Vierter Teil

Mittendrin

Es geht los. Anpfiff, Abschlag, Startsignal. Jetzt zählt es. Die Aktivierung passt. Der Sportler ist fokussiert auf die Kleinigkeiten. Nun sind die ersten gelungenen Aktionen wichtig, um gut in den Wettkampf zu starten. Jetzt geht es darum, ein gutes Gefühl zu entwickeln – Sicherheit in den Aktionen aufzubauen und sich in der Wettkampfsituation wohlzufühlen.

In manchen Wettkämpfen ist ein guter Start schon die halbe Miete. Die ersten Aktionen laufen gut, der Sportler fühlt sich sicher und überlegen. Dann kann es sogar passieren, dass er in einen Flow-Zustand gerät.

Was ist ein Flow-Zustand? Mihály Csíkszentmihályi hat ihn beschrieben.133 Er beobachtete Menschen, die mit Begeisterung Spitzenleistungen vollbrachten – Maler, Schachspieler, Bergsteiger, Tänzer oder auch Chirurgen – und die immer wieder über intensive Glücksgefühle bei der Ausführung ihrer Tätigkeiten berichteten. Ein Bergsteiger beschrieb seine Gefühle beim Klettern an einer Felswand zum Beispiel mit folgenden Worten: »Man ist dermaßen in der Tätigkeit ›drinnen‹, dass einem kein von der unmittelbaren Tätigkeit unabhängiges ›Ich‹ in den Sinn kommt … Man sieht sich selbst nicht getrennt von dem, was man tut.«134

Ein Skeet-Schütze (Tontaubenschießen) beschrieb ein Flow-Erlebnis folgendermaßen: »Du bist wie auf einem Strahl. Die Waffe fliegt dir ins Gesicht. Du kannst nichts dagegen tun. Du machst das, wie es sich gehört. Du denkst, dass du genau das Richtige denkst. Die perfekte Situation, es kann nichts schiefgehen: überlegene Sicherheit.«135

Csíkszentmihályi bezeichnet Flow als das beglückend erlebte Gefühl eines Zustandes der völligen Vertiefung und des restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit. Im Flow erlebt man die Tätigkeit, als würde sie von selbst ablaufen; die Automatismen des schnellen Denkens greifen. Kahneman spricht in diesem Zusammenhang auch von kognitiver Leichtigkeit.136 Im Zustand der kognitiven Leichtigkeit kann das schnelle Denken ungestört agieren: keine Bedrohungen, keine Gefahr oder Probleme, keine Notwendigkeit, das langsame Denken hinzuzuschalten, sich also neu zu orientieren oder sich stärker anzustrengen.

Viele Sportler, die den Zustand des Flows einmal erlebt haben, wollen dieses Gefühl immer und immer wieder erleben, sind auf der Suche danach und wollen es manchmal so sehr, dass sie sich dabei selbst im Weg stehen. Es ist nicht möglich, durch bewusste Steuerung und willentlich in einen Flow-Zustand zu kommen. Das Loslassen ist eine kognitive Fertigkeit und letztlich eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass man die lange erlernten Automatismen des schnellen Denkens ungestört agieren lassen kann und einen Flow-Zustand erlebt.

Doch leider erreicht, besser gesagt: erfährt man als Sportler einen solchen Flow-Zustand nicht so einfach. Es kommt zwar schon vor, dass man einen Lauf hat und wie im Rausch einen Wettkampf nach dem anderen überlegen gewinnt. Meistens sehnen sich die Sportler aber nur nach diesem Zustand. Sie müssen erfahren, dass trotz perfekter Vorbereitung im Wettkampf nicht alles mit Leichtigkeit gelingen will. Dann ist es hilfreich, mit mentalen Strategien zu arbeiten.

Es ist eine Fertigkeit, im Wettkampf aktiv und diszipliniert die Gedanken zu kontrollieren und zu steuern. Wichtig ist die Einsicht, dass man trotz guter Form und guter Vorbereitung nicht einfach passiv geschehen lassen kann, was sich im Kopf abspielt. Aber woran soll man denken, mitten im Wettkampf, wenn’s drauf ankommt? Eine erste wichtige Bedingung besteht darin, die Aufmerksamkeit auf das »Hier und Jetzt« auszurichten.