2. “Das Verändern beym Wiederholen ist heut zu Tage unentbehrlich. Man erwartet solches von jedem Ausführer. Einer meiner Freunde giebt sich alle mögliche Mühe, ein Stück, so wie es gesetzt ist, rein und den Regeln des guten Vortrags gemäß herauszubringen; solte man ihm wol den Bey-fall versagen können? Ein anderer, oft aus Noth gedrungen, ersetzt durch seine Kühnheit im Verändern, das, was ihm am Ausdruck der vorgeschriebenen Noten fehlet; nichts destoweniger erhebt ihn das Publicum vor jenem. Man will beynahe jeden Gedanken in der Wiederholung verändert wissen, ohne allezeit zu untersuchen, ob solches die Einrichtung des Stücks, und die Fähigkeit des Ausführers erlaubt. Bloß dieses Verändern, wenn es zumal mit einer langen und zuweilen gar zu sonderbar verzierten Cadenz begleitet ist, preßt oft den meisten Zuhörern das BRAVO aus. Was entsteht nicht daher für ein Mißbrauch dieser zwo wirklichen Zierden der Ausführung! Man hat nicht mehr die Gedult, beym erstenmahle die vorgeschriebenen Noten zu spielen; das zu lange Ausbleiben des BRAVO wird unerträglich. Oft sind diese unzeitigen Veränderungen wider den Satz, wider den Affect und wider das Verhältniß der Gedanken unter sich; eine unangenehme Sache für manchen Componisten. Gesetzt aber, der Ausführer hat alle nöthige Eigenschaften, ein Stück so, wie es seyn soll, zu verändern: ist er auch allezeit dazu aufgelegt? Ereignen sich nicht bey unbekannten Sachen deswegen neue Schwierigkeiten? Ist nicht die Hauptabsicht beym Verändern diese: daß der Ausführer sich und zugleich dem Stücke Ehre mache? Muß er nicht folglich beym zweytenmale wenigstens eben so gute Gedanken vorbringen? Jedoch dieser Schwierigkeiten und des Mißbrauchs ohngeachtet, behalten die guten Veränderungen allezeit ihren Werth. Ich beziehe mich übrigens auf das, was ich am Ende des ersten Theils meines Versuchs hiervon angeführet habe.” Ibid., xiii. I have altered the translation in several places.