Euseb, HistEccl III,14–20 und die Frage nach der Christenverfolgung unter Domitian*

Seit Rudolf Freudenbergers Erlanger Dissertation über die Rechtslage der Christen im Römischen Reich des zweiten Jahrhunderts1 ist deutlich geworden, daß das Christsein selbst, das nomen Christianum,2 der rechtserhebliche Tatbestand war, der im Falle einer persönlich vorgebrachten Anzeige die Kapitalstrafe nach sich zog. Der Pliniusbrief ep. 10,96 und das Trajanreskript ep. 10,97 aus dem Jahre 113 bestimmen im wesentlichen die Situation der Christen, die, solange sie nicht als solche angezeigt werden, im Römischen Reich relativ unbehelligt leben (das conquirendi non sunt des Trajan) und dabei sogar bis in hohe Ämter in Verwaltung und Militär aufsteigen können, die aber andererseits ständig davon bedroht sind, im Falle einer nicht-anonym eingehenden Beschuldigung auf Grund ihrer confessio nominis das Martyrium zu erleiden (Trajans puniendi sunt). Diese Situation der Christen muß über mehr als zwei Jahrhunderte nahezu unverändert so Gültigkeit besessen haben: Für die spätere Zeit, also von 113 bis zum Toleranzedikt des Galerius 311,3 zeigt sich dies z. B. klar an der sarkastischen Polemik Tertullians4 oder auch an der bei Euseb mitgeteilten Episode des Marinusmartyriums.5 Für die Zeit vor 113 dürfen wir insofern eine vergleichbare Lage voraussetzen, als sich Plinius ja in seinem Brief an Trajan ausdrücklich darauf beruft, ein rechtmäßiges Ermittlungsverfahren zu befolgen.6 Präziseres geben die Quellen leider nicht her. Es sollte aber in diesem Zusammenhang nochmals auf Jürgen Molthagens Bewertung des Tacitusberichtes über die ←25 | 26→neronische Christenverfolgung7 hingewiesen werden, die zu zeigen versucht, daß der Hintergrund der von Plinius bereits vorausgesetzten Rechtslage letztlich im Vorgehen Neros gegen die Christen zu suchen sein könnte.8

Die christliche apologetische Geschichtsschreibung zeichnet bekanntlich ein von diesem ziemlich einheitlichen Befund signifikant abweichendes Bild: Sie zählt (allerdings bei erheblichen Abweichungen im einzelnen) unter den römischen Kaisern zwischen 64 und 311 einige ausgesprochene Verfolgerkaiser,9 während sie für andere Herrscher regelrechte Friedenszeiten der Kirche unterstellt. Wiederholt ist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf aufmerksam gemacht worden, daß dieses Verfahren apologetisch motiviert ist. Christenverfolgungen werden besonders den von der aristokratischen heidnisch-römischen Geschichtsschreibung zuvor bereits negativ beurteilten Kaisern zugeschrieben – nur die erklärten Feinde Roms vergreifen sich an Christen.10 Der auf der Hand liegende, beabsichtigte Umkehrschluß war die Nahelegung eines friedlichen und gedeihlichen Miteinanders von Kirche und Reich, die uns aus allen apologetischen Texten bekannt ist.11

Hat man sich diese hinter den christlich-apologetischen Geschichtsdarstellungen stehende Theorie klar gemacht, stellt sich die Frage nach dem historischen Wert jener Nachrichten über spezielle Verfolgungen unter einzelnen Kaisern in neuem Licht. Zwar falsifiziert der Nachweis, daß die Quellenbearbeitung durch die frühen Apologeten und Kirchenhistoriker von einer übergreifenden Theorie geleitet wurde, ihre historischen Mitteilungen noch keineswegs;12 er verpflichtet aber zu methodischer Vorsicht. Daher wird man bei denjenigen Kaisern, bei denen wir nicht auf Grund eines breiteren, über die Texte der Apologeten hinausgehenden Quellenbefundes ←26 | 27→über Christenverfolgungen sicher unterrichtet sind,13 genauer nachfragen müssen: Wie und in welchem Maße haben die apologetischen Historiker die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen ihrer Theoriebildung zu- oder gar untergeordnet? Wie sind sie mit ihren Quellen verfahren? Und was ist daraus für die Frage nach der Historizität der behaupteten Christenverfolgung zu schließen? Die vorliegende Untersuchung prüft diese Frage am Beispiel von Euseb, h.e. 3.14–20 und dem Problem der dort unter Heranziehung verschiedener Quellenbelege behaupteten Christenverfolgung unter Domitian.14

 

Der Passus Eus., h.e. III,14–20 zeigt folgenden Aufbau:

 

Teil 1 (h.e. III,14–16): Ereignisse zur Zeit der Regierung Domitians vor der Verfolgung

 

h.e. III,14: Wechsel im Bischofsamt Alexandriens im vierten Jahre Domitians.

h.e. III,15: Wechsel im Bischofsamt Roms im zwölften Jahre Domitians.

h.e. III,16: Entstehung des 1Clem in Rom zur Zeit Domitians. Hinweis

auf Streitigkeiten in der Gemeinde in Korinth.

 

Teil 2 (h.e. III,17–20): Die domitianische Verfolgung

 

Rahmen: h.e. III,17:

Grausamkeit Domitians, Verbannungen, Vermögenskonfiskationen.

Domitian zweiter Verfolgerkaiser nach Nero.

 

←27 | 28→

Beispiel 1: h.e. III,18,1–3:

Johannes zur Zeit Domitians wegen seines Christuszeugnisses nach Patmos verbannt.

Quellenzitat Irenäus: Datierung der Offb Joh ans Ende der Regierungszeit Domitians.

 

Beispiel 2: h.e. III,18,4:

Quellenverweis: Heidnische Schriftsteller belegen Verfolgung im 15. Jahr Domitians.

Verbannung der Domitilla nach Pontia wegen ihres Christusbekenntnisses.

 

Beispiel 3: h.e. III,19. 20,1–6:

Anzeige gegen Nachkommen des Jesusbruders Judas, da sie aus dem Geschlecht Davids sind.

Quellenzitat Hegesipp: Anklage der Nachkommen des Judas, ihr Verhör vor Domitian und ihre Freilassung.

 

Beispiel 4: h.e. III,20,7:

Quellenzitat Tertullian: Grausamkeit Domitians, ein „halber Nero“.

 

Rahmen: h.e. III,20,8–9:

Regierungsübernahme Nervas.

Entzug der Ehrentitel Domitians durch den Senat. Rehabilitierung der zu Unrecht Verbannten. Rückkehr des Johannes nach Ephesus.

 

Die Passage zeigt eine klare Zweiteilung, entsprechend der tatsächlichen Entwicklung der Herrschaft Domitians von einer relativen Friedensphase in den Anfangsjahren von 81 bis etwa zum Saturninusaufstand 88/89 n. Chr. hin zu einer von Unruhen, Aufständen und Terror gezeichneten Endphase von etwa 92 bis zu seiner Ermordung am 18.9.96 n. Chr.15 Über die erste, friedlichere und auch politisch recht erfolgreiche Phase der Herrschaft Domitians berichtet Euseb nichts. Es finden sich nur, entsprechend dem auch sonst in der h.e. üblichen Verfahren, chronistische Notizen über Wechsel auf den ←28 | 29→wichtigsten Bischofsstühlen16 zur Zeit des jeweiligen Kaisers. Interessant ist für unseren Zusammenhang, daß Euseb seinen ersten Teil über die Regierung Domitians mit einem Hinweis auf die Entstehung des 1. Clemensbriefes abschließt: Clemens, seit dem zwölften Jahre Domitians Bischof von Rom,17 habe im Namen der Gemeinde einen Brief an die Korinther geschrieben, da dort seinerzeit Streitigkeiten ausgebrochen waren. Für jene Streitigkeiten beruft sich Euseb auf Hegesipp als Quelle, ohne Genaueres mitzuteilen.18 Die Notiz Eusebs zeigt ganz deutlich, daß er zwar die korinthischen Streitigkeiten und die Abfassung des 1Clem in die Zeit Domitians datiert, daß er aber keineswegs den Inhalt des Briefes in einen Zusammenhang mit der im folgenden von ihm behaupteten domitianischen Christenverfolgung bringt. Für diese führt er, wie wir unten sehen werden, andere Belege an. Auch h.e. III,21. 24. 38; IV,23,11 (Dionys); V,6 (Irenäus) bringen Euseb bzw. seine Quellen Abfassung und Inhalt des 1Clem nicht mit einer Christenverfolgung in Verbindung. Das bedeutet, daß sich moderne Datierungsversuche des 1Clem in die Zeit Domitians zwar mit Recht auf Euseb / Hegesipp berufen können, daß aber alle Interpretationen einschlägiger Briefstellen im Blick auf die domitianische Verfolgung auf einer Kombination zweier bis in die Zeit Eusebs offensichtlich voneinander unabhängiger Notizen basieren. Dieser Befund sollte davor warnen, etwa die agonistische Redeweise in 1Clem allzu schnell auf aufflammende Konflikte zwischen Kirche und Kaiserreich oder gar auf Verfolgungen und Martyrien zur Zeit Domitians zu beziehen.19

←29 | 30→

Von einer Christenverfolgung berichtet Euseb im zweiten Teil seines Passus über die Regierungszeit des letzten Flaviers, h.e. ΙΙΙ,17–20. Er besteht aus einem Rahmen, der eingangs die Tatsache der Christenverfolgung durch Domitian und abschließend die Tatsache des Entzugs aller Ehrentitel dieses Kaisers durch den Senat benennt, sowie aus vier in diesen Rahmen eingefügten Belegaussagen, die jeweils mit einem Quellenhinweis bzw. -zitat untermauert werden. Der Rahmentext lautet folgendermaßen:

Nachdem Domitian fürwahr an vielen seine große Rohheit ausgelassen, nicht wenige der Adeligen Roms und eine Anzahl angesehener Männer ohne rechtmäßiges Urteil umgebracht und unzählige andere ausgezeichnete Männer zu Unrecht mit Verbannung außer Landes bestraft und ihr Vermögen konfisziert hatte, machte er sich selbst schließlich noch zum Nachfolger der Gottesfeindschaft und Gottesbekämpfung des Nero. Er also ordnete als zweiter eine Verfolgung gegen uns an, während sein Vater Vespasian nichts Übles gegen uns im Sinn gehabt hatte. (h.e. III, 17).20

Nachdem Domitian fünfzehn Jahre lang regiert hatte und Nerva in der Herrschaft folgte, faßte der römische Senat den Beschluß, die Ehrentitel des Domitian abzuerkennen und die zu Unrecht in die Verbannung Geschickten bei Rückerstattung ihres Vermögens nach Hause zurückkehren zu lassen; so berichten ←30 | 31→die Geschichtsschreiber jener Zeit. Die Überlieferung unserer alten Geschichtsschreiber besagt, daß damals auch der Apostel Johannes von seinem Exilsaufenthalt auf der Insel an seinen Wohnsitz in Ephesus zurückkehrte. (h.e. III,20,8f.).21

Der Text zeigt prägnant die Eckwerte des eusebianischen Domitianbildes: Die Betonung der großen Rohheit Domitians, die von ihm veranlaßte Ermordung zahlreicher Adeliger und die Verbannung unzähliger ausgezeichneter Männer, die Gottesfeindschaft Domitians in der Nachfolge Neros, kulminierend in seiner Christenverfolgung, mit welcher er sich in völligem Unterschied zur neutralen Christenpolitik Vespasians befindet; schließlich der Entzug der Ehrentitel durch den Senat, die damnatio memoriae Domitians und die vollständige Rehabilitierung seiner Opfer und Rückholung der unschuldig Verbannten, zu denen auch der Apostel Johannes zählt.

Die Tendenz dieser Interpretation ist jene schon benannte These, daß nur die schlechten, letztlich als Feinde Roms anzusehenden Kaiser auch die Christen verfolgten. Hieraus folgen eine Parallelisierung der Adeligen und Angesehenen Roms mit den Christen (beide erleiden schweres Unrecht durch Domitian und beide werden zu Recht vom Senat rehabilitiert), eine Gleichsetzung von Domitian und Nero (sowohl hinsichtlich ihrer beider Verfolgungstätigkeit gegen die Notabelen Roms bzw. gegen die Christen als auch hinsichtlich ihrer beider damnatio memoriae)22 und schließlich die Entgegensetzung Domitians gegen den „guten“ Kaiser Vespasian (sowohl in bezug auf ihre gegensätzliche Rom- bzw. Christenpolitik als auch in bezug auf ihre hier von Euseb natürlich als bekannt vorausgesetzte gegensätzliche Bewertung durch die römisch-aristokratische Geschichtsschreibung).

Es ist nun die Frage, wie Euseb diese seine Domitianinterpretation begründet, welche Quellen ihm zum Beweis vorlagen und welche er zur Untermauerung seiner These in diesen Rahmen einzeichnet. Inwiefern stützen die von ihm beigebrachten Quellenbelege seine Bewertung Domitians und damit eine Behauptung einer Christenverfolgung durch den letzten Flavier? Der erste Beleg des Euseb ist die Verbannung des Johannes auf die Insel Patmos, untermauert durch ein Irenäuszitat:

←31 | 32→

In einem Bericht heißt es, zu dieser Zeit habe der Apostel und Evangelist Johannes noch gelebt und sei wegen seines Zeugnisses für das göttliche Wort dazu verurteilt worden, auf der Insel Patmos zu wohnen. Indem Irenäus über die Berechnung der dem Antichrist beigelegten Namenszahl in der sogenannten Johannesapokalypse schreibt, sagt er im fünften Buch gegen die Häresien über Johannes folgendes: „Wenn in der jetzigen Zeit sein Name [scil. der des Antichristen; Vf.] hätte offenbart werden sollen, dann wäre er durch denjenigen genannt worden, der auch die Offenbarung geschaut hat. Denn sie wurde nicht vor langer Zeit geschaut, sondern fast noch in unserer Generation, am Ende der Herrschaft Domitians.“ (h.e. III,18,1–3).23

An Eusebs Behauptung einer Verbannung des Johannes wegen seines Eintretens für das göttliche Wort fällt sofort die Formulierung κατέχει λόγος auf, die hier, wie auch sonst bei Euseb,24 nicht näher bestimmt wird. Die Quelle bleibt unkonkret, jedenfalls scheint sie nicht in schriftlich fixierter und damit präzise zitierbarer Form vorzuliegen. Euseb beruft sich allein auf das „Hörensagen“, also interessanterweise nicht auf Apk 1,9, wo ja in der Tat von Verbannung auch gar nicht explizit die Rede ist. Dem „Hörensagen“ nach solle Johannes zur Zeit Domitians auf Grund seines Christuszeugnisses nach Patmos verbannt worden sein. An dieser Nachricht sind immerhin Zweifel angebracht: Geht man nämlich davon aus, daß die eingangs geschilderte, im Pliniusbrief ep. 10,96 erkennbare Rechtslage bereits in domitianischer Zeit in Geltung gewesen sein müsse, wäre die hier unterstellte Verurteilung zum Exilsaufenthalt auf Grund des nomen Christianum schwer vorstellbar, setzt doch Plinius die Todesstrafe für Christen als selbstverständliche Rechtspraxis voraus. Die Verbannung des Sehers nach Patmos zur Zeit Domitians wird also schwerlich unmittelbare juristische Folge seines Christusbekenntnisses gewesen sein. Euseb bemüht sich, seine in jener nicht näher bestimmten Quelle aufgestellte Behauptung durch ein Irenäuszitat zu stützen, was aber nur teilweise gelingt: haer. V,30,3 belegt lediglich die Datierung der Vision des Johannes zur Zeit Domitians, keineswegs aber die Verbannung des Sehers nach Patmos wegen seines Eintretens für das ←32 | 33→göttliche Wort. Ein diese Verbannung auf Grund des nomen Christianum wirklich belegendes verifizierbares Zitat kann Euseb nicht beibringen.

Euseb zitiert die Irenäusstelle korrekt und vollständig, wie übrigens auch bei der Wiederholung desselben Textzitats h.e. V,8,6, Er weist auch auf den Zusammenhang der Stelle bei Irenäus hin; es geht dort um die Frage nach der dem Antichrist in der Johannesapokalypse beigelegten Namenszahl. Euseb greift also nicht in den Irenäustext ein, etwa um ihn der Behauptung seines ersten Beleges oder der Aussageintention seines Rahmens anzupassen, und er zitiert ihn auch nicht ohne Hinweis auf den Textzusammenhang, dem er entnommen ist. Er zeigt sich gegenüber seinen literarischen Quellen treu, muß dabei aber erhebliche Spannungen zwischen dem, was er mit ihnen zeigen will, und dem, was sie tatsächlich austragen, in Kauf nehmen.

Durch den ersten Beleg wird das Bild des Christenverfolgers Domitian also kaum gestützt. Abgesehen davon, daß es bei dem Beispiel ja keineswegs um Martyrien im Sinne von Hinrichtungen geht, wird man konstatieren müssen: Eusebs Bemühen, am Beispiel des Johannes zu zeigen, daß die zu Domitians Regierungszeit vorgenommenen Verbannungen auch Christen betroffen haben und daß diese wegen ihres Christuszeugnisses verurteilt wurden, kann sich nur auf eine vage, nicht nachprüfbare Angabe stützen. Das beigefügte Irenäuszitat ist im Sinne der gegen Domitian erhobenen Vorwürfe nicht beweiskräftig, es stellt lediglich die Datierung des Aufenthaltes des Sehers auf Patmos in die Zeit Domitians sicher.25 Versuche, einschlägige Stellen in Apk direkt auf eine Christenverfolgung unter Domitian zu beziehen, beruhen mithin auf einer Kombination zweier bei Euseb noch ziemlich heterogen nebeneinanderstehender Quellen, von denen eine zudem nicht sicher verifizierbar ist.26

←33 | 34→

Eusebs zweiter Beleg ist die Berufung auf heidnische Geschichtswerke, die von Verfolgung und „Martyrien“27 berichten und in diesem Zusammenhang die Verbannung der Flavia Domitilla nach Pontia wegen ihres Christusbekenntnisses mitteilen.

Zu der hier erwähnten Zeit leuchtete unsere Glaubenslehre schon in solchem Maße, daß auch die unserer Lehre fernstehenden Schriftsteller nicht zögerten, in ihren Erzählungen die Verfolgung und die mit ihr verbundenen Zeugnisse zu berichten. Sie haben auch den Zeitpunkt genau angezeigt, indem sie erzählen, daß im 15. Jahr Domitians neben sehr vielen anderen auch Flavia Domitilla, eine Tochter der Schwester des Flavius Clemens, eines der damaligen römischen Konsuln, wegen ihres Zeugnisses für Christus mit dem Aufenthalt auf der Insel Pontia bestraft worden sei. (h.e. III,18,4).28

←34 | 35→

Wer sind die paganen Historiographen, auf die sich Euseb hier beruft, und was war ihren Schriften zu entnehmen? Leider nennt Euseb wie auch sonst in der h.e. nicht die Namen seiner heidnischen Gewährsmänner, es ist stets nur von den „uns Fernstehenden“ die Rede.29 Wer ist gemeint? Über das Schicksal der Domitilla bzw. des Konsuls Flavius Clemens äußern sich Cassius Dio und Sueton: Bei Cassius Dio erfahren wir, daß Flavius Clemens, Vetter des Domitian, von diesem hingerichtet worden, und daß Flavia Domitilla, seine Frau, nach Pandateria verbannt worden sei. Beiden sei Atheismus vorgeworfen worden, wie auch viele andere, die zu Juden-Sitten neigten, Leben oder Vermögen verloren.30 Es fällt schwer, Eusebs Notiz mit diesem Text in Verbindung zu bringen, da er ihm an mehreren Stellen widerspricht:31 Domitilla ist bei Euseb Nichte, nicht Frau des Flavius Clemens; die Verbannung führt sie nach Pontia statt nach Pandateria; Cassius Dio sieht beide Fälle in einem kausalen Zusammenhang, doch Euseb greift nur einen, noch dazu den minder schweren heraus, von der Hinrichtung des Flavius Clemens verlautet bei ihm nichts. So wird sich Euseb hier kaum auf Cassius Dio beziehen. Die Möglichkeit, daß Euseb den Cassius-Dio-Text benutzt, aber verändert hat, kann hier außer Betracht bleiben, denn die Abweichungen sind mit der Tendenz Eusebs nicht zu begründen; im Falle des Flavius Clemens laufen sie ihr gar zuwider.

In Suetons Kaiserbiographien ist davon die Rede, daß Domitian seinen Vetter Flavius Clemens urplötzlich auf Grund eines sehr geringfügigen Verdachtes umbrachte.32 Aber auch dies kann nicht die Basis für Eusebs Aussage gewesen sein, denn bei Sueton, der den Fall zu den politischen Morden Domitians rechnet, ist weder von religiösen Zusammenhängen noch vom Schicksal der Domitilla die Rede, und bei Euseb spielt umgekehrt die Ermordung des Flavius Clemens keinerlei Rolle.

←35 | 36→

Es bleibt dann nur der von Euseb in seiner Chronik33 selbst ins Spiel gebrachte Name des Bruttius, dessen Schriften heute verloren sind. Bruttius, so Euseb in der Chronik, habe berichtet, daß Flavia Domitilla, Nichte des Konsuls Flavius Clemens, wegen ihres Zeugnisses für den christlichen Glauben auf die Insel Pontia verbannt worden sei.34 Dies stimmt mit h.e. ΙΙΙ,18,4 fast wörtlich überein, weshalb man vermuten darf, daß Euseb sich an unserer Stelle auf jenen leider nicht mehr erhaltenen Bruttius stützt. Die Alternative, Bruttius für eine Erfindung Eusebs oder der christlichen Tradition zu halten,35 paßt jedenfalls nicht zu dem, was wir sonst vom Umgang Eusebs mit seinen Quellen wissen.36

Was aber wird man Genaueres über den Fall der Domitilla und des Flavius Clemens sagen können, wenn uns hierzu mit Cassius Dios, Sueton und Bruttius / Euseb drei voneinander unabhängige divergierende Quellen vorliegen? Peter Lampe hat in seinen prosopographischen Untersuchungen zur römischen Gemeinde des ersten und zweiten Jahrhunderts gezeigt, ←36 | 37→daß bei Domitilla wohl in der Tat ein christliches Bekenntnis wahrscheinlich gemacht werden kann.37 Bei Bruttius / Euseb wird dies ausdrücklich behauptet, und die Glaubwürdigkeit dieser Notiz liegt darin begründet, daß nur Domitilla, nicht auch Clemens, Christentum zugeschrieben wird.38 Cassius Dios zu Juden-Sitten neigend ist dagegen kaum konfessionell verwertbar, jedenfalls spricht es nicht für ein jüdisches und gegen ein christliches Bekenntnis Domitillas.39 Im Falle des Konsuls Flavius Clemens liegen die Dinge anders: Keine der Quellen behauptet dezidiert, daß er Christ gewesen sei, was zumindest bei Euseb / Bruttius, der ja bei Domitilla deren Christentum ausdrücklich als Verurteilungsgrund benennt, Gewicht hat.40 Auch bei Sueton ist es durchaus bedeutsam, daß er nichts vom christlichen Bekenntnis des Konsuls weiß, wenn man bedenkt, daß derselbe Autor bei seiner Darstellung der Biographie Neros sehr wohl von Opfern christlichen Bekenntnisses berichtet.41 So bliebe allenfalls die Möglichkeit, den Atheismus-Vorwurf und das Neigen zu Juden-Sitten aus Cassius Dio in Richtung auf ein christliches Bekenntnis des Konsuls hin zu deuten;42 doch wie Jakob Speigl überzeugend dargelegt hat, ist diese Interpretation höchst fragwürdig.43 ←37 | 38→Der Atheismusvorwurf bezieht sich auf Illoyalität gegenüber dem Kaiser, impietas.44

Ist das Christentum der Domitilla (anders als bei Flavius Clemens) wahrscheinlich gemacht, muß jedoch noch näher gefragt werden, ob ihr Bekenntnis tatsächlich, wie von Euseb bzw. Bruttius behauptet, der Grund für ihre Verbannung gewesen sein kann. Hiergegen spricht m. E. nicht nur (wie im Falle des Sehers Johannes)45 der Charakter der verhängten Strafe, sondern auch die Tatsache, daß gegen Domitilla dieselbe Anklage erhoben worden sein muß wie gegen ihren Mann Flavius Clemens. Ist aber wahrscheinlich, daß beide verschiedener Religion angehörten, kann der entscheidende Anklagepunkt nicht im christlichen Bekenntnis Domitillas gelegen haben. Man wird m. E. besser daran tun, das Schicksal des Konsuls Flavius Clemens, Vetter des Domitian, und seiner Frau, der Christin Flavia Domitilla in den politischen Zusammenhang des kaiserlichen Vorgehens gegen die römische Aristokratie und gegen verdächtige Verwandte in den letzten Jahren der Regierung Domitians zu stellen. Das Mißtrauen des princeps und sein Bemühen, jeden möglichen Thronprätendenten von vornherein auszuschalten, richtete sich zuletzt bekanntlich besonders gegen seine eigenen Verwandten, wobei der Frage nach deren religiösen Überzeugungen kaum entscheidende Bedeutung zukam.46 Die mildere Strafe für Domitilla gegenüber Flavius Clemens hängt vermutlich damit zusammen, daß von ihr die vermeintlich geringere Gefahr für eine Usurpation ausging. Ihr christliches Bekenntnis dürfte bei ihrer Verbannung keine ursächliche Rolle gespielt haben.

Peter Lampe will an der Bestrafung Domitillas wegen ihres christlichen Bekenntnisses festhalten, indem er den Atheismusvorwurf aus Cassius Dio in Richtung einer Verweigerung des Kaiserkultes47 interpretiert. Doch war jener Atheismusvorwurf auch Grund für die Hinrichtung des Flavius Clemens; und diese beruhte laut Sueton auf einem „sehr geringfügigen Verdacht“, ←38 | 39→worunter man kaum die offene Verweigerung des Kaiserkultes wird verstehen können. Die Zweifel an einer Verbannung Domitillas auf Grund angeblicher Kaiserkultverweigerung verstärken sich noch, wenn man mit Rudolf Freudenberger anhand von Plinius, ep. 10,96,6 auf die vergleichsweise marginale Bedeutung dieses Kultes in den Christenprozessen aufmerksam macht48 und mit Fritz Taeger49 und Karl Christ50 sieht, daß seine Bedeutung für die Herrscherideologie Domitians oft ein wenig überschätzt worden ist,51 gerade in den an die christliche Apologetik anschließenden Domitianinterpretationen. Bei aller Überhöhung des princeps hat der letzte Flavier den Schritt zur Selbstvergottung eben gerade nicht vollzogen.52

←39 | 40→

Kehren wir zur Eusebschen Domitianinterpretation h.e. III,17 und 20 zurück, so ist zu konstatieren, daß das Beispiel der Domitilla fast nichts beweist. Für die Berichte heidnischer Historiker über Christenverfolgung und „Martyrien“ kann Euseb nicht mehr als diesen einen Fall der Verbannung einer Christin aus Bruttius beibringen, verstärkt um den ebenfalls Bruttius entnommenen Hinweis, daß die Maßnahmen auch „viele andere“ [scil. Christen] betroffen hätten. Von Hinrichtungen von Christen ist überhaupt nicht die Rede, was im Blick auf den Rahmen h.e. III,17 sowohl gegen die Parallelisierung Domitians mit Nero als auch gegen die Behauptung einer dezidierten Christenverfolgung durch den letzten Flavier spricht.

Eusebs dritter Beweis für seine Theorie über den Christenverfolger Domitian führt uns zum Hegesippbericht über ein Verhör zweier Enkel des Jesusbruders Judas vor Domitian:

In einem alten Bericht heißt es, daß, nachdem Domitian befohlen hatte, die Nachkommen des Geschlechts Davids töten zu lassen, einige Häretiker die Nachkommen des Judas (welcher ein leiblicher Bruder des Retters war) anklagten, daß sie aus dem Geschlecht Davids und Nachkommen Christi selbst seien. Hegesipp legt dies wörtlich wie folgt dar: „Noch aber waren aus dem Geschlecht des Herrn die Enkel des Judas am Leben, der, wie man sagt, ein leiblicher Bruder war. Diese wurden öffentlich angezeigt, daß sie aus dem Geschlecht Davids seien. Ein Evokatus führte sie vor den Kaiser Domitian. Dieser fürchtete sich nämlich wie schon Herodes vor der Ankunft Christi. Domitian fragte sie, ob sie aus (dem Geschlecht) David(s) seien, und sie bekannten es. Sodann fragte er sie, wieviel Besitz sie hätten und über wieviel Güter sie verfügten. Sie aber sagten, sie hätten beide zusammen nur 9000 Denare, wobei einem jeden die Hälfte gehöre. Sie sagten, sie hätten auch dies nicht in Silber, sondern in einem Landbesitz von nur 39 Morgen, auf welchen sie selbst arbeiteten, um die Steuern aufzubringen und sich zu ernähren. Sodann zeigten sie auch ihre Hände und bewiesen durch Härte ihres Körpers und durch die Schwielen, die sich nach der ununterbrochenen Arbeit an ihren eigenen Händen gebildet hatten, daß sie hart arbeiteten.

Über Christus und über Art, Ort und Zeitpunkt seiner Königsherrschaft befragt, antworteten sie, daß sie nicht weltlich und auch nicht irdisch sei, vielmehr sei sie himmlisch und engelgleich, und sie werde am Ende der Welt entstehen, wenn Christus in Herrlichkeit kommen und Lebende und Tote richten und jedem nach seinen Taten vergelten werde. Daraufhin verurteilte Domitian sie zu nichts, sondern er verachtete sie wie unbedeutende Leute. Er setzte sie frei und ließ durch einen Befehl die Verfolgung gegen die Kirche einstellen. Die Freigelassenen aber erhielten Leitungspositionen in den Gemeinden, weil sie Märtyrer und zugleich aus dem Geschlecht ←40 | 41→des Herrn waren. Als Frieden geworden war, lebten sie noch bis in Trajans Zeit. (h.e. III,19–20,6).53

Es erstaunt, daß Euseb diesen alten Hegesippbericht überhaupt in seinen Ausführungen über die domitianische Verfolgung verwendet hat. Der historische Kern der Episode dürfte in der Angst Domitians (und seiner Vorgänger) vor einem messianischen Thronprätendenten liegen – der jüdische Krieg lag ja noch nicht allzu lange zurück. In Verbindung mit darin begründeten Maßnahmen gegen die „Nachkommen Davids“ konnten auch Judenchristen angezeigt werden. Das Beispiel zeigt aber, daß solcherlei Verfahren ohne weiteres mit einem Freispruch enden konnten: Die Angeklagten werden wegen offensichtlicher Harmlosigkeit entlassen. Dem Rahmen des Domitian-Passus bei Euseb widerspricht dieser Text in mehreren Punkten: So stellt er v. a. die schroffe Entgegensetzung von Vespasian und dem letzten Flavier in Frage, denn Maßnahmen gegen die Juden sind auch von ersterem bezeugt.54 Auch eine besondere Grausamkeit Domitians ist weder an der Schilderung des (wohl fiktiven) Verhörs noch an seinem Ausgang abzulesen. Weiter teilt der Text die Beendigung der Maßnahmen durch Domitian selbst, also nicht ←41 | 42→erst nach dem Tod des princeps durch den Senat mit.55 Schließlich spricht Hegesipp eingangs gar nicht von einer Verfolgung der Kirche, sondern von Maßnahmen gegen die „Nachkommen Davids“; erst beim Freispruch der angeklagten Judenchristen heißt es dann generalisierend, die Verfolgung der Kirche sei eingestellt worden. Diese letztere Formulierung dürfte der einzige ersichtliche Grund sein, warum Euseb diesen Text überhaupt in die Passage über die Verfolgung unter Domitian eingefügt hat, denn im Grunde widerspricht er Eusebs h.e. ΙΙΙ,17 und 20 erkennbarer Aussageintention. Das Beispiel bietet jedenfalls nicht mehr als die Nachricht über eine Anklage gegen Judenchristen unter Domitian, die mit Freispruch endete. Es ist instruktiv zu sehen, an welcher Stelle Euseb das Hegesippzitat beendet: Die Fortsetzung, die er h.e. ΙΙΙ,32,6 in anderem Zusammenhang zitiert, enthielt die seiner übergreifenden Theorie diametral widersprechende Notiz von einem vergleichbaren Prozeß gegen den als Vetter des Herrn angeklagten Symeon, der in der angeblichen Friedenszeit der Kirche unter Trajan mit der Kreuzigung des 120-jährigen Angeklagten endete.

In seinem letzten Beleg beruft sich Euseb auf Tertullian als Kronzeugen für eine Verfolgung der Christen unter Domitian:

So also Hegesipp: Aber nicht nur er, sondern auch Tertullian hat derartiges von Domitian in Erinnerung gerufen: „Auch Domitian, der an Grausamkeit ein halber Nero war, hat einmal versucht, dasselbe zu tun wie jener. Aber da er, glaube ich, noch ein bißchen Einsicht hatte, hörte er sehr schnell damit auf, wobei er die, die er verbannt hatte, zurückrief.“ (h.e. ΙII,20,7).56

Euseb hat hier Tertullian, dessen Apologeticum ihm wohl in einer griechischen Fassung vorlag,57 bei geringfügigen Erweiterungen im Wortlaut zitiert.58 Doch was er aus Tertullian zum Beleg einer Christenverfolgung unter Domitian zutage fördert, ist gleichfalls kaum dazu angetan, die Beweislast zu tragen: Seine Quelle spricht lediglich davon, daß Domitian nur ein „halber Nero“ war, daß er jenen nur nachzuahmen versucht habe ←42 | 43→und daß er schließlich gar seine Maßnahmen, die im einzelnen völlig im Dunkeln bleiben, aus eigener Einsicht wieder eingestellt habe. Dies ist, was die Darstellung Domitians angeht, wesentlich harmloser als alles, was wir aus Sueton oder Cassius Dio kennen. Es überrascht auch hier, daß Euseb die Tertullianstelle überhaupt im Zusammenhang seines Beweisganges aufbietet. Doch mehr als die Erwähnung in Tert., apol. 5,4 war in bezug auf Domitian bei Tertullian gar nicht zu finden.59 Die Stelle war allein dazu geeignet, den Zusammenhang zwischen Nero und Domitian, den Euseb in seinem Rahmen herstellt, zu untermauern. Daß er dabei Tertullians Wertung, Domitian sei nur ein halber Nero gewesen, so stehen läßt, obwohl sie seiner eigenen Tendenz, beide auf eine Ebene zu stellen, eigentlich nicht ganz entspricht, zeigt abermals seine Treue zu den verwerteten Quellen. Gleiches gilt auch von der Notiz über die Rücknahme jener Maßnahmen durch Domitian selbst, die Euseb aus Tertullian übernimmt, obgleich sie in Spannung zu der im Rahmen von ihm behaupteten Rücknahme der Maßnahmen durch den Senat und Rückkehr des Johannes von Patmos nach Ephesus nach dem Tode Domitians steht.

Im Umfeld des Zitats aus Tertullians Apologeticum fand Euseb auch jene Theorie formuliert, die er sich aus der apologetischen Tradition zu eigen und seiner Kirchengeschichtsdarstellung dienstbar gemacht hat: Nur die verbrecherischen Kaiser, beginnend bei Nero, verfolgen die Christen, worin für jene sogar Ruhm liegt. Allein die ungerechten und ruchlosen Führer, die die Römer selbst zu verurteilen und deren Opfer sie zu rehabilitieren gewohnt sind, haben Christenverfolgungen durchgeführt.60 Unter dem Theoriezwang dieser Idee stehend zählte Tertullian auch Domitian unter die Verfolger, wobei sein von Euseb zitierter Satz nur allzu deutlich zeigt, wie wenig er gerade gegenüber jenem Kaiser zur Begründung in der Hand hatte. Euseb hat das wenige, das Tertullian ihm an Material bot, unverändert übernommen, ist dabei aber insofern über Tertullian hinausgegangen, als er dessen Sicht Domitians als eines halben Nero im eigenen Domitianbild zu einer faktischen Gleichsetzung hin verstärkte. Dieser Intention entspricht dann auch sein die ganze Passage abschließender ausdrücklicher Hinweis auf den Entzug aller Ehrentitel Domitians durch den Senat.

Die Aufstellung der vier „Beweise“ aus der h.e. zeigt, wie schmal bereits zu Eusebs Zeiten die Belegbasis für eine Christenverfolgung unter Kaiser ←43 | 44→Domitian war. Das im Rahmen h.e. III,17; 20,8f. gezeichnete Domitianbild als eines Christenverfolgers findet durch die beigebrachten Quellen keine Bestätigung: Die Nachricht von der Verbannung des Johannes wegen seines Christuszeugnisses stützt sich auf eine nicht näher genannte und somit unbestimmbare Quelle. Bei der Verbannung Domitillas wird man bei kritischer Nachfrage bezweifeln müssen, ob ihr Christuszeugnis wirklich der eigentliche Grund für ihre Bestrafung war. Die Hegesippepisode endet mit dem Freispruch der Angeklagten durch Domitian. Die behauptete Kontinuität zwischen Nero und Domitian wird durch das Tertullianzitat eher relativiert als bestätigt. Man hat den Eindruck, daß Eusebs „Beweise“ ihrer Reihenfolge nach immer schwächer werden. Am Ende bleibt im Grunde nur die auch aus den heidnischen Historikern bekannte Drangsalierung der Notabelen Roms, zu denen auch vereinzelt Christen wie Domitilla gehört haben mögen, am Ende der Regierungszeit Domitians. Dieser Befund ist aber mit den etwa aus der neronischen, decischen, valerianischen oder diokletianischen Verfolgung bekannten historischen Fakten in keiner Weise vergleichbar. Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, daß die Zeit unter Domitian sich im Blick auf das Verhältnis zwischen Imperium Romanum und Kirche in grundsätzlicher Weise von der Zeit unter Nerva, Trajan, Hadrian oder gar Mark Aurel unterschied. Im Gegenteil: Anders als bei fast allen anderen Kaisern weiß Euseb aus der Domitianzeit nicht von einem einzigen Blutzeugen zu berichten. Nach dem Befund der Passage h.e. III,17–20 bleibt von der ganzen domitianischen Christenverfolgung historisch nicht mehr übrig als zwei Verbannungen, von denen die erste quellenmäßig nicht sicher verifizierbar ist und die zweite aller Wahrscheinlichkeit nach in die politischen Wirren der letzten Jahre der Regierung Domitians gehört.61

←44 | 45→

Abschließend ist noch ein Blick auf diejenigen Quellen zu werfen, die Euseb zum Zwecke der Unterstützung seines Domitianbildes gar nicht erst bemühte. Der 1. Clemensbrief ist in diesem Zusammenhang oben schon genannt worden.62 Auch der 1. Petrusbrief spielt für Euseb im Blick auf die domitianische Verfolgung keine Rolle.63 Die wichtigste Quelle, auf die für die angebliche Verfolgung unter Domitian immer wieder hingewiesen worden ist, ist Melito von Sardes.64 Doch Euseb zitiert dessen Fragment, in welchem auch von Domitian die Rede ist, nicht in Zusammenhang mit der domitianischen Verfolgung, sondern erst wesentlich später, im vierten Buch der h.e.65 Melito argumentiert in seinem apologetischen Schreiben an Mark Aurel mit der bekannten Theorie eines gemeinsamen Blühens von Kirche und Imperium Romanum und sagt dann:

←45 | 46→

Als einzige unter allen [scil. Kaisern; Vf.] suchten Nero und Domitian, von gewissen bösen Menschen verführt, unsere Religion zu verleumden. Durch sie sind jene falschen Anschuldigungen aufgekommen, die bezüglich der Christen unbegreiflicherweise Verbreitung gefunden haben.66

Zwar enthält auch diese Quelle eine Parallelisierung von Nero und Domitian, doch werden deren Taten in solchem Maße relativiert, daß Euseb die Notiz für seine Domitiandarstellung kaum benutzen konnte. Melito äußert sich im Detail noch unbestimmter als Tertullian, indem er (aus apologetischen Motiven) bei beiden Kaisern lediglich von Verleumdungsversuchen und falschen Anschuldigungen spricht und deren Verantwortung auch noch mit dem Hinweis, sie seien von bösen Menschen verführt worden, herunterspielt. Angesichts dieser Tendenz war es für Euseb unmöglich, Melito in h.e. III,17–20 als Zeugen für eine Verfolgung unter Domitian aufzurufen. Will man heute das Melitofragment als Beleg für eine domitianische Christenverfolgung heranziehen, muß man sich jedenfalls klar machen, daß man damit die im Detail ja bekannten Verfolgungsmaßnahmen Neros einfach in die Zeit Domitians transponiert und also eine Parallelisierungsthese, die erwiesenermaßen fester Bestandteil historisch-apologetischer Theoriebildung gewesen ist, über die Quellen hinausgehend inhaltlich füllt.67

Euseb übernimmt im Rahmen des Passus h.e. III,17–20 die ihm geläufige apologetische Theorie, daß nur die negativ beurteilten Kaiser Christen verfolgen und wendet sie auf Domitian an. Doch das Quellenmaterial, das er, unverfälscht und korrekt zitierend, in den Rahmen einfügt, eignet sich nicht als Beweismittel. Die sich daraus ergebende unerhörte Spannung zwischen Theorie und Quellenbefund konnte er nur dann in Kauf nehmen, wenn sich zu seiner Zeit das Bild Domitians als Christenverfolger schon mit einer gewissen Selbstverständlichkeit etabliert hatte. Andere Beispiele zeigen, wie auch solche Quellen, die Euseb gar nicht erst heranzog, im Lichte der Theorie von der „domitianischen Verfolgung“ interpretiert wurden: Viktorin von Pettau sah als erster im sechsten Kopf des Tieres nach Apk 17,10 den Verfolger Domitian.68 Was aber Eusebs Belege angeht, die bei kritischer ←46 | 47→Lektüre starke Zweifel an der Theorie von der domitianischen Verfolgung aufkommen lassen, so wurden diese in den folgenden Jahrhunderten unter Auflösung der in der h.e. noch gut zu diagnostizierenden Spannung mit der vorausgesetzten Theorie harmonisiert: Im 5. Jahrhundert wird Domitilla zur Blutzeugin,69 im späten 8. oder frühen 9. Jahrhundert wird Flavius Clemens zum christlichen Märtyrer:70 Treffliche Beispiele für die niemals nur rekonstruktive, sondern stets auch traditionensetzende Kraft der Historiographie, die in diesem Falle angesichts der schon bald fast kanonischen Bedeutung der Kirchengeschichte Eusebs allerdings nicht überraschen.

←47 | 48→

* Zuerst erschienen in: ZNW 89 (1996), 269–289.

1 R. Freudenberger, Das Verhalten der römischen Behörden gegen die Christen im zweiten Jahrhundert, MBPF 52, München 21969.

2 Siehe hierzu F. Vittinghoff, Christianus sum – Das „Verbrechen“ von Außenseitern der Römischen Gesellschaft, in: Hist. 33 (1984), 331–357 (349f.).

3 Lact., mort. 34, 1–5; griechisch Eus., h.e. VIII,17,3–10. – Das Gallienusedikt von 260, siehe Eus., h.e. VII,13 scheint zwar zunächst v. a. dem Klerus Freiheit und Sicherheit gewährt zu haben, Martyrien auf Basis der Rechtslage von 113 waren aber auch danach grundsätzlich noch möglich.

4 Tert., apol. 2, 8.10–20. Vgl. Ad Scap 4,8.

5 Eus., h.e. VII, 15,1–5. – Der christliche Offizier Marinus, zur Promotion zum Centurio vorgesehen, wird von einem gleichfalls auf die Position spekulierenden Kollegen als Christ angezeigt und nach richterlicher Befragung auf Grund seiner confessio nominis unverzüglich hingerichtet.

6 Ep. 10,97,1.

7 Tac., ann. 15,44,2–5.

8 J. Molthagen, Der römische Staat und die Christen im zweiten und dritten Jahrhundert, Hyp. 28, Göttingen 21975, 21–27. 136–140.

9 Siehe hierzu J. Vogt, Die Zählung der Christenverfolgungen im Römischen Reich, in: ParPass 34 (1954), 5–15.

10 So Tert., apol. 5,4–6; vgl. H.C. Brennecke, Ecclesia est in re publica, id est in imperio Romano (Optatus 1113). Das Christentum in der Gesellschaft an der Wende zum „konstantinischen Zeitalter“, JBTh 7, 1992, 209–239: 225–231; K. Gross, Domitian, in: RAC 4 (1959), 91–109 (101); J. Speigl, Der römische Staat und die Christen. Staat und Kirche von Domitian bis Commodus, Amsterdam 1970, 33–35.

11 Brennecke, 1992, 226f.; L.W. Barnard, Apologetik I: Alte Kirche, in: TRE 3 (1978), 371–411: 402f.; A. Wlosok, Christliche Apologetik gegenüber kaiserlicher Politik bis zu Konstantin, in: KGMG I, 1974, 147–165. Zum Fragenkreis um die Gattungen der apologetischen Texte siehe W. Kinzig, Der „Sitz im Leben“ der Apologie in der Alten Kirche, in: ZKG 100 (1989), 292–317.

12 So mit Recht Gross, 1959, 101f.

13 So bei Nero, Decius, Valerian, Diokletian.

14 Zur Frage der Verfolgung unter Domitian siehe Speigl, 1970, 5–42; L.H. Canfield, The Early Persecutions of the Christians, New York 1913, 72–85; D. McFayden, The Occasion of the Domitianic Persecution, in: AJT 24 (1920), 46–66; R. Schütz, Die Offenbarung des Johannes und Kaiser Domitian, Göttingen 1933; J. Moreau, A propos de la persécution de Domitien, in: NC 5 (1953), 121–129; id., Die Christenverfolgungen im Römischen Reich, Berlin 2197l, 37–41; J. Vogt, Christenverfolgungen. Historisch, in: RAC 2 (1954), 1159–1207: 1167–1170; E.M. Smallwood, Domitian’s Attitude toward the Jews and Judaism, in: CP 51 (1956), 1–13; Gross, 1959, 102–109; K. Christ, Zur Herrscherauffassung und Politik Domitians. Aspekte des modernen Domitianbildes, in: SZG 12 (1962), 187–213: 199–206; L.W. Barnard, Clement of Rome and the Persecution of Domitian, in: NTS 10 (1963/4), 251–260; W. Pöhlmann, Die heidnische, jüdische und christliche Opposition gegen Domitian, Diss. Erlangen 1967; T. Christensen, Christus oder Jupiter. Der Kampf um die geistigen Grundlagen des Römischen Reiches, Göttingen 1981, 48f.; H.D. Stöver, Christenverfolgungen im Römischen Reich: ihre Hintergründe und Folgen, München 1984, 43–47. 66. 113. 249; P. Keresztes, Imperial Rome and the Christians, vol. 1, New York 1989, 83–101.

15 Suet., Dom. 10,1: Sed neque in clementiae neque in abstinentiae tenore permansit, et tamen aliquanto celerius ad saevitiam descivit quam ad cupiditatem. (Wittstock 458, 11f.). – Zur Regierung Domitians vgl. v. a. K. Christ, Geschichte der römischen Kaiserzeit, München 1988, 263–284; zur Chronologie D. Kienast, Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie, Darmstadt 1990, 115–118; zur damnatio memoriae R. Merkelbach, Warum Domitians Siegername „Germanicus“ eradiert worden ist, in: ZPE 34 (1979), 62–64.

16 Rom: h.e. III,2. 13. 15. 34; IV,1. 4. 5,5. 10. 11,6. 19 usw. – Alexandrien: h.e. II,24; III,14. 21; IV,1. 4. 5,5. 11,6. 19 usw. – Antiochien: h.e. III,22; IV,20 usw. – Jerusalem: h.e. III,11. 35; IV,5,1–4 usw.

17 Natürlich läßt sich diese Notiz h.e. III,15 nicht für das Postulat eines Bischofs- oder gar Papstamtes in Rom im ersten Jahrhundert auswerten, zu den diesbezüglichen Fragen vgl. P. Lampe, Die stadtrömischen Christen der ersten beiden Jahrhunderte. Untersuchungen zur Sozialgeschichte, WUNT II/18, Tübingen 21989.

18 Vgl. aber das Hegesippzitat h.e. IV,22,2.

19 1Clem 1,1 spricht schon die Wortwahl keineswegs für eine „tödliche Bedrohung“ (Vogt, 1954, 1168) der römischen Gemeinde, συμφορά heißt zunächst einfach „Umstand“, im negativen Sinne gebraucht wird es oft mit κακή näher qualifiziert, bei Josephus, Bell 2,4,11; Ant 10,106 u. ö. bedeutet es zwar negativ „Mißgeschick“, steht aber nicht in apokalyptischem Kontext und darf deshalb nicht im Sinne von Martyrien interpretiert werden. περίπτωσις heißt gleichfalls zunächst neutral „Ereignis“, M.Ant. 6,41,1 steht eigens π. τοῦ κακοῦ, um das Geschehen als negatives zu qualifizieren, auch in späteren christlichen Texten ist das Wort neutral gebraucht, so Clem Alex., Str 1,16. 19 und Eus., PrEv 6,6. 1Clem 7,1 bedeutet σκάμμα zunächst einfach „Grube“, „Sprunggrube“; das berechtigt nicht, sogleich Martyrien in der Arena zu unterstellen (gegen Pöhlmann, 1967, 395–398). Im übertragenen Sinne meint das Wort zumeist „Bereich“, „Aufgabenbereich“, „Mühe“ oder „Anstrengung“, für den späteren Sprachgebrauch etwa Joh. Chrys., ep. 5,1; Hom in Mt 10,4. Die Metaphorik ist weit gefaßt. Zwar ist 1Clem 5,1–6,2 in der Tat von Martyrien (Petrus und Paulus in Rom, „Danaiden und Dirken“ [hierzu H.C. Brennecke, Danaiden und Dirken. Zu 1Clem 6,2, in: ZKG 88 (1977), 302–208]) die Rede, aber 1Clem 7,1f. ist gegen 6,4 durch ταῦτα […] ἐπιτέλλομεν deutlich ein Neueinsatz markiert, und die nun im Brief folgende Passage wendet sich in paränetischem Stil gegen den zuvor als Faktor aller Entzweiung und Krisen angesprochenen Neid, also das den korinthischen Rebellen unterstellte Motiv. Auch in der von K. Beyschlag, Clemens Romanus und der Frühkatholizismus, BHT 35, Tübingen 1966, 305, aufgeführten Stelle Hipp., Comm in Dan II,19,8 geht es um das Streiten gegen zahllose Ungläubige. Solch agonistische Redeweise ist im Rahmen der christlichen Paränese vollkommen geläufig (1Kor 9, 24–27), sie setzt keineswegs äußere Verfolgungssituationen zwingend voraus. Für 1Clem siehe A.W. Ziegler, Neue Studien zum ersten Klemensbrief, München 1958, 24–37. – Ich plädiere mit A. Lindemann, Die Clemensbriefe, HNT 17, Tübingen 1992, 12. 26, dafür, die Begrifflichkeit des 1Clem zunächst einmal ohne jeglichen Rekurs auf eine extern vorausgesetzte domitianische Christenverfolgung zu analysieren und zu deuten.

20 Πολλήν γε μὴν εἰς πολλοὺς ἐπιδειξάμενος ὁ Δομετιανὸς ὠμότητα οὐκ ὀλίγον τε τῶν ἐπὶ Ῥώμης εὐπατριδῶν τε καὶ ἐπισήμων ἀνδρῶν πλῆθος οὐ μετ᾿ εὐλόγου κρίσεως κτείνας μυρίους τε ἄλλους ἐπιφανεῖς ἄνδρας ταῖς ὑπὲρ τὴν ἐνορίαν ζημιώσας φυγαῖς καὶ ταῖς τῶν οὐσιῶν ἀποβολαῖς ἀναιτίως, τελευτῶν τῆς Νέρωνος θεοεχθρίας τε καὶ θεομαχίας διάδοχον ἑαυτὸν κατεστήσατο. δεύτερος δῆτα τὸν καθ᾿ ἡμῶν ἀνεκίνει διωγμόν, καίπερ τοῦ πατρὸς αὐτῷ Οὐεσπασιανοῦ μηδὲν καθ᾿ ἡμῶν ἄτοπον ἐπινοήσαντος. (GCS Euseb 2,1, Schwartz 230, 8–15).

21 μετὰ δὲ τὸν Δομετιανὸν πεντεκαίδεκα ἔτεσιν κρατήσαντα Νερούα τὴν ἀρχὴν διαδεξαμένου, καθαιρεθῆναι μὲν τὰς Δομετιανοῦ τιμάς, ἐπανελθεῖν δ' ἐπὶ τὰ οἰκεῖα μετὰ τοῦ καὶ τὰς οὐσίας ἀπολαβεῖν τοὺς ἀδίκως ἐξεληλαμένους ἡ Ῥωμαίων σύγκλητος βουλὴ ψηφίζεται· ἱστοροῦσιν οἱ γραφῆι τὰ κατὰ τοὺς χρόνους παραδόντες. τότε δὴ οὖν καὶ τὸν ἀπόστολον Ἰωάννην ἀπὸ τῆς κατὰ τὴν νῆσον φυγῆς τὴν ἐπὶ τῆς Ἐφέσου διατριβὴν ἀπειληφέναι ὁ τῶν παρ' ἡμῖν ἀρχαίων παραδίδωσι λόγος. (Schwartz 234,24–236,5).

22 Eine Verschärfung jener Parallelisierungstheorie bietet Lact., mort. 3: Hier ist die damnatio memoriae geradezu als die logische Konsequenz aus der Christenverfolgung dargestellt.

23 Ἐν τούτῳ κατέχει λόγος τὸν ἀπόστολον ἅμα καὶ εὐαγγελιστὴν Ἰωάννην ἔτι τῷ βίῳ ἐνδιατρίβοντα, τῆς εἰς τὸν θεῖον λόγον ἕνεκεν μαρτυρίας Πάτμον οἰκεῖν καταδικασθῆναι τὴν νῆσον. γράφων γέ τοι ὁ Εἰρηναῖος περὶ τῆς ψήφου τῆς κατὰ τὸν ἀντίχριστον προσηγορίας φερομένης ἐν τῇ Ἰωάννου λεγομένῃ Ἀποκαλύψει, αὐταῖς συλλαβαῖς ἐν πέμπτῳ τῶν πρὸς τὰς αἱρέσεις ταῦτα περὶ τοῦ Ἰωάννου φησίν· εἰ δὲ ἔδει ἀναφανδὸν ἐν τῷ νῦν καιρῷ κηρύττεσθαι τοὔνομα αὐτοῦ, δι᾿ εἰ δὲνου ἂν ἐρρέθη τοῦ καὶ τὴν ἀποκάλυψιν ἑορακότος. οὐδὲ γὰρ πρὸ πολλοῦ χρόνου ἑωράθη, ἀλλὰ σχεδὸν ἐπὶ τῆς ἡμετέρας γενεᾶς, πρὸς τῷ τέλει τῆς Δομετιανοῦ ἀρχῆς. (Schwartz 230,16–232,2).

24 Vgl. h.e. ΙΙΙ,11; ΙΙΙ,32,1.

25 Richtig B. Newman, The Fallacity of the Domitian Hypothesis. Critique of the Irenaeus Source as a Witness for the Contemporary-Historical Approach to the Interpretation of the Apocalypse, in: NTS 10 (1963/4), 133–139: 136: „Ireaneus does not in any measure state that the Apocalypse reflects any alleged persecution of the Domitian period, only that it dates during the time of Domitian’s reign.“

26 Eine Bezugnahme auf eine domitianische Verfolgung läßt sich m. E. in Apk nicht nachweisen. Nur wenn man aus den externen Quellen eine solche Verfolgung postulieren zu können meint, mögen sich hier und da entsprechende Interpretationen nahelegen. Indes ist auch dann noch große Vorsicht geboten. – Die zahlreichen fraglichen Stellen in Apk können im Zusammenhang dieses Aufsatzes natürlich nicht alle gesichtet werden, daher nur eine kleine Auswahl: Apk 2,13 trägt das Martyrium des Antipas für eine domitianische Verfolgung nichts aus; es liegt, wie die Formulierung ἐν ταῖς ἡμέραις zeigt, schon geraume Zeit zurück (J. Roloff, Die Johannesoffenbarung, ZBK 18, Zürich 1984, 54; gegen Schütz, 1933, 15) und ist zudem deutlich als Einzelfall gekennzeichnet (erst im 10. Jahrhundert [!]; ist für das Menologion des Simeon Metaphrastes Antipas als Bischof von Pergamon Märtyrer unter Domitian; vgl. H. Kraft, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, Tübingen 1974, 65). Apk 6,9f. geht es um Märtyrer der Vergangenheit es dürften wohl eher Opfer der neronischen Verfolgung (so Roloff, 1984, 83) als alttestamentliche Märtyrer (so Kraft, 1974, 119) im Blick sein. Apk 7,14 ist θλῖψις schon wegen der 7,9 genannten ὄχλος πολύς, ὃν ἀριθμῆσαι αὐτὸν οὐδεὶς ἐδύνατο nicht zu eng auf christliche Martyrien zu deuten, es ist allgemeiner die (überwundene) endzeitliche Bedingung angesprochen (U.B. Müller, Die Offenbarung des Johannes, ÖTK 19, Gütersloh 1984, 181). Zu den Schwierigkeiten, das Tier von Apk 13 (gerade angesichts der durch Vers 3 aufgeworfenen Komplikationen) historisch zu identifizieren vgl. ebenfalls Müller, 1984, 250f. Ähnlich liegen die Dinge auch Apk 17,10 (vgl. zu den Problemen einer Interpretation in Richtung einer Verfolgung unter Domitian Newman, 1963/4, 133–139). Apk 18,20; 19,1f. geht es darum, daß das Blut der Märtyrer nicht ungestraft vergossen sein wird; eine zeitlich-historische Näherbestimmung solcher Martyrien dürfte aber schwerfallen, zumal Apk. 19,9f. zeigt, daß der Passus nicht mehr (und nicht weniger) als Hilfe zum Bewahren des Zeugnisses Jesu sein will (Roloff, 1984, 179). Ähnlich Apk 20,4: Denen, die um des Zeugnisses Jesu und des Wortes Gottes willen enthauptet würden, wird Recht verschafft – das wird sich auf Märtyrer beziehen, die in der Gegenwart oder Vergangenheit des Verfassers ihre Treue zu Christus mit dem Leben bezahlen mußten. Dies war aber bekanntlich vor, während und nach der Regierung Domitians. Eine von der Situation etwa unter Vespasian oder Titus negativ abzuhebende „domitianische Verfolgung“ läßt sich daraus nicht konstruieren, zumal wir nicht einmal klare Anhaltspunkte für die Datierung solcher Martyrien haben. Eine das dunkle Domitianbild der Tradition kritisch hinterfragende Interpretation der Johannesoffenbarung findet sich bei L.L. Thompson, The Book of Revelation. Apocalypse and Empire, New York 1990, 95–115.

27 Der Kontext zeigt sofort, daß mit μαρτύριον auch hier keine Hinrichtungen gemeint sein können, sondern Bekenntnisakte bzw. Zeugnisse, in deren Zusammenhang Bestrafungen wie im Falle der Domitilla (s. Anm. 28) oder des Johannes (s. Anm. 23) ergehen konnten.

28 εἰς τοσοῦτον δὲ ἄρα κατὰ τοὺς δηλουμένους ἡ τῆς ἡμετέρας πίστεως διέλαμπεν διδασκαλία, ὡς καὶ τοὺς ἄποθεν τοῦ καθ’ ἡμᾶς λόγου συγγραφεῖς μὴ ἀποκνῆσαι ταῖς αὐτῶν ἱστορίαις τόν τε διωγμὸν καὶ τὰ ἐν αὐτῷ μαρτύρια παραδοῦναι, οἵ γε καὶ τὸν καιρὸν ἐπ’ ἀκριβὲς ἐπεσημήναντο, ἐν ἔτει πεντεκαιδεκάτῳ Δομετιανοῦ μετὰ πλείστων ἑτέρων καὶ Φλαυίαν Δομέτιλλαν ἱστορήσαντες, ἐξ ἀδελφῆς γεγονυῖαν Φλαυίου Κλήμεντος, ἑνὸς τῶν τηνικάδε ἐπὶ ῾Ρὼμης ὑπάτων, τῆς εἰς Χριστὸν μαρτυρίας ἕνεκεν εἰς νῆσον Ποντίαν κατὰ τιμωρίαν δεδόσθαι. (Schwartz 232, 3–11).

29 Eus., h.e. ΙΙ,8,1; V,5,3.

30 Cass. Dio, Hist. 67,14,1f: κἀν τῷ αὐτῷ ἔτει ἄλλους τε πολλοὺς καὶ τὸν Φλάουιον τὸν Κλήμεντα ὑπατεύοντα, καίπερ ἀνεψιὸν ὄντα καὶ γυναῖκα καὶ αὐτὴν συγγενῆ ἑαυτοῦ Φλαουίαν Δομιτίλλαν ἔχοντα, κατέσφαξεν ὁ Δομιτιανός. ἐπηνέχθη δὲ ἀμφοῖν ἔγκλημα ἀθεότητος, ὑφ' ἧς καὶ ἄλλοι ἐς τὰ τῶν Ἰουδαίων ἤθη ἐξοκέλλοντες πολλοὶ κατεδικάσθησαν, καὶ οἱ μὲν ἀπέθανον, οἱ δὲ τῶν γοῦν οὐσιῶν ἐστερήθησαν· ἡ δὲ Δομιτίλλα ὑπερωρίσθη μόνον ἐς Πανδατερίαν. (Boissevain ΙΙΙ,181,6–12).

31 Gegen Speigl, 1970, 23f. mit Anm. 48 und 49.

32 Suet., Dom. 15,1: denique Flavium Clementem patruelem suum contemptissimae inertiae […] repente ex tenuissima suspicione tantum non in ipso eius consulatu interemit. (Wittstock 464, 16–20).

33 Grundlegend zu den Problemen der Chronik Eusebs: A. Mosshammer, The „Chronicle“ of Eusebius and the Greek Chronographic Tradition, London 1979.

34 Scribit Bruttius plurimos christianorum sub Domitiano fecisse martyrium. Inter quos et Flauiam Domitillam, Flauii Clementis consulis ex sorore neptem, in insulam Pontiam relegatam, quia se christianam esse testata sit (GCS Euseb 7,1, Helm 192, 14–19). – Bruttius scheint den Verwandtschaftsgrad der Domitilla zu Domitian (sie war seine Nichte) fälschlich auf ihren Mann Flavius Clemens bezogen zu haben; diese Erklärung ist einleuchtender als der alte, auf Baronius’ Annales ecclesiastici von 1588 zurückgehende Versuch, Bruttius und Dio dadurch auszugleichen, daß man zwei Domitillas annehmen will. Die Verwechslung von Pandateria und Pontia erklärt sich leicht durch Alliteration und geographische Nähe, siehe Lampe, 1989, 168f.

35 So etwa noch H. Gelzer, Sextus Julius Africanus und die byzantinische Chronographie I, Leipzig 1880, 282f. – Auch die These von E. Schwartz, Griechische Geschichtsschreiber, Berlin 1959, 507f., Euseb habe als einzige Quelle Julius Africanus gehabt, muß heute als überholt gelten, vgl. Mosshammer, 1979, 128–168. – Speigl, 1970, 24 Anm. 49, vermutet, die Bruttiusnotiz sei erst im Zuge der Überarbeitung und Ergänzung mit römischem Stoff durch Hieronymus in die Chronik geraten. Dagegen spricht, daß sich der Text der Notiz schon in h.e. findet; dort fehlt nur der Name des Bruttius. Die Weglassung der Namen heidnischer Historiographen entspricht aber völlig dem auch sonst in der h.e. üblichen Verfahren.

36 Vgl. hierzu umfassend F. Winkelmann, Euseb von Kaisareia. Der Vater der Kirchengeschichte, Berlin 1991, 88–135; M. Gödecke, Geschichte als Mythos, Eusebs „Kirchengeschichte“, EHS.T 307, Bern 1987, 32–53; T.D. Barnes, Constantine and Eusebius, Cambridge 1981, 126–147: Beispiele für tendenziöse Auswahl und Abgrenzung von Quellen finden sich in der h.e. häufig, Fehler, Verwechslungen, Widersprüche lassen sich an einigen Stellen nachweisen, auf das Konto Eusebs gehende Fälschungen kommen dagegen nicht vor.

37 Lampe, 1989, 166–171.

38 Wollte man sagen, daß Bruttius / Euseb, etwa aus apologetischen Motiven, Domitilla als christliche „Märtyrerin“ vereinnahmt hätten, müßte man erklären, warum dies nicht auch bei dem mit dem Tode bestraften Flavius Clemens so geschah. Beide Schicksale gehörten ja traditionell zusammen (vgl. Anm. 40).

39 Lampes Gründe liegen in der Beobachtung, daß Cassius Dio es grundsätzlich vermeidet, die Christen als solche zu bezeichnen und daß es bis in seine Zeit hinein ohne weiteres möglich war, sie undifferenziert unter dem Begriff „jüdisch“ zu subsumieren (Suet., Cl. 25,4, anders jedoch Suet., Nero 16,2; Lukian, Peregr. 11; ActPetr 22). Zur Tendenz Dios siehe unten Anm. 43.

40 Dieses Argument gewinnt noch an Kraft, wenn man mit Lampe, 1989, 168 Anm. 149, beobachtet, daß bei Bruttius unmittelbar vor der von Euseb zitierten Stelle von Flavius Clemens die Rede gewesen sein muß; sonst wäre der Hinweis auf die Verwandtschaft Domitillas zu jenem Konsul nicht erklärbar.

41 Suet., Nero 16,2.

42 Der Atheismusvorwurf konnte grundsätzlich Christen wie Juden betreffen, vgl. A. von Harnack, Der Vorwurf des Atheismus in den ersten drei Jahrhunderten, TU 28 (= NS 13), 4, Leipzig 1905; Lampe, 1989, 169f.; E.M. Smallwood, The Jews under Roman Rule. From Pompey to Diocletian, SJLA 20, Leiden 1976, 379 mit Anm. 82. Es muß jedoch mit Harnack, 1905, 11, einschränkend darauf aufmerksam gemacht werden, daß dieser Vorwurf gerade für die Zeit Domitians kaum belegt ist.

43 Speigl, 1970, 25–27, hat gezeigt, daß Dio die juristische Seite jener Prozesse zur Zeit Domitians in eigener Interpretation wiedergibt. Bei ihm kann in selbem Sinne auch von ἀσέβεια die Rede sein, vgl. 68,1,2. Es liegt keine juristisch eindeutige Terminologie vor. Die ihm etwa aus Sueton bekannten Informationen über die Prozesse unter Domitian kombinierte er mit seinem eigenen religionspolitischen Programm, in welchem er in der Tat für die Ausrottung der „Atheisten“, also all derer, die einer „fremden Religion“ folgen, plädiert, vgl. Hist. 52,36. Damit ist jedoch klar, daß unsere Stelle für die Frage, ob Clemens und / oder Domitilla Christen waren, nichts hergibt – sie gehört in die Zeit Dios und zeigt dessen Haltung zu Juden und Christen an.

44 Vgl. Plinius, ep. 1,5,5. 13; 7,33,7; Suet., Dom. 12,2; 13,2 und die in der vorigen Anm. genannte Stelle aus Dio. Die Unsicherheiten in der Terminologie entsprechen dem willkürlichen Handeln Domitians in seinen letzten Regierungsjahren: Für die Beteiligten war überhaupt keine saubere juristische Bezeichnung ihres Verbrechens erkennbar.

45 Siehe oben S. 32.

46 Suet., Dom. 10,4 (Flavius Sabinus, ebenfalls ein Vetter Domitians); 12,3; 15,1.

47 Lampe, 1989, 168.

48 Freudenberger, 1969, 138. 208.

49 F. Taeger, Charisma II, Stuttgart 1960, 330–353.

50 Zur Herrscherauffassung und Politik Domitians. Aspekte des modernen Domitianbildes, in: SZG 12 (1962), 187–213: 196f. – Eine Überbetonung der Bedeutung des Kaiserkultes bei Domitian liegt m. E. vor bei Gross, 1959, 95–101, aber auch bei Freudenberger, 1969, 139–141.

51 Man wird allenfalls eine durch archäologischen Befund (Domitiantempel, Kolossalstatue) zu stützende regionale Konzentration der religiösen Kaiserverehrung in Ephesus, der kleinasiatischen Provinzmetropole, feststellen können, also in einer Region, in der der Herrscherkult eine bis in vorrömische Zeit zurückreichende Tradition hatte; vgl. hierzu für die Zeit Domitians S.J. Friesen, Twice Neokoros. Ephesus, Asia and the Cult of the Flavian Imperial Family, RGRW 116, Leiden 1993, 41–49. – Auf diese materialen Quellen gehen die beiden neuen Monographien über die Frühgeschichte des Christentums in Ephesus leider gar nicht ein. Für M. Günther, Die Frühgeschichte des Christentums in Ephesus, Arbeiten zur Religion und Geschichte des Urchristentums 1, Bern 1995, 125–133, stellt sich das Problem einer möglichen domitianischen Verfolgung in Ephesus schon deshalb nicht, weil er die Johannesoffenbarung unter Ablehnung des historischen Wertes der bei Irenäus mitgeteilten Notiz in die Zeit Trajans datiert. Die Arbeit von W. Thiessen, Christen in Ephesus. Die historische und theologische Situation in vorpaulinischer und paulinischer Zeit und zur Zeit der Apostelgeschichte und der Pastoralbriefe, TANZ 12, Tübingen 1995, geht auf die Fragestellung überhaupt nicht ein, weil sie den Bestand der auszuwertenden literarischen Quellen in einer mir für die Methodik historischen Arbeitens schwer nachvollziehbaren Grundentscheidung auf die kanonischen Texte beschränkt.

52 Auch die Formel dominus et deus (Suet., Dom. 13.2) wird erst von den frühchristlichen Autoren aus der Perspektive des 3. und 4. Jahrhunderts in Richtung auf eine Selbstvergottung Domitians interpretiert, die sie jedoch im 1. Jahrhundert nicht bedeutet. Es handelt sich um eine ursprünglich aus dem Bereich der Sklaven und Freigelassenen der familia Caesaris stammende, dann in die Verwaltungssprache, aber nicht in die offizielle Titulatur eingegangene Formel, die eine Überhöhung des princeps signalisiert. Göttliche Verehrung jedoch ist damit weder gemeint noch gefordert, sie hätte auch nicht dem Selbstverständnis des Domitian (anders liegen die Dinge etwa bei Caligula) entsprochen (K. Christ, Geschichte der römischen Kaiserzeit, München 1988, 276; Taeger, 1960, 353; anders, aber m. E. unzutreffend, H. Bengtson, Die Flavier, München 1979, 219f.). Man beachte die Bemerkung bei Sueton, daß erst nach dem Tode des Domitian das Militär (vergeblich) versuchte, ihn sogleich zur Gottheit zu erklären (Suet., Dom. 23,1), ihm also wie seinen Vorgängern postmortale Divinisierung zuteil werden zu lassen.

53 Τοῦ δ᾿αὐτοῦ Δομετιανοῦ τοὺς ἀπὸ γένους Δαυὶδ ἀναιρεῖσθαι προστάξαντος, παλαιὸς κατέχει λόγος τῶν αἱρετικῶν τινας κατηγορῆσαι τῶν ἀπογόνων Ἰούδα (τοῦτον δ᾿εἶναι ἀδελφὸν κατὰ σάρκα τοῦ σωτῆρος) ὡς ἀπὸ γένους τυγχανόντων Δαυὶδ καὶ ὡς αὐτοῦ συγγένειαν τοῦ Χριστοῦ φερόντων. ταῦτα δὲ δηλοῖ κατὰ λέξιν ὧδέ πως λέγων ὁ Ἡγήσιππος· „Ἔτι δὲ περιῆσαν οἱ ἀπὸ γένους τοῦ κυρίου υἱωνοὶ Ἰούδα τοῦ κατὰ σάρκα λεγομένου αὐτοῦ ἀδελφοῦ· οὓς ἐδηλατόρευσαν ὡς ἐκ γένους ὄντας Δαυίδ. τούτους ὁ ἠουοκᾶτος ἤγαγεν πρὸς Δομετιανὸν Καίσαρα. ἐφοβεῖτο γὰρ τὴν παρουσίαν τοῦ Χριστοῦ ὡς καὶ Ἡρῴδης. καὶ ἐπηρώτησεν αὐτοὺς εἰ ἐκ Δαυίδ εἰσιν, καὶ ὡμολόγησαν. τότε ἠρώτησεν αὐτοὺς πόσας κτήσεις ἔχουσιν ἢ πόσων χρημάτων κυριεύουσιν. οἱ δὲ εἶπαν ἀμφοτέροις ἐννακισχίλια δηνάρια ὑπάρχειν αὐτοῖς μόνα, ἑκάστῳ αὐτῶν ἀνήκοντος τοῦ ἡμίσεος, καὶ ταῦτα οὐκ ἐν ἀργυρίοις ἔφασκον ἔχειν, ἀλλ᾿ ἐν διατιμήσει γῆς πλέθρων λθ μόνων, ἐξ ὧν καὶ τοὺς φόρους ἀναφέρειν καὶ αὐτοὺς αὐτουργοῦντας διατρέφεσθαι. εἶτα δὲ καὶ τὰς χεῖρας τὰς ἑαυτῶν ἐπιδεικνύναι, μαρτύριον τῆς αὐτουργίας τὴν τοῦ σώματος σκληρίαν καὶ τοὺς ἀπὸ τῆς συνεχοῦς ἐργασίας ἐναποτυπωθέντας ἐπὶ τῶν ἰδίων χειρῶν τύλους παριστάντας. ἐρωτηθέντας δὲ περὶ τοῦ Χριστοῦ καὶ τῆς βασιλείας αὐτοῦ ὁποία τις εἴη καὶ ποῖ καὶ πότε φανησομένη, λόγον δοῦναι ὡς οὐ κοσμικὴ μὲν οὐδ᾿ ἐπίγειος, ἐπουράνιος δὲ καὶ ἀγγελικὴ τυγχάνοι, ἐπὶ συντελείᾳ τοῦ αἰῶνος γενησομένη, ὁπηνίκα ἐλθὼν ἐν δόξῃ κρινεῖ ζῶντας καὶ νεκροὺς καὶ ἀποδώσει ἑκάστῳ κατὰ τὰ ἐπιτηδεύματα αὐτοῦ. ἐφ᾿ οἷς μηδὲν αὐτῶν κατεγνωκότα τὸν Δομετιανόν, ἀλλὰ καὶ ὡς εὐτελῶν καταφρονήσαντα, ἐλευθέρους μὲν αὐτοὺς ἀνεῖναι, καταπαῦσαι δὲ διὰ προστάγματος τὸν κατὰ τῆς ἐκκλησίας διωγμόν. τοὺς δὲ ἀπολυθέντας ἡγήσασθαι τῶν ἐκκλησιῶν, ὡς ἂν δὴ μάρτυρας ὁμοῦ καὶ ἀπὸ γένους ὄντας τοῦ κυρίου, γενομένης τε εἰρήνης, μέχρι Τραϊανοῦ παραμεῖναι αὐτοὺς τῷ βίῳ.“ (Schwartz 232,12–234,18).

54 H.e. ΙΙΙ,12.

55 Anders Plin., pan. 46; Cass. Dio, Hist. 68,1. Suet., Dom. 23,1.

56 ταῦτα μὲν ὁ Ἡγήσιππος· οὐ μὴν ἀλλὰ καὶ ὁ Τερτυλλιανὸς τοῦ Δομετιανοῦ τοιαύτην πεποίηται μνήμην· „πεπειράκει ποτὲ καὶ Δομετιανὸς ταὐτὸ ποιεῖν ἐκείνῳ, μέρος ὢν τῆς Νέρωνος ὡμότητος. ἀλλ᾿, οἶμαι, ἅτε ἔχων τι συνέσεως, τάχιστα ἐπαύσατο, ἀνακαλεσάμενος καὶ οὓς ἐξηλάκει“. (Schwartz 234, 18–23).

57 H.e. II,2,4. Vgl. T.D. Barnes, Tertullian, Oxford 21985, 25f. 68f.

58 Tert., apol. 5,4. Die Stelle lautet lateinisch bei Tertullian: Temptauerat et Domitianus, portio Neronis de crudelitate; sed quia homo, facile coeptum repressit restitutis etiam quos relegauerat (CChr.SL 1, Dekkers 95,17–19). In der rufinischen Retroversion Eusebs heißt es: Temptavit aliquando et Domitianus simile aliquid, portio Neronis de crudelitate, sed quasi homo cito destitit, ita ut etiam eos, quos in exilium miserat, revocaret. (GCS Euseb 2,1, Mommsen 235, 20–22).

59 Vgl. noch Tert., pall. 4,5: „Subnero“ (CSEL 76, Bulhart 117, 67).

60 Tert., apol. 5,3f: Consulite commentarios uestros, illic reperietis primum Neronem in hanc sectam cum maxime Romae orientem Caesariano gladio ferocisse. Tali dedicatore damnationis nostrae etiam gloriamur […]. Tales semper nobis insecutores, iniusti, impii, turpes, quos et ipsi damnare consuestis, a quibus damnatos restituere soliti estis. (Dekkers 95, 12–21).

61 Pöhlmann, 1967, 350f. Anm. 1, will mit diesem Befund im Streit um die domitianische Verfolgung eine „Sowohl-als-auch“-Position einnehmen: Eine allgemeine Christenverfolgung sei nicht anzunehmen, lokal begrenzte Maßnahmen könne man andererseits aber auch nicht abstreiten. Auf solche „lokal begrenzte Maßnahmen“, besonders in Kleinasien, rekurrieren in Anbetracht der mehr als spärlichen Quellenbelege zur „domitianischen Verfolgung“ neuerdings auch Müller, 1984, 260 und W. Stegemann, Zwischen Synagoge und Obrigkeit, FRLANT 152, Göttingen 1991, 257. – Man muß jedoch m. E. immerhin noch unterscheiden zwischen (ggf. auch lokal begrenzten) Maßnahmen gegen Christen einerseits und politischen Wirren, in die auch Christen verwickelt werden konnten (im Falle Domitillas gar auf Grund ihrer Verwandtschaft zum Kaiser) andererseits. Handelt es sich erweislich um Maßnahmen gegen Christen, wäre sinnvollerweise nur dann von Domitian als von seinen Vorgängern und Nachfolgern negativ abzuhebendem Verfolgerkaiser zu sprechen, wenn seine Maßnahmen über die bei Trajan anhand von Plinius ep. 10,96f. zu konstatierende Situation (die, es sei noch einmal gesagt, die Möglichkeit von Martyrien auf Grund der confessio nominis immer einschloß), also etwa über das conquirendi non sunt hinausgingen. Hierfür fehlen alle Belege. Handelt es sich hingegen um politische Wirren, in die auch Christen verwickelt werden konnten (und nur hierfür eignet sich das Domitillabeispiel als Beleg), ist die Rede von einer Christenverfolgung unter Domitian vollends abwegig. Damit aber erscheint die domitianische Verfolgung als wenig taugliches Instrument jedenfalls zur Interpretation neutestamentlicher oder nichtkanonischer frühchristlicher Texte, selbst wenn man die für Apk durch Irenäus, für 1Clem durch Euseb bezeugten Datierungen in die Zeit Domitians annehmen will. Zu 1Clem vgl. Anm. 19, zu Apk Anm. 26, zu 1Petr Anm. 63.

62 Siehe oben Anm., 19.

63 Μ. E. richtig L. Goppelt, Der erste Petrusbrief, KEK 12/1, Göttingen 1978, 63: „Der Brief setzt demnach eine Situation voraus, wie sie grundsätzlich zwischen: 75 und 90 ständig gegeben war.“ Zudem hat R. Feldmeier, Die Christen als Fremde, WUNT 64, Tübingen 1992, 106–112, gezeigt, daß nach dem Selbstzeugnis des 1Petr gar nicht primär das Verhältnis zum Staat zur Debatte steht, sondern Schwierigkeiten der Christen mit ihrer unmittelbaren Umgebung, sozusagen der „Nachbarschaft“. – Deutungen des 1Petr auf eine Verfolgung unter Domitian finden sich bei W.G. Kümmel, Einleitung in das Neue Testament, Heidelberg 211983, 374f. und (vorsichtiger) U. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, UTB 1830, Göttingen 1994, 462. Eine Interpretation des 1Petr in der Linie von (lokalen) Verfolgungsmaßnahmen unter Domitian bei Pöhlmann, 1967, 403–413. – Euseb erwähnt 1Petr in h.e. III,3,1. 4. Für unsere Zwecke ist es interessant, daß er keinerlei Verbindungslinien zwischen dem Brieftext und einer Verfolgungssituation zieht. Er sagt lediglich, „die alten Kirchenlehrer“ hätten das Schreiben für echt gehalten. An der petrinischen Verfasserschaft wird man heute natürlich nicht festhalten.

64 Zentrale Bedeutung als Argument für eine Christenverfolgung unter Domitian spielt das Melitofragment bei Vogt, 1954, 1168; Gross, 1959, 102; M. Sordi, La persecuzione di Domiziano, in: RSCI 14 (1960), 1–26: 2; Barnard, 1963/4, 253f.

65 H.e. IV,26,5–11.

66 H.e. IV,26,9: μόνοι πάντων, ἀναπεισθέντες ὑπό τινων βασκάνων ἀνθρώπων, τὸν καθ᾿ ἡμᾶς ἐν διαβολῇ καταστῆσαι λόγον ἠθέλησαν Νέρων καὶ Δομετιανός, ἀφ᾿ ὧν καὶ τὸ τῆς συκοφαντίας ἀλόγῳ συνηθείᾳ περὶ τοὺς τοιούτους ῥυῆναι συμβέβηκεν ψεῦδος. (Schwartz 386, 2–5).

67 So mit Recht Speigl, 1970, 33: „Inhaltlich ist jedenfalls über eine domitianische Verfolgung, aus welchem Grunde etwas gegen die Christen geschehen sein sollte, nichts gesagt. Was Melito von einer etwaigen Verfolgung des Domitian bekannt war oder bekannt sein konnte, wissen wir nicht und es hat keinen Sinn, danach zu fragen.“

68 Petav., Comm. in Apoc. 17,2 (CSEL 49, Haussleiter 118).

69 In den Akten der Nereus und Achilleus 24f.: H. Achelis, Acta ss. Nerei et Achillei, TU 11,2, Leipzig 1893, 22,26–23,21. Schon am Eingang ist ausdrücklich von „Domitillaakten“ die Rede (Achelis 1,15–17). Vgl. BHL 6058–6066. Zur Geschichte der Geschichte von Domitilla siehe J. Knudsen, The Lady and the Emperor. A Study of the Domitian Persecution, in: ChH 14 (1945), 17–32.

70 Georgius Syncellus, Chron: αὐτός τὲ Κλήμης ὑπὲρ Χριστοῦ ἀναιρεῖται. (CSHB I, Dindorf 650, 19).

←48 | 49→