfehler wurden stillschweigend korrigiert. Die Beiträge sind in der chronologischen Reihenfolge ihrer Erstpublikation abgedruckt.
Herzlicher Dank gebührt allen, welche bei der Vorbereitung des Bandes mitgewirkt und damit dessen Erscheinen erst ermöglicht haben. Namentlich zu nennen ist hier das Göttinger Team mit Rosetta Manshausen im Kirchengeschichts-Sekretariat, den studentischen Hilfskräften Ann-Katrin Krause und Madeleine Landré sowie dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Jan Reitzner. Für die kompetente Beratung mit Know-how zur Reihe ECCA geht ein spezieller Dank auch nach Halle an die Hilfskräfte Franziska Grave, Hannah Mälck und Malina Teepe.
Göttingen, zum 9. Juni 2020 | Tobias Georges |
1 Siehe z. B. J. Ulrich, „Wir kämpfen einen guten Kampf“. Paul Tillichs Grabpredigten im Ersten Weltkrieg, in: F. Stengel / J. Ulrich (eds.), Kirche und Krieg. Ambivalenzen in der Theologie, Leipzig 2015, 107–118.
2 Siehe z. B. J. Ulrich, Photometeore. Hallesche Universitätspredigten 2003–2007, Dößel 2007; id., Die bunte Gnade Gottes. Hallesche Universitätspredigten 2007–2011, Dößel 2012; id., Vom kleinen und vom großen Glück. Hallesche Universitätspredigten 2012–2016, Dößel 2017.