Sonntag, der 28. März

image Höhepunkte

1) Heute ist Sonntag. Was heißt, dass heute keine Schule ist. Was wiederum bedeutet, dass niemand etwas über meinen ungleichen Busen sagen kann. Lieber Gott, lass es bitte nie Montag werden!

2) Mumi, die eigentlich heute zum Kaffee kommen wollte, weil Mama beim letzten Mal ja so abrupt aufbrechen musste, hat eben telefonisch abgesagt. Weil sie eine Verabredung hat. Das Unglaubliche an der Sache ist, dass es sich laut Mama bei der Verabredung um einen Mann handelt!!!!!!! Bin tief beeindruckt. Meine feministische17 Oma hat ein Date!

image Tiefpunkte

1) Kenne jetzt Papas »Überraschung«. Wünschte, Männer und Jungs würden sich das mit den Überraschungen ein für alle Mal verkneifen.

Papa hat mir eben seine Überraschung präsentiert. Nach dem Frühstück hat er mir die Augen verbunden und dann ist er mit mir an der Hand nach draußen zum Parkplatz marschiert, wo ich ein ominöses Tuch von einem zwei Meter langen Gegenstand abnehmen durfte. Zuerst habe ich nicht verstanden, was das schrottige orange Boot mit dem Holzdeck, das unter dem Tuch zutage gekommen ist, auf unserem Parkplatz macht, aber dann hat Papa mir freudestrahlend eröffnet, dass er den Piraten ganz billig geschossen hätte und dass wir damit über Ostern in die Südsee segeln würden. Nur wir beide. Ohne Mama und Otti. Wie Robinson und Freitag in Robinson Crusoe. Oder wie Tom Sawyer und Huckleberry Finn auf ihrem Floß. Oh, Mann. Habe ihn angeguckt wie ein Eichhörnchen auf Drogen und dann gefragt, ob das Boot nicht ein bisschen zu klein für einen Segeltrip in die Südsee ist (immerhin liegt die Südsee hinter Australien, ich glaub, weiter weg kann man gar nicht segeln!), aber er hat nur gelacht und gesagt, na, er meine ja auch die dänische Südsee. Ha, ha. Selten so gelacht.

image

image

Mama und Otti, die in der Tür standen, haben gekichert und ich musste daran denken, wie schrecklich seekrank ich das letzte Mal geworden bin, als Papa mit mir auf der Elbe segeln war. Und dann fiel mir Ben ein und unser Plan von dem gemeinsamen Proben über Ostern und da ist mir erst richtig schlecht geworden. Wollte Papa eigentlich sagen, dass ich schon was anderes vorhabe, aber er sah so glücklich aus, dass ich kein Wort herausgebracht habe. Also geht er jetzt davon aus, dass wir Karfreitag gemeinsam nach Dänemark segeln. Scheiße!!!

Als ob das mit Papas dänischer Südsee-Überraschung nicht schon reichen würde, hab ich im Anschluss auch noch die totale Panik wegen des Castings am Dienstag gekriegt. Eine halbe Stunde hab ich hin und her gegrübelt und dann habe ich bei Schari angerufen, aber da war die ganze Zeit besetzt. (Wette, sie hat mit Jannick telefoniert.) Also hab ich bei Sophie durchgeklingelt, die ausnahmsweise einmal nicht beim Reiten war, und ihr mitgeteilt, dass ich am Dienstag unbedingt krank spielen müsste, weil es einfach keine andere Möglichkeit gäbe, aus dem Ganzen rauszukommen, ohne sich bis aufs Blut zu blamieren, so ähnlich wie diese armen Irren bei DSDS, die auch immer denken, sie könnten singen, und dabei klingen wie das quietschende Scharnier an unserer Schuppentür. AHHHH!!!!!

Offenbar muss ich bei meinem Telefonat mit Sophie ein kleines bisschen wirr und hysterisch geklungen haben, denn sie hat gesagt, ich solle mich nicht von der Stelle rühren, und zwanzig Minuten später klingelte es an unserer Tür und Sophie, Scharina, Jette und Franzi standen davor. Jette hat meinetwegen extra ihr »Moby-Dick-Treffen«18 abgesagt und Franzi hatte sogar noch ihre Brille auf, obwohl sie sonst nie ohne Kontaktlinsen aus der Tür geht!

Ich liebe meine Freundinnen!!!!!!

image

Ich hab vor lauter Panik inzwischen voll am Rad gedreht, aber nachdem Scharina mich an sich gedrückt hat und Franzi in ihrer coolen Art gesagt hat, sie verstehe die ganze Aufregung nicht, wenn ich so viel Schiss vor diesem Vorsingen hätte, dann sollte ich es doch einfach bleiben lassen, ging es mir schon viel besser! Jette hat zwar gemeint, sie fände meine Stimme echt schön und sie würde überhaupt nicht begreifen, warum ich wegen fünf Minuten auf der Bühne so eine Panik schiebe, aber das Geld, das ich Franzi, Scharina und ihr als Wiedergutmachung für ihren verlorenen Wetteinsatz angeboten habe, wollte sie trotzdem nicht nehmen. Weil ich ja nichts dafür könne, dass sie sich durch Hannas und Katjas doofe Sprüche zu der Wette hätten hinreißen lassen.

image

Anschließend hat Schari mir noch ihren Glücksbringer, eine silberne Feder von ihrer Mutter, in die Hand gedrückt und gesagt, die könne ich so lange behalten, bis der ganze Casting-Mist vorbei ist, und da hab ich auf einmal wieder an die Sache mit Hanna vor einem halben Jahr denken müssen, als keiner zu mir gehalten hat, und was für ein Glück es ist, dass ich sie jetzt habe, meine allerliebste Schari mit ihrem Pocahontas-Lächeln, und Sophie, Jette und Franzi noch dazu. Und da hätte ich glatt schon wieder heulen können, diesmal allerdings vor Rührung.

Aber dann hat Sophie mich in die Realität zurückgeholt und gefragt, ob ich Ben schon Bescheid gesagt hätte, und da ist mir gleich wieder übel geworden. Schließlich hab ich nicht die geringste Ahnung, wie ich ihm erklären soll, dass ich beim Casting nicht mitmachen will. Jette, die seit ein paar Monaten ständig davon redet, dass sie später mal Kommissarin werden will, meinte, das Beste sei in solchen Fällen immer die Wahrheit, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie damit recht hat. Schließlich ist es eine Sache, vor den besten Freundinnen zuzugeben, dass man allein schon bei dem Gedanken, auf einer Bühne vor zig Leuten vorzusingen, nervöse Zuckungen bekommt, und eine ganz andere, das demjenigen zu beichten, der das Ganze extra für einen organisiert hat. Außerdem habe ich Ben vorgestern ja noch erzählt, dass ich seine Idee ganz toll finde. So ein Mist!

Nach zwei Stunden Diskussion, was man in so einem Fall am besten tut, mussten Sophie, Franzi und Jette nach Hause. Glücklicherweise hatte Schari aber noch Zeit und wir haben allein weiterüberlegt. Anfangs bin ich wie eine Blöde in meinem Zimmer herumgetigert und hab dabei tausend Gesprächsanfänge durchgespielt, aber letztlich ist mir klar geworden, dass ich Ben die Wahrheit einfach nicht sagen kann. Immerhin hat er sich so viel Mühe gegeben, mich in die Band zu holen, und sich deshalb fast mit den anderen Bandmitgliedern verkracht – da kann ich ihn nicht plötzlich hängen lassen. Also ist mir meine ursprüngliche Idee mit dem Krankwerden wieder eingefallen, die ich Sophie schon am Telefon erzählt hatte. Immerhin würde ich so quasi zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, weil das Segelwochenende mit Papa dann ja auch ins Wasser fallen würde. Aber als ich Scharina davon berichtet hab, habe ich gleich gemerkt, dass sie das Ganze nicht im Mindesten so genial fand wie ich. Anstatt mir freudestrahlend auf die Schulter zu klopfen, hat sie mich nämlich nur zweifelnd angesehen.

»Na ja … Das mit dem Krankspielen hast du doch neulich schon mal gemacht, nachdem du die Einladung zu Hubertus’ Geburtstagsparty bekommen hast, und irgendwie fand ich das schon ein bisschen …«

»Ein bisschen was?«

Meine Stimme hat einen Hauch gereizt geklungen und Schari sah eine Sekunde lang so aus, als ob sie am liebsten nicht weitersprechen würde, aber dann hat sie sich doch einen Ruck gegeben.

»Na ja, ein bisschen … feige.«

»Feige?« Ich hab Schari empört angeguckt.

»Und was hätte ich sonst machen sollen? Hast du gesehen, wie Hubsi meinen Busen vorgestern nach einem Bleistift gefragt hat? Der guckt mir überhaupt nicht mehr ins Gesicht! Das ist echt ekelhaft, und wenn ich zu seiner Party gehen würde, dann würde er garantiert denken, dass ich ihn mag, und …«

Ich wollte gerade noch weiter ausholen, da hat Scharina mich schon unterbrochen.

»Ist dir eigentlich noch nie aufgefallen, warum du andauernd in solche Kacksituationen gerätst?«

Ich hab den Kopf geschüttelt.

»Nein. Mumi würde wahrscheinlich sagen, schlechtes Karma oder Zufall oder …«

»Das ist kein Zufall.«

»Ach, nein? Und was sonst bitte schön?«

Ich hab Scharina finster angeblitzt, aber sie hat meinem Blick einfach standgehalten.

»Du bist einfach zu nett. Ich mein, du kannst einfach nicht Nein sagen, wenn jemand was von dir will. Mit dem Effekt, dass du andauernd Dinge machen musst, die du eigentlich gar nicht willst. Oder du versuchst, dich da irgendwie herauszuwinden, und verstrickst dich dabei immer mehr in Lügenmärchen, aus denen du zum Schluss nicht mehr herauskommst.«

»Aber das stimmt nicht. Ich sag ganz oft Nein!«

»Ach ja? Und wann?«

»Na ja, zum Beispiel neulich bei meinen Großeltern. Und davor …«

Ich hab nachgedacht, aber so schnell ist mir natürlich nichts eingefallen. Scharina dafür leider umso mehr.

»Von wegen oft! Das mit deinen Großeltern war die totale Ausnahme. Nimm doch mal den BH-Kauf mit deiner Mutter! Tagelang hast du erzählt, was für einen Horror du davor hast, aber auf die Idee, ihr zu sagen, dass du das Teil lieber alleine kaufen willst, bist du überhaupt nicht gekommen! Und dann diese Kino-Geschichte. Da hast du deinen Vater nur mitgenommen, weil du ihn nicht enttäuschen wolltest! Dasselbe mit dem Casting. Und beim Segelwochenende genauso! Manchmal hat man bei dir schon das Gefühl, es reicht, dass du denkst, der andere könnte irgendwas von dir wollen, und – schwupps – legst du schon los. Wie so ein Flaschengeist, der dazu verdammt ist, ständig die Wünsche der anderen zu erfüllen, damit bloß keiner sauer auf ihn ist.«

»Aber so ist das überhaupt nicht!«

»Und wie ist es sonst?«

Scharina hat mich fragend angesehen und ich hab ein trotziges »So auf jeden Fall nicht …« rausgepresst. Anschließend hat meine Unterlippe angefangen zu zittern, wie sie es immer tut, wenn ich mich in die Ecke gedrängt fühle, aber im selben Moment hat Scharina schon nach meiner Hand gegriffen.

»Hey, ich sag das doch nicht, um dich zu ärgern! Ich mach mir nur Sorgen um dich. Weil du in letzter Zeit ziemlich oft Bauchweh hast oder Kopfweh und … na ja …«

»Du machst dir Sorgen um mich?«

Ich hab innegehalten und Scharina verdattert angeguckt. Schließlich hab ich mir letztes Jahr monatelang Sorgen um sie gemacht, wegen Kevin, ihrem achtzehnjährigen Bruder, der sie ganz oft geschlagen hat, wenn er betrunken war, und ihrer Mutter, die nie da war, und Hanna, die sie ständig gemobbt hat, und jetzt das! Scharina hat verlegen die Schulter gezuckt und dabei genickt und da hab ich sie zu mir herangezogen und wir haben uns ganz doll umarmt, so lange bis Scharina beim Blick auf die Uhr hinter mir einen spitzen Schrei ausgestoßen hat.

»Oh, nee! Ich glaub’s nicht. Ich wollte vor einer Viertelstunde bei Jannick sein! Mist! Und das, wo der Bulle heute früher nach Hause kommt …«

»Der Bulle?«

»Na, Jannicks Vater. Aber sag bloß niemandem, dass Jannick ihn manchmal so nennt.«

»Bestimmt nicht. Dabei fällt mir ein, habt ihr das jetzt eigentlich geklärt, mit dieser Zigarettenkippe auf dem Balkon?« Schari hat unglücklich den Kopf geschüttelt und dann gemeint, dass Herr Kleinhardt noch immer glauben würde, dass die Kippe mit den dunkelroten Lippenstiftresten von ihr stammen würde und dass er sie nach wie vor auf dem Kieker hätte, und das, obwohl wir die Sache mit dem Kuchen und dem Abführmittel letztlich gar nicht durchgezogen haben, weil Schari dann doch fand, das ginge zu weit.

Eigentlich wollte ich ihr gerade vorschlagen, die Geschichte mit dem Abführmittel noch mal in Betracht zu ziehen, aber da hat sie schon den Kopf geschüttelt und gemeint, manchmal hätte ich echt einen Knall. Und eine Sekunde später ist sie mit fliegenden Fahnen los zu Jannick, dem Hobbit, und ich bin in meinem Zimmer zurückgeblieben und hab über das, was sie zu mir gesagt hat, noch mal in Ruhe nachgedacht.

Ich mein, auch wenn ich das mit dem Flaschengeist ein bisschen übertrieben fand – irgendwie hat sie schon recht. Nein-Sagen ist wirklich nicht meine Stärke. Und wenn Scharina schon findet, dass das mit dem Krankspielen langsam überhandnimmt, obwohl sie das mit der abgesagten Konfer-Reise (plötzliches Kopfweh) und dem vorletzten Mal Sport (Bauchschmerzen) gar nicht mitbekommen hat, sollte ich das vielleicht nicht mehr ganz so inflationär19 einsetzen. Hm. Vielleicht wäre es doch das Beste, wenn ich Ben einfach sage, dass ich Schiss habe und deshalb nicht auftreten kann. Oder?

image

14.24 Uhr.

Hatte den Telefonhörer schon dreimal in der Hand, habe mich aber noch immer nicht getraut, Ben anzurufen.

14.56 Uhr.

Habe eben meinen Schreibtisch aufgeräumt, sämtliche Buntstifte angespitzt und meine Socken nach Farben sortiert. Jetzt fällt mir nichts mehr ein, was ich noch tun könnte, um den Anruf bei Ben hinauszuzögern. Bin nachher um halb fünf mit Gesa verabredet (der, den ich letztes Jahr über die Telefon-Hotline kennengelernt habe und von dem ich dachte, er sei eine Frau). Eigentlich wollte ich ihm etwas vorsingen, weil er schließlich ein voll ausgebildeter Sänger ist, der sich mit so was auskennt, aber vielleicht kann ich mir das ja schenken. Ich muss Ben nur sagen, dass ich übermorgen nicht vorsingen kann. Weil … Weil … Oh Gott, mein Kopf ist jetzt schon leer.

15.14 Uhr.

Habe eben mit Ben telefoniert. Ich habe »Hallo, hier ist Julie!« gesagt und er hat »Hallo, hier ist Ben!« geantwortet und danach mussten wir beide lachen. Anschließend meinte er, dass er mich auch gleich angerufen hätte. Weil er mir nämlich noch mal sagen wollte, wie sehr er sich auf unser gemeinsames Probenwochenende an Ostern freut. Ich habe geschluckt und dann den Kopf geschüttelt.

»Na ja, aber vorher ist ja noch das Casting. Tja, und deswegen rufe ich auch an. Also, es ist nicht so, dass ich Angst davor hätte … Eigentlich … Quasi … Obwohl …«

Ich hätte wahrscheinlich noch Ewigkeiten so vor mich hin gestottert, aber im selben Moment hat Ben schon gesagt, dass er diese ganze Casting-Idee genauso daneben fände wie ich, und da hab ich erst mal erleichtert aufgeatmet. Für eine Sekunde habe ich sogar gehofft, dass das mit der Absage viel leichter gehen würde als erwartet, aber da hat Ben schon weitergesprochen und gesagt, er fände es super von mir, dass ich trotzdem nicht kneifen würde.

»Irgendwie bin ich immer noch sauer auf Steffen, dass er da gleich so eine große Nummer draus gemacht hat. Das Blöde ist, dass Fiete diesen ganzen Casting-Quark jetzt auch gut findet, weil er hofft, dass Linnie das Teil gewinnt, und deshalb stand es zwei zu eins für das Casting, weil Marc sich enthalten hat und …«

image

»Linea. Du weißt doch, die Neue bei uns in der Klasse.«

image

»Ach ja. Die.«

Ich hab innegehalten, weil mir im selben Moment vor Eifersucht ganz heiß geworden ist, aber da hat Ben sich am anderen Ende der Leitung schon geräuspert.

»Julie, versprichst du mir was? Ich weiß, du hasst diesen ganzen Vorsinge-Mist, und ich find’s auch total bekloppt, aber … Gewinnst du das Ding?«

image

»Klar. Ich mein … äh …«

Irgendwie muss Ben am anderen Ende der Leitung gemerkt haben, dass was nicht stimmt, denn plötzlich hat seine Stimme ganz weich und zärtlich geklungen. »He, ich weiß, dass du Schiss hast. Ich hab auch immer tierisches Lampenfieber, wenn ich auf die Bühne muss, aber du schaffst das. Ich find deine Stimme total gut und das, was noch nicht so toll hinhaut, üben wir einfach über Ostern. Und außerdem … Erinnerst du dich noch daran, wie Scharinas Bruder, dieser bescheuerte Kevin, uns letztes Jahr in diesen Keller gesperrt hat? Da warst du so cool!Wenn ich nicht schon vorher in dich verknallt gewesen wäre, wäre ich’s danach garantiert gewesen. Manchmal weißt du’s vielleicht selber nicht, aber du bist das mutigste Mädchen, das ich kenne.«

Für eine Sekunde war ich ganz perplex und geschmeichelt und hab gedacht, das sollte Scharina mal hören, von wegen, ich würde mich nie was trauen, aber dann habe ich gemerkt, dass das Gespräch in eine ganz falsche Richtung läuft.

Also habe ich kurz entschlossen meine Taktik geändert und gesagt, dass ich blöderweise seit heute früh tierisch unter Halsweh leiden würde.

»Voll übel. Und ich glaub, heiser bin ich auch ein bisschen.«

Ich hab probeweise angefangen zu husten und anschließend hat Bens Stimme ganz besorgt geklungen.

»Sollen wir das Casting lieber auf Mittwoch verschieben? Ist für mich kein Problem. Ich ruf Marc gleich an und dann …«

»Ich weiß nicht. Könnte natürlich sein, dass ich am Mittwoch auch noch heiser bin. Da geht ja im Moment so ein Grippevirus um. Der soll Wochen dauern, hab ich gehört!«

»Wochen?«

»Mhm. Ja. Mindestens.«

Für ein paar Sekunden war Stille im Hörer. Anschließend hat Ben sich geräuspert und dann hat seine Stimme auf einmal ganz merkwürdig geklungen. »Wenn du keine Lust hast, in der Band mitzumachen, dann würdest du mir das doch sagen, Julie? Oder? Ich mein, eigentlich wollte ich da nichts drauf geben, aber Marc und Steffen haben da so was angedeutet …«

»Was angedeutet?«

Ich hab irritiert den Kopf geschüttelt, was er natürlich nicht sehen konnte, aber da hat er schon weitergeredet.

»Na ja, irgendwas von einem Typen in deiner Klasse, dem du ein Foto geschenkt haben sollst oder so. Keine Ahnung. Und Fiete meinte, er hätte durch Zufall ein Telefonat mit angehört, in dem du total ausgeflippt bist und gesagt hast, dass du vielleicht einen auf krank machen willst, um nicht bei uns mitmachen zu müssen.«

»Blödsinn! Ich und einen auf krank machen! Und ein Foto hab ich auch niemandem gegeben! Von wem hat Fiete das denn?

Von Sophie?«

Ich war kurz davor, mich richtig aufzuregen, aber da hat Ben schon die Reißleine gezogen und sich entschuldigt und gemeint, dass Fiete sich das Ganze wahrscheinlich nur ausgedacht hätte.

»Seit der in Linnie verknallt ist, benimmt er sich echt wie der letzte Depp. Mach Sophie deswegen nicht an, okay? Die kann nichts dafür. Und außerdem …«

»Außerdem?«

»Ach, egal. Du sagst, wenn du die ganze Sängerinnen-Idee für Schwachsinn hältst, oder? Ich mein, ich will nicht, dass du dich zu irgendwas gezwungen fühlst.«

»Nein. Natürlich nicht. Ich will ja in eure Band. Ich …«

Ich hab abgebrochen. Für einen Augenblick war Stille im Hörer und dann hat Ben erleichtert aufgeatmet.

»Super. Hey, Julie, du glaubst gar nicht, wie gut das tut, wenn du das sagst. Für einen Moment hab ich echt gedacht … Egal. Ich freue mich total auf Ostern. Und du?«

»Ich mich auch. Ist doch klar.«

Ben hat noch einen Kuss durch die Leitung geschickt und dann aufgelegt und ich hab wie eine Gehirnamputierte auf den Telefonhörer gestarrt und gedacht, super, Julie, das war ja mal wieder eine Glanzleistung!

Wie kann man nur so bescheuert sein?? Da baut Ben mir goldene Brücken und was mach ich? Schaufle mir lustig mein eigenes Grab. Wirklich, Julie, klasse hingekriegt! Ganz toll.

17 Feministisch bedeutet … Hm. Mal davon abgesehen, dass meine Oma von sich sagt, dass sie eine Feministin ist, ist mir die Bedeutung noch immer ein bisschen unklar. Laut Mumi sind Feministinnen Frauen, die stolz darauf sind, Frauen zu sein (?). Laut Mama sind Feministinnen starke Frauen, die für Frauen kämpfen (??), und laut Papa haben Feministinnen meistens einen an der Marmel (???). Habe zuerst vermutet, Feministinnen sind diese Frauen, die manchmal auf Hamburg 1 miteinander im Schlamm ringen, aber da meine Oma auch eine davon sein soll, ist es wohl doch etwas anderes.

18 Moby-Dick ist so eine Art Langzeit-Diät-Kurs, bei dem sich Jugendliche einmal die Woche treffen und gemeinsam Sport machen oder was zusammen kochen. Meistens natürlich was Gesundes, Kalorienarmes, aber Jette meint, das würde trotzdem fast immer ziemlich lecker schmecken. Denke, ich sollte Mama in Anbetracht ihres heutigen Rosenkohl-Rote-Bete-Schnitzels da auch mal vorbeischicken.

19 Inflationär = übermäßig. Weiß ich von Jette. Neulich hat der rothaarige Oliver nämlich laut durch die Klasse gegrölt, sein Vater hätte »inflationär coole Muckis«. Wusste nicht, was inflationär heißt, aber Jette, deren Vater Arzt ist, meinte, es käme von »Flatulenzen«. Habe meine Mutter zu Hause gefragt, was das ist, und Mama meinte, Flatulenzen seien Pupse. Finde die Herkunft einiger Wörter ehrlich gesagt etwas gewöhnungsbedürftig. (Pupskalte Muskeln??)