Abb. 6: Mentales Training
Ganz allgemein versteht man unter mentalem Training das Sichvorstellen eines Bewegungsablaufs ohne tatsächliche motorische Ausführung.
Dieses Sichvorstellen kann auf unterschiedliche Art und Weise geschehen, je nachdem, welchem Medium der Vorstellungsinhalt entnommen wird. Es besteht die Möglichkeit, sowohl eigene Bewegungen oder Erinnerungsbilder eigener Bewegungsausführungen als auch fremde Vorbilder der anzustrebenden Fertigkeit zu wählen.
Der Übergang zu Visualisierungstechniken zeigt sich darin, dass alle beteiligten Sinnesqualitäten in die Vorstellungsarbeit mit einbezogen werden. Wenn auch beim mentalen Training visuelle Schwerpunkte gesetzt werden, steht es heute außer Zweifel, dass sowohl die Einbeziehung von emotionalen Komponenten der Bewegungsausführung als auch Empfindungsqualitäten des Tast- und Bewegungssinns die Wirksamkeit des mentalen Trainings wesentlich erhöhen. Einschlägige Untersuchungen sind zusammenfassend bei Richardson (94) und Ulich (120, 121) dargestellt.
Volkamer und Thomas (127) prüften die Wirksamkeit des mentalen Trainings beim Training für den Hürdenlauf, Wiemann (136) wies den positiven Lerneffekt bei Turnern nach. Volkamer kam ebenso bei der Untersuchung eines Hindernislaufs zu positiven Ergebnissen.
Nach den bisherigen Erkenntnissen lassen sich folgende Ziele, Anwendungsfelder und Kriterien des mentalen Trainings aufzeichnen:
Lernen
Durch mentales Training können Lernprozesse sportlicher Bewegungen wesentlich beschleunigt werden. Am wirksamsten hat sich dabei die Kombination von praktischem und mentalem Training erwiesen.
Präzisieren
Bereits in der Grobform erlernte Bewegungen erfahren durch mentales Training eine beschleunigte Feinformung. Das mentale Training bietet die Möglichkeit, Bewegungen in präziser Art wiederholt zu durchdenken und zu erleben. Schwachstellen, Fehlerquellen oder Abweichungen können mental sowohl auf visueller als auch auf kinästhetischer Ebene verbessert werden, wodurch günstige Programmbedingungen für die aktive Ausführung geschaffen werden.
Stabilisieren
Mentales Training erlaubt die Festigung bzw. Stabilisierung und die längerfristige Bewahrung von Bewegungen. Die stabilisierende und bewahrende Funktion des mentalen Trainings kann auf spezifischen Anwendungsfeldern genutzt werden:
Die Inhalte des mentalen Trainings richten sich nach den spezifischen Fertigkeiten, Techniken und Handlungstypen der jeweils betroffenen Sportart.
Sportmotorische Bewegungshandlungen lassen sich nach normierter bzw. standardisierter oder komplexer, situationsabhängiger Ausführung beschreiben. Eine weitere Möglichkeit, qualitative Verschiedenheiten aufzuzeigen, besteht in den unterschiedlichen Anforderungen an die Koordinationsfähigkeit.
Volkamer und Thomas konnten zeigen, dass das mentale Training umso effektiver ist, je mehr Koordination ein Bewegungsablauf verlangt.
Die Auswirkungen werden umso geringer, je einfacher die Bewegung strukturiert ist. Dies scheint durch die Mitteilungen von Hug (43) bestätigt zu werden, der beim Training der komplexen Bewegung des Stabhochsprungs positive Erfahrungen sammelte.
Je normierter die Bewegungen (Turnen, Leichtathletik, Tennisaufschlag) und je standardisierter die Handlungssituationen (Freistoß, Freiwurf, Vortaktik) sind, desto leichter fällt es, sie als anschauliche mentale Trainingsinhalte zu verwenden.
Grundlage ist die anschauliche Vorstellung einer klar definierbaren Bewegung. Insofern stellt das mentale Training ein systematisches „Probehandeln” dar, das willkürlich beliebig oft wiederholt werden kann.
Es können jedoch auch Situationen mental trainiert werden, bei denen sich die Inhalte nicht auf definierte Bewegungsstrukturen stützen können.
Je komplexer ein Handlungsplan wird, desto mehr sinkt die Anschaulichkeit seiner internen Repräsentation (130).
Es wird nicht mehr auf die Verwirklichung konkreter anschaulicher Bewegungsvorstellungen abgezielt, sondern auf die Antizipation, die Vorwegnahme von Situationen, zu deren Bewältigung flexible Handlungspläne vorliegen müssen. Der Akzent liegt mehr auf einem unanschaulich-begrifflichen Nachdenken über die Variablen der Situationsänderungen. Diese Antizipation möglicher Handlungen wird bei der Bewältigung taktischer Anforderungen oder unberechenbar eintretender Situationen bedeutsam.
Beispiel:
Ein Boxer, ein Fechter oder ein Tischtennisspieler kennen die Fähigkeiten ihrer Gegner, im Verlauf des Wettkampfs in überraschender Art und Weise spezifische Angriffsaktionen durchzuführen. Der Zeitpunkt dieser Aktionen lässt sich nicht genau festlegen. Die mentale Vorbereitung besteht darin, sich diese Aktionen zu vergegenwärtigen und eine latente Bereitschaft zur Reaktion zu entwickeln, die in der aktiven Auseinandersetzung Überraschungseffekte des Gegners ausschließt. Schellenberger (102) nennt diese latente Antizipation unvorhersehbarer Handlungen „Wahrscheinlichkeitslernen”.
Taktische Pläne können mental durchdacht, erfolgreiche Spiele mental nachvollzogen und auf mögliche Veränderungen hin überprüft werden. Auch hier ist ein Durchspielen eines Handlungsplans möglich, jedoch nicht im Sinne der Antizipation einer fixen Bewegungsgestalt, sondern als Antizipation eines in variierenden Situationen zu entwickelnden Könnens. Eine Unterscheidung dieser beiden Arten des mentalen Trainings liegt darin begründet, dass bei unanschaulichen, flexiblen Denkinhalten das „ideomotorische Phänomen” ausgeschaltet bleibt, d. h., dass Innervationen der an der Vorstellung beteiligten Muskeln (Carpenter-Effekt) nicht auftreten.
Bei der im Folgenden gegebenen Einteilung bleibt zu berücksichtigen, dass diese kategoriale Systematisierung eine Hilfsmaßnahme für den Trainer oder Sportler darstellt. In der Praxis wird jedoch eine Akzentuierung oder Kombination der Methoden je nach Ziel und Inhalt erforderlich sein.
Alle mentalen Trainingsmethoden beruhen in irgendeiner Weise auf Vorstellungsprozessen. Darunter verstehen wir Bewusstseinsinhalte, die wir im Augenblick nicht als reale Tatsachen vor Augen haben. Vorstellungen beruhen auf Erfahrungen, Erinnerungsbildern oder der Vergegenwärtigung früherer Wahrnehmungen, aber auch von Emotionen.
Beim Erlernen oder Stabilisieren von Bewegungstechniken und ihrer wettkampfmäßigen Anwendung spielt das Vorhandensein bzw. die Aktivierung der betreffenden Bewegungsvorstellung eine entscheidende Rolle für das Gelingen und die Qualität der Ausführung, da der Sportler stets bestrebt ist, eine
Bewegung so auszuführen, wie er sie sich vorstellt. Puni (91) hat in detaillierter Weise auf die Rolle der Bewegungsvorstellung hingewiesen. Bewegungsvorstellungen entstehen zunächst durch visuelle Wahrnehmungen. Im Verlauf der Eigenrealisation tritt die kinästhetische Komponente hinzu, die in Verbindung mit Sprech- und Denkfähigkeiten die Einheit der Bewegungsvorstellung bedingt. Durch die sprachlich-begriffliche Fassung der visuellen und kinästhetischen Wahrnehmungsinhalte (z. B. Korbleger, Kippe, Slice) wird die Bewegung in allen zeitlichen, räumlichen und dynamischen Komponenten denkend erfasst.
Je höher das Lernstadium, je mehr sich das Können verbessert, desto geringer wird die Bedeutung der visuellen Vorstellung.
Sie wird immer mehr durch die kinästhetische Vorstellung abgelöst. Die visuelle Vorstellungskomponente spielt vor allem zu Beginn des Lernprozesses eine wesentliche Rolle, d. h., für Anfänger bzw. für Jugendliche bedeutet die Aneignung einer wirklichkeitsgetreuen visuellen Vorstellung eine wirksame Lernhilfe.
Beim Könner erfolgt die Verfeinerung und Aktivierung der kinästhetischen Vorstellung in Verbindung mit anschaulichen, begrifflichen Wortbildungen. So wird verständlich, dass bereits das Wort als Signal zu einer motorischen Antwortreaktion führen kann (Abb. 7).
Abb. 7: Komponenten der Bewegungsvorstellung
Die Bildung von Spezialbegriffen im Sport bedeutet das Aneignen von Wissen über eine bestimmte Bewegung.
Da Begriffe stets einen Inhalt besitzen, stellt die begriffliche Erfassung gleichzeitig die Aneigung ihres Inhalts dar. Die Begriffe „Aufschlag” oder „Rückschlag” beispielsweise, führen bei entsprechend erfahrenen Sportlern zur Einordnung in ein bestimmtes System, das für die Programmierung von Bewegungen verantwortlich ist.
Nach Pawlow (88) können die für die kinästhetischen Reizverarbeitungen zuständigen Zellen der Großhirnrinde nicht nur durch eine Bewegung an der Peripherie gereizt werden, sondern auch durch zentralnervöse Impulse. Sie verbinden sich mit anderen Bereichen der Großhirnrinde und gehen dadurch eine Verknüpfung ein, die eine wechselseitige Impulsgebung ermöglicht.
Die Bewegungsvorstellung hat somit nicht nur die Funktion der inneren Abbildung einer Bewegung (Sollwertfunktion), sondern sie ist vor allem auch ein aktiver Mechanismus, ein gehemmter Impuls zum Vollzug der Bewegung.
Die Lern- und Trainingswirkung der Bewegungsvorstellung begründet das „ideomotorische Training” und stellt somit ein Handwerkszeug dar, das es erlaubt, motorische Fertigkeiten und sportliche Techniken zu erlernen, zu vervollkommnen und umzubilden.
Die Einteilung der Trainingsmethoden lässt sich nach unterschiedlichen Kriterien vornehmen. Kunze (58) trennt das mentale Training vom observativen und verbalen Training. Mentales Training wird in subvokales, verdecktes Wahrnehmungstraining und ideomotorisches Training unterteilt.
Die zugrunde liegenden Kriterien bestehen in der Informationsaufnahme bzw. in der Informationsverarbeitung. Wenn der Übende noch nicht über eine Bewegungsvorstellung verfügt, so haben observatives, subvokales und verdecktes Wahrnehmungstraining mehr die Funktion einer Sollwertvorgabe (Informationsaufnahme).
Ist bereits ein Bewegungsmuster vorhanden, kommt es damit zu einer vergleichenden Verknüpfung (Istwertvorgabe) und zu einer Veränderung der motorischen Ausführung (Informationsverarbeitung).
Nach dieser Begründung dient das ideomotorische Training mehr der Stabilisierung und wettkampfmäßigen Vorbereitung einer Bewegung, während die Sollwertrealisierung beim subvokalen und verdeckten Wahrnehmungstraining dem Lernen, Verbessern und Umlernen dient (25). Die folgende Einteilung erfasst sowohl die Methoden der Informationsaufnahme, als auch der -verarbeitung und berücksichtigt das unterschiedliche Vorhandensein von Vorstellungskomponenten in verschiedenen Lernstadien.
Das observative Training stellt eine Sonderform des Lernens durch Imitation dar. Es wird auf das Lernen motorischer Fertigkeiten reduziert und entfaltet seine Wirksamkeit durch das Aneignen bzw. Verbessern der visuellen Bewegungsvorstellung. Es besteht nach Ulich (121) in der planmäßigen gezielten Beobachtung von Personen, die die zu erlernende Fertigkeit ausführen.
Es gibt nur wenige genauere Untersuchungen über die Wirksamkeit personenspezifischer Trainingsvarianten. Jedoch können je nach persönlichen Erfahrungsvoraussetzungen und Zielstellungen folgende Varianten berücksichtigt werden:
Voraussetzung für die Wirkung des observativen Trainings ist eine Differenz zwischen dem Geübtheitsgrad des Beobachteten und des Beobachters (131). Eine höhere Geübtheit des Beobachteten führt zu einer „Sollwerteingabe” beim Beobachter, d. h. zu einer Veränderung bzw. Verbesserung der Leitvorstellung einer Bewegung.
Beobachten beinhaltet nicht nur das visuelle Wahrnehmen eines Objekts, auch Denk- und Sprechprozesse wirken an der Steuerung mit. So hat Ulich beim observativen Training das ideomotorische Phänomen nachweisen können.
Die integrativen Verarbeitungsprozesse von Informationsaufnahme (observatives Training) und Informationsverarbeitung (ideomotorisches Training) lassen deutlich werden, dass zwischen den beiden Trainingsformen ein dimensionaler Zusammenhang besteht.
Je höher die Konzentration des Beobachters ist und je stärker die gedankliche Arbeit zum aktiven inneren Nachvollzug angeregt wird, desto mehr gehen Anteile des ideomotorischen Trainings mit ein.
Auch die emotionale Beziehung des Beobachters zum Beobachteten spielt eine Rolle. Innere Zuwendung, Sympathie, Idolfunktion oder Bewunderung wirken positiv motivierend, aktivierend und beschleunigend auf die Ausbildung des inneren visuellen Leitbildes ein. Allerdings besteht hier die Gefahr der subjektiven Gewichtung. Sofern die vertiefende Lernwirkung der emotionalen Beziehung beabsichtigt wird, soll das Vorbild auf seine Eignung für den jeweiligen Beobachter hin überprüft werden (s. Hier).
Hinweise zur praktischen Durchführung
Der Begriff geht auf Kunze (58) zurück. Der Übende konzentriert sich nicht wie beim observativen Training auf eine zu beobachtende Vorlage, sondern er versucht, den Bewegungsablauf eines anderen in seiner Vorstellung zu beobachten.
Es wird vorzugsweise angewendet, wenn das eigene Bewegungsmuster fehlerhaft bzw. noch nicht vollständig ausgebildet ist. Es kann deshalb sowohl zum Erlernen neuer Bewegungen als auch zur Festigung einer bereits beherrschten Fertigkeit oder zur Korrektur bzw. zum Umlernen einer Technik eingesetzt werden.
Voraussetzung ist das Vorhandensein der Vorstellung des perfekten Bewegungsablaufs eines anderen. Die hierfür erforderliche Information erhält man durch das Beobachten eines Sportlers, der die Bewegung vollendet beherrscht, es können aber auch Filmstreifen oder Videobänder betrachtet werden. Das Vorbild sollte der eigenen Konstitution und dem eigenen Bewegungsstil ähneln, d. h., dass die Unterschiede zur eigenen Körpergröße, zum eigenen persönlichen Tempo oder zur eigenen rhythmischen Disposition möglichst gering sein sollten, sodass im späteren Verlauf des Trainings auch eine identifikatorische Nachbildung zur Verbesserung der Bewegungsausführung sinnvoll wird.
Durch das Verbalisieren (subvokales Training) kann das verdeckte Wahrnehmungstraining noch unterstützt werden.
Das verdeckte Wahrnehmungstraining kann durch die Kombination mit dem verbalen Training in seiner Wirkung verstärkt werden, weil verbales Training die Bewegungsausführung auf einer höheren Regulationsebene beeinflusst. Die noch nicht gänzlich erschlossenen Funktionen der linken und rechten Hirnhälfte lassen vermuten, dass Vorstellungen von Bewegungsabläufen nonverbal, d. h. ausschließlich bildhaft, bestehen können.
Die Regulationsebene der Sprache ordnet den Vorstellungsinhalt über das zweite Signalsystem in einen übergeordneten Funktionszusammenhang ein, sodass diese Wechselwirkung mit bildhaften Leitvorstellungen die situationsbedingte Anwendung von sportlichen Techniken vervollkommnet. Bereits Puni (91) hat auf die Bedeutung des Worts für die Aneignung von Bewegungen hingewiesen. Er stützt sich dabei auf die Lehre Pawlows, der in der Sprachfunktion den entscheidenden qualitativen Unterschied zwischen tierischen und menschlichen Verhaltensweisen sieht. Er teilt die Reize, die menschliche Verhaltensweisen auslösen, nach zweierlei Gesichtspunkten ein und unterscheidet je nach Art der Reize ein erstes und ein zweites Signalsystem.
Äußere reale Reize haben für den menschlichen Organismus eine Signalfunktion und lösen bestimmte Reaktionen aus. Das Kind sieht den Ball, der Skiläufer den Schnee oder der Schwimmer das Wasser und sie reagieren nach bestimmten, bereits vorgebildeten Reaktionsmustern. Reale Reize werden durch die entsprechenden Sinnesorgane aufgenommen und verarbeitet. Diese Reize verbinden sich zu einem ersten Signalsystem, d. h. ein Signalsystem der Wirklichkeit, die wir mit unseren Sinnen erfassen.
Durch die Sprache, das Wort, ist der Mensch in der Lage, reale Reize stellvertretend zu erfassen und sie als „Signale der Signale” wirken zu lassen. Das Signal „wir gehen schwimmen”, löst beispielsweise bei einem Kind die gleiche freudige Reaktion aus, wie der reale Anblick des Badestrands. Das zweite Signalsystem stellt eine zweite Ordnung von Signalen dar, es ist eine Abstraktion der Wirklichkeit, die sich durch unser spezifisch menschliches, höheres Denken bildet. Nach Pawlow kann das Wort alle Reize des ersten Signalsystems ersetzen, umwandeln und erweitern, d. h., man kann durch die sprachlich-begriffliche Fassung alle Wirkungen und Reaktionen des Organismus hervorrufen, die die Reize des ersten Signalsystems bedingen.
Da das zweite Signalsystem aus dem ersten hervorgegangen ist, kann es immer nur in Zusammenarbeit mit ihm funktionieren. Das Wort, die begriffliche Fassung einer Bewegung, ruft bei einem Sportler die Vorstellung hervor, die durch Verknüpfung mit dem ersten Signalsystem entstand.
Beispielsweise wird die innere Vergegenwärtigung auf das Signal „Block” bei einem Basketballspieler anders erfolgen als bei einem Volleyballspieler, „Schwingen” beim Turner eine andere Vorstellung auslösen als beim Skifahrer.
Das verbale Training kann entweder durch Mitsprechen bei der Vorbereitung und Ausführung von Bewegungen oder durch Mit-sich-selbst-Sprechen, auch in Form von Selbstbefehlen, praktiziert werden.
Voraussetzung für das Mitsprechen bei der Ausführung ist eine sprachliche Darlegung der Bewegung. Der Übende muss über eine klare Wort-Bild-Vorstellung verfügen. Der Begriff „L-Position” beispielsweise löst bei einem informierten Stabhochspringer die entsprechende Vorstellung der von ihm nachvollziehbaren Fertigkeit aus. Der Übende spricht den Bewegungsablauf durch, wobei er bei komplizierten Bewegungen die Schlüsselstellen besonders beachtet. In der Vorbereitung sollte die verbale Formulierung mehrmals wiederholt werden.
Es können auch Teile von Bewegungen verbalisiert werden. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass besonders diejenigen ausgewählt werden, die noch der Verbesserung bedürfen. Die letzte Formulierung muss stets auf die erfolgreiche Ausführung bedacht sein, z. B.: „Ich fixiere das Hüftgelenk, strecke und spanne die Arme und tauche spritzerlos ein.”
Die sportartspezifischen Fachausdrücke sollen bei zunehmendem Können mit einer differenzierten Bewegungsvorstellung verknüpft werden. Bei der Kombination mehrerer Teile (z. B. beim Turnen, Eislauf) werden auch die verbindenden Elemente sprachlich zum Ausdruck gebracht. Trainer oder Übungsleiter leisten bei der sprachlichen Formulierung Hilfe und überprüfen, ob der Übende die zutreffenden Bewegungsvorstellungen mit dem Wort verknüpft. Gelingt die Verbalisierung der Übungsfolge, wird sie mit dem verdeckten Wahrnehmungstraining oder mit dem ideomotorischen Training kombiniert, wobei die Verbalisierungskomponente mit zunehmendem Könnensstand reduziert wird.
Unter motivationalem Gesichtspunkt führt das verbale Training zu höherer psychischer Sicherheit und zum Abbau von Bewegungsängsten, da die sprachliche Formulierung gleichsam eine konkrete Rückmeldung über die zumindest kognitiv beherrschte Bewegung darstellt. Es ist anzunehmen, dass es sich bei den durch die Vorstellung ausgelösten propriorezeptiven Afferenzen (Tast-, Bewegungs- und Gleichgewichtssinn) zugleich um vorstellungsregulierende Rückmeldungen handelt (116).
Die Versprachlichung von Handlungs- und Bewegungsplänen weist dem Wort die Funktion eines „Superzeichens” zu, das die Handlung sprachlich durch das zweite Signalsystem repräsentiert. Signalwörter können deshalb als Selbstbefehle das Verhalten ziel- und situationsgerecht steuern.
Verallgemeinernd lässt sich feststellen, dass der ungeübte Anfänger eine höhere Anzahl von Selbstbefehlen benötigt, die sich auf funktionale Bereiche der Bewegung beziehen und zu ihrem Gelingen notwendig sind, wie z. B. beim Tennis die Befehle „Ausholen!”, „Zum Ball stellen!” oder „Durchziehen!” Je größer die Bewegungserfahrung eines Sportlers ist, je besser er eine Bewegung gedanklich durchspielen kann, desto sparsamer werden die Selbstbefehle angewendet.
Mit zunehmendem Können setzt eine Verallgemeinerung der signalimmanenten, strukturellen Bewegungskomponenten ein. Geübte Sportler geben sich sehr unterschiedliche Selbstbefehle. Ein Turner verwendet nur das Signal „Weit!” und signalisiert die Streckung von Armen, Schultern und Rumpf, ein Tennisspieler erreicht den langen Armschwung mit dem Selbstbefehl „Zieh durch!”
Das verbale Training verstärkt die bewusste Kontrolle der Bewegungsausführung. Es wirkt unterstützend im Rahmen anderer mentaler und psychoregulativer Maßnahmen, es erleichtert die Überwindung von Hemmungen und Barrieren und stabilisiert mithilfe der Selbstbefehle die Konzentration auf ziel- und situationsgerechte Bewegungsausführungen.
Eine Gefahr besteht darin, dass auch automatisierte Bewegungen der denkenden Kontrolle unterworfen werden könnten, wobei die höheren Steuerungszentren unökonomisch überlastet würden. Dieser Gefahr kann durch die Bildung von geeigneten Superzeichen und ihrer aktiv-verbalen Trainingsanwendung entgegengewirkt werden. Je höher der Könnensstand, desto generalisierender ist die Wirkung von Selbstbefehlen, sodass das Bewusstsein nicht durch Differenzierung der Aufmerksamkeit von der Zielsetzung abgelenkt wird.
Bereits Cheuvreville (1854) und Faradey (1858) stellten fest, dass die intensive Vorstellung einer Bewegung die Tendenz zu ihrer Ausführung hervorruft.
Auch bei gedachten Bewegungen konnte eine verstärkte Durchblutung der Muskeln festgestellt werden. Insbesondere war es Jacobsen, der nachwies, dass bei der Vorstellung einer Bewegung eine schwache Kontraktion der Muskeln erfolgt. Hierauf gründet seine weit verbreitete Entspannungsmethode (s. Hierff.). „Es ist unmöglich, sich eine Bewegung intensiv vorzustellen und gleichzeitig den zu ihrer Ausführung gehörenden Körperteil völlig zu entspannen” (116).
Die Wirkung des ideomotorischen Trainings kann deshalb durch eine vorgeschaltete Entspannungsphase erhöht werden, da anzunehmen ist, dass nur diejenigen neuromuskulären Erregungskreise aktiviert werden, die für die vorgestellte Bewegung zuständig sind.
Die ideomotorische Reaktion wurde in der westlichen Literatur als „Carpenter-Effekt” bekannt.
Anwendung und Wirkung des ideomotorischen Trainings hängen von den jeweils herrschenden subjektiven Lernvoraussetzungen ab. Eine Trainingswirkung ist beim Anfänger kaum denkbar. Bei ihm erfolgt durch visuelle Betrachtung eine visuelle Vorstellung, die sich erst allmählich mit kinästhetischen und sprachlichen Komponenten assoziiert (s. Hier).
Um einen positiven Trainingseffekt zu erzielen, sollten die Bewegungen in ihrem Grobablauf bereits realisiert worden sein. Dadurch wird es dem Übenden möglich, sich in sich selbst hineinzuversetzen, sich mit sich selbst zu identifizieren, um so auch Zug- und Druck-, Spannungs- und Entspannungsphasen in subjektiver Erlebnisweise nachvollziehen zu können.
Beim ideomotorischen Training sollte eine möglichst große „Ichbeteiligung” angestrebt werden (43). Der Übende versucht, sich vorzustellen, dass er die Bewegung ausführt. Neben dem perfekten technisch-koordinativen Ablauf der Leitvorstellung soll er dabei besonders auf Empfindungen und Gefühle achten. Was empfinde ich, wenn ich die Bewegung leicht und spielerisch, rhythmisch und erfolgreich ausführe? Wie bewusst sind die an der Bewegungsausführung beteiligten Körperteile?
Eine Kombination des verdeckten Wahrnehmungstrainings und des ideomotorischen Trainings schlagen Syer und Connolly (113) vor.
Im entspannten Zustand beginnt der Übende, sich die ausgewählte Bewegungshandlung in allen Einzelheiten und in ihrem rhythmischen Ablauf vorzustellen. Je bewusster Einzelheiten der Bewegung und der beteiligten Körperteile in das Vorstellungsbild eingehen, desto effektiver wird der Trainingseffekt ausfallen. Nach einer kurzen Pause beginnt der Übende, sich selbst bei der Bewegungsausführung zuzuschauen. Voraussetzung hierfür ist ein Erinnerungsbild, das durch Spiegel, Video oder Film entstanden sein kann. Nachdem der Bewegungsablauf in seiner technischen Abfolge mehrmals mental trainiert wurde, soll in einer zweiten Phase besonderes Augenmerk auf die Gefühle und Empfindungen gelegt werden, die bei der perfekten, leichten und mühelosen Ausführung zu spüren sind.
Der Übende kann auch den Standort des Sich-selbst-Zuschauens wechseln, sodass er sich einmal von links, von rechts, von vorn und hinten oder aus wechselnder Entfernung beobachtet. Stets sind dabei die positiven Gefühle und Empfindungen bewusst zu erleben, besonders dann, wenn gerade diejenigen Übungsteile, die noch Schwierigkeiten bereiten, mit besonderer Leichtigkeit und ohne Anstrengung ausgeführt werden.
Vorstellungsinhalte können sowohl mehrphasige, rhythmische Bewegungsfolgen (z. B. beim Bodenturnen oder Eislauf) als auch herausgehobene Bewegungsphasen (z. B. der Absprung oder der Moment der Körperstreckung) sein. Einige Parameter zur Auswahl werden in Anlehnung an Hug genannt:
a) Veränderung der Bewegungszeit
Die Bewegungen können beliebig schnell oder langsam ausgeführt werden. Beim Anfänger empfiehlt sich häufig eine Verlangsamung, die sich sukzessive der realen Bewegungszeit annähert. Beispielsweise kann man sich einen Tennisaufschlag zunächst langsam und dann immer schneller vorstellen.
b) Veränderung des Bewegungsumfangs
Der Übende kann die Bewegung in verschiedene Abschnitte unterteilen und diese einzeln trainieren (z. B. beim Stabhochsprung Absprungphase und Lattenüberquerung).
c) Setzen eines Schwerpunkts
Spezifische Phasen können besonders intensiv durchlebt werden (z. B. Ausführung eines Stoppballs beim Tennis oder Tischtennis).
d) Bewusstmachen spezieller Körperteile
Manchmal werden Körperteile vernachlässigt (z. B. das Schwungbein beim Kugelstoß, die Fußstellung beim Tischtennis). Wiederholtes ideomotorisches Training führt zur bewussten Kontrolle dieser Aktionen.
e) Rhythmisieren
Besonderer Wert soll während des ideomotorischen Trainings auf den rhythmischen, mühelosen und ökonomischen Bewegungsablauf gelegt werden. Der Übende soll zur Überzeugung gelangen, dass er nun alle Faktoren der Bewegungsausführung beherrscht und alle Unsicherheiten ausgemerzt sind.
f) Häufigkeit und Wiederholung
Auch ideomotorisches Training verbraucht psychische Energie. Das geistige Durchschwimmen einer 100-m-Strecke oder das Durchlaufen einer 200-m-Strecke verbraucht erhebliche konzentrative Kraft. Das mentale Training sollte bei derartigen Sportarten deshalb nicht unmittelbar vor einem Wettkampf erfolgen. Bei weniger Energie verbrauchenden Inhalten (z. B. bei Sprüngen, Griffwechseln, Schlagarten) bietet das ideomotorische Training den Vorteil häufiger Wiederholung und damit der Stabilisierung und Verbesserung.
Auf Grund seiner Erfahrung mit Stabhochspringern macht Hug folgende Vorschläge zur Durchführung:
Es wurde schon erwähnt, dass im Zustand der Entspannung Bewegungserlebnisse tiefer erfasst werden und deshalb auch trainingswirksamer sind. Der Sportler sollte sich eine der in den folgenden Kapiteln dargestellten Entspannungsmethoden aneignen.
Mentales Training kann zu verschiedenen Zeiten durchgeführt werden. Diese hängen von den jeweiligen Zielvorstellungen ab, d. h., ob das Training mehr zur Einleitung und Verbesserung von Lernprozessen oder mehr zur Stabilisierung im Wettkampf dienen soll. In der Regel kommt es dabei zu einer Kombination von observativem Training, verdecktem Wahrnehmungstraining und dem ideomotorischen Training, sodass im Folgenden der übergeordnete Begriff mentales Training verwendet wird.
Mentales Training bzw. mentale Übungen können sowohl trainingsbegleitend als auch vor, während und nach dem Wettkampf durchgeführt werden.
Alle bisher beschriebenen Techniken des verdeckten Wahrnehmungstrainings, des verbalen und des ideomotorischen Trainings sowie deren Kombination eignen sich zum mentalen Training vor dem aktiven Vollzug.
Als Vorstellungsinhalte können folgende Leitbilder dienen:
a) Sich sich selbst bei der Bewegungsausführung vorstellen und erleben.
b) Sich selbst bei der Bewegungsausführung von wechselndem Standpunkt aus zuschauen.
c) Sich mit einem idealen Vorbild identifizieren.
d) Sich eine eigene perfekte Ausführung in die Vorstellung zurückrufen.
Sich sich selbst bei der Bewegungsausführung vorstellen und erleben
Die mentale Vorbereitung kurz vor dem Wettkampf dient der inneren Zuwendung, der Aktivierung spezieller Aktionspotenziale und der konzentrativen Einstimmung.
Besonders eignen sich Sportarten, die durch normierte Bewegungen (z. B. Turnen), zumindest jedoch durch vorhersehbare technische Bewegungshandlungen, wie dies z. B. beim Skilauf der Fall ist, gekennzeichnet sind. Bei Spielsportarten (z. B. Tennis) bereitet der erfolgreiche mentale Vollzug den Spieler auf das offene Spielgeschehen vor; er findet dadurch zu einer positiven inneren Einstimmung für die folgende Auseinandersetzung.
Die Dauer der mentalen Vorbereitung hängt von der jeweiligen Sportart ab und kann zwischen fünf Sekunden und drei Minuten liegen. Es ist dabei zu bedenken, dass auch die Vorstellungsarbeit Energie verbraucht und deshalb die Zeitspanne vor dem Wettkampf nicht zu lange währen darf. Man spielt die wesentlichen Schlüsselstellen der Bewegung durch, konzentriert sich vor allem auf diejenigen, die entweder noch Schwierigkeiten bereiten oder für die gesamte Ausführung von wesentlicher Bedeutung sind. Der Sportler wählt die für ihn persönlich angenehmste Vorstellungsart aus und achtet darauf, dass die Bewegung in vollendeter Qualität ohne Schwierigkeit und erfolgreich ausgeführt wird. Der erfolgreiche Abschluss sollte immer Bestandteil der mentalen Vorbereitung sein, d. h., der Skifahrer durchfährt das Ziel, der Tennisspieler trifft den angezielten Punkt, der Turner vollendet den Abgang oder der Hochspringer landet ohne Lattenberührung.
Sich selbst zuschauen
Für manche bedeutet die bildhafte Vergegenwärtigung der eigenen Person, das Sichhineinversetzen in die Rolle des Zuschauers, der sich selbst beobachtet, eine Möglichkeit, störende Einflüsse auszuschalten und die Bewegung als Zuschauer seiner selbst intensiv zu erleben. Insbesondere bei Risikophasen gewinnt man durch erfolgreiche Ausführung mentale Sicherheit und Offensivgeist.
Als Standort soll eine Position gewählt werden, die es erlaubt, schwierige Passagen besonders gut zu beobachten. Beispielsweise betrachtet sich der Tennisspieler von der Schlagarmseite, der Speerwerfer, um die geradlinige Speerabnahme zu erleben, von hinten, der Schwimmer von einer Seite, die er als die schwächere ansieht.
Treten Schwierigkeiten auf, sich alle Phasen der Bewegung klar vorzustellen, weil beispielsweise entsprechende Erinnerungsbilder fehlen, so sollte man dies hinnehmen, und sich vielleicht anschließend eine andere Position vorstellen, um sich besser beobachten zu können. Auf keinen Fall darf die Vorstellungsarbeit zu einem forcierten Bemühen gesteigert werden, da bei Misslingen des Vorstellungsbildes Enttäuschung eintritt und Unsicherheiten noch verstärkt werden können.
Sich mit einem Vorbild identifizieren
Nicht immer gelingt dem Sportler eine klare Bewegungsvorstellung seiner eigenen Bewegung in allen Phasen. Hier kann es hilfreich sein, sich mit einem Vorbild zu identifizieren, das die Bewegung perfekt beherrscht. Dabei sollte es sich um ein Leitbild handeln, das der eigenen Konstitution ähnelt, das motorisch subjektiv nachvollziehbar erscheint und das eine gefühlsmäßige Zuwendung erlaubt, d. h., man möchte so sein, so spielen und sich so bewegen können wie dieses bewunderte Vorbild. Je enger die persönliche Identifikation gelingt, je besser man sich in die Person hineinzuversetzen vermag und sich vorstellen kann, was sie bei der Bewegungsausführung empfindet, welche Zuversicht und Sicherheit sie entwickelt, desto wirksamer stellt sich der mobilisierende Effekt für die eigene Bewegung dar. Man verwirklicht in der Person des Idealbildes die perfekte Leistung; das Vorbild wird quasi zum mentalen Medium der eigenen Wunschbewegung. Auf die Bedeutung dieses Phänomens wurde bereits bei der Erläuterung der ideomotorischen Reaktion hingewiesen.
Sich seine eigene perfekte Leistung vorstellen
Sportler, die sich vor der Ausführung unsicher fühlen, die Schwierigkeiten haben, sich die kommende Bewegung klar vorzustellen, oder mit Konzentrationsproblemen kämpfen, rufen sich eine Leistung der Vergangenheit wieder ins Gedächtnis und stellen sich in allen Einzelheiten den damaligen erfolgreichen Ablauf vor. Das Bewusstmachen der damals besonders gut gelungenen Bewegungsphasen, das Sichvergegenwärtigen von Gefühlen der Leichtigkeit und Sicherheit, mit der die schwierigen Elemente absolviert wurden, soll sich mit der gegenwärtigen Aufgabe verknüpfen und helfen, psychische Probleme und Mängel in der Planung und Ausführung zu vermindern.
Diese Form der mentalen Vorbereitung wird hauptsächlich trainingsbegleitend eingesetzt, kann jedoch auch kurz vor der Ausführung positive Effekte erzielen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die perfekte Leistung noch nicht allzu weit zurückliegt und es die Zeit vor der Ausführung erlaubt, z. B. in den Pausen des leichtathletischen Zehnkampfs, bei turnerischen Mehrkämpfen, beim Wiederholen eines gelungenen Tennisaufschlags oder Sprungs beim Eislaufen.
Mentale Übungen während der aktiven Ausführung verfolgen den Zweck, die im Training erlernten Bewegungen oder noch unsichere Bewegungsphasen im Wettkampf oder in anderen Anwendungssituationen zu stabilisieren bzw. optimal zu realisieren. Hierzu bieten sich zwei Möglichkeiten an:
Es gelten ähnliche Voraussetzungen wie für die Identifikation mit einem idealen Vorbild vor dem Wettkampf. Auch dabei soll eine Übereinstimmung des Denkens, Fühlens und Handelns mit einem Vorbild, dem eine besondere Zuwendung entgegengebracht wird, gegeben sein.
Schon im Verlauf vorangegangener Trainingszeiten kann das Identifizieren mit einem Vorbild geübt werden. Man beobachtet besonders die Bewegungen, die man an sich selbst verbessern möchte, und versucht anschließend, sich in den Körper des Vorbildes hineinzuversetzen. Bei mehrmaliger Wiederholung wird es gelingen, sich mit dem Vorbild eins zu fühlen, die Gefühle der erfolgreichen Ausführung zu erleben, die Leichtigkeit und Mühelosigkeit der perfekten Bewegungsausführung nachzuvollziehen. Ein Tischtennisspieler beispielsweise versetzt sich in das perfekte Vorbild eines Rückhandtopspins von Timo Boll, ein Tennisspieler zieht in Bedrängnis die Rückhand wie Boris Becker durch oder ein Skifahrer identifiziert sich in der Vertikalen mit Ingmar Stenmark und fährt, fühlt und bewegt sich wie dieser in ähnlichen Torkombinationen.
Bei Sportlern, die zu bildhaftem Vorstellen befähigt sind, kann die Identifikation mit dem Bewegungsablauf des idealen Vorbilds eine Hilfe zur Technikverbesserung und -stabilisierung bedeuten.
Folgt man der Auffassung Freuds, so stellen Symbole ein Zeichen für ein bekanntes Bild und dessen Begriff dar. Symbole sind Repräsentanten dessen, was sie symbolisieren. Der Gegenstand des Symbols ist ein umrissener Begriff, der in seiner Struktur und Funktion bekannt ist.
Für Jung hingegen bedeutet das Symbol ein Gleichnis für eine relativ unbekannte Sache. Alle sichtbaren Erscheinungen stehen für etwas anderes, für einen bestimmten Sinn, der ihnen zugrunde liegt.
Die Vorstellung von Symbolen entfacht unbewusst Reaktionen, die dem Wesen des Symbolisierten entspringen und emotionale Zustände schaffen können, die der Sportler für seine Leistung benötigt.
Vorstellungen im Sport sind mehr im Sinne Freuds zu interpretieren. Die fünf olympischen Ringe zum Beispiel symbolisieren die fünf Kontinente, Fahnensymbole stehen für Nationen. Man kann auch Symbole für bestimmte Erlebnisweisen, für psychische Zustände oder Bewegungsformen finden. Der Tanz durch die Tore im Slalom symbolisiert Leichtigkeit und Mühelosigkeit, eine gespannte Feder Start oder Absprung, ein ruhig fließender Fluss Ruhe und Gelassenheit, die Vorstellung eines Sirenengeheuls Erregung und Unruhe. Auf die Wirkung der Gedanken auf die körperliche Reaktion wird an anderer Stelle hingewiesen (s. Hier f.).
Das Vorstellen von Symbolen während der Bewegungsausführung soll den Sportler zur optimalen Ausführung der erlernten Technik bringen bzw. die psychischen Bedingungen zur bestmöglichen Realisierung schaffen. Visualisieren (s. Hierff.) bedeutet hier, dass man sich im Verlauf der Bewegungsausführung mit einem Symbol identifiziert, das die Merkmale verkörpert, die man zur Ausführung benötigt. Um das richtige Symbol zu finden, sollte man sich entspannen, auf den gewünschten Zustand konzentrieren und darauf achten, welche Gleichnisse oder Symbole zuerst auftreten. Zum Beispiel fand ein Schütze das Symbol „der Felsen von Gibraltar” (113). Die Vorstellung während des Wettkampfs, er sei der Felsen von Gibraltar, verlieh ihm die nötige Ruhe beim Schießen.
Ein Skifahrer stellte sich vor, er „tanze durch den Slalom” und erreichte dadurch den optimalen Kanteneinsatz, ein Torwart identifizierte sich mit einem „Panther, der sprungbereit blitzschnell reagiert und sich streckt”.
Einige Vorschläge sollen zur Selbstfindung von geeigneten Symbolen anregen:
Es gibt eine große Vielfalt von symbolhaften Vorstellungen, zum Beispiel für Rhythmus, Aggressivität, Harmonie, Ruhe, Angstvermeidung, Beständigkeit. Sportler sollten sich entsprechende Symbole suchen und sie mit ihren Leistungen in Verbindung bringen. Symbole haben nicht nur einen positiven Einfluss auf die konditionelle und koordinative Qualität, sondern sie vermitteln Ruhe, Sicherheit und Selbstvertrauen und verbessern somit die psychische Gesamtverfassung.
Mentales Training nach der Ausführung beinhaltet die unmittelbare Wiederholung der gerade ausgeführten Bewegung in der Vorstellung. Eine gelungene Ausführung sollte auch im Training sofort mental wiederholt werden. Dadurch wird erreicht, dass neurophysiologische Bewegungsprogramme, positive Erlebnisse der gelungenen Ausführung und spezifische Aspekte des Bewegungsablaufs vertieft bzw. verstärkt ins Bewusstsein gerückt werden. Das Vergessen geglückter Versuche wird verhindert, wodurch die mentale Wiederholung eine wichtige, handlungswirksame Basis für weitere Versuche darstellt.
Der Sportler erhält die Aufgabe, sich unmittelbar nach der Ausführung noch einmal alle Wahrnehmungen und Erlebnisse zu vergegenwärtigen, die gesamte Bewegung noch einmal geistig nachzuvollziehen und nachzuerleben. Auch Gedanken und Konzentration werden erneut durchgespielt. Welche Gedanken haben sich positiv ausgewirkt? Wurden spezielle Körperteile besonders bewusst erlebt? Wo waren Spannungsmomente? Welche Gefühle waren mit der Ausführung gekoppelt?
Während für bewegungszentrierte Sportarten (z. B. Turnen, Leichtathletik) das ideomotorische Training hervorragend geeignet ist, kann das ideomotorische Phänomen für Kampf- und Spielsportarten (z. B. Fechten, Judo, Handball) nicht nachgewiesen werden.
Dennoch ist das Durchspielen eines Plans bei komplexen Tätigkeiten im Sinne des mentalen Trainings möglich (130). Hier wird eine „Situationsantizipation” vollzogen, die sich nicht auf spezielle Bewegungsausführungen richtet, sondern möglichst alle an einer Situation beteiligten Faktoren beinhaltet. Darunter fallen die äußeren Wettkampfbedingungen, Gegner, Publikum, Erfolg und mögliche Veränderungen.
Bei Kampfsportlern kommt es darauf an, sich nicht auf spezielle, stereotype Bewegungshandlungen zu konzentrieren, da diese an spezifische Situationen gebunden sind, deren Auftreten jedoch nicht verbindlich angenommen werden kann.
Das mentale Training betrifft dabei mehr das gedankliche Durchspielen sich verändernder, offener Situationen und die Antizipation des eigenen Könnens.
Diese Situationen werden meist weniger anschaulich erlebt, vielmehr handelt es sich um die Vergegenwärtigung einer latenten Reaktionsbereitschaft, die eine Veränderung von Handlungsplänen in komplexen Anforderungssituationen ermöglicht (s. Hier). Für den Wettkampfsportler stellt die antizipatorische Vergegenwärtigung unvorhergesehener Situationen einen oft vernachlässigten Teil des mentalen Trainings dar.
Beispiel:
Steffi Graf gewann 1988 gegen Gabriela Sabatini den ersten Satz, verlor den zweiten Satz knapp und den dritten und entscheidenden Satz mit 6:0. Auf die Gründe dieser überraschenden Niederlage befragt, sagte sie: „Ein dritter Satz war in meinem geistigen Programm des Spiels gar nicht vorgesehen.”
Zu stark fixierte Vorstellungen von kommenden Situationen oder vorgefasste Zielvorstellungen können sich als hinderlich erweisen, wenn die erwarteten Ereignisse nicht eintreten. Deshalb sollten denkbare unvorhergesehene Situationen in das mentale Programm mit eingebaut werden.
Derartige unkontrollierbare Faktoren sind zum Beispiel Zeitverschiebungen, unerwartete Gegner, Wetterverhältnisse (z. B. Wind, Schnee), Zuschauerreaktionen, Geräte, Bodenbedingungen (z. B. beim Tennis), taktische Verhaltensweisen der Gegner oder eigene Fehlleistungen.
In die antizipierte Vorstellung unvorhergesehener Situationen geht die Lösungsstrategie mit ein. Auch hier sollte eine zu fixierte Vorstellung vermieden werden. Vielmehr muss sich der Sportler damit vertraut machen, die neue Lage mit den Mitteln zu meistern, die ihm zur Verfügung stehen - quasi ein Durchdenken möglicher Schwierigkeiten mit der Antizipation des eigenen Könnens.