4 Kaninchen

Dorothea Döring

4.1 Allgemeines

Das Hauskaninchen (Oryctolagus cuniculus forma domestica) stammt vom Europäischen Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) ab. Wildkaninchen leben in Familienverbänden, die sich zu großen Kolonien zusammenschließen, in selbstgegrabenen, unterirdischen Gangsystemen. Als kleines Beutetier haben Kaninchen Eigenschaften der Feindvermeidung entwickelt, denen in der tierfreundlichen Kleintierpraxis Rechnung getragen werden muss. Dazu gehören eine ausgeprägte Schreckhaftigkeit, Fluchtbereitschaft, Erstarren und auch ▶ Gegenwehr bei Bedrohung. In der Praxis sollten mögliche Stressoren, die Flucht oder Abwehr auslösen könnten, unbedingt vermieden werden ▶ [60].

Kaninchen zeigen Schmerzen und Leiden nur sehr subtil. Ihre Körpersprache und Mimik sind nicht so differenziert und für den Menschen nicht so leicht zu deuten wie die bei Hund und Katze.

4.1.1 Körpersprache

Für den Besitzer und den behandelnden Tierarzt ist es wichtig, insbesondere Zeichen der Angst und Drohsignale zu erkennen.

4.1.1.1 Angstverhalten

4.1.1.2 Drohverhalten

▶ Drohlaute werden häufig kombiniert mit angelegten Ohren und erhobenem Schwanz ▶ [47].

4.1.1.3 Sonstiges Verhalten

4.1.2 Vokalisation

Kaninchen geben – verglichen mit anderen kleinen Heimtieren, z.B. Meerschweinchen oder Chinchilla – nur sehr selten Lautäußerungen von sich.

4.1.2.1 Lautäußerungen bei Angst oder Schmerz

4.1.2.2 Lautäußerungen als Drohung

Kaninchen können Drohlaute abgeben, wenn sie in Ruhe gelassen werden wollen ▶ [58]:

4.1.2.3 Geräusche bei positiver Gestimmtheit

4.1.2.4 Erwecken von Aufmerksamkeit

4.1.3 Erkennen von Schmerzen

Kaninchen zeigen selbst bei schmerzhaften Zuständen keine auffälligen Anzeichen ▶ [62]. Schmerzlaute kommen nur äußerst selten vor. Kaninchen müssen daher sehr eingehend beobachtet werden.

Kaninchen müssen immer mit Schmerzmitteln behandelt werden, wenn der Verdacht besteht, dass sie Schmerzen haben oder wenn schmerzhafte Eingriffe in der Tierarztpraxis erfolgen – auch wenn keine offensichtlichen Schmerzzeichen beim Tier erkennbar sind.

4.1.3.1 Erkennung von Schmerzen aufgrund der Mimik

Zur Erkennung und Bewertung von Schmerzen wurde der Rabbit Grimace Scale (RbtGS) entwickelt ▶ [56]. Der Normalzustand wird mit dem Score 0 bewertet, leichte Veränderungen mit 1 und offensichtliche Veränderungen mit 2 ( ▶ Abb. 4.1).

Es werden folgende Ausdrucksregionen beurteilt, die sich bei Schmerz verändern können:

Abb. 4.1 Rabbit Grimace Scale nach Keating et al. ▶ [56]. Zusammenfassende Darstellung der fünf Ausdrucksregionen (Augen, Wangen, Nasenform, Vibrissen, Ohren).

Abb. 4.1a Score=0: Normalzustand.

(Zeichnung: Dr. Dorothea Döring, München. Quelle: Schneider B, Ketter D. Verhaltensmedizin bei Hund und Katze. Stuttgart: Schattauer, 2017; S. 40)

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Abb. 4.1b Score=2: offensichtliche Veränderungen der Ausdrucksregionen, d.h. Augenlidschluss, Wangenabflachung, Nase V-förmig (statt U-förmig), horizontal gestreckte Vibrissen (statt kurvig nach unten geneigt), eingerollte, angelegte Ohren.

(Zeichnung: Dr. Dorothea Döring, München. Quelle: Schneider B, Ketter D. Verhaltensmedizin bei Hund und Katze. Stuttgart: Schattauer, 2017; S. 40)

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4.1.3.2 Körperliche Signale und Verhalten bei Schmerzen

Folgende Veränderungen am Tier können auf Schmerzen hindeuten ▶ [47], ▶ [54], ▶ [62]:

Merke

Schmerzen und Leiden können sich bei Kaninchen in verminderter Futter- und Wasseraufnahme, fehlender Caecotrophie sowie in Teilnahmslosigkeit zeigen. Da die Tiere nur sehr subtile Zeichen für Leiden zeigen, müssen sie gut beobachtet werden. Eine regelmäßige Gewichtskontrolle ist dringend zu empfehlen.

Um es den Besitzern zu erleichtern, Schmerzen und Leiden bei ihren Tieren zu erkennen, können Sie ihnen das ▶ Merkblatt im Anhang mitgeben.

4.2 Vorbereitung auf den Tierarztbesuch

4.2.1 Augenmerk auf Besonderheiten

4.2.1.1 Leben in Gemeinschaft

Hauskaninchen sind – wie ihre wilden Vorfahren – obligat sozial. Das bedeutet, dass sie mit Artgenossen zusammen gehalten werden müssen. Ab der Geschlechtsreife sind unkastrierte Männchen unverträglich und sollten kastriert werden, um ihnen ein tiergerechtes Leben mit Artgenossen zu ermöglichen. Nach Morgenegg ▶ [61] ist die gemeinsame Haltung von drei bis fünf Kaninchen in einem Gemeinschaftsgehege empfehlenswert. Selbst kranke Kaninchen sollten nicht separiert werden, um den Tieren Stress durch Alleinsein und das Wiedereingliedern in die Gruppe zu ersparen – es sei denn, es ist für den Schutz des Tieres erforderlich ▶ [61]. Die Besitzer sollten daher darüber aufgeklärt werden, dass sie ein krankes Kaninchen möglichst mit seinem Partnertier bzw. der ganzen Gruppe ▶ [60] in die Praxis bringen.

Praxistipp

Kaninchen mit Partnertier in die Praxis bringen lassen

4.2.1.2 Duftkommunikation

Duftkommunikation spielt bei Kaninchen eine große Rolle. Kaninchen markieren ihre Umgebung u.a. mittels Sekret aus ihrer „Kinndrüse“, mit Kot (wegen des anhaftenden Analdrüsensekretes) und Urin. Sie fühlen sich in vertraut nach ihnen riechender Umgebung sicherer als in einer Umgebung mit fremden Gerüchen. Diese Düfte kann man sich in der Praxis zunutze machen.

Praxistipp

Benutzte Streu für einen vertrauten Geruch

4.2.1.3 Verhaltensweisen zu Schutz und Verteidigung

Kaninchen zeigen verschiedene Arten des Schutz- und Verteidigungsverhaltens. Wird ein Kaninchen im Nackenfell festgehalten, kann es mit den Hinterbeinen mit gespreizten Zehen nach oben schlagen und den Angreifer kratzen. Dieser „Befreiungsschlag“ dient vermutlich der Abwehr eines Beutegreifers. Er ist nicht nur unangenehm für den Menschen, der das Kaninchen hochheben oder tragen möchte, sondern kann auch für das Tier gefährlich werden, da es zu Verletzungen an der Wirbelsäule oder an den Hinterläufen kommen kann. Beim Handling ist daher ein Fixieren des Beckengürtels essenziell.

Praxistipp

Vermeiden des „Befreiungsschlages

4.2.1.4 Erschrecken vermeiden

Als stets fluchtbereite kleine Beutetiere sind Kaninchen in der Regel schreckhaft und neigen zu panikartiger Flucht. In der Praxis sind schreckauslösende Reize, auch Gerüche und Ultraschallgeräusche, zu vermeiden ▶ [60]. Folgende Empfehlungen sind zu beachten:

4.2.2 Hinweise an Besitzer

Folgende Aspekte stellen wichtige Beratungsaufgaben dar:

4.2.2.1 Sozialisierung auf den Menschen

Verschiedene Studien zeigen, dass ein frühes Handling von Kaninchen späteres Angstverhalten reduzieren kann. Werden Kaninchen in der 1. Lebenswoche innerhalb von 30 Minuten nach dem Säugen einem kurzen Handling unterzogen oder auch nur dem menschlichen Geruch ausgesetzt, reagieren sie in späteren Annäherungsversuchen signifikant „kontaktfreudiger“ als Tiere ohne Handling ▶ [48], ▶ [50], ▶ [51], ▶ [52]. Es kann somit Züchtern empfohlen werden, dass man kurz nach dem Säugen ein Kleidungsstück mit menschlichem Geruch für kurze Zeit in das Nest legt ▶ [49].

Außerdem kann empfohlen werden, junge Kaninchen behutsam durch freundlichen Kontakt an Menschen zu gewöhnen, wenn sie ihr Nest verlassen – insbesondere im Alter von 4–6 Wochen ▶ [58]. Zukünftige Kaninchenhalter sollten beim Kauf darauf achten, nur Kaninchen zu wählen, die an Menschen gewöhnt sind und daher den Kontakt mit ihnen genießen.

Das Absetzen junger Kaninchen sollte in der Heimtierhaltung erst mit zehn Wochen erfolgen ▶ [61]. Dabei sollte das Muttertier entfernt werden und die Jungtiere im vertrauten Käfig oder Gehege miteinander verbleiben.

Praxistipp

Beratung über Sozialisierung

Informieren Sie Züchter darüber, dass neugeborene Kaninchen innerhalb der 1. Lebenswoche sensitiv gegenüber dem menschlichen Geruch sind, jedoch nur innerhalb einer halben Stunde nach dem Säugen. Hier kann man mit getragener Kleidung eine Gewöhnung an den menschlichen Geruch vornehmen.

Nach dem Verlassen des Nestes sollten Jungtiere außerdem behutsam positiven Kontakt mit verschiedenen Menschen haben und an Handling und Hochheben gewöhnt werden.

4.2.2.2 Gewöhnungstraining zur „Zähmung“

Kaninchen sollten sich angstfrei von ihren Besitzern anfassen lassen, damit sie Maßnahmen zur Gesundheitskontrolle oder auch – wenn nötig – Fellpflegemaßnahmen (u.a. Fellschneiden bei Langhaarrassen) stressfrei tolerieren. Wöchentlich sollten die Tiere durch ihre Besitzer untersucht werden, insbesondere sollten Maulbereich und Analregion überprüft werden ▶ [61]. So können Probleme wie Durchfall, mangelnde Caecotrophie oder gegebenenfalls Fliegenmadenbefall rechtzeitig erkannt werden. Auch die Pfotensohlen sollten regelmäßig kontrolliert werden. Während des Fellwechsels empfiehlt Bays ▶ [47] regelmäßiges Bürsten. Bradbury u. Dickens ▶ [49] empfehlen Kaninchen nur hochzuheben, wenn es sich nicht vermeiden lässt, und Maßnahmen zur Gesundheitskontrolle möglichst auf Ebene des Bodens und in sitzender Position des Kaninchens vorzunehmen. Andererseits stellt sich immer wieder die Notwendigkeit, ein Kaninchen hochheben und fixieren zu müssen – zur Gesundheitskontrolle oder für Behandlungen. Daher ist es hilfreich, wenn Kaninchen daran gewöhnt werden, angefasst und hochgehoben zu werden.

Gewöhnung an das Hochheben

Da das Hochheben für die meisten Kaninchen mit Stress verbunden ist und zu Angstzeichen und Abwehrreaktionen führt ▶ [49], sollte es behutsam trainiert werden. In ▶ Abb. 4.2 wird gezeigt, wie man ein Kaninchen in kleinen Schritten an das Umfassen und Hochheben gewöhnen kann. Dazu reicht man ihm begehrtes Futter, hier Löwenzahn, und umfasst das Tier während des Fressens leicht mit der einen Hand. Wenn das Kaninchen dieses Umfassen entspannt toleriert und weiterfrisst, kann nach einigen Übungen ein leichtes Hochheben des Vorderkörpers geübt werden etc. Man geht in so kleinen Schritten voran, dass das Kaninchen weder mit Zeichen der Verunsicherung noch mit Meideverhalten oder Gegenwehr reagiert.

Während des Trainings darf das Tier nicht überfordert oder geängstigt werden. Muss man es einfangen, solange es sich noch nicht angstfrei greifen lässt, sollte man es in ein Behältnis locken (z.B. Röhre, Box) und damit hochheben, um nicht den Trainingserfolg zu gefährden.

Abb. 4.2 Schrittweise Gewöhnung an das Hochheben.

Abb. 4.2a Das Kaninchen wird sanft mit der linken Hand umfasst, während es mit Löwenzahn gefüttert wird.

(Quelle: Stephan Vollmar, München.)

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Abb. 4.2b Im nächsten Trainingsschritt kann das Tier bereits am Vorderkörper leicht angehoben werden, während es weiter Löwenzahn frisst. Nach und nach wird das Anheben gesteigert.

(Quelle: Stephan Vollmar, München.)

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Kinder dürfen Kaninchen weder hochheben noch tragen, da sie sie fallen lassen könnten. Sie dürfen sie auch nicht zum Schmusen zwingen. 

Training mit scheuen Kaninchen

Zeigt ein Kaninchen ängstliches Verhalten oder Angstaggression gegenüber dem Besitzer, kann eine Desensibilisierung und (klassische) Gegenkonditionierung durchgeführt werden. Vorab sollte man die Hände mit benutzter Streu (oder auch Urin) der Tiere einreiben, sodass ein vertrauter Geruch entsteht. Zeigt das Kaninchen bereits bei der Annäherung des Besitzers Fluchtverhalten, setzt man sich erst einmal ruhig vor den Käfig oder in das Gehege und füttert das Tier (notfalls zuerst durch das Gitter) mit begehrtem Futter wie Löwenzahn oder Karottenstücken. Frisst es nicht aus der Hand, kann man das Futter in die Nähe des Tieres legen und erst einmal ruhig abwarten. Nach und nach kann dann der Abstand des Futters zum Menschen verringert werden. Schritt für Schritt wird das Kaninchen immer näher am Körper gefüttert, bis es aus der Hand frisst und schließlich auf dem Schoß oder neben dem Besitzer sitzt, um sein Futter zu fressen. Dabei ist zu beachten, dass das Kaninchen nicht bedrängt wird, sondern dass die Anwesenheit des Menschen immer nur mit positiven Empfindungen verbunden wird. Dazu gehört auch, dass ein Kaninchen nie zum Schmusen gezwungen wird, sondern nur gestreichelt wird, wenn es freiwillig kommt. Auch auf den Schoß sollte es nicht gezwungen, sondern immer nur gelockt werden ( ▶ Abb. 4.3).

Abb. 4.3 Diese Kaninchen kommen freiwillig auf den Schoß, da sie mit Grünfutter gelockt wurden.

(Quelle: Stephan Vollmar, München.)

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Praxistipp

Beratung zum Gewöhnungstraining

Kaninchenbesitzer sollten ihr Tier vorsichtig und in kleinen Schritten an das Hochheben gewöhnen. Scheue Tiere müssen besonders behutsam mittels Desensibilisierung und Gegenkonditionierung an den Umgang mit dem Menschen gewöhnt werden.

4.2.3 Vorbereitende Maßnahmen

Viele Kaninchen werden bereits durch den Transport zum Tierarzt in Stress versetzt. Diese Stressbelastung kann durch einige Maßnahmen verringert werden. Sie können Ihren Klienten ein entsprechendes ▶ Merkblatt mitgeben.

4.2.3.1 Gewöhnung an die Transportbox

Als Transportbox eignen sich geräumige Plastikboxen, deren oberen Teil man komplett entfernen kann. Die Transportbox sollte zu Hause immer geöffnet im Aufenthaltsbereich der Kaninchen stehen und Heu sowie begehrtes Futter enthalten, sodass die Tiere daran gewöhnt sind, in sie hineinzugehen ( ▶ Abb. 4.4). Behutsam, Schritt für Schritt, kann man die Kaninchen dann daran gewöhnen, dass sie kurz darin eingesperrt und herumgetragen werden.

Abb. 4.4 Die Transportbox steht im Aufenthaltsbereich der Kaninchen. Mit begehrtem Futter kann der Aufenthalt in der Box angenehm gestaltet werden. Dies ist die beste Voraussetzung für das Transporttraining.

(Quelle: Stephan Vollmar, München.)

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4.2.3.2 Weitere Empfehlungen

Zum Transport sollte in die Transportbox ein vertraut riechendes Handtuch oder eine Kaninchendecke sowie etwas benutzte Streu (kein Heu oder Stroh) gelegt werden, damit sich das Tier beim Transport und in der Tierarztpraxis wegen des vertrauten Geruches weniger ängstigt.

Kranke Kaninchen sollten nicht alleine, sondern gemeinsam mit ihren Partnertieren zum Tierarzt gebracht werden. Zum einen reduziert das den Stress des kranken Tieres, zum anderen vermeidet man, dass es nach der Heimkehr des behandelten Kaninchens zu Unverträglichkeitsreaktionen der zu Hause gebliebenen Tiere kommt.

Praxistipp

Was zum Tierarztbesuch mitgenommen werden sollte

4.3 Situationen in der Tierarztpraxis

4.3.1 Handling

Das Handling muss immer so sanft und sicher wie möglich erfolgen. Es empfiehlt sich, neue Handling-Methoden vorab an einem Stoffkaninchen oder an einem sehr zutraulichen Privattier zu üben.

4.3.1.1 Umgangsregeln

Im Umgang mit Kaninchen sind folgende Verhaltensweisen wichtig, um das Tier nicht zu erschrecken:

Praxistipp

Umgangsregeln

Insbesondere bei ängstlichen Tieren kann man sich neben den Behandlungstisch setzen, um sich nicht über das Kaninchen beugen zu müssen.

Umgang mit Gegenwehr

Auf Abwehrbewegungen oder aggressives Verhalten des Kaninchens darf man auf keinen Fall mit physischer Strafe oder Schimpfen reagieren. Denn dem aggressiven Verhalten liegt meist Angst zugrunde, die durch Strafen verstärkt wird. Freundliches und geduldiges Verhalten seitens des Menschen dient dagegen einem guten Vertrauensverhältnis zwischen Tier und Mensch.

4.3.1.2 Handling-Methoden

Grundregeln für das Hochheben und Festhalten

Verschiedene Handling-Methoden

Abb. 4.5 Halten eines Kaninchens mit einem Arm. Das Becken des Tieres wird mit dem Ellbogen sanft fixiert.

(Zeichnung: Dr. Dorothea Döring, München)

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Abb. 4.6 Sanfte Schultergürtelfixierung beim Festhalten auf dem Schoß.

(Zeichnung: Dr. Dorothea Döring, München)

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Abb. 4.7 Die „C-Position“ ermöglicht das Untersuchen von Bauch und Analregion.

(Zeichnung: Dr. Dorothea Döring, München)

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Vorsichtsmaßnahmen

Merke

Handling in der Tierarztpraxis – wichtige Vorsichtsmaßnahmen

„Hypnose“ ist nicht tiergerecht

Beim „Hypnose“-Trick wird das Kaninchen auf den Rücken gelegt, mit leicht gestreckten Hinterbeinen, und es wird sanft über den Bauch gestreichelt. Viele Kaninchen bleiben ohne Fixation evtl. mehrere Sekunden bis minutenlang liegen. Es wird vermutet, dass es sich dabei um eine Form des Freezings („Totstellens“) handelt ▶ [58]. In Untersuchungen wurden bei Tieren während dieser „tonischen Immobilität“ Stresssymptome nachgewiesen ▶ [59]. Es wird daher davon abgeraten, Kaninchen überhaupt in diese Position der Rückenlage zu bringen ▶ [49]. Schmerzhafte Eingriffe dürfen auf keinen Fall ohne Analgesie durchgeführt werden, da die Tiere in dieser Position schmerzempfindlich bleiben. Ihr Zustand hat nichts mit einer Hypnose zu tun!

4.3.2 Stationärer Aufenthalt

Muss ein Kaninchen in der Praxis oder Klinik stationär aufgenommen werden, sollte der Aufenthalt so angenehm wie möglich gestaltet werden:

4.4 Nach dem Tierarztbesuch

4.4.1 Vorsichtsmaßnahmen

4.4.1.1 Unverträglichkeitsreaktionen in der Gruppe

Wurde ein Kaninchen in der Tierarztpraxis untersucht und behandelt, geschoren oder operiert, kann es aufgrund der Abwesenheit von der Gruppe, aufgrund eines veränderten Geruches, Aussehens oder Verhaltens von den zu Hause gebliebenen Artgenossen angegriffen werden. In diesem Fall ist ein Wiedereingewöhnungstraining nötig. Es enthält folgende Elemente (s. ▶ Merkblatt:

Musste ein Kaninchen stationär in der Klinik aufgenommen werden, ist eine behutsame Wiedereingliederung besonders wichtig ▶ [47]. Um Probleme im Vorfeld zu vermeiden, kann man die Partnertiere mit in die Tierarztpraxis nehmen.

Praxistipp

Beratung der Besitzer zur Wiedereingliederung

Wird ein Kaninchen in der Praxis geschoren, operiert oder stationär aufgenommen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass es nach der Heimkehr von seinen Gruppenmitgliedern angegriffen wird. Die Besitzer sollten über dieses Risiko aufgeklärt und über Möglichkeiten informiert werden, wie eine Wiedereingliederung erleichtert werden kann.

4.5 Literatur

[47] Bays TB. Rabbit Behavior. In: Bays TB, Lightfoot T, Mayer J, eds. Exotic Pet Behavior: Birds, Reptiles, and Small Mammals. St. Louis, Missouri: Saunders, Elsevier, 2006: 1–49

[48] Bilkó A, Altbäcker V. Regular handling early in the nursing period eliminates fear responses toward human beings in wild and domestic rabbits. Dev Psychobiol 2000; 36: 78–87

[49] Bradbury AG, Dickens GJE. Appropriate handling of pet rabbits: a literature review. J Small Anim Pract 2016; 57: 503–509. Im Internet: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jsap.12549/pdf

[50] Csatadi K, Bilkó A, Altbäcker V. Specificity of early handling: Are rabbit pups able to distinguish between people? Appl Anim Behav Sci 2007; 107: 322–327

[51] Csatadi K, Kustos K, Eiben C et al. Even minimal human contact linked to nursing reduces fear responses toward humans in rabbits. Appl Anim Behav Sci 2005; 95: 123–128

[52] Ducs A, Bilkó A, Altbäcker V. Physical contact while handling is not necessary to reduce fearfulness in the rabbit. Appl Anim Behav Sci 2009; 121: 51–54

[53] Flecknell P. Restraint, anaesthesia and treatment of children‘s pets. In Pract 1983; 5: 85–95

[54] Gärtner K, Militzer K. Zur Bewertung von Schmerzen, Leiden und Schäden bei Versuchstieren. Schriftenreihe Versuchstierkunde, Heft 14. Berlin, Hamburg: Verlag Paul Parey, 1993

[55] Hein J. Umgang mit Heimtieren in der Praxis. Prakt Tierarzt 2010 (91); 10: 869–871

[56] Keating SCJ, Thomas AA, Flecknell PA et al. Evaluation of EMLA Cream for Preventing Pain during Tattooing of Rabbits: Changes in Physiological, Behavioural and Facial Expression Responses. PLOS one 2012, 7, issue 9. DOI: 10.1371/journal.pone.0044437. Im Internet: http://www.plosone.org

[57] Kraft R. Vergleichende Verhaltensstudien an Wild- und Hauskaninchen. Das Verhaltensinventar von Wild- und Hauskaninchen. Z Tierzüchtg Züchtgsbiol 1978; 95: 140–162

[58] McBride A. Kaninchen verstehen. Ein Ratgeber für die artgerechte Haltung. Darmstadt: Pala-Verlag, 2008

[59] McBride EA, Day S, McAdie TM et al. Trancing rabbits: Relaxed hypnosis or a state of fear? In: Proceedings of the VDWE International Congress on Companion Animal Behaviour and Welfare. Flemish Veterinary Association 2006; 135–137. Im Internet: http://eprints.hud.ac.uk/id/eprint/11361/

[60] McBride EA. Small prey species‘ behaviour and welfare: implications for veterinary professionals. J Small Anim Pract 2017; 58, 423–436. Im Internet: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jsap.12681/pdf

[61] Morgenegg R. Artgerechte Haltung – ein Grundrecht auch für (Zwerg-)Kaninchen. Bozen: tb-Verlag, 2005

[62] Weiß J, Maeß J, Nebendahl K (Hrsg.) Haus- und Versuchstierpflege. 2. Aufl. Stuttgart: Enke Verlag, 2003