Der Goldhamster stammt von der Wildform Mesocricetus auratus aus Syrien ab. Goldhamster zeichnen sich durch Nachtaktivität aus und leben in unterirdischen Gangsystemen. Aufgrund ihrer solitären Lebensweise gibt es kaum soziopositive Verhaltensweisen.
Wie alle Kleinsäuger zeigen auch Goldhamster bei Erschrecken Zusammenzucken, Flucht oder Freezing. Sie neigen aber auch besonders zu aggressiver Gegenwehr.
Rückenlage mit aufgeblasenen Backentaschen
aufrechtes Stehen („Männchen machen“) mit Entblößen der Zähne und Heben der Pfoten mit nach vorne weisenden Pfoteninnenflächen
bei Konflikt mit Artgenossen: Hochdrücken des Rückens und Hochstellen des Schwänzchens sowie steifer, stelzender Gang ▶ [70]
Sich Putzen, sich Strecken und Gähnen können Zeichen der Entspannung sein. Hektisches Putzen kann jedoch auch als Übersprungsverhalten bei Stress gezeigt werden.
Goldhamster geben Laute im menschlichen Hörbereich, aber auch im Ultraschallbereich von sich.
Quieken
Schreien
Knurren
Fauchen
Zähnewetzen
während der Paarungszeit Ultraschall-Kontaktrufe beider Geschlechter
Ultraschallruf der Jungtiere nach ihrer Mutter
Wie alle kleinen Beutetiere zeigen auch Goldhamster Schmerzen und Leiden nur sehr unauffällig und müssen daher gut beobachtet werden.
Folgende Veränderungen am Tier können auf Schmerzen hindeuten ▶ [72]:
Körperhaltung und Bewegung: zusammengerollte Lage, zögernde/verminderte Bewegungen bei Erkrankung der Bauchorgane, gestelzter Gang evtl. bei Schmerzen im Bauchraum, Gangbild verändert bei Schmerzen am Bewegungsapparat
Augen: Schwellungen, Verklebungen durch Exsudat, Konjunktivitis
Anus/Schwanz: „nasser Schwanz“ („Wet Tail“) aufgrund von Diarrhö, verschmutzte Perinealregion
Schwellungen oder Ulzera an Lippen oder Pfoten
Verhalten: gesteigerte Aggressivität (zunehmend aggressive Reaktionen bei Berührung), reduziertes Verhalten trotz deutlicher Außenreize (apathisch, „depressiv“), „Trägheit“ bei Berührung, Explorationsverhalten reduziert
stark veränderte Schlafzeiten
Lautäußerungen: Quieken oder Zähnewetzen bei Annäherung (kommt aber auch bei gesunden Tieren vor)
Atmung: Frequenz erhöht, evtl. starke Atembewegungen
Sinken der Körpertemperatur
Gewichtsabnahme
Goldhamster sind streng nachtaktiv. Sie dürfen keinesfalls tagsüber geweckt werden. Gattermann u. Weinandy ▶ [73] zeigten in einer Studie, dass Goldhamster eine sehr viel stärkere Stressreaktion zeigen, wenn ein Stressor tagsüber, d.h. während der Ruhezeit, erfolgt. Goldhamster sind außerdem sehr lichtempfindlich.
Praxistipp
Tageszeit und Licht
Bestellen Sie Hamsterbesitzer erst am späten Nachmittag bzw. möglichst erst am Abend in Ihre Praxis.
Dimmen Sie das Licht, bevor Sie den Hamster aus der Transportbox nehmen.
Goldhamster orientieren sich in ihrer Umgebung vor allem geruchlich und markieren Gegenstände in ihrem Revier. Dieser Reviergeruch gibt ihnen Sicherheit. Um einen vertrauenserweckenden Geruch an den Händen zu erreichen, sollte man diese mit benutzter Streu des Hamsters (d.h. mit dessen Uringeruch) einreiben ▶ [75].
Praxistipp
Schaffen eines vertrauten Geruches
Die Besitzer sollten benutzte Streu und benutztes Nestmaterial des Hamsters mit in die Transportbox geben, damit er von seinem vertrauten Geruch umgeben ist.
Reiben Sie sich die Hände mit der benutzten Streu ein, bevor Sie den Hamster anfassen. Am besten lassen Sie sich (urinhaltige) Streu in einer separaten Dose oder Tüte mitbringen, sodass Sie sich bereits die Hände einreiben können, bevor Sie die Transportbox öffnen.
Wilde Goldhamster leben in unterirdischen Bauten, in denen es dunkel und lärmgeschützt ist. Für Goldhamster sind somit geschützte und ungestörte Schlaf- und Rückzugsplätze essenziell.
Praxistipp
Verstecken ermöglichen
Breiten Sie über den Hamster, zumindest über seinen Kopf, ein Tuch.
Untersuchen Sie ihn in der Unterwanne der Transportbox.
Entwischt der Hamster in der Praxis, sollte er mithilfe einer Plastikbox oder Röhre eingefangen werden, d.h. man lässt ihn hineinlaufen und hebt ihn damit hoch.
Hamster sind sehr schreckhaft und werden durch Geräusche und fremde Gerüche in Stress versetzt.
Praxistipp
Schutz vor Erschrecken
Schaffen Sie ruhige, geschützte, von Hund und Katze getrennte, nicht zu grell erleuchtete Wartebereiche.
Bieten Sie in der Praxis erhöhte Flächen zum Abstellen der Transportboxen und Käfige an.
Halten Sie Tücher bereit, mit denen ein Käfig abgedeckt werden kann, falls der Besitzer keine Abdeckung mitgebracht hat.
Zu den Themen, zu denen Hamsterbesitzer beraten werden sollten, zählt die „Zähmung“ scheuer Tiere sowie die ▶ Vorbereitung der Hamster auf den Tierarztbesuch. Zur Sozialisierung von Goldhamstern ist bisher nichts bekannt. Dennoch kann versucht werden, Jungtiere bereits an den Geruch von und den Umgang mit Menschen zu gewöhnen.
Laut Hollmann ▶ [75] ist die häufigste Ursache für aggressives Verhalten gegenüber dem Menschen die Störung des Schlafes. Daher sollte diese vermieden werden. Ist das Aufwecken eines Hamsters jedoch unumgänglich, sollte es so sanft wie möglich erfolgen, beispielsweise durch freundliche Ansprache und Rascheln vor dem Schlafhäuschen.
Das Gewöhnungstraining (s. ▶ Merkblatt) erfolgt in kleinen Schritten und unter Einsatz begehrten Futters. Gedämpftes Licht und das Einreiben der Hände mit benutzter Streu sind hilfreich.
Die Transportbox sollte für den Goldhamster ein vertrauter Ort sein, sodass der Transport zum Tierarzt weniger belastend ist. Sie sollte geöffnet im Aufenthaltsbereich des Hamsters stehen und Streu enthalten. Mit Futter kann der Hamster hineingelockt werden. Schrittweise kann man das Verschließen und Anheben der Box üben, während der Hamster darin sitzt und attraktives Futter frisst.
Praxistipp
Was zum Tierarztbesuch mitgenommen werden sollte
Streu aus dem Hamsterkäfig und Nistmaterial in die Transportbox legen und zusätzlich in einem separaten Gefäß mitnehmen.
begehrtes Futter mitnehmen, das man dem Hamster unterwegs und in der Tierarztpraxis geben kann.
Im Anhang finden Sie ein entsprechendes ▶ Merkblatt für die Besitzer.
Hamster sind durch ihr „einzelgängerisches“ Wesen Menschen gegenüber nicht so kontaktfreudig wie etwa Ratten, und sie sind keine „Streicheltiere“. Sie sind es häufig nicht gewöhnt, in die Hand genommen zu werden.
Hamster sollte man anfassen und hochheben, indem man mit den Händen eine Höhle bildet. Dafür hält man zuerst die gewölbten Hände über den Hamster und schließt sie dann um ihn.
Zum Einfangen entlaufener Hamster kann man ein Behältnis verwenden, in das man das Tier laufen lässt.
Das Fixieren erfolgt am besten mittels Schultergürtelgriff ▶ [74] ( ▶ Abb. 6.1), evtl. mithilfe eines Tuches.
Abb. 6.1 Schultergürtelgriff (nach ▶ [74] zur Fixierung eines Goldhamsters.
(Zeichnung: Dr. Dorothea Döring, München)
Der Nackengriff sollte möglichst vermieden werden. Ist er in Ausnahmefällen doch einmal nötig, muss dabei der gesamte Bereich der Hautausstülpungen der Backentaschen umfasst werden, da sich das Tier sonst entwinden oder umdrehen und zubeißen könnte ▶ [71].
Praxistipp
Empfehlungen zum Hochheben und Festhalten
Fenster und Türen selbstverständlich schließen, bevor die Transportbox geöffnet wird.
Wenn Sie den Hamster aus Transportbox bzw. Käfig nehmen, dann bitte vorsichtig mit beiden Händen, die Sie zu einer Höhle formen (erst beide Hände über das Tier als Dach formen, dann eine Hand unter den Hamster schieben).
Aggressiv reagierenden Hamstern kann man einen Holzspatel hinhalten, in den er sich verbeißen kann, bevor man das Tier in die Hand nimmt.
Der Nackengriff ist möglichst zu vermeiden. Wenn das Tier fixiert werden muss, dann möglichst per Schultergürtelgriff, wobei Zeige- und Mittelfinger den Kopf so umschließen, dass der Hamster sich nicht umdrehen und beißen kann.
Bei besonders wehrhaften Tieren empfiehlt es sich, ein Tuch zum Greifen zu verwenden.
Hamster sollten möglichst nur wenige Zentimeter hochgehoben werden, sodass sie sich – falls sie sich aus dem Griff befreien – nicht beim Absturz verletzen.
Entlaufene Hamster mit Box oder Röhre einfangen.
Verbeißt sich der Goldhamster beim Handling in der Hand, darf man ihn auf keinen Fall abschütteln, da dies zu schweren Verletzungen des Tieres führen könnte. Stattdessen muss der Hamster behutsam auf eine Unterlage bzw. in seine Transportbox abgesetzt werden ▶ [71], ▶ [75].
[70] Albright J, de Matos R. Hamsters. In: Tynes V, ed. Behavior of Exotic Pets. Chichester: Wiley-Blackwell, 2010
[71] Flecknell P. Restraint, anaesthesia and treatment of children‘s pets. In Pract 1983; 5: 85–95
[72] Gärtner K, Militzer K. Zur Bewertung von Schmerzen, Leiden und Schäden bei Versuchstieren. Schriftenreihe Versuchstierkunde, Heft 14. Berlin, Hamburg: Verlag Paul Parey, 1993
[73] Gattermann R, Weinandy R. Time of day and stress response to different stressors in experimental animals. 1. Golden hamster (mesocricetus auratus waterhouse, 1839). J Exp Anim Sci 1996, 38, 66–76
[74] Hein J. Umgang mit Heimtieren in der Praxis. Prakt Tierarzt 2010 (91); 10: 869–871
[75] Hollmann P. Der Hamster. Artgerecht halten, gesund ernähren, richtig verstehen. München: Gräfe und Unzer Verlag, 1998