KAPITEL 4

Kinderrechte als neuer Maßstab – warum ein Umdenken dringend erforderlich ist

Emotionale Gewalt hat selten Konsequenzen für die Täter – für die Opfer gibt es lebenslänglich.

Die Beschäftigung mit der Literatur zur Geschichte der Kindheit ist eine traurige Angelegenheit79, und bis heute ist es nicht wirklich gelungen, Kinder ausreichend vor Gewalt, die ihnen durch Erwachsene zugefügt wird, zu schützen. Ich gehe nach meiner fast dreißigjährigen Berufserfahrung noch einen Schritt weiter und vermute: Es gibt kein einziges Kind weltweit, das nicht früher oder später emotionale Gewalt erfährt – in seinem Zuhause, in der Kita oder in der Schule.

Kinder haben zwar Rechte, diese werden jedoch überhaupt nicht oder nur unzureichend eingeräumt und geachtet, da sie vielen Eltern und Fachkräften vollkommen unbekannt oder aber viel zu unbequem sind. Allein die Vorstellung, wir würden von nun an alle Rechte von Kindern respektieren, irgendjemand würde das kontrollieren und Rechtsübertritte könnten geahndet und bestraft werden, ist doch schlicht und ergreifend unvorstellbar. Stellen Sie sich nur mal vor: Sie als Elternteil schreien Ihr Kind an, weil es nicht das getan hat, was es in Ihren Augen tun sollte, und dafür müssen Sie 100 Euro Strafe bezahlen, weil Sie das Kinderrecht auf gewaltfreie Erziehung verletzt haben? Ein Lehrer stellt ein Kind vor der Klasse bloß und muss daraufhin aus denselben Gründen drei Tagessätze berappen? Nein, wir alle wissen, das wird nie passieren! Und das ist auch gut so, denn das Letzte, was wir anstreben sollten, ist die permanente Überwachung von Eltern und Pädagogen. Die Veränderung in Richtung Gewaltfreiheit kann in meinen Augen nur von innen nach außen stattfinden, denn die Gesetze sind bereits vorhanden. Nun liegt es an uns, sie entsprechend umzusetzen, und dazu brauchen wir eine beziehungsorientierte Haltung und den Abschied von autoritärem Denken. Damit wäre den meisten Kindern schon sehr geholfen.

Die UN-Kinderrechtskonvention – und ihre Lücken

Nach der Unabhängigkeitserklärung der USA und der Französischen Revolution beschäftigten sich vor allem Lehrer vermehrt mit der Situation der Kinder. In Großbritannien wurde im Jahr 1833 durch den English Factories Act die Fabrikarbeit für Kinder unter neun Jahren verboten. In Deutschland gibt es seit 1896 Sanktionen für Eltern, wenn diese sich nicht genug um ihre Kinder kümmern oder sie gar misshandeln. Nach dem Ersten Weltkrieg gründete die Britin Eglantyne Jebb die erste Kinderrechtsbewegung und initiierte die Genfer Erklärung (1924), in der zu lesen war, dass die Menschheit den Kindern das Beste, was sie zu bieten habe, schuldig sei – ein guter Anfang, der allerdings noch keine Rechtsverbindlichkeit darstellte. Dennoch war sie ein erster Schritt hin zu erhöhtem und rechtlich verbrieftem Schutz für Kinder. Nach dem Zweiten Weltkrieg griffen die Vereinten Nationen die Idee auf, Kindern mehr Rechte zu geben, woraufhin 1959 die erste Erklärung der Kinderrechte in der Generalversammlung verabschiedet wurde. Sie wird seither ständig erweitert und ergänzt. Die UN-Kinderrechtskonvention, die Sie im Volltext hier finden,80 legt fest, dass Kinder vor Folter, Kinderarbeit und Todesstrafe zu schützen sind, dass sie ein Recht auf Identität und Herkunft haben, dass ihre Ehre und ihr Wohlergehen zu schützen sind und dass die Vertragsstaaten Kinder vor körperlicher und sexueller Gewalt schützen müssen. Das ist immerhin schon ein gewisser Fortschritt, aber wir sollten nicht vergessen: Tatsächlich umgesetzt wird in den Vertragsstaaten nur wenig. Keines der vier Grundprinzipien der Kinderrechte ist gewährleistet, nicht einmal in Deutschland: weder das Recht auf Nichtdiskriminierung, das Recht auf Leben, Überleben und Entwicklung, die Einhaltung der Kindesinteressen noch das Recht auf Partizipation, also Teilhabe.

Alleine das Recht auf Partizipation würde unser gesamtes Denken und Leben mit Kindern verändern, wenn jeder Erwachsene sowie alle Kitas und Schulen es ernst nehmen und entsprechend umsetzen würden. Teilhabe und Selbstbestimmung bedeuten nämlich sehr viel mehr als die Frage: Willst du den roten oder den blauen Pullover anziehen? Wird das Recht auf Partizipation gelebt, haben Kinder nicht nur auf dem geduldigen Papier das Recht, gehört zu werden und bei allen Belangen, die sie betreffen, mitzuentscheiden. Sie haben dann tatsächlich die Möglichkeit, dies auch zu tun! Das ist natürlich harte Kost für all jene, die der Meinung sind, dass Zähne täglich und pünktlich um 18:53 Uhr geputzt werden müssen, und die, wenn ein Kind das in genau diesem Moment nicht möchte, die Zahnputz-Aktion auch gegen den Willen des Kindes, eventuell sogar unter Einsatz von psychischer und physischer Gewalt, durchsetzen. Stellen Sie sich vor, es kommt eine vertraute Person auf Sie zu und bittet Sie, etwas in den Mund zu nehmen, das Sie nicht möchten. Sie lehnen ab. Daraufhin wird das Bitten zu einem Drängen, dann zu einem Fordern und schlussendlich zu einem körperlichen Übergriff. Wie würden Sie es bei einem Erwachsenen nennen, wenn man einen Gegenstand gegen den Willen des Betreffenden in eine Körperöffnung einführt?

Ich formuliere bewusst sehr provokant und spitz, denn das Beispiel des Zähneputzens zeigt deutlich, dass es leicht ist, von Partizipation zu sprechen, sie sich im Alltag aber nur sehr schwer umsetzen läßt. In meinen Coachings sehe ich immer und immer wieder Eltern, die ihre eigene Leidensgeschichte mit Themen wie Zähneputzen, Anziehen, Schlafengehen und all den anderen alltäglichen Schlüsselsituationen haben. Es gibt keine Patentrezepte, es gibt keine Pauschallösungen, denn Kinder sind verschieden und Eltern sind es auch. Es gibt nur die Möglichkeit, die prinzipielle Haltung zu überdenken und möglicherweise zu verändern, und das ist eine Lebensaufgabe – für Sie, für mich, für uns alle.

Nun noch einmal zum Thema Zähneputzen: Natürlich, Kinder müssen Zähne putzen, sie tun es meist auch, nur eben nicht genau dann, wenn die Erwachsenen es anordnen. Und genau darin besteht ihr Recht auf Teilhabe und Mitbestimmung.

Deutschland ratifizierte die UN-Kinderrechtskonvention im Jahre 1992. Von emotionaler und psychischer Gewalt ist darin jedoch immer noch nicht die Rede. Die Konvention hat weltweiten Geltungsanspruch, also auch in jenen Ländern, die von Krieg und Armut betroffen sind, oder in Gesellschaften, in denen der Umgang mit Kindern häufig noch ein körperlich gewaltvollerer ist. Und wenn man weltweit scheinbar nicht einmal den Einsatz von körperlicher Gewalt und Ausbeutung ausrotten kann, wie soll man da auf etwas so Ungreifbares wie emotionale Gewalt eingehen oder gegen sie etwas unternehmen? Gerade deshalb ist wünschenswert und dringlich, dass in Zukunft auch der Schutz vor emotionaler und psychischer Gewalt in die UN-Kinderrechtskonvention aufgenommen wird, um Kinder weltweit so gut wie möglich vor den Folgen von Gewalt in jeder Form zu schützen.

Das Recht auf Schutz vor Gewalt

In Deutschland sind Kinder seit dem Jahr 2000 per Gesetz vor Gewalt durch die Eltern geschützt. § 1631 Abs. 2 BGB sagt: »Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.« Das Recht auf gewaltfreie Erziehung schließt also den Schutz vor psychischer und emotionaler Gewalt explizit mit ein.

Und nun das große Aber: Noch im Sommer 2021 scheiterte wieder einmal ein Gesetzesentwurf der Großen Koalition, die Kinderrechte im Grundgesetz festzuschreiben, an mangelnder Einigkeit der involvierten Parteien. Und das ausgerechnet während der Corona-Zeit, in der es für viele Kinder ohnehin nicht gut aussah. Außerdem war die Verankerung dieses Gesetzes im Koalitionsvertrag von Union und SPD eigentlich ausdrücklich festgehalten worden. Die Parteien warfen sich, wie in solchen Situationen üblich, gegenseitig mangelnden Einigungswillen vor. Der politische Zwist geht – wieder einmal – zulasten der Kinder. Anlass für den Streit war offiziellen Verlautbarungen zufolge das Dreiecksverhältnis zwischen Eltern, Kind und Staat.81 Stärkt man nämlich die Eingriffsrechte des Staates, etwa beim Verdacht auf Kindeswohlgefährdung, um insgesamt mehr Kinder zu schützen, schwächt man auf der anderen Seite möglicherweise die Eltern. Aber auch wenn das Thema schwierig und heikel ist, muss die Politik rasch eine Lösung zu finden. Die vielen Missbrauchsfälle der letzten Jahre, bei denen schon im Vorfeld auch das Jugendamt involviert war, zeigen deutlich, dass wir eine sehr viel konsequentere Anwendung der existierenden Regelungen brauchen, um Kinder besser zu schützen.82 Und wir brauchen die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz, weil sich dann Eltern viel stärker für ihre Kinder einsetzen können und nicht der Staat gegen Eltern, was allerdings ein durchaus unerwünschter Nebeneffekt sein könnte. Wir müssen dies unbedingt und möglichst zeitnah schaffen, um endlich neue Maßstäbe zu etablieren.

Auch wenn sich viele Menschen dagegen wehren, Gesetze verändern bekanntlich den gesellschaftlichen Diskurs. Das konnte man sehr gut bei der gesetzlichen Anschnallpflicht erkennen oder dem Rauchverbot in Innenräumen. Durch Gesetze ändert sich die Art und Weise, wie wir Dinge betrachten und was wir als normal und tolerierbar einordnen. In diesem Sinne würden auch Kinderrechte als Teil des Grundgesetzes deren Bedeutung viel mehr in das öffentliche Bewusstsein rücken und alleine durch diese Tatsache dem Schutz von Kindern ein wesentlich größeres Gewicht verleihen.

Große Veränderungen fangen bei uns selbst an

Tatsächlich zeigen Erhebungen nach der Einführung des Verbots der Körperstrafe im Jahr 2000, dass in den Köpfen der Eltern seitdem durchaus ein gewisses Umdenken stattgefunden hat. Leider kursiert aber auch noch immer die Überzeugung, dass ein Klaps hier und da nicht schade. Diese Meinung nimmt, wie die Untersuchung von Jörg M. Fegert83 zeigt, immerhin stetig ab. Die meisten Eltern möchten ihre Kinder heute ohne Schläge erziehen, körperliche Gewalt wird gesellschaftlich immer weniger toleriert.

Das Problem: Psychische und emotionale Gewalt ist sehr viel schwerer festzustellen oder gar zu beweisen als körperliche, da sie keine äußerlichen Spuren hinterlässt. Sie wird zudem noch praktiziert, weil sie heute den breitflächig tolerierten erzieherischen Umgang mit Kindern repräsentiert. Entsprechend strengere Gesetze, einhergehend mit detaillierten Informationen zur Schädlichkeit emotionaler Gewalt, könnten ein Umdenken anstoßen. Doch die Veränderung im Denken und Handeln ist immer eine individuelle. Die Forschung kann Ursachen finden und Folgen aufzeigen – Verhalten verändern kann nur jeder selbst.

Ich bin überzeugt, dass Eltern und Pädagogen gewaltbewusster denken und handeln, wenn sie ihre eigene Biografie reflektieren, weil alleine dadurch viel klarer würde, was man in seinem Leben von wem gelernt hat und warum man handelt, wie man handelt. Als Gesellschaft und vor allem auch als Individuen können, ja müssen wir uns dafür entscheiden, Kinder nicht mehr durch seelische Gewalt zu erziehen, und hier analog zu körperlicher Gewalt auch eine Form von sozialer Verantwortung zu verankern. Wenn wir erkennen, dass jemand in unserer Umgebung seelische Gewalt anwendet, sollten wir unbedingt und jederzeit die Handelnden darauf aufmerksam machen, was diese Art der Ansprache bei Kindern auslöst. Genau so, wie wir heute hoffentlich auch handeln würden, wenn wir beobachten, dass jemand sein Kind schlägt. Nur wenn so viele Menschen wie möglich agieren und einschreiten, können wir die Gesellschaft grundsätzlich für das Thema sensibilisieren und damit einhergehend auch eine Veränderung im Denken und Handeln anbahnen.

Seelische Gewalt ist nicht tolerierbar. Das muss das neue Credo und der neue Maßstab werden – zu Hause, in der Kita, in der Schule.

Die helfende Hand –
aus meinem Beratungsalltag

In meinem Beratungszimmer sitzt Familie Kuhn: Vater, Mutter und zwei Jungs, einer zwei, der andere vier Jahre alt. Die Kuhns sind bei mir, weil die Eingewöhnung des zweijährigen Elias in die Krippe nicht klappt. Frau Kuhn will aber in einer Woche wieder anfangen, im Versicherungsbüro zu arbeiten. Herr Kuhn versteht das ganze Konzept einer Eingewöhnung nicht, Elias werde ein »Weichei«, wenn man so einen »Aufstand wegen ein paar Tränen« mache. Außerdem ist die Bezugserzieherin der Meinung, dass Frau Kuhn sich nicht trennen könne und Elias’ Eingewöhnung deshalb so schwierig sei. Der Plan ist nun: Elias wird in die Krippe gebracht und dann weint er eben, bis er sich beruhigt hat. Die Frage der Kuhns an mich lautet: Was meinen Sie dazu – wird es ihm schaden? Schaden wollen sie ihm natürlich nicht. Die beiden Kinder hatten inzwischen meine 107 Schleichtiere ausgeräumt und probierten aus, welches Tier auf welchem reiten kann – Eichhörnchen auf Blauwal geht, Wellensittich hält auf der Kuh, nicht auf der Ziege. Das war meine helfende Hand für die Kinder, sie amüsierten sich prächtig. Meine helfende Hand für Familie Kuhn und auch für Sie, wenn Sie möchten, sieht wie folgt aus: Ich finde es wunderbar, dass sich immer mehr Menschen überhaupt Gedanken um die Seele von Kindern machen. Schade ist, dass die Basis für Eingewöhnungen, nämlich die Bindungstheorie, nicht immer ausreichend mit Eltern besprochen wird. Ich empfahl auch ein paar Bücher über Bindung, weil sie mich darum gebeten hatten. Dann bat ich die Eltern, sich vorzustellen, wie es ihnen an Elias’ Stelle gehen würde, und ob sie sich an schwere Abschiede erinnern können. Frau Kuhns Augen füllten sich mit Tränen. Dann bat ich beide, sich ein Familientreffen in 25 Jahren vorzustellen, und wie ihr dann 27-jähriger Sohn Elias, der gerade Vater geworden ist, wissen will, wie damals seine Eingewöhnung in die Kita war. Ich fragte, was sie ihm lieber erzählen wollten: dass sie sich mehrere Wochen Zeit genommen haben, damit er einen sanften Übergang hatte und er danach meistens gerne in der Kita war – oder dass er wochenlang unglücklich war, viel geweint hat, dass es aber irgendwann gut war und er sich an die Kita gewöhnt hat. Nachdem beiden Eltern die erste Variante wesentlich besser gefallen hat und Frau Kuhn ihren Mann sogleich um mehr Unterstützung bat, entschied sie sich, ihren Arbeitsbeginn noch einen Monat zu verschieben und die Eingewöhnung zu verlängern. Manchmal ändern sich Sichtweisen schnell, neue Wege tun sich auf, und manchmal bleibt das Wildschwein sogar kurz auf dem Elefanten stehen.

Selbsterkenntnis als Königsweg

Kein Gesetz und kein Kinderrecht wird das jemals ändern: Das Zusammenleben mit Kindern ist anstrengend. Reizbarkeit und unbeherrschte Reaktionen auf das Verhalten eines Kindes sind zutiefst menschlich und kein Grund, in tiefen Schamgefühlen zu versinken. Trotzdem finde ich es auch essenziell, dass Eltern sich aufgrund ihres eigenen ungeduldigen oder zornigen Verhaltens gegenüber ihren Kindern schuldig fühlen, ja, Sie lesen richtig – fühlen Sie sich schuldig. Und dann entschuldigen Sie sich. Somit lernen Kinder gleich, dass sie es wert sind, dass sie Integrität besitzen und vor allem, wie Entschuldigen geht! Worauf es ankommt, ist, dass Sie mit Ihrem Kind über die Vorfälle sprechen, Sie können deutlich machen, dass dies sicher nicht das Verhalten ist, das Sie im Umgang mit Ihrem Nachwuchs gerne an den Tag legen möchten, und dass Sie unbedingt lernen wollen, sich selbst besser zu regulieren und sorgsam mit sich selbst wie Ihrem Kind umzugehen. Eine ernst gemeinte Entschuldigung gibt Ihrem Kind wieder die Würde zurück, auf die es laut Gesetz ein Anrecht hat. Das ist der neue Maßstab, der für alle Kinder gelten sollte.

Wutausbrüche oder sonstige Beschämungen, Erpressungen und Anschuldigungen können und sollten innerhalb der Familie klar und konsequent besprochen werden. Generell gilt: Je offener über Probleme geredet wird, umso geringer ist die Belastung für die Kinder, auch wenn es für Sie als Eltern möglicherweise unangenehm ist, über Ihre eigenen Fehler zu sprechen. Gehen Sie hier mit gutem Vorbild voran. Zeigen Sie, wie es geht, für etwas geradezustehen, das man falsch gemacht hat. Sie erwarten von Ihrem Kind ja ebenfalls, dass es lernt, seine Gefühle zu regulieren und Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Schrecken Sie vor allem nicht zurück vor dem nicht einfachen Erkundungsweg, herauszufinden, wo die wahren Wurzeln und Gründe Ihrer eigenen Reaktionen liegen.

Gewalt, egal in welcher Form, ist häufig Ausdruck von Überforderung und tiefer Wunden aus der Kindheit. Wenn Sie in sich hineinfühlen und den Spuren Ihrer eventuellen eigenen Gewalterfahrungen folgen, finden Sie meistens auch die Ursache Ihres eigenen Handelns und können mit der für Sie selbst wie für den Umgang mit Ihren Kindern so wichtigen Aufarbeitung beginnen. Die eigenen emotionalen Wunden zu erkennen und zu heilen, kann auch für uns Erwachsene eine große Herausforderung darstellen. Es ist keine Schande, sich im Rahmen dieses Aufarbeitungsprozesses fachkundige Hilfe zu suchen, etwa durch Therapeuten, Coaches oder Familienberatungsstellen. Nicht nur Kinder haben Rechte, sondern auch Sie als Eltern und Erziehungsberechtigte haben jedes Recht auf Unterstützung von außen.

Im Anhang dieses Buches finden Sie Kontaktdaten von Organisationen, die Ihnen im Bedarfsfall effizient und professionell zur Seite stehen. Sehen Sie einen solchen Schritt nicht als Schwäche, ganz im Gegenteil! Wer in schwierigen Situationen Hilfe sucht, zeigt große Stärke und ist zugleich seinen Kindern ein echtes Vorbild.

Jeder von uns kommt früher oder später in Situationen, in denen es alleine nicht mehr weitergeht. Entscheidend ist, dies rechtzeitig zu bemerken und zu beschließen, sich Hilfe zu organisieren. Das ist eine notwendige Kompetenz, nicht nur für uns Erwachsene, sondern auch für den Lebensweg unserer Kinder.

Vergessen Sie nicht, Kinder haben ein Recht auf Eltern, und im Idealfall sind es zufriedene Eltern, die sich selbst und ihre inneren Abläufe gut kennen und in Verbindung mit sich selbst sind. Das macht sie offen und aufnahmefähig für die Signale und Bedürfnisse ihrer Kinder. Genau diese Signale nämlich können bedeutungsvoll sein, um eventuelle Not bei Kindern rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln. Näheres dazu sehen wir uns im nächsten Kapitel an.