Essen und Trinken

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Pubs mit Atmosphäre: The Red Lion in Avebury
Der Gemeinplatz, ein Franzose lebe, um zu essen, und ein Engländer esse, um zu leben, lässt sich heute nicht mehr ohne weiteres aufrechterhalten. Vor allem London hat sich auf dem kulinarischen Sektor in den letzten beiden Jahrzehnten vom Entwicklungsland zum gastronomischen Trendsetter gemausert. Und nicht etwa Fish’n’Chips ist das Lieblingsgericht der Engländer, sondern Chicken Tikka Massala.
Für viele Engländer ist der Morgen die kulinarische Glanzstunde des Tages, die sie am liebsten mit einem opulenten Mahl zelebrieren. Zu jedem guten Frühstück gehören Orangen- oder Grapefruitsaft, Müsli (cereals), Haferbrei (porridge), wahlweise Spiegel- oder Rührei und zwei Scheiben knusprig gebratener Bacon. In besonders traditionellen Herbergen besteht ein English Breakfast zudem noch aus Würstchen - auf die man wegen ihres dubiosen Fleischgehalts besser verzichten sollte -, Grilltomaten und gegrillten Champignons sowie weißen Bohnen, manchmal auch noch aus Blutwurst, Bratfisch oder Bückling (Kippers). Auf alle Fälle werden zudem Toast, gesalzene Butter und die obligatorische bittere Orangenmarmelade (marmalade) gereicht. Jam heißen übrigens alle anderen Marmeladensorten. Je nach Wunsch bekommt man noch Tee oder Kaffee serviert. Kaffesahne ist unbekannt.
Im Gegensatz zum English Breakfast besteht das sogenannte Continental Breakfast in der Regel nur aus Brötchen, Butter und Marmelade. Da in den meisten B & Bs beide Arten von Frühstück gleich viel kosten (im Übernachtungspreis enthalten), sollte man sich die gebratenen Leckereien nicht entgehen lassen.
Nach einem derart üppigen Frühstück dauert es mehrere Stunden, bis sich wieder ein Hungergefühl einstellt. Für ein preiswertes Mittagessen (lunch) bieten sich die zahlreichen Fish’n’Chips-Restaurants oder Imbissbuden an, die in nahezu jedem Ort zu finden sind. Besonders gut schmecken die in einem Teigmantel gebackenen Fischfilets natürlich an der Küste - leider ist es um die Qualität der fetttriefenden Chips, gemeint sind Pommes, fast immer schlecht bestellt. Die Engländer salzen ihre Chips übrigens nicht, sondern würzen sie mit Essig (vinegar). Wer seine in eine offene Papiertüte verpackten Fish’n’Chips in der richtigen Atmosphäre essen will, setzt sich an den Hafenkai, um gedankenverloren die Möwen zu beobachten und auf das Meer zu blicken.
„Die Butterscheiben, welche zum Tee gegeben werden, sind so dünne wie Mohnblätter. Aber es gibt eine Art, Butterscheiben am Kamin zu rösten, welche unvergleichlich ist. Es wird nehmlich eine Scheibe nach der anderen so lange mit einer Gabel ans Feuer gesteckt, bis die Butter eingezogen ist, alsdann wird immer die folgende drauf gelegt, so daß die Butter eine ganze Lage solcher Scheiben allmählich durchzieht: man nennt dies einen Toast.“
Karl Philipp Moritz (1782)
Wer gerne günstig und bodenständig isst, sollte es einmal mit Pub Food, auch Pub Grub genannt, versuchen. Je nach der Gegend, in der man sich gerade aufhält, hat auch das Pub seinen individuellen Stil. Im Londoner Bankenviertel drängen sich beispielsweise die Gentlemen im Nadelstreifenanzug, aber auch einige Arbeiter im Overall stehen in der Ecke und schlürfen ihr Bier. Die sozialen Unterschiede kommen in den Pubs sehr deutlich zum Ausdruck. Einige Pubs, vor allem an den großen Straßen, bieten mittags auch ein kaltes Büfett an, bei dem man sich von allen Köstlichkeiten etwas nehmen kann. Auch die mittäglichen Lunch Specials sind sehr zu empfehlen und relativ preiswert (ab £ 4). Wie die Getränke, so bestellt und bezahlt man im Pub auch die Speisen direkt an der Theke.
Ein traditionelles Gericht ist der Ploughman’s Lunch: Frisches, weißes Brot mit sauer eingelegten Zwiebeln, Butter und einem handfesten Stück Cheddar Cheese oder Ham and Egg Pie. Klassiker wie Steak and Kidney Pie, eine mit Nieren gefüllte Rindfleischpastete, sind sicherlich nicht jedermanns Sache. Leckerer sind der traditionelle Shepherd’s Pie (Fleisch mit Zwiebeln und Kartoffelbrei) oder der Devonshire Squab Pie, eine delikate Lammfleischpastete. Gekochter Schinken wird oft als Wiltshire Ham angepriesen. Beim Salat ist Vorsicht angebracht, denn allzu oft wird er von einer dicken Schicht Mayonnaise (salad cream) erdrückt. England ist ein multikulturelles Land, so verwundert es auch nicht, dass selbst in den urigsten Pubs ein Chicken Korma und andere indische Currys auf der großen schwarzen Wandtafel stehen.
Eine weitere Spezialität sind die Cornish Pasties, welche auch in Bäckereien zum Mitnehmen verkauft werden. Die sowohl mit Gemüse und Fleisch, als auch mit Süßem gefüllten Teigtaschen besitzen einen knusprigen Rand, sodass sich die Fischer und Minenarbeiter stärken konnten, ohne sich die Hände waschen zu müssen: Der Rand des praktischen „Eintopfs“ wurde nämlich nicht mitgegessen.
Wer nur einen kleinen Happen essen will, kann sich mit einem Sandwich begnügen. Als Alternative empfehlen sich die Lebensmittelabteilung eines Kaufhauses (Marks & Spencer) oder ein Supermarkt (Tesco), die Salate, leckere Sandwiches oder belegte Baguettes sowie exotische Spezialitäten in appetitlich zurecht gemachten Portionen feilbieten. Wer Wert auf biologische Kost legt, sollte auf den Hinweis Organic Food achten.
Modern British
„The same procedure as every year, James“, instruiert die greise Miss Sophie ihren Butler zum x-ten Mal in „Dinner for one“. Getreu diesem Motto wurde in britischen Restaurants jahraus, jahrein aufgetischt, was sich schon seit langer Zeit bewährt hatte. Wer einmal die Vokabeln „kidney pie“, „sausage“, „cod“, „chips“, „cabbage“ und „peas“ gelernt hatte, stieß bei der Lektüre der Speisekarte vor Ort auf keinerlei Schwierigkeiten. Doch seit einiger Zeit wird in London die altehrwürdige englische Küche mehr und mehr von der sogenannten „Modern British Cuisine“ verdrängt. Was aber verbirgt sich hinter diesem Schlemmertrend?
Erfrischende Obstsalate, zartes Fleisch und knackige Gemüse hatten in der englischen Küche nichts zu suchen. „Fish’n’Chips“ waren der Ausdruck britischer Esskultur. Seit den späten 1960er-Jahren entwickelte sich jedoch eine Konkurrenz zu fettigem Heilbutt und Pommes mit Essig, denn zahlreiche Commonwealth-Mitbürger ließen sich im Mutterland nieder und führten dort ihre Traditionen und Kochkünste weiter. Afrikanische, fern- und nahöstliche Restaurants öffneten überall in der Hauptstadt ihre Pforten. Tandooris und Taj Mahals boomten, was dazu führte, dass London sich in dem Ruf sonnen durfte, die beste und authentischste indische Küche außerhalb von Indien zu besitzen. Pikante Currygerichte mit Geflügel, Hack- und Rindfleisch sowie eine riesige Auswahl an feurigen Saucen, bunten Salaten und milden Joghurt-Dressings lockten Gäste aus Nah und Fern. Gewohnt gelassen reagierten alteingesessene Londoner Gastronomen auf diese Herausforderung mit Plumpudding, gekochten Erbsen und fetttriefenden Gammon Steaks. Die erhoffte Kundschaft aber blieb nun aus.
Innerhalb weniger Jahre verwandelte sich die gesamte Gastroszene und auch in den traditionellen Lokalen wird seither Neues ausprobiert. Damit auch Laien auf diese Entwicklung aufmerksam werden, nennt man den jüngsten Gourmet-Trend „Modern British“. Haute Cuisine und die abwechslungsreiche Küche der entlegensten Länder werden dabei zu einem multikulinarischen Gaumenschmaus vermengt. Oberstes Gebot ist die hohe Qualität der Zutaten. Möhren, Tomaten, Bohnen, Paprika, Auberginen und Spargel werden deshalb täglich geliefert. Vitamine sind mittlerweile auch auf der Insel begehrt. Wo die Zutaten früher geduldig zerkocht wurden, wird heute blanchiert, mariniert und gedünstet. Ebenso bekommt der Geschmack plötzlich einen ungewohnt hohen Stellenwert. In den Gewürzregalen, wo jahrzehntelang Salz- und Pfefferstreuer vereinsamten, stehen nun Dutzende von Gläsern mit Aufschriften wie Kurkuma, Nelken, Koriander und Safran. Ende des 20. Jahrhunderts feierte die britische Kochbegeisterung ihren Siegeszug durch sämtliche Medien. Und Jamie Oliver, Englands bekanntester Fernsehkoch, hat sich auch bei uns als Markenzeichen für einfallsreiche Küchenfreuden etabliert.
Der Klassiker: Fish’n’Chips
Tee ist nicht nur das obligatorische Frühstücksgetränk - seit der kleine gallische Held die ersten Teeblätter auf die Insel brachte (laut jüngeren, bildlichen Überlieferungen!), ist der Genuss einer „cuppa tea“ kaum noch aus irgendeiner Situation wegzudenken. Die Verbundenheit, die zwischen den Menschen und ihrem milchig verdünnten, süßen Getränk besteht, brachte der viktorianische Premierminister Gladstone so zum Ausdruck: „Wenn Dir kalt ist, wird Dich Tee wärmen, wenn Du erhitzt bist, wird er Dich abkühlen; bist Du deprimiert, wird er Dich aufrichten, bist Du aufgeregt, wird er Dich beruhigen!“ Wegen dieser Allround-Medizin wurden Kriege ausgefochten und parlamentarische Debatten geführt. Für die Teepause stehen in allen Fabriken die Maschinen still. Seit 1960 hat jeder englische Arbeiter das Recht auf zwei Teepausen pro Tag. Getrunken werden zumeist Earl Grey oder Darjeeling.
Zur nachmittäglichen Tea Time gehören Unmengen an Süßigkeiten, Kuchen, eingelegten Früchten und Sahne (cream) - sehr empfehlenswert ist die Devonshire Clotted Cream. Überall im Südwesten wird am Nachmittag Cream Tea serviert - ein Kännchen Tee mit süßen, noch warmen Brötchen (scones), Clotted Cream und Erdbeermarmelade. Während man in Devon erst die Cream und dann die Marmelade auf die Scones streicht, handhaben es die Einwohner Cornwalls genau umgekehrt. Außerdem ist Devon berühmt für seinen Fudge, Zuckerwerk, das es in verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt.
Wenn es frisch ist, zergeht es auf der Zunge und ersetzt vom Nährwert her ein ganzes Mittagessen! Das Abendessen (dinner) wird in der Regel zwischen 19.00 und 19.30 Uhr eingenommen und besteht in einem Restaurant zumeist aus drei oder vier Gängen. Manchmal wird man zunächst in die Lounge oder an die Bar gebeten, um einen Aperitif zu sich zu nehmen und die Speisekarte (menu) zu studieren. Erst kurz bevor das Essen serviert wird, wird man dann zu Tisch gebeten. Der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Restaurant zeigt sich nicht zuletzt beim Gemüse. Findet man auf seinem Teller eine Ansammlung von Erbsen oder Karotten vor, die weder Geschmack noch Biss aufweisen und samt ihren Farbstoffen den direkten Weg aus der Kühltruhe genommen haben, so ist man im falschen Restaurant gelandet. Wer die Reisekasse schonen will, geht am besten in ein Pub, das für seine gute Küche bekannt ist. Klassiker der englischen Küche sind Lammbraten (Roast Lamb) mit Pfefferminzsauce (Mint Sauce) und - trotz BSE - das sonntägliche Roast Beef bzw. der traditionelle Sunday Roast (gebratenes oder geschmortes Fleisch mit Beilagen). Die Restaurants legen längst Wert auf eine ambitionierte Küche. Statt Gammon Steak (Schinkensteak) mit Pommes frites werden Köstlichkeiten wie Somerset Hare with Walnuts (in Cider gegarter Hase mit Walnüssen) aufgetischt. Apropos Somerset: Dort sollte man zum Nachtisch eine delikate Somerset Apple Cake ordern. Positiv zu vermerken ist die wachsende Zahl vegetarischer Restaurants, die mittlerweile in allen größeren Städten vorzufinden sind. Zumeist finden Vegetarier auch in den indischen Restaurants mehrere fleischlose Gerichte auf der Speisekarte.
Pubs
Die Public Houses (Pubs) sind Treffpunkte für Jung und Alt. Nachdem die Öffnungszeiten jahrzehntelang rigoros bis 23 Uhr begrenzt waren, erlaubt ein neues Gesetz der Labourregierung, dass Gaststätten außerhalb von Wohngebieten rund um die Uhr ausschenken dürfen.
Cream Tea mit Scones und
Clotted Cream
In manchen Pubs sind die Klassenunterschiede bis heute zu erkennen - an der rustikalen Public Bar trinken die einfacheren Leute ihr Bier, die „bessere“ bis vornehme Kundschaft sitzt in der Saloon Bar auf Plüschsofas. Pubs sind eine Lebenseinstellung und mit kontinentalen Kneipen, Bistros oder italienischen Bars keinesfalls vergleichbar. Viele Engländer betrachten das Pub um die Ecke als ihr erweitertes Wohnzimmer, in dem sie zwanglos mit ihren Nachbarn und Freunden ins Gespräch kommen können. Andere kommen regelmäßig, um beim Pub Quiz mitzumachen. Und auch der Kontinentaleuropäer merkt schnell: Wenn an kalten Wintertagen das Kaminfeuer prasselt, gibt es keinen schöneren Ort als ein Pub. Achtung: Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren wird in vielen Pubs der Zugang verwehrt.
Normalerweise bestellt man sein Bier an der Bar, bekommt sein 1/2 Pint (ausgesprochen: Paint) oder 1 Pint (0,568 Liter) gezapftes Bier (Draught Beer, Ale, Stout, Bitter oder Lager) und muss gleich bezahlen; eine Bedienung am Tisch ist nicht vorgesehen, Trinkgeld wird nicht erwartet. Das gezapfte Bier ist weniger kalt als auf dem Kontinent und hat fast keinen Schaum. Die starren Öffnungszeiten, die durch uralte Gesetze geregelt waren - einst sollten sie im Ersten Weltkrieg die Arbeiter davon abhalten, betrunken in die Fabriken zu kommen -, sind erst unlängst etwas gelockert worden. Die meisten Pubs sind werktags in der Regel von 11 bis 23 Uhr sowie sonntags von 12 bis 15 und von 19 bis 22.30 Uhr geöffnet. Pünktlich zehn Minuten vor Feierabend wird eine Glocke geläutet: „Last orders, please!“ Eine Viertelstunde später wird man mit einem trockenen „Drink up“ zum Austrinken gedrängt. Außerhalb von Wohngebieten ist die Sperrstunde für Gaststätten ganz aufgehoben worden. In größeren Städten wie Bristol oder Brighton finden sich problemlos Pubs und Bars, die bis weit nach Mitternacht geöffnet haben. Weitere Informationen zum Thema britisches Bier finden sich im Internet unter www.greatbritishbeer.co.uk.
Die gängigsten Biersorten
Bitter dunkles Fassbier (draught), bitterer Geschmack
Lager helles Bier
Stout Starkbier - Guinness, bitter; Mackeson, süß
Barley Wine extra starkes Bier
Brown Ale kräftig, dunkel und süß
Light Ale hell, schäumend
Mild dunkel, geschmackvoll
Real Ale Fassbier ohne Kohlensäure, bis 8 % Alkoholgehalt
Newcastle Brown Starkbier
Englische Pubtradition
Man muss im Pub natürlich nicht zwangsweise Bier trinken. Diejenigen, die keinen Gerstensaft mögen, können Cider probieren. Cider ist ein moussierender Apfelwein, der je nach Region anders schmeckt. Einen hervorragenden Ruf genießt der Cider aus Somerset. Bevor man zu tief ins Glas schaut, sollte man bedenken, dass der englische Cider einen höheren Alkoholgehalt als der deutsche Apfelmost aufweist. Die meisten Pubs bieten auch mehrere gute Weine an (französische, italienische und spanische). Zwar wird auch in Sussex, Hampshire, Surrey, Kent und Somerset Wein angebaut, aber um ihn zu lieben, ist ein gehöriges Maß Lokalpatriotismus notwendig. Außerdem gibt es natürlich alle gängigen Marken von Softdrinks. Besonders beliebt sind Ginger Ale und Tonic Water.