Höhepunkte
1) Gerade war Dr. Brandt, unser alter Hausarzt, da und hat diagnostiziert, dass ich einen kleinen (ha, von wegen!) Magen-Darm-Infekt habe, der zurzeit überall umgeht. Damit habe ich also quasi einen amtlichen Beweis dafür, dass ich Ben mit dem Kranksein nicht angelogen habe.
Tiefpunkte
1) Habe Dr. Brandt gebeten, bei Ben zu klingeln und ihm zu sagen, dass ich wirklich krank bin, aber er meinte, so viel Zeit hätte er seit der letzten Gesundheitsreform nicht mehr und ich könne von Glück sagen, dass er aus alter Freundschaft zu meinen Eltern überhaupt noch Hausbesuche macht.
2) Papa und Mama verhalten sich merkwürdig. Heute früh hat Mama mich gefragt, ob ich sehr an unserem Garten hängen würde. Habe irritiert erwidert, warum sie das wissen will, aber sie hat nur an Ottis Lätzchen herumgenestelt und »Nur so …« gemurmelt. Ziemlich sonderbar, wenn du mich fragst!
3) Seit vorgestern Abend habe ich nicht mehr gespuckt und der Durchfall ist auch vorbei. Das heißt, ich muss morgen mit Papa nach Dänemark segeln. Verdammt!
Eben habe ich sechsmal versucht, Ben telefonisch zu erreichen, aber zuerst war immer der Anrufbeantworter dran, dann ist niemand mehr rangegangen und zuletzt hat Bens Mutter abgehoben und mir gesagt, dass ihr das Ganze schrecklich leidtue, aber dass ich im Moment bitte nicht mehr anrufen solle, weil Ben eh nicht mit mir sprechen will und sie gerade einen wichtigen Anruf erwarte. Danach hat sie aufgelegt. Klack. Unfassbar, oder? So schnell kann’s gehen. Vor ein paar Tagen wollte Bens Mutter noch mit uns in den Urlaub fahren und jetzt blockiere ich nur noch ihre Leitung.
Hätte nicht gedacht, dass es möglich ist, aber ich fühle mich heute noch schrecklicher als gestern.
Schari hat angerufen und mich gefragt, ob sie vorbeikommen soll, nachdem ich ihr gestern Abend gefühlte zwei Stunden lang (laut Mama waren es drei) am Telefon versucht habe zu erklären, was passiert ist. Aber ich weiß, dass Scharina donnerstags immer ihrer Mutter hilft, die Wohnung einer alten Dame zu putzen, und deswegen hab ich gesagt, sie solle sich keine Sorgen machen, ich käme schon klar.
Aber dann ist mir zwei Stunden später doch dermaßen die Decke auf den Kopf gefallen, dass ich Jette und Sophie zu einem sofortigen Chat bei SchülerVZ genötigt habe. (Franzi konnte auch nicht, ihre Mutter hat gesagt, sie sei bei einem Schminkkurs in der Familienbildungsstätte. Jette meint, sie könne schwören, dass der Kurs eigentlich erst ab vierzehn Jahren ist, aber Franzi hat ihren Eltern vorletzte Woche sogar weisgemacht, dass Fünfen in Bio dieses Jahr wegen Lehrermangel nicht gewertet werden, also ist so was für sie eine Kleinigkeit.)
Beim Chatten hat Jette sich zuerst danach erkundigt, welche Trost-Strategie mir lieber sei, eins oder zwei. Habe gefragt, worin Strategie eins und zwei sich denn unterscheiden, und Sophie hat es mir erklärt. Strategie eins zielt darauf ab, dass Ben ein Vollidiot ist und ich meine Zeit lieber mit meinen Freundinnen verbringen soll, die schließlich alle noch keinen Freund haben (von Schari mal abgesehen). Hatte ehrlich gesagt das Gefühl, dass Sophie diese Variante eindeutig bevorzugt, denn sie meinte, sie hätte sich schon das Kinoprogramm für nächste Woche besorgt und könnte auch das Reiten absagen, um stattdessen mit mir Kerzenziehen zu gehen.
Habe mich anschließend nach Strategie zwei erkundigt, woraufhin Jette meinte, die ginge eher in die Richtung, dass Ben mich im Grunde seines Herzens immer noch liebt und er und ich bald wieder ein Paar sein würden.
Na, was glaubst du, habe ich gewählt? Natürlich Variante zwei. Sophie war leicht geknickt, aber Jette meinte, das sei die richtige Entscheidung gewesen, denn sie sei sich inzwischen hundertprozentig sicher, dass der Krach zwischen Ben und mir nur ein Missverständnis sei. Habe sie gefragt, wie sie darauf kommt, und sie hat geantwortet, Ben hätte doch nur Schluss gemacht, weil er glauben würde, dass ich einen neuen Freund hätte, was ja gar nicht stimmen würde, und insofern würde unserem Streit quasi die gesamte Rechtsgrundlage fehlen.24
Zuerst war ich ziemlich verzückt von Jettes These, habe dann aber vorsichtig einfließen lassen, dass Ben wohl auch deswegen sauer auf mich ist, weil ich ihn dreimal hintereinander angelogen habe, woraufhin Jette erwiderte, das Argument sei aus irgendwelchen rhetorischen Gründen zu vernachlässigen. (Warum, habe ich nicht ganz verstanden, aber die Aussicht, dass das Ganze nur halb so schlimm ist, war so verlockend, dass ich nicht weiter nachgebohrt habe.)
Nachdem Jette mich fast davon überzeugt hatte, dass der ganze Streit zwischen Ben und mir nur eine Lappalie ist, hat sich Sophie leider eingeschaltet und geschrieben, dass sie uns ja nicht stören wolle, sie wüsste allerdings von ihrem Bruder Fiete höchstpersönlich, dass Ben mich nie wiedersehen wolle. Na, und das hat mich dann wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Verflixt! Habe die anderen gefragt, was sie von der Idee halten, Ben in einem langen Brief alles zu erklären, aber Sophie und Jette waren sich einig, dass das nur verlorene Liebesmüh sei, solange ich die Sache mit dem Leberfleck nicht aufklären könne.
»Verstehst du nicht, Julie? Wenn Ben wirklich gesagt hat, dass er sich von seinem Nachfolger erzählen lassen musste, wo bei seiner Freundin die Leberflecke sitzen, dann muss es diesen Nachfolger auch geben. Ist doch klar.«
»Und wer ist dieser komische Nachfolger, bitte schön? Und warum weiß ich nichts von ihm?«
Eine Sekunde ist der Bildschirm leer geblieben, aber dann hat Jette sich wieder gemeldet.
»Keine Ahnung. Das müssen wir eben herausfinden. Und dafür brauchen wir zuallererst einen Decknamen. Was haltet ihr von Soko25 Leberfleck?«
»Soko Leberfleck?? Bist du jetzt völlig durchgeknallt?«
War gerade dabei, Jette fortschreitenden Gehirnschwund zu unterstellen (ich mein, als ob es nicht schon reicht, dass sie sämtliche Folgen von Soko Köln auf DVD hat), da hat Sophie sich unerwartet auf Jettes Seite geschlagen.
»Julie, hör auf! Jette hat recht. Solange du nicht genau weißt, was dahintersteckt, kriegst du Ben garantiert nicht zurück.«
Na, super. Habe mir unglücklich den zehnten Schoko-Crossie in den Mund gestopft (das mit dem Appetitverlust bei Liebeskummer hat bei mir nur anderthalb Stunden funktioniert, war ja klar!) und dann frustriert auf den Bildschirm gestarrt, auf dem Jette sich jetzt danach erkundigt hat, wer außer uns dreien noch von meinem Muttermal wüsste.
»Niemand. Na ja, außer meinen Eltern.«
»Aber das macht keinen Sinn.«
»Sag ich ja.«
»Kann es nicht sein, dass jemand es zufällig gesehen hat? Beim Sport oder so?«
»Nein.«
»Und warum nicht?«
Ich habe einen Moment gezögert und dann seufzend geantwortet.
»Weil es direkt auf meiner linken Brust ist. Jetzt zufrieden?«
»Oh. Ist ja eklig.«
»Vielen Dank! «
Wie schön, wenn die eigenen Freundinnen so sensibel wie Schlachterhunde sind. Da fühlt man sich doch gleich bedeutend besser!
Während Sophie mir irgendwas à la »Marilyn Monroe hatte auch ein ganz dickes Muttermal, direkt neben ihrem Mund, und war trotzdem die schönste Frau der Welt« zugeschickt hat (Danke, Sophie!), war ich kurz davor, mich aus unserem Chat auszuklinken, aber dann hat Jette gemeint, ich solle nicht beleidigt sein, schließlich sei das Wichtigste doch jetzt, die Sache gemeinsam aufzuklären.
»Okay, ich sage euch, wie wir’s machen. Als Erstes quetscht Sophie ihren Bruder darüber aus, was er von der ganzen Nachfolger-Sache weiß. Dann verteilen wir ein paar Wanzen in Bens Zimmer, ich hab welche in meinem Spurensicherungs-Set, ihr wisst schon, dieses Profi-Set, das mein Vater für mich im Internet bestellt hat, und dann schleichen wir uns undercover bei Ben ein und …«
Manchmal bin ich ja etwas schwer von Begriff, aber diesmal habe ich erstaunlich schnell geschaltet.
»Äh, Moment mal! Jette, du willst was in Bens Zimmer verteilen??«
Für einen Augenblick ist der Bildschirm leer geblieben und da ist mir klar geworden, dass Jette gerade wirklich und wahrhaftig vorgeschlagen hat, Bens Zimmer mit professionellen Abhörgeräten zu bestücken. Na, und da bin ich beinahe kollabiert. »Hier verwanzt niemand irgendetwas, verstanden? Ben ist doch kein Verbrecher! So was ist total mies und hinterhältig! Außerdem, stellt euch doch nur mal vor, er merkt davon was, das wäre so, so …«
Vor lauter Empörung ist mir kein passendes Wort eingefallen. Von Jettes Seite ist ein »Aber …« auf dem Bildschirm aufgetaucht, aber danach ist nichts mehr gekommen, also habe ich gleich ein »Nichts aber!« zurückgeschossen, woraufhin sie gleich noch mal angesetzt hat.
»Aber wenn du ihn zurückbekommen willst, dann sind Wanzen vielleicht gar keine schlechte Idee.«
»Auf die Art will ich ihn aber nicht zurück!«
»Soll ich dann mein Reiten doch absagen, damit wir am Mittwoch zusammen Kerzenziehen können? «
Das war natürlich Sophie.
»NEIN!«
»Aber die Wanzen sind wirklich ganz unauffällig.«
Wieder Jette.
»NEIN!!!«
»Spielverderber!«
»Das ist kein Spiel! Das ist mein Leben!!!«
Nachdem ich das ein für alle Mal klargestellt hatte, blieb der Bildschirm erst mal weiß, aber dann blinkte ein zaghaftes »Tut mir leid!« von Jette auf und ich habe wieder ausgeatmet.
»Schon okay. Dabei fällt mir ein, weiß einer von euch, wer das Casting gewonnen hat?«
Für eine Sekunde kam nichts, dann meldete sich Sophie mit einem zögernden »Ja«.
»Ja, und wer hat das Casting jetzt gewonnen?«
»Willst du das wirklich wissen?«
»Natürlich!«
»Na gut. Linea hat gewonnen.«
Im selben Moment habe ich mir gewünscht, ich hätte nicht gefragt. Linea hat gewonnen. War ja klar. Ich hab noch meine Wunden geleckt, da hat Jette schon gemeint, dass das leider noch nicht alles wäre. Noch nicht alles? Was denn noch? Wollte Jette gerade fragen, da ist von Sophie schon ein »Sag’s ihr nicht!« aufgeblinkt.
»Was soll sie mir nicht sagen? Jette??«
»Sorry, Julie, aber Sophie hat recht. Das würde dich nur aufregen!«
»Noch mehr aufregen geht nicht! Also: Was sollst du mir nicht sagen?«
»Frag Sophie.«
»Sophie?«
»Ich glaube wirklich nicht, dass es gut wäre, wenn du das weißt. Dabei fällt mir gerade ein, würde es euch mit dem Kerzenziehen auch schon am Dienstag passen? Ich könnte dann trotzdem zum Reiten gehen.:)«
»Sophie, hör sofort damit auf! Das ist der billigste Ablenkungsversuch, den ich je erlebt habe!«
Langsam bin ich richtig wütend geworden und dann habe ich Jette und Sophie gedroht, dass sie nicht mehr meine Freundinnen sind, wenn sie mir nicht sofort sagen, was los ist. Okay, ich weiß, das war starker Tobak und anschließend ist mein Bildschirm auch vor lauter Schreck leer geblieben. Aber dann hat Sophie mir zögernd geschrieben, dass ihr Bruder gerade Liebeskummer hat, weil er von Linea gehört hat, dass sie nicht in ihn, sondern in jemand anderen verknallt ist.
»Und? In wen ist sie verknallt?«
Stille.
Wollte gerade eine erneute Drohung ausstoßen, da ploppten doch drei Buchstaben auf dem Bildschirm auf.
»B – e – n.«
Ich hatte es geahnt. Irgendwie hatte ich es geahnt.
»Aber das muss überhaupt nichts heißen! Echt nicht!!!«
Für einen Augenblick war ich nicht in der Lage zu antworten, weil ich die Zukunft plötzlich glasklar vor mir gesehen habe. Linea wird Ben über Ostern beichten, dass sie ihn toll findet, und Ben wird anfangs sprachlos sein, aber nach ein paar Tagen gemeinsamen Probens mit der Band wird er sie allmählich mit anderen Augen sehen und etwas später werden Schari, Franzi, Jette, Sophie und ich die beiden knutschend auf den Treppen vor der Schule stehen sehen und noch ein paar Wochen später wird sich kein Schwein mehr daran erinnern, dass Ben je mit der total unscheinbaren kleinen Julie aus der Siebten zusammen war.
Sophie und Jette müssen gemerkt haben, was in meinem Kopf abgelaufen ist, denn Sophie hat mich auf einmal gefragt, ob sie vorbeikommen soll, und Jette wollte auch schon ihre Jacke holen, aber ich hab schnell geschrieben, dass ich jetzt Schluss machen muss, weil meine Mutter nach mir ruft. Und dann habe ich den Chat beendet.
So viel also dazu. Auf der einen Seite Linea, die schon sechzehn ist und singt wie Shakira und aussieht wie Pink und so sexy ist, dass sie schon mal in der BRAVO war (stand auf ihrer Homepage, unglaublich, oder?). Und auf der anderen Seite ich: Julie Ahlberg, dreizehn, schokoladensüchtige Besitzerin einer Nofrete-Nase, die sich in ihrer Freizeit gern zum Affen macht, indem sie Geschichten über feministische Vampire erfindet oder »Liebe ist alles« in der Tonlage einer röhrenden Hirschkuh intoniert. Für wen sich Ben in diesem Fall entscheidet, ist ja wohl klar. Denke, so betrachtet wäre selbst ich nicht gern mit mir zusammen.
16.28 Uhr.
Gerade eben hat Mumi angerufen und sich danach erkundigt, wie es mir geht. Hab mir die Tränen aus dem Gesicht gewischt und kurz überlegt, ob ich mit ihr über Ben reden soll, es aber dann doch gelassen. Wahrscheinlich würde sie sich ein spitzes »Was habe ich dir gesagt« nicht verkneifen können, um dann eine lange Tirade vom Stapel zu lassen, von wegen, dass ich ohne Ben viel besser dran wäre und dass pubertierende Jungs einen sowieso nur vom Lernen abhalten, bevor sie einen dazu verdammen, ihre Socken zu waschen.
Weil ich keine Lust hatte, ihr irgendetwas à la »Mir geht’s ja so toll!« vorzuspielen, habe ich sie gleich nach ihrem Date gefragt und das war genau die richtige Taktik.
Unfassbar! Sie ist dermaßen hin und weg von diesem Thorwald (so heißt ihr Date), dass sie aus dem Schwärmen kaum noch herausgekommen ist. Thorwald hier und Thorwald da! Mittendrin habe ich kurzzeitig befürchtet, dass sie gleich wieder irgendetwas Oberpeinliches vom Stapel lässt (z. B. was für Unterhosen dieser Thorwald trägt oder so), aber zum Glück hat sie es bei einer Hymne auf seine Sensibilität belassen.
Laut Mumi arbeitet der tolle Thorwald als Sozialarbeiter mit verwahrlosten Jugendlichen, töpfert gern und beherrscht außerdem eine besondere Art der Fußreflexzonen-Massage. (Hätte ich wählen können, hätte ich mir lieber nicht vorgestellt, wie ein uralter Mann, der Thorwald heißt, meiner Oma die Füße massiert, aber Mumi fragt einen leider nie, bevor sie so was erzählt …) Thorwalds einziges Manko scheint zu sein, dass er weder raucht noch trinkt, und das bei Mumi, die ohne ihre Zigaretten und ihren Piccolo-Sekt quasi nicht lebensfähig ist. (Aber ich wette, das trainiert sie ihm auch noch ab oder besser gesagt an.)
War im Anschluss an das Gespräch eben ehrlich gesagt noch frustrierter als vorher, versuche, mir aber gerade einzureden, dass es doch schön ist, wenn wenigstens einer aus der Familie glücklich verliebt ist. Wie sagt Mumis Schwester Martha, die in Köln lebt, doch immer: »Man muss auch jönne könne …«26
23.57 Uhr.
Bin eben aufgewacht und konnte nicht wieder einschlafen, weil ich die ganze Zeit Ben und Linea in einer leidenschaftlichen Knutsch-Umarmung vor mir gesehen habe. Also bin ich noch mal runter in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen. Unten saßen Mama und Papa mit Leichenbittermiene vor Bergen von Kontoauszügen und haben sich angezickt. Am liebsten hätte ich gleich wieder kehrtgemacht, aber als ich an Mama vorbeigekommen bin, hab ich durch Zufall gesehen, dass oben auf ihrem Zettel »Lebenshaltungskosten Januar bis Dezember« stand, und da hat irgendetwas in meinem Kopf pling gemacht. Ich bin stehen geblieben und habe Mama gefragt, warum sie auf einmal mitten in der Nacht darüber reden, was wir monatlich zum Leben brauchen, aber Mama hat sich nur geräuspert und Papa einen verlegenen Blick zugeworfen. Und Papa hat dann die Schultern gezuckt und gemeint, das würden sie manchmal erst so spät machen, weil sie dann mehr Ruhe hätten, und ich solle jetzt schnell wieder ins Bett gehen, damit ich morgen fit für unsere Segeltour sei.
Hm. Ich weiß, es klingt doof, aber aus unerfindlichen Gründen muss ich die ganze Zeit daran denken, dass Franzi neulich erzählt hat, wie ihre Eltern vor ihrer Trennung auch ständig Kostenaufstellungen gemacht haben. Um herauszufinden, ob sie sich eine Scheidung überhaupt leisten können. Wegen der Unterhaltszahlungen und der neuen Wohnung, in die ihre Mutter gezogen ist, und so weiter.
Es ist echt merkwürdig, ich bin mir ganz sicher, dass meine Eltern sich nicht scheiden lassen wollen, schließlich ist Otti noch nicht mal ein Jahr alt und da tut man so etwas eigentlich nicht, aber trotzdem. Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich sie ewig nicht mehr rumknutschen sehen, und in letzter Zeit verhalten sie sich untereinander auch ziemlich distanziert. Von den häufigen Krächen wegen Papas Job und der Prämie, die er zum zweiten Mal nicht bekommen hat, mal ganz abgesehen. Aber eigentlich habe ich gar keine Lust, darüber nachzudenken. Noch ein Problem neben meinem Liebeskummer ertrage ich einfach nicht. Und Verdrängung ist schließlich auch etwas Schönes. Zumindest zeitweise.
24 Jettes Kommissarinnen-Tick wird allmählich echt skurril, finde ich. Neulich hat sie mir geschlagene zwei Stunden zu erklären versucht, was der Unterschied zwischen Erpressung und Nötigung ist, und ich bin vor Langeweile fast gestorben.
25 Soko = Sonderkommission
26 Auf Hochdeutsch: »Man muss auch gönnen können …«