98) Das Geschwister-Problem 

Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Martina zwei Söhne hat, beträgt 1/3. Bei Stefanie kommt überraschenderweise ein anderes Ergebnis heraus – nämlich 13/27.

 

Zunächst die Erklärung für Martina: Man könnte glauben, die Wahrscheinlichkeit liege bei 1/2. Und das würde sogar stimmen, sofern wir zum Beispiel wissen, dass das ältere Kind ein Junge ist. Das jüngere Kind wäre dann mit einer Wahrscheinlichkeit von je 50 Prozent männlich oder weiblich.

Doch wir wissen nicht, ob der Sohn von Martina (falls sie nur einen hat) das ältere oder das jüngere Kind ist. Wir wissen nur, dass sie mindestens einen Sohn hat. Also sind beide Fälle denkbar (jünger und älter) – und wir müssen uns beide anschauen. 

 

Bei zwei Kindern sind die folgenden vier Geschlechterverteilungen möglich, die alle gleichwahrscheinlich sind. Das erstgenannte Kind soll das ältere sein: 

– Junge, Junge

– Junge, Mädchen

– Mädchen, Junge

– Mädchen, Mädchen

 

Komplizierter wird es im Fall Stefanie. Es handelt sich dabei um das »Boy or Girl Paradox«, für das sogar ein eigener Wikipedia-Eintrag existiert und über das einige wissenschaftliche Artikel publiziert wurden, etwa von Tanya Khovanova oder von Julie Rehmeyer. Die hier von mir angegebene Lösung 13/27 stimmt nur unter bestimmten Voraussetzungen. Entscheidend ist, auf welchem Weg wir an die Informationen über die Kinder von Stefanie gekommen sind.

Das Ergebnis lautet nur dann 13/27, wenn wir eine Mutter von zwei Kindern zufällig auswählen und fragen: »Hast du mindestens einen Sohn, der an einem Dienstag geboren wurde?« Und wenn die Antwort darauf »Ja« lautet.

 

Hier die Analyse: Das ältere Kind kann ein Mädchen oder Junge sein, das jüngere ebenfalls (solange nicht beide zugleich Mädchen sind). Zudem ist jedes der Kinder an einem der sieben Wochentage geboren, mit jeweils gleich großer Wahrscheinlichkeit. 

Folgende Tabelle listet alle möglichen Fälle für zwei Kinder und sieben Wochentage auf, an denen sie geboren sein können. Oben stehen die Eigenschaften des älteren Kindes – es gibt dabei 14 verschiedene Möglichkeiten wie Junge-Montag oder Mädchen-Freitag. Links sind die 14 Möglichkeiten für das zweite, jüngere Kind. Ohne jegliches Vorwissen gäbe es 14×14=196 verschiedene Kombinationen für zwei Geschwisterkinder. 

Weil wir jedoch wissen, dass ein Kind ein Junge ist, der an einem Dienstag geboren wurde, ergeben sich nur 13+14=27 verschiedene Varianten. Diese 27 Kästchen sind in der Tabelle schraffiert.

Jede dieser 27 Kombinationen erfüllt die Bedingungen der Aufgabe. Alle 27 sind gleich wahrscheinlich. Aber nur 6+7=13 davon sind Fälle, in denen beide Kinder Jungen sind, diese befinden sich im blauen Segment links oben. Deshalb beträgt die gesuchte Wahrscheinlichkeit nicht 1/3, sondern 13/27.

 

Anders ist die Situation, wenn wir die Fragen an Stefanie wie folgt formulieren: »Hast du mindestens einen Sohn?«

Antwortet sie mit »Ja«, bitten wir sie, den Geburtstag des Jungen zu nennen. Falls sie zwei Söhne hat, soll sie den Geburtstag eines Sohnes nennen, den sie zufällig ausgewählt hat.

Wenn Stefanie als Antwort Dienstag angegeben hat, ist die Wahrscheinlichkeit für zwei Söhne 1/3 – wie bei Martina. 

 

Es kann als Ergebnis jedoch auch 1/2 herauskommen. Nämlich dann, wenn wir Stefanie folgende Frage stellen: »Wähle zufällig eines deiner beiden Kinder aus: Ist es ein Junge, der an einem Dienstag

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