1.7 Der ROI von Social Media
Jetzt denken Sie vielleicht: »Alles schön und gut, aber was bringen mir Social Media nun? Was ist denn der ROI von Social Media?« Unternehmen neigen in Gesprächen über Social Media dazu, nach dem ROI, also nach dem Return on Investment, zu fragen. Der ROI ist eine wichtige Kennzahl für Firmen, wenn es darum geht, Investitionsvorhaben abzuschätzen. Mit der Frage nach dem ROI steht und fällt für viele Firmen die Entscheidung für oder gegen Social Media Marketing. Die Frage nach dem ROI von Social Media ist jedoch irreführend. Oder können Sie sagen, was der ROI von TV oder Zeitungen ist? Für die Messbarkeit von Social Media Marketing gelten die gleichen Regeln wie beim klassischen Marketing: Es können immer nur einzelne Kampagnen mit bestimmten Zielen (Brand Awareness, Brand Loyalty, Zielgruppenengagement, Feedback, Performance, Leads, Sales usw.) ausgewertet werden.
1.7.1 Der ROI von Social Media hat viele Bedeutungen
Die Wahrnehmung von Marken ist heute nicht mehr nur durch einseitiges Marken-Branding erreichbar. Kaufentscheidungen werden durch die Empfehlungen anderer und die individuellen Vorlieben der Verbraucher beeinflusst. Der Austausch darüber findet zunehmend im Social Web statt. Dies zu ignorieren stellt mittlerweile ein tatsächliches Risiko für Unternehmen dar. Social-Media-Ignoranz kann mitunter irreparable Rufschäden bei Marken hinterlassen, wie die Beispiele in Abschnitt 1.7.3, »Der ROI lautet auch ›Risk of Ignoring‹«, zeigen. Der ROI in Social Media kann auch bedeuten, Kosten bei der klassischen Kundenbetreuung durch eine stärkere Präsenz in sozialen Netzwerken zu sparen, oder Ihre Social-Media-Präsenz führt zu Einsparungen bei der Produktentwicklung, da Sie sich das Feedback der Kunden für die Produktinnovation zunutze machen. Es kann aber auch bedeuten, dass Sie auf Teile der bisherigen Werbung und PR verzichten, da Sie Ihre Zielgruppe im Social Web weitaus besser ansprechen können und ein höheres Branding erreichen. Den tatsächlichen ROI in Social Media bezeichnet man alternativ auch als Return on Influence, wenn Sie durch Social Media den Einfluss Ihrer Marke oder Ihres Unternehmens erhöhen, oder Reduce of Investment, wenn Sie durch Social Media Investitionen einsparen, z. B. im Service oder in der Produktentwicklung.
1.7.2 Der ROI ist der Return on Influence
Der ROI ist eine Gewinnformel für Ihre getätigten Investitionen in Social Media. Sie können damit berechnen, ob sich Social Media für Sie gerechnet haben: monetär und für die Marke. Um ihn zu erheben, brauchen Sie blanke Zahlen, z. B. Ihre Abverkaufszahlen und die Höhe Ihrer Social-Media-Kosten. Um den ROI schließlich zu berechnen, müssen Sie genau filtern, welche Produktverkäufe durch Social-Media-Maßnahmen zustande gekommen sind und welche nicht. Bei Anzeigen in Social Media (z. B. eine Facebook-Anzeige, um mehr Käufe im Onlineshop zu generieren) ist der ROI ganz leicht zu berechnen. Facebook liefert Ihnen dafür täglich eine Auswertung. Bei allen anderen Kommunikationsmaßnahmen in Social Media ist der Erfolg jedoch in »Dialog« und in »Engagement« zu messen.
Marketing-Take-away: Messen Sie den Kampagnenerfolg mit einer Brand Lift Study
Sowohl Facebook als auch Google bieten großen Unternehmen die Möglichkeit einer Brand Lift Study. Nach der Kampagne werden User per Zufallsprinzip aufgefordert, Fragen zur Markenerinnerung, Markenbekanntheit und zum Markeninteresse zu beantworten. So sehen Sie, ob ein tatsächlicher Marken-Uplift durch die Kampagne zustande gekommen ist. Die Fragen sind allerdings nicht vorgegeben, sondern können von Ihnen selbst designt werden und an klassische Benchmarkings (GfK-Werbetracking) angelehnt sein, z. B.: »Wenn Sie an einen Lebensmittelhändler denken, welche Marke fällt Ihnen ein?«
1.7.3 Der ROI lautet auch »Risk of Ignoring«
Ignorantes Verhalten gegenüber aufgebrachten Kunden im Netz ist schon einigen großen Unternehmen zum Verhängnis geworden. Im März 2010 stellte Greenpeace UK einen Videoschocker ins Netz, der Nestlé in Bezug auf seine Urwaldrodung in die Schranken weisen sollte (siehe Abbildung 1.18). Mit einer Parodie auf den KitKat-Werbeslogan »Have a break, have a KitKat« schockierte Greenpeace mit der Aktion »Give rainforests a break«. In dem Video wird kritisiert, dass Nestlé für die Produktion des KitKat-Riegels Palmöl verwendet, für dessen Herstellung Urwald zerstört wird. Dieser Urwald ist jedoch Lebensraum der vom Aussterben bedrohten Orang-Utans. Deshalb wird der KitKat-Riegel als Finger eines Orang-Utans dargestellt. Die Botschaft ist damit klar: Wer KitKat isst, tötet die Affen. Wenige Tage nach dem Online-Gang der Kampagne ließ Nestlé eine englische Version des Videos wegen Urheberrechtsverletzung aus dem Netz entfernen. Die offizielle Facebook-Seite von KitKat wurde daraufhin mit negativen Kommentaren übersät. Auf Twitter reagierte der Konzern überhaupt nicht.
Marketing-Take-away: Der Streisand-Effekt
Der Griff zur Rechtskeule wegen Urheberrechtsverletzung hat Nestlé in die eigentliche Reputationskrise geschickt, denn die User im Netz fanden das gar nicht in Ordnung, kopierten das Video und verbreiteten es erneut im Social Web (Streisand-Effekt siehe Abschnitt 1.2.2). Sobald versucht wird, Inhalte im Netz zu löschen und somit deren Verbreitung zu unterdrücken, hat dies eher den gegenteiligen Effekt, denn die Information wird nur noch interessanter. Unternehmen müssen daher höllisch darauf achten, dass sie bei einer Krisen-PR nicht falsch reagieren.
Der Shitstorm spielte sich nicht nur im Social Web ab, sondern wurde auch von Straßenaktionen begleitet. Mit der richtigen Mischung aus Online- und Offline-Aktionen konnte Greenpeace genügend Sympathisanten und Multiplikatoren finden, die Nestlés Negativimage verstärkten. Die Greenpeace-Kampagne wurde binnen zwei Monaten von einer Viertelmillion Menschen weltweit unterstützt. Nestlé äußerte sich zunächst sehr verhalten zu den Vorwürfen. Das Unternehmen gab zwar eine Pressemitteilung heraus, die allerdings nur beschönigende Worte ohne eine konkrete Stellungnahme zu den Vorwürfen enthielt. Greenpeace hielt jedoch unbeirrt an der Forderung »Kein Palmöl aus Urwaldzerstörung!« fest. In der Zwischenzeit pflanzte sich das Virus weiter fort.
Die Kommentare auf der englischsprachigen Facebook-Seite müssen für den Nestlé-Konzern ein Albtraum gewesen sein. Einige User beschwerten sich über Nestlés Arroganz, und andere User riefen zum Boykott auf. Der Nestlé-Konzern reagierte streckenweise sehr zynisch auf die Kommentare, wahrscheinlich weil er keinen Notfallplan für Krisensituationen in petto hatte. Die Facebook-Seite wurde von Nestlé sogar kurzerhand offline gestellt. Eine offizielle Stellungnahme muss jedoch sofort erfolgen, maximal ein bis zwei Tage danach. Nestlé entschied sich aber erst einen Monat nach dem Erscheinen des Videos dafür, mit den Fans zu diskutieren. Zwei Monate später gab Greenpeace bekannt, Nestlé habe in einem Aktionspapier versprochen, in Zukunft weder Palmöl noch Papier aus Regenwaldzerstörung mehr zu beziehen. Ein halbes Jahr später war der Reputationsschaden in Google immer noch sichtbar: Unter dem Stichwort »KitKat« wurden Video- und Blog-Beiträge zu dem Fall gezeigt.
Abbildung 1.18 Greenpeace greift Nestlé auf YouTube an. (Quelle: www.youtube.com/watch?v=VaJjPRwExO8)
Rechtstipp von Sven Hörnich: Deutsches Recht bei rufschädigenden Äußerungen im Internet
Unliebsame Äußerungen sind nicht zwingend rechtswidrig, denn Meinungsäußerungen sind grundsätzlich erlaubt. Freilich darf der Meinungsträger nicht gegen sonstiges Recht (Urheberrecht, Recht am eigenen Bild, allgemeines Persönlichkeitsrecht) verstoßen. Hier ist jeder Fall anders gelagert. So kann unter Umständen die Äußerung über einen aus der Presse bekannten Konzernchef mit Namensnennung und Bild erlaubt sein – die Abbildung seiner unbeteiligten Tochter und/oder Ehefrau verstieße jedoch gegen geltendes deutsches Recht.
Bei der rechtlichen Bewertung der reinen Texte ist zudem zwischen Wertungen und sogenannten Tatsachenbehauptungen (letztere sind einem Beweis zugänglich, erstere nicht) zu unterscheiden. Erklärt der Autor eines Beitrags beispielsweise, das Essen in einem Restaurant schmecke ihm nicht, kann der Koch zwar vor Zorn rot anlaufen, aber gegen diese Wertung wohl wenig unternehmen. Schreibt er jedoch ungenau, es sei erst nach zweistündiger Wartezeit gekommen, könnte der von der Äußerung Betroffene gegebenenfalls den Gegenbeweis führen, das Essen habe bereits nach einer Stunde und 45 Minuten auf dem Tisch gestanden.
Ist eine Rechtsverletzung ausgemacht, stellt sich in einem weiteren Schritt die Frage, ob sich deren Verfolgung lohnt oder ob damit die Sache nicht erst »ins Rollen« gebracht wird und Nachahmer auf den Plan treten. Im von mir angeführten und zugegeben zur Verdeutlichung reichlich konstruierten Beispiel des »Schnell-Kochs«, dürfte ihm die Verfolgung wohl wenig bringen. Verbreitet sich darüber hinaus aber eine (gegebenenfalls auch rechtswidrige) Äußerung beispielsweise als Racheakt (unter der Nutzung von Fake-Accounts häufig leider anonym oder zumindest nicht mehr dem ursprünglich Äußernden nachweisbar zurechenbar) als sogenannter Shitstorm weiter im Internet, ist dem mit rechtlichen Mitteln vielfach nur noch schwer beizukommen. Es gibt – unabhängig davon, ob die Äußerungen rechtswidrig sind oder nicht – (zumindest scheinbar) schlicht zu viele Gegner. Eine gute (auch anwaltliche) Beratung zeichnet sich auch im Frühstadium bereits dadurch aus, dass es hierzu gar nicht erst kommt, obgleich dies nicht immer zu verhindern ist. Die Grundfrage war im vorangegangenen Beispiel bereits, warum sich der Anspruchsteller auf sachfremde Urheberrechtsdiskussionen hinsichtlich der Verpackung einließ. Dieser taktische Fehlgriff gegenüber dem dortigen Äußernden lässt sich, unabhängig von der Frage, ob die genutzte Verpackung wirklich urheberrechtlichen Schutz genießt, mit einem simplen, aber extrem wichtigen Wort erklären: Meinungsfreiheit bzw. deren grundsätzliche Unantastbarkeit!
Übrigens ist aber auch bei rein wertenden Meinungsäußerungen nicht alles erlaubt. Beleidigungen sind verboten. Was eine Beleidigung ist, erschließt sich übrigens aber nicht auf den ersten Blick, selbst wenn man das meinen sollte. Einen spannenden »Ausreißer« in der jüngsten Rechtsgeschichte kann der geneigte Leser dadurch wahrnehmen, indem er in einer der gebräuchlichen Internetsuchmaschinen einmal nach einer legalen Quelle eines deutschen Fernsehbeitrags zu dem gemeinhin wohl eher als »unfein« empfundenen Ausspruch: »Fickt Euch!« suchen und den damit wohl laut einer Staatsanwaltschaft verbundenen Interpretationsspielraum nachvollziehen (versuchen) möge.
Neben (echten) Beleidigungen ist zudem die sogenannte Schmähkritik angreifbar, auch wenn es sich formal um eine bloße Wertung handelt. Eine solche liegt vor, wenn eine Person – fern jeder Auseinandersetzung mit der Sache – verächtlich gemacht werden soll. Beispiele für Letztgenanntes sind je nach Schärfe sachfremde Entgegnungen wie: »Woher willst du das wissen, du kommst doch aus …«
Die Umweltorganisation hatte jedoch weder jemanden beleidigt, noch sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder gar etwas (nachweisbar) Falsches behauptet, sondern von der Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht.
1.7.4 Die Krise als Chance nutzen
Egal, wie schwerwiegend eine Reputationskrise ist, kann sie auch zu enormen Verbesserungen im Unternehmen und sogar zur Umsatzsteigerung führen. Domino’s Pizza erlitt im April 2009 einen herben Reputationsschaden, als zwei Mitarbeiter eine ekelerregende Zubereitungsmethode als Videobotschaft auf YouTube stellten. Der Spott der Mitarbeiter breitete sich wie ein Virus in Twitter aus. Domino’s Pizza reagierte adäquat auf die massenhafte Negativpresse und lud die Konsumenten dazu ein, auf Twitter zu diskutieren (www.twitter.com/dpzinfo). In seiner Videobotschaft entschuldigte sich Geschäftsführer Patrick Doyle von Domino’s Pizza, für den Vorfall und gab sein Bedauern über den Vertrauensmissbrauch zum Ausdruck. Die betreffenden Mitarbeiter wurden sofort entlassen.
Im Dezember 2009 veröffentlichte Domino’s Pizza ein Video mit dem Slogan »The pizza turnaround« (siehe Abbildung 1.19). Die Pizzamarke hatte die Krise zum Anlass genommen, die Marke gänzlich neu zu positionieren: Von der Zusammensetzung des Pizzateiges über die Toppings und den Service – einfach alles wollte man nun besser machen. Die wichtigste Person bei dem Turnaround war der Kunde: Die Kunden von Domino’s Pizza wurden nach ihren Wünschen und bevorzugten Geschmacksrichtungen befragt. Mit den besten Zutaten und ausgefallenen Pizzavarianten verfolgte Domino’s Pizza ein Jahr lang energisch das Ziel, für seine Kunden die beste und leckerste Pizza zu machen. Geschäftsführer Patrick Doyle spricht in dem Video auch über Kritik: »You can either use negative comments to get you down or you can use them to exite you and energize your process of making a better pizza.« Das klingt sehr amerikanisch, aber er bringt es damit auf den Punkt. Natürlich können sich Unternehmen von einer Krise herunterziehen lassen. Sie können sie aber auch einfach zum Anlass nehmen, es besser zu machen. Im Abspann des Videos gilt der Dank den treuen lokalen Kunden. Die Inspiration für die bessere Pizza lieferten jedoch die unsanftesten und rausten Kommentare der Kritiker, womit besonders die Kritiker im Netz gemeint waren.
Der Turnaround verschaffte Domino’s Pizza in England eine Umsatzsteigerung von 29 %. Domino’s Pizza gewährte Rabattaktionen auf Facebook. Das Unternehmen nutzte auch den Location-based Service Foursquare und belohnte Personen, die sich online bei Domino’s Pizza »eincheckten«, mit einer Pizza. Treue Kunden, die besonders häufig bei Domino’s Pizza eincheckten, wurden mit einem Foto in der Filiale gekürt. Domino’s Pizza hat seine Reputationskrise sinnvoll genutzt und sich nicht von negativen Kommentaren unterkriegen lassen. Das Unternehmen hat es geschafft, eine sehr schwere Rufschädigung ins Gegenteil umzukehren, aber nicht, indem es versucht hat, die Kritik abzustreiten, sondern indem es die Rückmeldungen seiner Kunden ernst genommen und Verbesserungen sofort in die Tat umsetzt hat.
Abbildung 1.19 Domino’s Pizza nimmt die Krise zum Anlass für einen Turnaround und schafft den Markendreh. (Quelle: www.youtube.com/watch?v=AH5R56jILag)
1.7.5 Hat jede Kritik auch eine Reaktion verdient?
Sie sollten regelmäßig prüfen, welche Rückmeldungen Sie in Social Media erhalten haben, z. B. direkt in Form eines Kommentares auf Ihrer Facebook-Seite oder indirekt (in Form eines Kunden-Postings auf Instagram). Wie oft wird Ihr Produkt gelobt, wie oft kritisiert? Wie reagieren Kunden auf Befragungen oder Produktideen? Wenn Sie ungeschönte oder teilweise beleidigende Kommentare lesen, können Sie davon ausgehen, dass es sich in der Regel um eine ehrliche Kritik des Kunden handelt. Mit Verweis auf die Netiquette (Internet-Etiquette) können Sie beispielsweise die Diskussion auf Ihrer Facebook-Seite lenken und Vorwürfe richtigstellen. Natürlich ist negatives Feedback unangenehm, aber es hilft Ihnen auch, Ihr Produkt zu verbessern. Zeigen Sie sowohl Interesse an den Kundenmeinungen als auch Ihre Veränderungsbereitschaft bei berechtigter Kritik. Wenn Sie Kritik ignorieren, stacheln Sie damit nur die Diskussion an.
1.7.6 Trolle, Flamewars und Shitstorms
Allerdings gibt es auch sogenannte Trolle im Netz, die ausschließlich negative Kritik äußern und das Gegenüber provozieren wollen. Sobald das Unternehmen einlenkt, macht es sich bei solchen Trollen erst recht lächerlich. Der deutsche Blogger Sascha Lobo hat sich intensiv damit befasst, wie man einen Shitstorm überlebt. In Foren treten sie als sogenannte Flamewars auf. Dabei machen die User nichts anderes, als sich immer wieder neue Streiche und Sticheleien gegen eine Person oder ein Produkt auszudenken. In solchen Fällen ist Abwarten die beste Medizin. Trolle kommen und gehen. Für Unternehmen ist es deshalb eine Gratwanderung, um angemessen auf diese Kritik im Netz zu reagieren. Denn einerseits müssen Maßnahmen getroffen werden, um sich vor einem Imageschaden zu schützen. Andererseits ist es sinnvoll, sich nicht auf Flamewars einzulassen, wenn die Kritik nur dem Spaß einiger User dient. Handelt es sich jedoch um eine echte Verbraucherkritik, muss dazu Stellung genommen werden. Wer das versäumt, riskiert eine Reputationskrise, die sich am Ende in allen Medien auszubreiten droht.
1.7.7 Wie man richtig reagiert – das Beispiel Nivea
Nivea hat mit der Kampagne »Look Like You Give A Damn« im September 2011 die Blogosphäre und das Twitterversum in Aufruhr versetzt. Für die Kampagne wurde ein afro-amerikanischer Mann neben seinem ungepflegten früheren Ich dargestellt (siehe Abbildung 1.20). Sein Alter Ego war ein unrasierter Kopf mit Afrofrisur, den er in der rechten Hand hielt und dabei zum Wurf ausholte. Das allein war schon eine grenzwertige Darstellung, die Aufforderung »Re-civilize yourself« das i-Tüpfelchen, das die Kunden in Aufruhr versetzte und einen Feuersturm an negativen Kommentaren auslöste. Denn die Aufforderung kam bei der Zielgruppe alles andere als gut an, die die Anzeige einfach nur rassistisch, unangemessen und total geschmacklos fand. Die Entrüstung war so groß, dass User sofort dazu aufriefen, nie wieder Nivea-Produkte zu kaufen.
Nivea erkannte seinen Fehler sofort und zögerte nicht, sich bei seinen Kunden zu entschuldigen. Wenige Tage nach dem Launch der Anzeige in der Zeitschrift »Esquire« entschuldigte sich Nivea offiziell auf seiner Facebook-Seite, da dort die Kritik am heftigsten ausgefallen war. In dem offiziellen Statement hieß es:
»We at Nivea would like to thank everyone who provided feedback and comments about the recent »Re-civilized« NIVEA FOR MEN advertisement, which ran in the September issue of Esquire magazine.
The advertisement offended many and for this we are deeply sorry. After realizing this, we are acted immediately to remove the advertisement from all marketing activities.
Diversity and equal opportunity are crucial values of our company. Our priority and immediate next step is to review our internal approval processes to ensure this never happens again.
Thank you again for your concerns, we appreciate and value your feedback.«
Abbildung 1.20 Nivea wurde wegen seiner »Re-civilize yourself«-Anzeige heftig kritisiert und reagierte sofort.
Bemerkenswert an der Stellungnahme ist, dass sich Nivea nicht nur entschuldigt und bedauert, seine Kunden mit der Anzeige beleidigt zu haben, sondern Nivea bedankt sich auch mehrmals für das Feedback der User. Das zeigt, dass die User im Netz sehr ernst genommen werden und ihre Kritik genauso wichtig ist wie die eines Werberates oder ein Beschwerdebrief einer prüfenden Organisation. Im Gegenteil, wenn erst einmal eine solche Lawine losgetreten wurde, gilt es, alle Ressourcen und Kräfte zu bündeln, um die Kunden zu besänftigen und sie vom Gegenteil zu überzeugen. Im Januar 2018 erlitt H&M übrigens wegen eines ähnlich denkwürdigen Vorgehens einen Shitstorm. H&M warb für seine neue Kinderkollektion mit einem Schwarzen Jungen, der einen Hoodie mit dem Schriftzug »Cool monkey in the jungle« trug. Sie können sich ja vorstellen, in welche Kerbe ein derartiges Foto schlägt. Sofort äußerten sich Promis wie Basketballer LeBron James, der Fußballer Kevin Prince Boateng oder RnB-Rapper Weeknd, die dem Konzern Rassismus vorwarfen und zum Boykott aufriefen. H&M entschuldigte sich umgehend und nahm das Foto aus dem Onlineshop.
In dem Moment, in dem eine Marke bei den Usern in Verruf gerät, werden häufig angeklickte Beiträge in den Suchmaschinen sehr weit oben platziert. Unternehmen verlieren dann mehr oder weniger die Kontrolle über die Markenkommunikation. Machen Sie den Test, und suchen Sie nach Ihrem Unternehmen in Google: Sie werden Standardeinträge wie Ihre Website und vielleicht sogar Wikipedia-Einträge vorfinden. Darüber hinaus werden aber auch Blog-Beiträge, Links zu Tageszeitungen und Forenbeiträge angezeigt. Auf diese Art lesen Ihre potenziellen Kunden alle Ergebnisse zu Ihrem Produkt.