Es geht los – unmittelbar vor dem Wettkampf
Die Spannung steigt, gleich geht der Wettkampf los. Der Sportler befindet sich im Call-Room oder noch in der Kabine. Genau diese Phase ist entscheidend für den bevorstehenden Wettkampf. Jetzt geht es darum, sich mit den richtigen Gedanken (willentlich und bewusst) auf den bevorstehenden Wettkampf einzustellen und zu verhindern, dass unzweckmäßige Gedanken das erforderliche Handeln stören.
Das kennt man natürlich auch aus außersportlichen Situationen, in denen es drauf ankommt. Der Musiker, der hinter der Bühne auf seinen Auftritt wartet, der Redner, der in wenigen Minuten die Bühne oder das Podium betritt, der Prüfling, der vor der mündlichen Prüfung vor dem Prüfungszimmer sitzt, oder auch der Referent, der vor einer wichtigen Präsentation noch vor dem Besprechungsraum ausharrt. Immer wieder kommen einem gerade dann plötzlich Gedanken wie »Was, wenn ich hier scheitere?«, »Die anderen sind sicher sehr viel besser als ich!«, »Ich kann das nicht!« oder »Jetzt muss ich besonders gut sein!« und »Ich muss jetzt etwas Außergewöhnliches leisten!«.
Was kann man dagegen tun und wie sollte man diese Phase, unmittelbar bevor es losgeht, angehen? Wie gelingt es, mental optimal vorbereitet in den Wettkampf zu gehen?
Genau an diesem Punkt, unmittelbar vor dem Wettkampf, empfiehlt es sich, eine Transformation einzuleiten. Eine grundlegende Systemveränderung, um sich in eine besondere Verfassung zu bringen. Doch dass in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung eine mentale Veränderung vorgenommen werden sollte, ist vielen Sportlern zunächst nicht einsichtig. Wieso muss man sich verändern?
Nicht selten sind in sportlichen Wettkampfsituationen bestimmte Eigenschaften der Teilnehmer gefragt, die den entscheidenden Unterschied ausmachen können. Und nicht selten stimmen diese jetzt erforderlichen Eigenschaften so gar nicht mit den Persönlichkeitsmerkmalen des Sportlers überein. Darum muss je nach individuellen Gegebenheiten mehr oder weniger intensiv an dieser Transformation gearbeitet werden.
So haben manche Handballer beispielsweise überhaupt kein aggressives Naturell, müssen sich aber vor dem entscheidenden Spiel in eine aggressive Verfassung bringen, um eine Chance auf den Sieg zu haben. Es gibt Eiskunstläuferinnen, die prinzipiell nicht gerne im Mittelpunkt stehen, aber im entscheidenden Moment des Wettkampfes Tausende von Zuschauern und die Wertungsrichter begeistern sollen. Auch Kampfsportler können nicht »einfach so« in den Ring steigen, sondern müssen eine gewisse Systemänderung oder Transformation durchlaufen.
In einer TV-Dokumentation über den Boxer Mike Tyson104 beschreibt dieser, wie sich eine solche Transformation in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung bei ihm gestaltet. Lange vor dem Kampf habe er Angst, zu verlieren, von seinem Gegner geschlagen zu werden. Und das treibe ihn an, hart und noch härter zu trainieren. Je näher jedoch der Moment des Wettkampfs komme, umso mehr wachse sein Selbstbewusstsein. Je näher er direkt vor dem Wettkampf dem Ring komme, desto stärker sei das Vertrauen in seine Möglichkeiten. Seinen Gemütszustand in dem Moment, in dem er in den Ring steigt, beschreibt er dann folgendermaßen: »Im Ring bin ich ein Gott, keiner kann mich schlagen!«
Diese Transformation ist auch in vielen Anforderungssituationen im Alltag hilfreich, um in Situationen zu bestehen, die einem eigentlich gar nicht so sehr liegen. Nicht jeder, der vor der gesamten Belegschaft einen Redebeitrag leisten soll, ist gerne auf der Bühne und nicht jeder, der eigentlich gut gelernt und den Prüfungsstoff verstanden hat, ist auch in der Lage, in der Prüfungssituation souverän zu wirken und die Fragen gut zu beantworten.
Genauso, wie man in der Wettkampfvorbereitung mit dem Einlaufen oder Warmmachen versucht, einerseits den Körper optimal auf den bevorstehenden Wettkampf und andererseits die physiologischen Strukturen auf die anstehenden Belastungen vorzubereiten, bereitet die mentale Transformation das psychische System entsprechend vor.
Die Transformation schafft mithilfe von diszipliniertem, bewusstem Denken die Voraussetzung, um optimale Leistung abrufen zu können. Jetzt geht es darum, die Überzeugung der eigenen Kompetenz aufzubauen, um so die Automatismen des schnellen Denkens zuzulassen. In den folgenden Kapiteln werden Strategien beschrieben, die jetzt, unmittelbar vor dem Wettkampf, erfolgreich eingesetzt werden können und die eine erfolgreiche Transformation unterstützen.