Resümee

Das Auffinden der Unterlagen des Gerichtsmediziners Prof. Ernst Ziemke zur Begutachtung von Rudolf Ditzen alias Hans Fallada aus dem Jahr 1926 ist sowohl aus medizinhistorischer als auch aus literaturgeschichtlicher Sicht bedeutsam und schließt nicht nur biographische Lücken. Der Akribie Ziemkes verdanken wir den Erhalt von fünf Geschichten Falladas, die in diesem Band zusammenhängend veröffentlich sind.

Mit seiner Erfahrung als Gerichtsarzt und seiner psychiatrischen Vorbildung war Ziemke als Gerichtsmediziner fraglos hinreichend für dieses Routineverfahren einer Unterschlagung qualifiziert. Die Darstellung von Cecilia von Studnitz, Ziemke habe dem Gericht die Anwendung des § 51 StGB empfohlen, kann als widerlegt angesehen werden.17 Im Hinblick auf die Überlieferung der Familie Ziemkes, dass dieser Fallada »geholfen« habe, kann festgestellt werden, dass das Ergebnis der Begutachtung (zunächst) Falladas Wunsch entsprach, aber nicht auf einer Täuschung Ziemkes durch ihn beruhte.

Abschließend soll noch auf einen Umstand hingewiesen werden, der zumindest bemerkenswert erscheint: Fallada, der häufig autobiographische Aspekte in seinen Werken verarbeitete, hat in seinem Buch »Jeder stirbt für sich allein« (1947) den Namen Ziemke mit einer wenig schmeichelhaften Figur verbunden, und zwar mit der des Karl Ziemke, der im Bunker der Gestapo der Zellengenosse von Otto Quangel ist. Karl Ziemke wird von ihm als ein brutaler und gewissenloser Berufsmörder beschrieben, der im Auftrag der SS und dann auf eigene Initiative getötet hat und jetzt versucht, sein Leben zu retten, indem er den Wahnsinnigen spielt und sich wie ein Hund gebärdet.18 Ob es sich hier um eine »späte Rache« oder Zufall handelt, mag wohl kaum jemand entscheiden.