1940 |
in % |
1945 |
in % |
1950 |
in % |
1955 |
in % |
|
Gesamtzahl |
10.967 |
100,0 |
9508 |
100,0 |
14.144 |
100,0 |
17.367 |
100,0 |
davon |
||||||||
Arbeiter |
8.290 |
76,0 |
7189 |
76,0 |
11.308 |
80,0 |
14.281 |
82,0 |
Lehrlinge |
351 |
3,0 |
364 |
4,0 |
320 |
2,0 |
327 |
2,0 |
Ingenieure |
932 |
8,5 |
806 |
8,0 |
1.197 |
8,5 |
1.545 |
9,0 |
Angestellte |
768 |
7,0 |
570 |
6,0 |
710 |
5,0 |
753 |
4,0 |
jüngeres Dienstpersonal |
626 |
5,5 |
579 |
6,0 |
609 |
4,5 |
461 |
3,0 |
Quelle: Istorija sovetskogo rabocˇego klassa IV, 121
Insgesamt strömten aus diesen Reservoiren so viele vom Krieg ‹verwehte› Menschen in ihr altes Leben zurück, dass die Arbeiterschaft als soziale Schicht schnell wiedererstand. Bei einem breiten Begriff ergibt sich eine Kurve, die bereits 1950 deutlich über das Vorkriegsniveau hinausragte. Von knapp 11 Mio. im Jahre 1940 stieg ihre Zahl nach einem Rückgang auf 9,5 Mio. bei Kriegsende auf 14,1 Mio. im letzten Jahr des vierten und 17,3 Mio. bei Ablauf des nächsten, fünften Planjahrfünfts (vgl. Tabelle 37). Das Wachstum verteilte sich dabei ungleichmäßig. In der ersten Planperiode der Nachkriegszeit wurde aus naheliegenden Gründen eine Erweiterung von knapp 6,5 % pro Jahr erreicht. Danach sank die Quote auf 3,72 % – ein Indiz der Sättigung insofern, als sich die quantitative Ausdehnung nicht mehr aus dem Nachholbedarf speiste, sondern in anderen Entwicklungen, letztlich in der sozioökonomischen Transformation allgemein, wurzelte.
Bereits die Expansion der Arbeiterschaft verweist auf die spezifische Verbindung von Schadensbeseitigung und Fortsetzung des alten sozialistischen Industrialisierungsprogramms. Verschiedene Aspekte der inneren Struktur und sozialen Zusammensetzung bestätigen diese Kennzeichnung. Sie verdeutlichen damit ein weiteres Mal die Wirksamkeit beider Momente: der Zäsur im Sinne des Rückschlags, aber auch die Kontinuität einer sozioökonomischen Modernisierung, die sich letztlich bis in die zarische Zeit zurückverfolgen lässt.
Als Beleg für diese Doppelung kann die Mitwirkung der Frauen am Produktionsprozess gelten. Kriegsbedingt stieg der Anteil weiblicher Arbeiter und Angestellter von 39 % 1940 auf 56 % 1945. Die Rückkehr der Männer bewirkte daher einen ebenso schnellen Rückgang dieser Quote nach Kriegsende. Noch bezeichnender aber war, dass der Anteil schon im letzten Jahr des vierten Planjahrfünfts (1950) bei 47 %, mithin deutlich höher als vor dem deutschen Überfall lag. Zugleich verdient die Tatsache Beachtung, dass sich die Quote in den folgenden beiden Planjahrfünften kaum veränderte. Als Erklärung dafür vermag zu überzeugen, dass einerseits der Bedarf an Frauen in der Volkswirtschaft anhielt, dass dieses Reservoir andererseits aber nicht vollständig ausgeschöpft wurde, weil es an sozialen Einrichtungen fehlte, die den Frauen die Kinderbetreuung und Versorgung des Haushaltes erleichtert hätten. Ähnlich lässt sich die sektorale Verteilung der weiblichen Arbeit deuten. Auf der einen Seite nahm der entsprechende Anteil in der Industrie einschließlich schwerer körperlicher Tätigkeiten zu. Auch auf Baustellen verrichteten nach wie vor viele Frauen Männerarbeit. Fast jede dritte Arbeitskraft war hier 1950 weiblich (32 %), in der Industrie sogar fast jede zweite (46 %). Auf der anderen Seite waren die meisten Frauen immer noch in der traditionell weiblich dominierten Leichtindustrie zu finden, allen voran in der Textilherstellung (1939 89 %, 1959 95 % aller Beschäftigten). Hinzu kamen in stark ansteigendem Maße Berufe im Erziehungs- und Gesundheitswesen sowie zunehmend in der Wissenschaft. Mithin schritt die berufliche Emanzipation der Frauen im Zuge der Industrialisierung weiter fort; sie normalisierte sich aber insofern, als die kriegsbedingten Ersatzfunktionen an Bedeutung verloren, auch wenn sich das demographische Gleichgewicht nur langsam wieder herstellte.[5]
Ein deutlicheres Bild einer gewissen Normalisierung lässt die Altersstruktur der sowjetischen Arbeiterschaft in den Nachkriegsjahren erkennen. Der Anteil der Kinder unter 16 Jahren war schon 1948 auf 0,4 % gesunken; bis zur Mitte der fünfziger Jahre verringerte er sich – nicht zuletzt infolge der Verlängerung der Schulbildung – noch weiter. Auch die relative Zahl von Jugendlichen zwischen 16 und 19 im Produktionsprozess nahm deutlich ab; 1948 zählte noch gut jeder Zehnte zu dieser Gruppe (10,8 %), 1953 nur noch knapp jeder Vierzehnte (7,3 %). Ebenso ging die Quote der 20- bis 25-Jährigen noch sichtbar zurück; andererseits blieben sie mit ungefähr einem Fünftel eine der drei tragenden ‹Generationssäulen› des Arbeitsprozesses. Mit guten Gründen hat man diesen Jungen, die bei Kriegsbeginn noch Kinder waren, daher insgesamt eine Schlüsselrolle nicht nur beim wirtschaftlichen und ‹sozialen Wiederaufbau› im ersten Friedensjahrzehnt zugewiesen. Sie gehörten zu den Hauptbetroffenen der Hungerjahre und hatten auch danach noch einige Jahre mit karger Versorgung und höchst prekären, kaum erträglichen materiellen Lebensbedingungen zurechtzukommen. Sie wurden an erster Stelle zur ‹Arbeitsreserve› verpflichtet und für (über)lange Werktage schlecht bezahlt. Zugleich waren sie es, die in besonderen Maße unter der familiären Zerrüttung und den sozialen Verwerfungen zu leiden hatten, die der Krieg hinterließ. Häufiger, als nach außen drang, reagierten sie darauf mit Arbeitsplatzwechsel, Flucht und auch Protest. Nicht zuletzt diese subkutane Unzufriedenheit mag den erstaunlichen Befund erklären helfen, dass westliche Jugendmoden ausgerechnet im späten Stalinismus eine nennenswerte Anhängerschaft fanden.[6]
Mit der Normalisierung der Altersstruktur hing die Zunahme der Kontinuität am Arbeitsplatz zusammen. Der Anteil derjenigen, die weniger als ein Jahr und ein bis drei Jahre beschäftigt waren, sank in der gesamten Volkswirtschaft zwischen 1948 und 1953 von 27,3 % auf 21,4 % bzw. 33,1 % auf 28,6 %. Zugleich stieg die Quote der 3–5 und 5–10 Jahre Beschäftigten von 15 % auf 17,4 % bzw. 14,4 % auf 19,6 %. Die Zahl der noch länger an ein und demselben Ort Tätigen fiel noch nicht ins Gewicht, vergrößerte sich aber ebenfalls. Da diese Entwicklung angesichts der Rückkehr zur Friedenswirtschaft nahelag, verdient eine andere Folgerung aus diesen Daten größere Aufmerksamkeit: dass die Stammbelegschaft in den einzelnen Betrieben bemerkenswert langsam wuchs. Dies galt für einige Branchen, allen voran das Baugewerbe, und einige Regionen, namentlich Sibirien und den Fernen Osten, in besonderem Maße. Was hier durch spezifische Bedingungen erklärbar war – die geringe Qualifikation im ersten Fall und die unwirtlichen Lebensbedingungen im letzteren –, traf aber auf die industrielle Arbeiterschaft insgesamt ebenfalls zu. Selbst nach dem Ende des Wiederaufbaus herrschte in vielen Unternehmen ein stetes Kommen und Gehen. Dieser Befund war nicht neu: Auch in den dreißiger Jahren war der häufige Arbeitsplatzwechsel zum Hemmnis für höhere Produktivität geworden. Mit der wirtschaftlichen Vorkriegsverfassung kehrte das alte Übel zurück.
Zur Fortsetzung des ‹sozialistischen Aufbaus› gehörte auch das Bemühen, die Qualifikation der Arbeitskraft weiter zu erhöhen. In der Tat zeigen die Längsschnittdaten, dass der Anteil von Beschäftigten mit geringer Allgemeinbildung bei den Jungen abnahm. Unter den Berufsanfängern des Jahrzehnts zwischen 1940 und 1950 hatte etwa die Hälfte die vierklassige Grund- oder die siebenklassige «Mittelschule» ohne Abschluss besucht. Ein Drittel hatte die siebenklassige sog. «unvollständige mittlere» Bildung durchlaufen, die am ehesten der deutschen Realschule entsprach. Ca. 30 von 1000 hatten eine Art von Gymnasialbildung (vollständige Mittelschule) und gut 20 von 1000 ein Studium an Universitäten oder Fachhochschulen absolviert oder wenigstens begonnen. Mit Blick auf die älteren Jahrgänge markierte dies einen erheblichen Fortschritt. Andererseits sollte man diese Zahlen ebenfalls nicht nur als Erfolgsmeldung lesen. Sie weisen auch aus, dass immerhin ein Zehntel der Jahrgänge 1925–1934 weniger als vier Grundschulklassen hinter sich gebracht hatte und kaum lesen und schreiben konnte. An diesem Befund ändert auch der Umstand wenig, dass zur Zeit des vierten Fünfjahresplans mehr als 16 Mio. Arbeiter (von ca. 25 Mio. insgesamt) an verschiedenen innerbetrieblichen Fortbildungskursen teilnahmen. Dies mochte die fachliche Qualifikation im Individualfall spürbar anheben, taugt aber als allgemeiner Maßstab wenig, da die Inhalte disparater und die Ergebnisse noch weniger aussagekräftig waren als in der öffentlichen Bildung. Größere Beachtung verdient als Abweichung vom sonst zu beobachtenden Regelfall, dass weibliche Arbeitskräfte im Durchschnitt über eine höhere Allgemeinbildung verfügten als ihre männlichen Kollegen.[7]
Die Frage nach dem Lebensniveau der Arbeiterschaft hat gerade für die Nachkriegszeit besondere Aufmerksamkeit gefunden. Wie für die dreißiger Jahre speiste sie sich zum einen aus dem Anspruch des Regimes, seine Handlungen auf das Wohl des ‹Proletariats› zu richten, zum anderen aus dem Interesse an den Mitteln, mit denen ein erklärtermaßen antikapitalistischer Staat versuchte, Not und Entbehrungen zu überwinden. Der Bedeutung des Problems entspricht die Schwierigkeit seiner Lösung. Viele Aspekte der materiellen Versorgung lassen sich ‹flächendeckend› kaum erhellen; zu groß waren die regionalen Unterschiede. Was erste postsowjetische Studien erkennen lassen, dürfte die Realität aber im Kern korrekt beschreiben: dass sich auch in dieser Hinsicht die prekären Verhältnisse der dreißiger Jahre wiederherstellten – und manches noch schlimmer war. Schon die Zustände in den Städten spotteten jeder offiziellen Schönfärberei. Auch hier lebte die Masse der Menschen ohne funktionierende Kanalisation. Frischwasser musste in Eimern herangeschleppt werden, seine Qualität hielt hygienischen Standards kaum stand. Wohnraum war auch im Hinterland, außerhalb der zerstörten Regionen, eher noch knapper als vor dem Krieg, weil das Flüchtlingsproblem nachwirkte und viele Städte damit immer noch überfordert waren. Ihre Kapazitäten, Schmutz und Abfall abzutransportieren, reichten häufig nicht aus. Auch um die Versorgung mit Lebensmitteln stand es gewiss schlechter, als die offiziellen Zahlen nahelegen. Denn diese zeigen zwar, wie oben erwähnt, dass die Einzelhandelspreise nach 1948 rückläufig waren und parallel die Nominallöhne erheblich stiegen. Das letzte Friedensjahr (1940) gleich Hundert gesetzt, betrug der Index für die gesamte Volkswirtschaft 1945 43,4, 1950 63,9 und 1955 71,5. Die Kurve verlief dabei in den Großsektoren Industrie, Bauwesen und Transport annähernd gleich; lediglich die landwirtschaftlichen Löhne auf den Sowchosen standen weit zurück. Nur besagen solche Angaben wenig, wenn es zu den staatlich fixierten Preisen kaum etwas zu kaufen gab. Durchaus als Folge der politisch gewollten Senkung stellte sich allgegenwärtiger Mangel ein.[8]
Daneben bleibt die Kaufkraft der Rubel entscheidend, die den Arbeitern am Monatsende anstelle von Naturalien nun wieder ausgehändigt wurden. Hierzu liegen höchst aufwendige Berechnungen vor, die neben der Inflation auch das Gewicht verschiedener alltäglicher Gebrauchs- und Konsumartikel im Normalbudget des Verbrauchers zu berücksichtigen suchen. Tabelle 38 zeigt das plausibelste und weithin akzeptierte Ergebnis.