Fragt man einen Engländer, der in der Grafschaft Surrey zu Hause ist, nach seiner Herkunft, so antwortet er höchstwahrscheinlich „London“. Tatsächlich scheint die ganze Region ein Vorgarten der Hauptstadt zu sein.
Als „Grüngürtel der Börsenmakler“ wird Surrey gerne ironisch bezeichnet. Schon im 17. Jahrhundert pendelten die Bewohner von hier nach London. An den Wochenenden versuchen heute die Londoner der Großstadthektik zu entfliehen, quälen sich über verstopfte Autobahnen und genießen schließlich in Surrey einen Tag im Grünen, beispielsweise beim Pferderennen im Sandown Park nahe Esher oder beim Derby von Epsom. Landschaftlich wird Surrey von den North Downs bestimmt; der hügelige Gebirgszug steigt westlich von Guildford an und kann auch entlang eines Fernwanderweges (North Downs Way) erkundet werden. Höchste Erhebung Südostenglands ist der Leith Hill mit 295 Metern.
Von seinem „Gipfel“ lassen sich an klaren Tagen der Ärmelkanal im Süden und die Londoner Metropole im Norden ausmachen. Der Box Hill in der Nähe von Dorking gehört seit Generationen zu den beliebtesten Picknickplätzen der Londoner. Berühmte Literaten wie John Keats ließen sich von einem Spaziergang auf dem Box Hill inspirieren. Neben Guildford, der munteren Hauptstadt der Grafschaft, bietet sich das Städtchen Farnham für einen Aufenthalt an. Surrey gilt zudem als Geburtsort der britischen Demokratie: Im Jahre 1215 musste Johann Ohneland in Runnymede die berühmte Magna Carta unterzeichnen. Lohnenswert ist ein Abstecher zum Hampton Court Palace, dem wohl eindrucksvollsten königlichen Schloss.
Surrey Tourism, County Hall, Kingston upon Thames, Surrey KT1 2DY, 020/85419081. www.visitsurrey.com.
Guildford
Die Hauptstadt der Grafschaft Surrey ist das am River Wey gelegene Guildford. Eine Universität, eine Kathedrale, eine Burgruine und eine wunderschöne Altstadt prägen den Ort, der sich auch gut als Ausgangspunkt für einen Abstecher nach London eignet.
Aufgrund der guten Verkehrsanbindungen und der räumlichen Nähe zu London erfreut sich Guildford als Wohnsitz für gestresste Großstädter einer steigenden Beliebtheit. Durchaus verständlich: Das historische Zentrum - Guildfords Wurzeln reichen bis in die angelsächsische Zeit zurück - vermittelt die Geborgenheit einer Kleinstadt, sodass Guildford nicht Gefahr läuft, zur reinen Schlafstadt zu mutieren. Zudem ist Guildford seit 1966 Sitz der University of Surrey, wodurch sich die alten Gassen ein wenig im studentischen Flair sonnen können. Die steile, kopfsteingepflasterte High Street mit ihren feinen Boutiquen lädt zum Einkaufsbummel ein, dominiert wird die Hauptstraße von der Guildhall im Tudor-Stil mit ihrer markanten Uhr sowie dem Archbishop Abbot’s Hospital, einem stattlichen Armenhaus aus dem Jahre 1619.
InformationTourist Information Centre, 155 High Street, Guildford, Surrey GU1 3AJ, 01483/444333. www.visitguildford.com.
Einwohner 66.000 Einwohner.
VerbindungenZug - Guildfords Bahnhof liegt ungefähr eine halbe Meile nordwestlich des Zentrums. Es bestehen regelmäßige Verbindungen nach Portsmouth und London Waterloo. www.nationalrail.co.uk. Bus - Zwischen dem Bahnhof und der Altstadt befindet sich der Busbahnhof am westlichen Ende der North Street (Verbindungen nach Winchester, Portsmouth und London). www.nationalexpress.com.
AktivitätenGuildford Spectrum, attraktive Indoor-Freizeitanlage mit Schwimmen, Eislaufen, Bowling, Aerobic und weiteren Sportarten. Tgl. 8-23 Uhr. Parkway, 01483/443322. www.guildfordspectrum.co.uk.
Markt Großer Straßenmarkt (Farmer’s Market) von 10.30-15.30 Uhr am ersten Di des Monats auf der High Street; North Street Market jeden Fr und Sa.
Stadtführungen Stadtführungen von Mai bis Sept. Mo um 11 Uhr, Mi und So um 14.30 Uhr. Treffpunkt: Tunsgate Arch in der High Street. Kosten £ 3.
TheaterYvonne Arnaud Theatre, Opern, Ballett und West End Shows; gilt als eines der besten Regionaltheater Englands. Millbrock, 01483/440000. www.yvonne-arnaud.co.uk. The Electric Theatre, Onslow Street, ambitioniertes Amateurtheater, 01483/444789. www.electrictheatre.co.uk.
ÜbernachtenThe Angel Hotel1 Das altehrwürdige Hotel gilt seit mehr als sieben Jahrhunderten als das erste Haus am Platz und lässt sich diesen Ruf auch gut bezahlen. Verspielte Zimmer für Liebhaber von Himmelbetten. B & B für das DZ ab £ 99.91 High Street, 01483/64555. www.angelpostinghouse.com.
Ökotipp: Asperion3 Für alle, die mit dem englischen Plüschstil nichts am Hut haben. Das kleine Hotel (15 Zimmer) gefällt durch sein zeitgenössisches Design, gut ausgestattet mit Flat-Screen und kostenlosem WLAN. Zum Frühstück werden nur Bioprodukte serviert. B & B ab £ 50 im EZ, ab £ 85 pro DZ.73 Farnham Road, 01483/579299. www.asperion-hotel.co.uk.
Essen & TrinkenCôte Bistro 5 Ansprechende französische Küche im passenden Rahmen, direkt unterhalb der Burg. Zweigängiges Menü bis 19 Uhr nur £ 9.95. WLAN. 35 Castle Street, 01483/579714. www.cote-restaurants.co.uk.
Lesertipp: Olivio 4 Ein weiterer sehr sympathischer Italiener, den uns eine Leserin empfahl, die hier „die besten Gnocchi ihres Lebens“ gegessen hat. Mittagsmenü für £ 9.90. Pizzas ab £ 8.50, Nudelgerichte ab £ 8. So geschlossen. WLAN. 53 Quarry Street, 01483/303535. www.olivo.co.uk.
Wagamama 2 Eine Filiale der in London sehr beliebten japanischen Noodle Bar (Motto: positive eating is positive living). Nüchternes modernes Design und keineswegs überteuert (Hauptgerichte £ 7-11). 29 High Street, 01483/457779. www.wagamama.com.
Mein Tipp: Bill’s 1 Im Angel Hotel untergebracht, begeistert dieser Concept Store mit seiner einladenden Atmosphäre. Leckeres Essen vom Breakfast über Lunch bis zum Dinner! Ein Klassiker ist Bill’s Hamburger für £ 9.95. 1 Angel Gate, 01483/455187. www.bills-website.co.uk.
Café Rouge 6 Freunden der französischen Lebensart empfiehlt sich diese verspielte Brasserie. 8 Chapel Street, 01483/451221. www.caferouge.co.uk.
The Kings Head 7 Einladendes, rund 400 Jahre altes Pub in der Nähe der Burg. Im Sommer sitzt man im Hof, im Winter vor dem warmen Kaminfeuer. Hauptgerichte ab £ 8. Quarry Street, 01483/575004. www.thekingsheadpub.co.uk.
Sehenswertes
Castle: Die von einer schönen Gartenanlage eingerahmte Ruine der normannischen Burg diente im Hochmittelalter als königliche Residenz. Wahrscheinlich ist Johann Ohneland von hier aus nach Runnymede aufgebrochen, um die Magna Carta zu unterzeichnen. Nach dem Abschluss umfangreicher Restaurierungsarbeiten ist der Tower jetzt wieder begehbar. Ein Modell zeigt den Zustand der Burg im Jahre 1300, vom Dach hat man einen herrlichen Panoramablick auf die Stadt. In einem Teil der ehemaligen Befestigungsanlage befindet sich das Guildford Museum.
Von April bis Sept. tgl. 10-17 Uhr, Okt. bis März Sa und So 11-16 Uhr. Eintritt £ 3, erm. £ 1.50.
Übernachten
1
The Angel Hotel
3
Asperion
Essen & Trinken
1
Bill's
2
Wagamama
4
Olivio
5
Côte Bistro
6
Café Rouge
7
The Kings Head
Guildford Museum:Ausgestellt sind Zeugnisse zur Lokal- und Frühgeschichte, daneben widmet sich das Museum vor allem Charles Lutwidge Dodgson, besser bekannt unter seinem Pseudonym Lewis Carroll. Der Autor von „Alice im Wunderland“ erwarb im Jahre 1868 für seine sechs unverheirateten Schwestern das Haus The Chestnuts in der Quarry Street (Gedenktafel!). Während seiner Semesterferien kam er oft nach Guildford, wo er auch am 14. Januar 1898 gestorben ist. Sein Grab befindet sich auf der anderen Seite des River Wey, auf dem Friedhof The Mount.
„Alice im Wunderland“ gehört zu den bekanntesten und großartigsten Werken der Literaturgeschichte. Die Erzählung gilt gemeinhin als Kinderlektüre, wenngleich Lewis Carrolls (1832-1898) hintersinnige Wortspiele und sein Jonglieren mit abstrakten Begriffen das kindliche Denkvermögen eigentlich überfordern. Carroll - ein menschenscheuer, eigenbrötlerischer Dozent für Logik und Mathematik am Christ Church College in Oxford - hat die phantastische Geschichte für die Tochter seines Dekans, Alice Pleasance Liddell, geschrieben. Carroll pflegte eine sehr innige Beziehung zu der kleinen Alice, die für ihn die Liebe seines Lebens war. Als er mit ihr Freundschaft schloss, war sie siebeneinhalb und er achtundzwanzig; vier Jahre später kam es - aufgrund eines nicht bekannten Vorfalls - zu einem Zerwürfnis zwischen der Familie Liddell und Carroll, woraufhin die Mutter von Alice alle an ihre Tochter gerichteten Briefe verbrannte. Von dieser Trennung erholte sich Carroll nur schwer; im Sommer fuhr er fortan gerne nach Brighton oder Eastbourne, wo er am Strand nach kleinen Mädchen - Jungs hasste er hingegen regelrecht - Ausschau hielt. Hatte er deren Vertrauen erworben, lud er sie in seine Wohnung ein, um sie zu fotografieren. Manche Mütter waren anscheinend blind für Carrolls heimliche Leidenschaften und gaben ihre minderjährigen Töchter sogar für mehrere Tage in seine Obhut. Apropos Fotos: Carrolls stilisierte Mädchenportraits zeugen von einer außerordentlichen künstlerischen Qualität und gehören heute zu den teuersten Fotografien der Welt, da sich von Carrolls viktorianisch-kitschigen Aktfotografien nur vier bis in unsere Tage erhalten haben.
Umgebung
Clandon Park
Clandon Park ist der Familiensitz der Onslows. Der 2. Lord Onslow beauftragte den venezianischen Architekten Giacomo Leoni, östlich von Guildford ein Herrenhaus im palladianischen Stil zu errichten. Während das Äußere eher schlicht gehalten ist, überraschen die opulent ausgestatteten Innenräume; Aufmerksamkeit verdient eine Sammlung chinesischer Porzellanvögel. Die Parkanlagen gehen auf keinen Geringeren als den königlichen Hofgärtner „Capability“ Brown zurück. Neuseelandfans können dort übrigens ein „Maori Meeting House“ bewundern, das der 4. Lord Onslow, der einst Gouverneur von Neuseeland war, als Andenken mitbrachte.
Von Mitte März bis Okt. Di-Do sowie So 11-17 Uhr. Eintritt £ 8.80, erm. £ 4.20, Familienticket £ 21.90. Kombiticket mit Hatchlands Park: £ 12.50, erm. £ 5.80 (NT). www.clandonpark.co.uk.
Hatchlands Park
Nur drei Kilometer von Clandon Park entfernt ließ sich Admiral Edward Boscawen 1758 von Thomas Ripley einen repräsentativen Landsitz errichten. Für die Innenausstattung des Ziegelsteinbaus zeichnete sich Robert Adam verantwortlich. Besonders sehenswert sind die Bibliothek und der Salon mit ihren kunstvollen Stuckarbeiten. Ausgestellt ist dort die Cobbe Collection, die weltweit die wohl größte Sammlung alter Tasteninstrumente besitzt. Ein Teil des Gartens wurde von der Gartenbaukünstlerin Gertrude Jekyll gestaltet.
Von April bis Okt. Di-Do sowie So 14-17.30 Uhr, im Aug. auch Fr 14-17.30 Uhr, der Park ist tgl. von 11-18 Uhr zugänglich. Eintritt £ 7.50 oder £ 4 (nur Park). Kombiticket mit Clandon Park: £ 12.50, erm. £ 5.80 (NT). www.nationaltrust.org.uk/hatchlands-park.
Wisley
In der Nähe der Ortschaft Ripley, rund acht Kilometer nordöstlich von Guildford (von der A 3 ausgeschildert), befindet sich in Wisley seit 1904 ein Mustergarten der Royal Horticultural Society (RHS), der gegenwärtig mehr als 240.000 Mitglieder aus aller Welt angehören. Das Gelände wurde der Gesellschaft 1903 von Sir Thomas Hanbury gestiftet. Wahrzeichen der Anlage ist ein lang gestrecktes Gebäude im Tudor-Stil. Jahr für Jahr strömen Hobbygärtner aus ganz England herbei, um sich über die neuesten Gartentrends zu informieren. Das Spektrum spannt sich vom Gewürz- und Kräutergarten über einen Pinienhain bis hin zum Arboretum. Aber auch zarte Gewächse wie Orchideen und Fuchsien lassen sich bewundern. Besonders lohnenswert ist ein Besuch Ende April oder Mai, wenn der gesamte Garten in voller Blüte steht. Wer will, kann im zugehörigen Geschäft gleich vor Ort seltene Samen und Pflanzen erwerben.
Tgl. 10-18 Uhr, am Wochenende ab 9 Uhr, im Winter nur bis 16.30 Uhr. Eintritt £ 10.75, erm. £ 4.60. www.rhs.org.uk/Gardens/Wisley.
Farnham
Das beschauliche Farnham liegt am Rande des Londoner Speckgürtels. Mehrere Kunstgalerien und The Surrey Institute of Art and Design weisen positiv auf den ästhetischen Dunstkreis von London hin.
Farnham Castle
Der Ortsname leitet sich von dem sächsischen Fearnhamme ab, den „Flusswiesen, an denen Farnkraut wächst“. Einen großen Einfluss auf das prosperierende Wirtschaftsleben von Farnham nahmen die Bischöfe von Winchester, die hier auf halbem Weg zwischen ihrer Diözese und London eine Nebenresidenz unterhielten. Im Mittelalter war Farnham ein bedeutendes Zentrum der Wollindustrie, später stieg die Stadt zu einem der größten Weizenmärkte Englands auf. Optisch wird das Stadtbild weitgehend von Bauten aus dem 18. Jahrhundert geprägt, jener Epoche, in welcher die Bürger Farnhams durch den Hopfenanbau und -handel zu Wohlstand kamen. Daniel Defoe beschrieb den Getreidemarkt als größten nach London, zu dem 1100 voll beladene Wagen in die Stadt kamen. Nach dem Zweiten Weltkrieg rückte Farnham immer stärker in den Einzugsbereich von London, sodass sich die Bevölkerung seither verdoppelt hat. Die Eröffnung des Surrey Institute of Art and Design hat sich belebend auf das Flair von Farnham ausgewirkt. Kunststudenten sind nach Farnham gezogen, Galerien wurden eröffnet.
InformationFarnham Town Council, South Street, Farnham, Surrey GU9 7RN, 01252/715109. www.farnham.gov.uk.
Einwohner 38.000 Einwohner.
VerbindungenZug - Verbindungen nach London (Waterloo), Alton Aldershot und Woking. Der Bahnhof liegt einen halben Kilometer südlich der Altstadt. www.nationalrail.co.uk. Bus - Nach Guildford, Aldershot, Midhurst und Winchester. www.nationalexpress.com.
GalerienJames Hockey Gallery, West Surrey College of Art Design, The Hart; New Ashgate Gallery, Wagon Yard; Maltings Gallery, Farnham Maltings, East Wing.
Stadtführungen Von April bis Okt. jeden ersten So des Monats um 15 Uhr. Treffpunkt: Wagon Yard Car Park/Ecke Downing Street. Kosten £ 3. www.farnhamtownwalks.org.uk.
Sehenswertes
Farnham Castle: Farnham Castle ist die am besten erhaltene Burg in der Grafschaft Surrey. Sie wurde 1138 auf Anordnung von Henry de Blois, dem Bischof von Winchester, errichtet und diente seinen Amtsnachfolgern noch bis ins Jahr 1927 als Residenz. Von dem mächtigen normannischen Bergfried bietet sich ein schöner Blick auf die Dächer von Farnham, die ehemalige Bischofsresidenz ist nur im Rahmen einer Führung zugänglich.
Von April bis Sept. tgl. 9-17 Uhr, am Wochenende bis 16 Uhr. Eintritt frei (EH)!
Museum of Farnham: Das in einem georgianischen Gebäude untergebrachte Museum bietet einen Überblick über die Stadtgeschichte, wobei auch William Cobbett, ein aus Farnham stammender, sozial engagierter Journalist des 18. Jahrhunderts gewürdigt wird. Zudem finden regelmäßig Wechselausstellungen statt.
38 West Street. Di-Sa 11-17 Uhr. Eintritt frei!
Umgebung
Waverley Abbey
Die heilige Kunst der Zisterzienser
Die Zisterzienser waren die bedeutendste Ordensgründung des Hochmittelalters. Getreu dem Wortlaut der benediktinischen Klosterregeln wollten sie in der weltabgeschiedenen Einsamkeit eine hohe Vollkommenheit erreichen. Hierzu schotteten sich die Mönche hinter den dicken Klostermauern vom Lärm und Geschrei der Welt ab. Vor allem die alles dominierende Leitfigur des Zisterzienserordens, der heilige Bernhard von Clairvaux, hatte schon wenige Jahre nach seinem Eintritt in den Zisterzienserorden (1112) eine gewaltige Neuorientierung des abendländischen Klosterwesens in die Wege geleitet, die auch eine Erneuerung der klösterlichen Baukunst nach sich ziehen sollte. Schon die Organisation der Klöster zielte auf Wachstum ab. Nie mehr als zwölf Brüder und ein Abt mit etwa der gleichen Anzahl Laienbrüder sollten in einem Kloster leben. Wurde diese Zahl überschritten, sandte man die Überzähligen aus, sich einen neuen Ort zu suchen. Durch diese Selbstbeschränkung auf die Zahl der Apostel entstanden zahllose Tochtergründungen, die den jeweiligen Mutterklöstern unterstellt waren; die stammbaumartige Verästelung führte schließlich zurück zum Urkloster von Cîteaux, von dem der Orden auch seinen Namen hat. Bis ins 13. Jahrhundert hinein verbreiteten die Ordensbrüder den Typus des Zisterzienserklosters in der gesamten westlichen Christenheit. Das Prinzip des „Alleinseins mit sich selbst“, die in der Einsamkeit der Meditation sich entfaltende Kraft des Glaubens spiegelt sich in der Weltabgeschiedenheit der Klöster wider; die Mönche erinnerten mit der asketischen Einfachheit ihrer Bauten an die Armut und Anspruchslosigkeit des frühen Christentums; das Verständnis von körperlicher Arbeit als Teilnahme an Gottes Werk zeigt sich im Funktionalismus der Anlagen.
Nur noch ein paar pittoreske Ruinen erinnern heute daran, dass die drei Kilometer südöstlich von Farnham gelegene Waverley Abbey 1128 die erste Abtei war, die der aufstrebende Zisterzienserorden in England gründet hat. Bis ins späte 15. Jahrhundert hinein stand das klösterliche Leben in voller Blüte. Im Rahmen der 1536 von Heinrich VIII. verfügten Klosterauflösungen wurde Waverley zerstört; sofern man die Steine als Material für Bauvorhaben in der Umgebung gebrauchen konnte, wurden die Gebäude sukzessive abgetragen, sodass heute nur noch Teile des Querschiffs zu bewundern sind. Eintritt frei!
Hampton Court Palace
Zu Recht wird Hampton Court Palace als die schönste königliche Residenz gerühmt. Umgeben von ausgedehnten Gartenanlagen, leuchtet der Palast noch immer im Glanz der Tudor-Zeit.
Ursprünglich wurde Hampton Court zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Auftrag von Thomas Wolsey(1475-1530), seines Zeichens Lordkanzler und Erzbischof von York, errichtet, doch Heinrich VIII.hatte nicht nur ein Faible für das weibliche Geschlecht, sondern auch für schöne Schlösser und forderte von seinem kirchlichen Gegenspieler, ihm Hampton Court zu „überlassen“. Nachdem die Zwangsenteignung vollzogen war, wurde Hampton Court systematisch zu einem der größten englischen Königspaläste ausgebaut. Genau genommen ist Hampton Court das größte Backsteinbauwerk, das in England seit der Römerzeit errichtet wurde. Das Anne-Boleyn-Tor (Gateway) zeugt eindrucksvoll von der Verschwendungssucht des unberechenbaren Königs. Bis zum Tod Georgs II. wurde der Palast von den englischen Königen zeitweilig bewohnt. Queen Victoria machte Hampton Court 1838 schließlich für die Öffentlichkeit zugänglich. Als am Ostermontag 1986 die Flammen aus dem Palast loderten, schien sich eine Katastrophe anzubahnen, doch konnte das Feuer noch rechtzeitig gelöscht werden, sodass nur vier historische Räume zerstört wurden.
Glanzvolle Residenz: Hampton Court Palace
Kaum dem Zug entstiegen, strömen die meisten Besucher über die Themsebrücke dem Haupteingang des Hampton Court Palace entgegen. Mit seinen roten Backsteinen, weißen Zinnen sowie den zahlreichen kleinen Türmchen und Kaminen ist der Hampton Court Palace ein Musterbeispiel für die Tudorarchitektur. Farbig gekennzeichnete Rundgänge führen vom Clock Court durch die verschiedenen Bereiche des Palastes. Der Hof erhielt seinen Namen, als Heinrich VIII. 1540 eine astronomische Uhr anbringen ließ, die nicht nur die Zeit anzeigt, sondern auch Tag, Monat, Mondphase und die Gezeiten der Themse! Besonders eindrucksvoll sind die Henry VIII’s State Apartments mit der Great Hall und der königlichen Kapelle. Ebenfalls sehr repräsentativ wirken die im Barockzeitalter entstandenen Gemächer des Königs (The King’s Apartments) und der Königin (The Queen’s State Apartments). The Georgian Rooms waren ein privates Refugium für das Herrscherpaar. Vom Alltagsleben im Hampton Court erzählen die Tudor Kitchens; in der wohl größten noch erhaltenen Küche des 16. Jahrhunderts mussten täglich über 500 Personen versorgt werden. Die ausgestellten Gerätschaften und Lebensmittel geben einen authentischen Einblick in die Essgewohnheiten dieser Epoche am englischen Hof. Kunstgenuss versprechen The Wolsey Rooms & Renaissance Picture Gallery; sie beherbergen eine wertvolle Gemäldesammlung mit Werken von Tintoretto, Tizian, Lucas Cranach, Peter Brueghel d. Ä. und Holbein.
Skurrile Skulpturen
Umgeben ist Hampton Court von ausgedehnten barocken Gartenanlagen, die Wilhelm III. anlegen ließ, um seinen Rivalen, den französischen König Ludwig XIV., zu übertrumpfen. In der Lower Orangery ist eine Gemäldeserie („Die Triumphe des Cäsar“) von Andrea Mantegna ausgestellt, im Norden des Areals grenzen die Tudor Tennis Courts an, in denen bereits der übergewichtige Heinrich VIII. dem Ball hinterherjagte. Bei Kindern steht vor allem der kleine, durch Eibenhecken abgetrennte Irrgarten (TheMaze) hoch im Kurs. Er wurde bereits 1691 angelegt und gilt somit als das älteste Heckenlabyrinth Englands.
Noch ein Hinweis: Da in den Räumen selbst nur wenige Informationen vorzufinden sind, empfiehlt es sich, an einer Führung durch die Henry VIII’s State Apartments bzw. The King’s Apartments (jeweils 35 Min.) teilzunehmen. Für The Tudor Kitchens, The Georgian Rooms und The King’s Apartments gibt es jeweils eine Audio Tour. Eine Besichtigung des Hampton Court Palace nimmt leicht mehrere Stunden in Anspruch. Wer will, kann sich zwischendurch im Schnellrestaurant der Privy Kitchen stärken.
Anfahrt: Mit dem Zug von London Waterloo Station oder Richmond + Bus R 68. Tgl. 10-18 Uhr, im Winter bis 16.30 Uhr. Eintritt £ 16.50, erm. £ 13.65 oder £ 8.25, Familienticket £ 41.80 (inklusive Führung und Irrgarten). www.hrp.org.uk.