Zweites Kapitel

Neue Mönchsorden

Bei der Umsetzung der gregorianischen Reform nahm die monastische Lebensform eine bedeutende Rolle ein.38 Diese beeinflusste die neuen religiösen Bewegungen maßgeblich. Denn die Anhänger der gregorianischen Reform, vielfach selbst Mönche, schöpften ihre Vorstellungen

„aus ihrem monastischen Ethos und aus der Übertragung der monastischen Lebensformen – z.B. des Zölibats – auf den gesamten Klerus. Ihr Eintreten für das Mönchtum förderte die Frömmigkeit und die Lebensweisen, die der affektiven Vereinigung dienten. Der stetige Austausch zwischen dem Mönchtum und den Laien brachte eine Umgestaltung der Laienfrömmigkeit mit sich.“39

Die Kraft der gregorianischen Reform zur Umgestaltung der Kirche und des geistlichen Lebens im 11. und 12. Jahrhundert kam aus den drei monastischen Grundformen:

„Die koinobitische (Gemeinschaften mit gemeinsamer Lebensführung nach dem Vorbild der benediktinischen Klöster), die eremitische (Gemeinschaften, die ein Leben der Einsamkeit führten), und die Kollegiate (Gemeinschaften, die das gemeinsame Leben in einer halbkoinobitischen Weise lebten nach dem Beispiel der Regularkanoniker).“40

Die monastische Lebensform bot eine Praxis an, das eigene religiöse Leben zu vertiefen:

„Zahllose Einzelübungen verbanden sich mit körperlichen und geistigen Strengheiten: Verleugnung des Eigenwillens unter den Regeln des Gehorsams, den täglichen und jährlichen Zyklus der Liturgie, besondere Andachten (z.B. zur seligsten Jungfrau Maria), Gebet und Schriftmeditation.“41

Besonders wichtig war das Ziel dieses tiefen geistlichen Lebens: „Solche Übungen sollten ... vor allem das Gefühl erwecken, an der Armut und dem Leiden Christi teilzunehmen.“42 Angeregt von diesem Ideal, das sie in der Urkirche verwirklicht sahen, wie es im 4. Kapitel der Apostelgeschichte beschrieben wird43, gaben viele Kleriker und Laien ihren persönlichen Besitz auf, bildeten Gemeinschaften oder zogen als Wanderprediger umher, um in apostolischer Armut das Evangelium zu verkünden. Die „reformierten“ Priester und Ordensleute wurden nun

„die Seelenführer der Laien, Männer und Frauen; in Fragen der Moral gaben sie ihnen Rat, verfassten Texte, um ihnen in ihrem Gebetsleben zu helfen, und waren ihre Lehrer für ein vertieftes Andachtsleben.“44

Auf diese Weise suchten Laien und Kleriker, Priester und Mönche nach gemeinsamen Wegen, wie man dem Ideal des Evangeliums entsprechen könne, um „zur ursprünglichen ecclesia apostolica et evangelica“45 zurückzukehren.46 Wir werden sehen, dass die Wege zum Ziel sehr unterschiedlich verlaufen.

Zunächst aber wollen wir bei den Mönchsorden bleiben. Obwohl die traditionellen Orden in gutem Ruf standen47, genügte es vielen Menschen nicht mehr,

„dass der einzelne Mönch zwar nichts besitzen, die Klostergemeinschaft dagegen über große Einkünfte verfügen dürfe. Für sie bedeutete Armut den möglichst vollständigen Verzicht auf irdische Sicherungen.“48

Deshalb zogen sich manche Anhänger dieser neuen Armutsbewegung in abgelegene Gegenden zurück, um allein oder mit Gefährten ganz für Gott frei zu sein. Den notwendigen Lebensunterhalt erwarben sie sich durch Handarbeit, indem sie je nach Bedarf Ackerbau betrieben. Diese Eremiten – obwohl zurückgezogen lebend – standen dennoch im regen Kontakt zu den Laien:

„Gerade die Eremiten und die zönobitischen Vertreter strenger Askese standen in einem viel engeren Kontakt mit breiten Massen des Volkes als die Klosterkonvente älterer Ordnung. Sprachen doch ihre Ideale in steigendem Maße die in gärende Unruhe geratenden Laien an.“49

Aus diesem Grund kann man die Eremiten-Bewegung als wichtigen Impulsgeber für die Wanderpredigt sowie als Vorläufer für die aus der Wanderpredigt ausgehenden Neugründungen, u.a. die Prämonstratenser, ansehen.50

I. Kartäuser und Zisterzienser

Aus der Eremitenbewegung gingen zwei für das Mittelalter und für die religiösen Bewegungen bedeutsame Orden hervor51: die Kartäuser und die für die religiösen Bewegungen wichtigeren Zisterzienser.

Die Kartäuser, La Grande Chartreuse, gehen auf das Wirken des aus Köln stammenden Weltpriesters Bruno (+ 1101) zurück, „der um 1056 an der Reimser Domschule die Leitung der philosophisch-theologischen Studien übernommen hatte, zu Erzbischof Manasses von Reims sowie zu dessen Nachfolger in Gegensatz geraten und dadurch in seinem Wunsch, die Welt zu verlassen, bestärkt worden war. Für kurze Zeit verweilte er in Molesme bei Abt Robert [der Gründer des Zisterzienserordens], ging dann mit Gefährten in die Einöde von Lêche-Fontaine, verließ sie jedoch bald, von sechs Freunden begleitet, und begann um 1084 im Talgrund von Chartreuse von neuem als Eremit zu leben. Eine Ordensgründung oder dergleichen war nicht beabsichtigt; die Gemeinschaft hätte sich sogar fast aufgelöst, als Bruno 1090 dem Ruf Urbans II., seines früheren Schülers, folgen und nach Rom ziehen musste. Bereits im Jahr darauf gestattete ihm der Papst, in Süditalien wiederum den Eremus aufzusuchen. Er errichtet im Waldgebiet von La Torre (Bistum Squillace) die Einsiedelei S. Maria dell´Eremo, der er 1097/99 für kränkliche Gefährten die zönobitisch ausgerichtete Filiale S. Stefano in Bosco angliederte. Dass sich die Spur seines Erdenwirkens nicht verlor (er starb 1101), ist weniger den Eremiten von La Torre als jenen von Chartreuse zuzuschreiben, besonders dem bedeutenden Prior Guigo de Chastel (+ 1137), der 1128 die von Bruno gegründete und wohl weiterentwickelte Lebensweise durch eine Regel [„consuetudines“] festlegte. Was den langsam und in bescheidenem Umfang sich ausbreitenden Kartäuserorden auszeichnete, waren die eigenartige Verbindung von anachoretischer und zönobitischer Form, eine äußerste, aber mit gesundem Sinn für das Tragbare gepaarte Strenge und endlich eine zweckentsprechende Organisation, bei der die beiden Errungenschaften jener Zeit: das Institut der Laienbrüder und die Ordensverfassung der Zisterzienser, verwendet worden sind. Hier hat der Geist, von dem die Armutsbewegung des 11. Jh. beseelt war, einen zwar partikulären, aber so gültigen Ausdruck gefunden, dass er in seiner ursprünglichen Strenge ohne wesentliche Milderung bis zum heutigen Tag den Kartäusern verblieb und, einmaliges Faktum in der Ordensgeschichte, niemals eine Reform erforderte.“52

Die Zisterzienser gehen aus der Suche nach einem vollkommenen christlichen Leben hervor: 1098 gründete der Benediktinerabt Robert von Molesme (*1028 +1111) in der Einöde von Cîteaux bei Dijon (Burgund) ein neues Reformkloster. Dort sollte die Benedictus-Regel ihrer ursprünglichen Strenge gelebt werden. Bereits 1099 musste Robert jedoch, auf Veranlassung des päpstlichen Legaten, in sein Kloster nach Molesme zurückkehren. Seine Gefährten setzten sein Werk fort: Abt Alberich (1099 – 1109) ersetzte das schwarze Benediktinergewand durch ein weißes oder graues. Der dritte Abt, der gebürtige Engländer Stephan Harding (1109 – 1133) verfasste 1119 die Ordensstatuten, die „Carta caritatis“. In ihr wurde strengste Armut gefordert; im Gotteshaus sollte größte Einfachheit herrschen, keine steinernen Türme, keinerlei Schmuck und Prunk im Innern. Darüber hinaus wurde die Bedeutung der Handarbeit betont. Im Gegensatz zu den reicheren Abteien der Benediktiner oder Cluniacenser verzichteten die Zisterzienser auf den Besitz von Eigenkirchen und auf die Verpachtung von Grund und Boden zwecks Zins- und Rentenwirtschaft. Vielmehr nutzten sie den Grundbesitz mit Hilfe von „Conversen“, d.h. von einfachen Laienbrüdern, um sich wirtschaftlich selbst versorgen zu können. Dadurch wurden jedoch die Laienbrüder von den Chorbrüdern deutlicher geschieden.53

Zu einer neuen Blüte des Ordens führte dann das Wirken des hl. Bernhard von Clairvaux (*1090 +1153). Bernhard gilt als der zweite Gründer des Ordens. Als er 1112 in den Orden eintrat, brachte er gleich 30 gleichgesinnte Adlige mit. Bernhard und seine Gefährten prägten fortan das geistliche Leben des Ordens. Bereits in den folgenden Jahren wurden vier neue Niederlassungen gegründet, La Ferté, Ponitigny, Clairvaux und Morimond. Bernhard selbst wurde 1115 Abt von Clairvaux und leitete dieses Kloster bis zu seinem Tode 1153. Bereits 1174 sprach ihn Papst Alexander III. heilig.

Dem Wirken des hl. Bernhard ist es zu verdanken, dass der Zisterzienserorden im 12. Jahrhundert der angesehenste Orden der Christenheit wurde. Allein von Clairvaux aus gingen nach Bernhards Tod noch weitere 68 Neugründungen aus. Bis 1300 stieg die Zahl der Männerklöster von 300 auf 700. Diesen schlossen sich im 12. Jahrhundert auch immer mehr Frauen an. Auch zahlreiche Benediktinerinnenklöster suchten Anschluss an den neuen Orden. So entstanden sehr schnell mehr als 1000 neue Zisterzienserinnenklöster. Viele dieser Klöster, deren Zahl höher war als die der Männer, lebten zwar nach der Regel von Citeaux, gehörten aber rechtlich nicht zum Orden.54 Diese hohe Zahl aber wurde zu einem erheblichen Organisationsproblem für die Männerklöster, die für die Seelsorge der Frauenklöster (Cura monialum) zuständig waren. Genauso problematisch war auch die wirtschaftliche Existenzfähigkeit dieser Frauenkonvente. Deshalb versuchten die Zisterzienser und nach ihnen die Prämonstratenser erfolgreich, die Dominikaner und Franziskaner dagegen vergeblich55, sich der Frauenseelsorge zu entledigen.56

II. Die Bedeutung der Zisterzienser für das geistliche Leben

Der neue Orden prägte die Mystik des 12. Jahrhunderts maßgeblich.57 Die „signifikanten Neuerungen“58 begünstigten den Erfolg der Zisterzienser und beeinflussten indirekt auch das geistlich-spirituelle Leben des 12. Jahrhunderts59: Durch die „Carta caritatis“, die Ordensverfassung, wurden alle Klöster hierarchisch miteinander verbunden, im Gegensatz zu den Reformklöstern von Cluny, die nur einen losen Verband bildeten. Auch die Äbte der zisterziensischen Klöster trafen sich regelmäßig einmal im Jahr zu einem Generalkapitel in Citeaux, was ebenso den Zusammenhalt förderte.

Der Förderung einer Laienspiritualität dienlich war der Umstand, dass die Zisterzienser für die Handarbeit und Landwirtschaft statt Leibeigene, wie die übrigen Benediktinerklöster, sog. „Conversen“, d.h. bekehrte Laienmönche aufnahmen. Diese Laienmönche, die aus den armen unteren Schichten der Gesellschaft stammten, waren nicht für den Chordienst vorgesehen, konnten aber dennoch ein spirituelles Leben führen. Darüber hinaus schaffte der neue Orden das Institut der Oblaten ab: Ebenfalls im Gegensatz zu den Benediktinern lehnte der Zisterzienserorden es ab, bereits Kinder, die von ihren Familien zum Ordensleben ausersehen wurden, im Kloster aufzunehmen. Diese veränderte „Personalstruktur“, die Anwesenheit von Menschen, die an einem vertieft geistlichem Leben in Armut und Abgeschiedenheit interessiert waren, wirkte sich auf die monastischen Lehren und auf die Predigt aus.60 Menschen, die ein spirituelles Leben im Kloster führen wollten, benötigten die entsprechend kompetente Begleitung und Ansprache.

Bernhard von Clairvaux (1090 - 1153) kam den Ansprüchen und dem religiösen Sehnen seiner Zeit entgegen. Seine Spiritualität wirkte inspirierend auf die Frauenmystik.

„Bernhard ist die alles überragende Gestalt der Mystik im zwölften Jahrhundert. ... Unter den lateinischen Autoren des Mittelalters findet sich keiner, der Bernhard übertrifft.“61

Der Eintritt Bernhards in den Zisterzienserorden markiert deshalb einen Wendepunkt in der Geschichte der Zisterzienser. Mit Bernhard begann die Blüte des Ordens. Sein Wirken beeinflusste den Verlauf der europäischen Geschichte62 und die geistige Entwicklung des Abendlandes.63

III. Die Spiritualität des heiligen Bernhard von Clairvaux

Bernhards Spiritualität ist eine „Liebes- und Brautmystik“. Sie war „so bestürzend neu“64 und beeinflusste das religiöse Leben von Mönchen wie auch Laien maßgeblich.65 Vor allem sprach Bernhard die Frauen an, deren Seelen sich mit Christus vereinigen wollten, wie die Braut mit dem Bräutigam.66 Von dorther ist es nicht verwunderlich, dass die nach Religiosität strebenden Frauen die Nähe zu den Zisterziensern suchten.67

1. Bernhards Predigten über das „Hohelied“

Bernhard sah sich zuallererst als Prediger. Er benutzte die Predigt, um seine Theologie zu lehren. Genauso dachten auch Meister Eckhart und Tauler.68 Bernhards wichtigstes Hauptwerk für das neue religiöse Leben im Mittelalter sind seine Predigten über das „Hohelied“.69 Diese 86 Predigten70 haben, wie Ruh betont, die „aszetisch-mystische Literatur seines Jahrhunderts und der folgenden Jahre, sehr früh auch das volkssprachliche Schrifttum befruchtet und genährt.“71

„In seiner Auslegung des alttestamentlichen Liebesliedes bricht der Abt mit der traditionellen frühmittelalterlichen Deutung der Braut als Personifikation der Kirche.“72

Stattdessen identifiziert er die Braut mit der Seele des Menschen. Die Geschichte Gottes mit den Menschen ist damit nicht mehr nur die Geschichte der Kirche, sondern sie verlagert sich „in den Bereich der seelischen Erfahrung des Einzelnen.“73

„Hört nun, was wir gestern aufgeschoben haben, hört von der großen Freude, die ich erfahren habe. Sie soll nun auch die eure sein: hört also voll Freude! Bei einem Wort der Braut habe ich sie empfunden. Ich habe sie gleichsam eingeatmet und verborgen, um sie heute desto artiger vorzutragen, je besser die Zeit gewählt ist. Die Braut sprach und sagte, der Bräutigam neige sich ihr zu. Wer ist die Braut, und wer ist der Bräutigam? Es ist unser Gott, sie dagegen, wenn ich es auszusprechen wage, sind wir.“74

Die Seele des einzelnen Menschen dürstet nach Gott. Die Seele, die Braut Christi, spricht: „ ‚Er küsse mich mit dem Kuss seines Mundes‘ (Hld 1,1).“75 Wer aber den Kuss eines Geliebten begehrt, der liebt:

„Wer Sklave ist, fürchtet sich vor dem Antlitz des Herrn, der Tagelöhner hofft auf die Hand des Herrn, der Jünger macht sein Ohr dem Meister bereit, der Sohn ehrt den Vater; die aber einen Kuss begehrt, liebt.“76

Wer ist es, der liebt? Wer ist diese Braut? „Die Seele, die nach Gott dürstet.“77 Wie aber kann die Seele den Kuss des Geliebten, seine Liebe, erlangen? Der Vers Hld 1,7 gibt die Antwort:

„ ‘Wenn du dich nicht kennst, du Schöne unter den Frauen, so geh hinaus und folge den Spuren der Herden deiner Gefährten und weide deine Böcklein neben den Hütten der Hirten.‘ “78

Diese Aufforderung enthält einen Tadel:

„So widerfährt es jetzt auch der Braut: Weil sie etwas Großes zu verlangen scheint, wird sie durch eine gewiss strenge, aber heilsame und ehrliche Antwort zurückgewiesen. Wer nämlich nach Höherem strebt, muss von sich niedrig denken, damit er nicht von seiner Höhe stürzt, wenn er sich über sich selbst erhebt, es sei denn, er wäre durch wahre Demut unerschütterlich in sich gefestigt.“79

Zu wahrer Demut gelangt die Braut durch Selbsterkenntnis:

„Ihr erinnert euch also, dass ich eure Zustimmung für meine Meinung besitze, niemand könne ohne Selbsterkenntnis gerettet werden. Aus dieser entspringt ja die Demut, die Mutter des Heiles, und die Gottesfurcht, die selbst der Anfang der Weisheit und ebenso des Heiles ist. ... Du sollst daher dich erkennen, um Gott zu fürchten; und du sollst ihn erkennen, um ihn in gleicher Weise zu lieben.“80

Die Braut wird im Hohenlied (1,4) als „schwarz aber schön“ beschrieben. Die dunkle, schwarze Hautfarbe bezeichnet nach Bernhard den Pilgerweg der Braut, den Weg der Nachfolge; die Schönheit die gottfarbene Ebenbildlichkeit.

„ ‚Schwarz bin ich doch schön‘. Liegt nicht in diesen Worten ein Widerspruch? Fern sei der Gedanke. ... Ohne Zahl jedoch sind die Dinge, bei denen du finden wirst, dass sie an der Oberfläche zwar entstellt, hinsichtlich der ganzen Gestalt aber von edler Schönheit sind. Vielleicht kann auf diese Weise die Braut gerade in Verbindung mit der Schönheit der ganzen Gestalt nicht des Makels der Schwärze entbehren: Das gilt aber für den Ort ihrer Pilgerschaft (Ps 118,54). Anders wird es sein, wenn der Bräutigam der Herrlichkeit sie in der Heimat vor sich erscheinen lassen wird, herrlich, ohne Flecken, Falten oder andere Fehler (Eph. 5,27). ... Höre aber, weshalb sie schwarz und weshalb sie sich schön nannte. ... Sie schämt sich nicht ihrer Schwärze, denn sie weiß, dass diese zuvor auch der Bräutigam gekannt hat. Und gibt es einen größeren Ruhm, als ihm ähnlich zu werden? So glaubt sie, dass es für sie nichts Ruhmvolleres gibt, als die Schmach Christi zu tragen ... Es ist Schwärze, aber die Schönheit und Ähnlichkeit des Herrn.“81

Die Schönheit der Braut wird von Bernhard sodann mit den Tugenden verglichen, welche die Ebenbildlichkeit des Bräutigams spiegeln. Doch ist diese Schönheit nach Bernhard geistiger Art82, sie entspricht dem Schmuck des Brautkleides:

„Ihre Schönheit beispielsweise ist die Liebe ... . Sicher ist es auch Gerechtigkeit ... . Es ist auch Geduld ... . Wie ist es mit der freiwilligen Armut, wie mit der Demut? Verdient nicht die eine das ewige Reich, die andere in gleicher Weise ewige Erhöhung? Auch die heilige Furcht des Herrn gehört hierher, denn sie währt in alle Ewigkeit. So ist es mit der Klugheit, so mit der Mäßigung, so mit der Tapferkeit, und wenn es sonst noch andere Tugenden gibt: Was sind sie anderes als Perlen im Kleid der Braut, funkelnd in dauerndem Glanz? Dauernd, sage ich, denn sie sind die Stätte und das Fundament der Dauer. In der Seele kann ja nur dann ein Platz für dauerndes und glückseliges Leben sein, wenn in ihrem Innersten die Tugenden eingepflanzt sind.“83

Die Tugenden, die in der Nachfolge Christi gelebt werden, sind die Voraussetzung für die Vermählung mit Christus.

Bernhard vergleicht die Liebesgeschichte zwischen der Seele des Menschen und Christus immer wieder mit Formen der Geschlechterliebe, gleichsam Vorstufen für die Vereinigung von Braut und Bräutigam: „Es ist die Liebestrunkenheit, die Liebeskrankheit und der Liebesschlaf.“84 Die Trunkenheit beschreibt den Zustand der nach dem Bräutigam schmachtenden Seele, das Verlangen nach dem Kuss des Geliebten.85 Wie der Liebesrausch, die Trunkenheit die Anwesenheit des Geliebten zum Ausdruck bringt, so führt die Abwesenheit des Bräutigams zur Liebeskrankheit:

„Als sich der Bräutigam nach all dem seiner Gewohnheit folgend zurückzieht, sagt sie, sie sei durch Liebe krank, das heißt vor Liebe. Je beglückender sie seine Anwesenheit erfahren hat, desto bedrückender empfindet sie nachher seine Abwesenheit.“86

Der Liebesschlaf ist schließlich die Vollendung der Vermählung von Braut und Bräutigam, von Seele und Christus:

„Doch ist dieser Schlaf der Braut auch kein angenehmes Entschlummern des Leibes, das die Sinne des Leibes für eine Zeitlang sanft betäubt, noch das erschreckende Einschlafen, das gewöhnlich das Leben vollständig wegnimmt. Noch mehr unterscheidet es sich von jenem Entschlafen im Tod, wenn einer in einer Sünde, die zum Tod führt (1 Joh 5,17), unwiderruflich verharrt. Vielmehr erleuchtet dieser lebendige und wache Schlummer dagegen den inneren Sinn und verleiht durch die Vertreibung des Todes das ewige Leben. Er ist nämlich ein wahrer Schlaf, der dennoch den Sinn nicht betäubt, sondern entrückt.“87

Der „Liebesschlaf“ ist weder mit dem Tod noch mit einer Art von Betäubung zu vergleichen, sondern er entspricht im Gegenteil einer größeren Wachsamkeit und Aufmerksamkeit der Sinne. Es ist ein wachsames Ruhen im göttlichen Frieden.

2. Vom „geistigen Adel“ des Menschen

In der 80. Predigt zum Hohenlied fragt Bernhard nach den Bedingungen im Menschen für die Hochzeit zwischen Seele und Christus, dem Wort: „Was ist der Seele und dem Wort gemeinsam?“88 Für Bernhard ist die Seele des Menschen „ein geschaffenes Nachbild“ der „Imago dei“, des göttlichen Wortes (Christus):

„Erstens besteht eine solche Verwandtschaft der Naturen dadurch, dass das Wort Urbild („imago“, „Ebenbild“) ist (Kol 1,15), die Seele nach dem Urbild („ad imaginem“, „Nachbild“) geschaffen ist (Gen 1,27). Zweitens wird die Verwandtschaft durch die Ähnlichkeit (similitudo) bezeugt. Denn nicht nur nach dem Ebenbild, sondern nach der Ähnlichkeit wurde die Seele geschaffen.“89

Die Seele des Menschen ist ein nach dem Urbild geschaffenes Ebenbild des göttlichen Wortes, Christus. Deshalb ist die Seele des Menschen mit Gott „verwandt“; der Mensch hat seinen Ursprung in Gott. Diese ursprüngliche Verbundenheit, d.h. Ebenbildlichkeit, zwischen Gott und Mensch ist jedoch eine der Ähnlichkeit (similitudo). Wie ist das gemeint? Für Bernhard ist die Wahrheit des Wortes, seine Weisheit und Gerechtigkeit, die Wahrheit, Weisheit und Gerechtigkeit selbst90: „Dieses Ebenbild ist nämlich Gerechtigkeit von der Gerechtigkeit, Weisheit von der Weisheit, Wahrheit von der Wahrheit, geradeso wie es Licht vom Licht, Gott von Gott ist.“91 Das Wort als Ebenbild ist also „eines Wesens mit Gott, und alles, was diesem seinem Ebenbild mitgeteilt zu werden scheint, ist beiden wesenhaft, nicht zufällig eigen.“92 Das Wort als Ebenbild ist mit Gottes Wesen, der Wahrheit, Weisheit und Gerechtigkeit ist, identisch.

Anders steht es um die Seele des Menschen. Sie ist nicht Ebenbild, sondern Abbild Gottes.93 Als solches ist sie nicht identisch mit Gott; sie ist nicht, wie das Wort, „Wahrheit von der Wahrheit, ... Licht vom Licht, Gott von Gott“94:

„Nichts davon ist die Seele, weil sie nicht Ebenbild ist („imago“). Sie besitzt aber Fassungskraft („capax“, empfänglich für...) und Streben („appetens“) nach all dem: und daher ist sie wohl nach dem Ebenbild geschaffen.“95

Die Seele des Menschen ist deshalb ein geschaffenes, nicht natürliches Ebenbild, weil sie nach Gott strebt, nach dessen Wahrheit, Weisheit und Gerechtigkeit. Der Mensch trägt durch diese Empfänglichkeit für das göttliche Leben das „Siegel der Majestät“96 Gottes in sich. „Urbild“ (Ebenbild) und Nachbild (geschaffenes Ebenbild) sind zwar nicht identisch, doch sie entsprechen einander:

„Es gehört sich nämlich, dass das, was nach dem Bild ist, mit dem Bild übereinstimmt und dass es nicht ohne Grund den Namen des Bildes teilt, genauso wie auch das Bild nicht bloß mit einem leeren Namen Bild genannt wird.“97

Worin besteht aber der genaue Unterschied zwischen Ebenbild und geschaffenem Ebenbild? Dem geschaffenen Ebenbild wurde seine Würde durch „Schöpfung oder Begnadung zugeteilt, dem Bild durch Zeugung.“98 Das gezeugte Urbild oder Ebenbild ist mit Gott identisch, ist „eines Wesens mit Gott“.99 „Das Abbild empfing nur ´nach Maß´ (Eph. 4,2), das Bild aber nach Gleichheit.“100

Die Seele bleibt, da sie auch weiterhin nach Irdischem strebt und nicht die himmlischen Dinge sucht, „verkrümmt“101. Die Beziehung zu ihrem göttlichen Ursprung ist gestört. Dennoch verliert sie nicht ihre Fähigkeit, „aufnahmefähig für die Ewigkeit“102 zu sein: „Und diese Fähigkeit wird sie niemals verlieren, selbst wenn sie diese tatsächlich nie entwickelt.“103

Gott hat dieses „Abzeichen des göttlichen Adels“104 im Menschen geschaffen, die Ähnlichkeit der Seele mit dem Wort, damit die Seele niemals von Gott ganz getrennt werde, und sie „in sich selbst vom Wort her eine mahnende Stimme habe, treu beim Wort zu verbleiben oder zu ihm zurückzukehren“105, wenn sie sich von ihm wegbewegt habe.

„Die Seele beachte also, dass ihr aus dieser angeborenen göttlichen Ähnlichkeit jene natürliche Einfachheit ihres Wesens innewohnt, durch die ihr Sein und Leben dasselbe sind, wenn nicht auch dasselbe, wie gut oder selig zu leben, so dass nur Ähnlichkeit besteht, nicht Gleichheit. Eine nahe Stufe zwar, aber dennoch eine Stufe. Denn es bedeutet nicht die gleiche Auszeichnung und denselben Rang, ein Sein zu besitzen, das Leben ist, und ebenfalls dieses Sein zu besitzen, das aber seliges Leben ist. Wenn also letzteres wegen der Erhabenheit zum Wort gehört, das andere aber wegen der Ähnlichkeit zur Seele, dann ist offenbar die Verwandtschaft der Naturen, unbeschadet freilich der Überlegenheit des Wortes, und offenbar der Vorrang der Seele. Um das Gesagte verständlicher zu machen: nur für Gott allein bedeutet Sein soviel wie Seligsein: das aber ist das erste und reinste Einfache. Ein zweites aber ist diesem ähnlich (Mt. 22,39): nämlich dasselbe als Sein zu besitzen, was Leben ist. Das aber ist der Seele eigen.“106

Daraus schließt Bernhard:

„Von hier aus kann man, wenn auch auf einer niedrigeren Stufe, aufsteigen, und zwar nicht nur um gut, sondern um selig zu leben. Das bedeutet aber auch dann für den, der dorthin gelangt, noch nicht, dass für ihn Sein und Seligsein dasselbe ist.“107

Bernhard betont ausdrücklich:

„Wieviel er sich wegen der Ähnlichkeit rühmen mag, trotzdem muss er wegen des Unterschieds immer Grund haben, dass alle seine Gebeine sprechen: ‚Herr, wer ist dir ähnlich?‘ “108

Die Unähnlichkeit der menschlichen Seele mit Gott, die durch die Ursünde des ersten Menschenpaares verursacht worden ist109, jedoch „keine Zerstörung der Natur, sondern eine Beschädigung“110 hervorgerufen hat, kann auf einer niedrigen Stufe überwunden werden:

„Wodurch? In der Liebe. Paulus sagt: ‚Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder, und liebt einander, weil auch Christus euch geliebt hat.‘ “111

Die Seele des Menschen soll mit der Liebe des Wortes gleichförmig werden. Die Ähnlichkeit mit dem Wort, die der Seele in die Natur gelegt worden ist, soll durch Ähnlichkeit bzw. Gleichförmigkeit („conformitas“) im Willen vollkommener werden, indem die Seele liebt, „wie sie geliebt ist“112:

„Diese Gleichförmigkeit vermählt die Seele mit dem Wort. ... Wenn sie also vollkommen liebt, hat sie sich vermählt. ... Es ist eine Umarmung. Ja eine Umarmung, wo dasselbe wollen und dasselbe nicht wollen aus zweien einen Geist macht.“113

Bei der Erwiderung der göttlichen Liebe des Wortes spielt für Bernhard der freie Wille des Menschen eine entscheidende Rolle: Der freie Wille ist nämlich der Teil der Seele, in dem die Ähnlichkeit mit dem Urbild Gottes aufscheint. Der freie Wille ist das Geschenk Gottes an die Seele114:

„Durch den freien Willen nämlich hat die Seele in sich Erkenntnis der Unterscheidung und die Möglichkeit der Wahl zwischen Gut und Böse, zwischen Tod und Leben, zwischen Licht und Finsternis und anderen im Bereich des Sittlichen auftauchenden Gegensätzen im Gehaben des menschlichen Geistes. Zwischen all dem urteilt und scheidet ein unbestechlicher Schiedsrichter, dieses Auge der Seele, ebenso sachlich im Unterscheiden als frei in der Wahl. Daher sagt man ja auch ‚freies Wahlvermögen‘, weil es der Seele freisteht, sich hier nach dem Wahlvermögen des Willens zu bewegen. Von daher ist der Mensch fähig, verdienstlich zu handeln: alles nämlich, was du Gutes oder Böses tust, obgleich es dir freistand, es nicht zu tun, wird dir zurecht angerechnet. Und unverdientermaßen wird nicht nur der gelobt, der das Böse tun konnte, es aber tat. Ebenso wird zurecht wegen Missverdienst getadelt, wer das Böse unterlassen konnte und es trotzdem tat, als auch wer das Gute tun konnte und es nicht tat. Wo aber keine Freiheit ist, da ist auch kein Verdienst.“115

Deshalb können die Lebewesen, denen der freie Wille fehlt bzw., wie Bernhard einschiebt, die „der Vernunft entbehren“116, weder Verdienste haben noch wegen irgendwelcher sittlicher Verfehlungen gerichtet werden, da sie von ihren Trieben geleitet werden: „Allein der Mensch ist von Natur aus nicht diesem Zwang ausgeliefert, und daher ist er allein unter den atmenden Wesen frei.“117

Wenn der Wille des Menschen eins wird mit der göttlichen Liebe, die dem Menschen durch das Wort geschenkt wird, wenn die Seele des Menschen mit der gleichen Liebe liebt, mit der sie geliebt wird, dann vermählt sich die Seele mit dem Wort Gottes, Christus.

„Dazu kommt, dass dieser Bräutigam nicht nur ein Liebhaber ist, sondern die Liebe selbst. ... Aber ich habe gelesen: ‚Gott ist die Liebe‘ (1 Joh 4,16).“118

Diese Vermählung mit Christus ist eine Vereinigung im Geiste. Der Bräutigam ist nicht Christus in seiner irdischen Gestalt, die Einheit entspricht keiner Gleichförmigkeit in Leiden und Tod119, sondern es ist

„die heilige und keusche Liebe, die zarte und süße Liebe, die ebenso heitere wie lautere Liebe, die gegenseitige, innige starke Liebe, die nicht in einem Fleisch, sondern in einem Geist die beiden verbindet, die bewirkt, dass die zwei fortan nicht mehr zwei, sondern eins sind (Mt. 19,5), gemäß dem Wort des Paulus: ´Wer Gott anhängt, ist ein Geist mit ihm.´(1 Kor 6,17).“120

Es ist der nach Leiden und Tod auferstandene und beim Vater erhöhte Christus, die Göttlichkeit des Sohnes, die sich jedoch den Sinnenkräften des Menschen entzogen hat, mit dem sich die Braut, die menschliche Seele, vereinigt:

„Du siehst, wie sie in der Höhe steht und das Äußerste ihres Geistes nach oben erhebt, da sie den Herrn des Alls mit einem gewissen Besitzeranspruch als Geliebten bezeichnet. Beachte nämlich, dass sie nicht nur ‚Geliebter‘, sondern ‚mein Geliebter‘ sagt, um ihn als ihr eigen zu bezeichnen. Groß ist doch diese Schau („visio“), durch die sie den Herrn des Alls nicht mehr als Herrn kennt, sondern als Geliebten. Ich glaube nämlich, dass ihr dieses Mal keineswegs Bilder des Fleisches, des Kreuzes oder andere, die den körperlichen Begrenztheiten entsprechen, durch die Sinne vermittelt wurden. Bei diesen hatte er nämlich nach dem Propheten ‚keine schöne und edle Gestalt‘ (Jes 53,2). Sie aber preist ihn bei seinem Anblick als schön und edel und beweist damit, dass er sich ihr in einer besseren Gestalt gezeigt hat. ... So beschreibt sie ihn nämlich mit ihrem Mund, wie sie ihn auch in ihrem Geist erblickt, eben in einer erhabenen und beglückenden Erscheinung. Den König mit seiner ganzen Schönheit sahen ihre Augen, doch nicht als König, sondern als Geliebten. So sah ihn freilich einer auf einem hohen und erhabenen Thron (Jes 6,1), und ein anderer bezeugt, er sei ihm sogar von Angesicht zu Angesicht erschienen (Gen 32,30).“121

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Durch Bernhard von Clairvaux kam es in der Spiritualität der Kirche zu einer wesentlichen Erneuerung, nämlich zu einer „Emotionalisierung der Gottes- beziehung“122:

„Emotionalisierung in dem Sinne, dass nun mehr, ganz anders als im Frühmittelalter, eine Liebesbeziehung zu Gott aufgebaut wird.“123

Dadurch änderte sich auch das Christusbild.124 Aus dem Himmelskönig Christus wurde nun der Bräutigam, der Geliebte, und der Mensch wurde zur „Braut“:

„Vorher hieß es: ‚der König‘, jetzt: ‚der Geliebte‘, vorher: ‚auf dem königlichen Lager‘, jetzt: ‚an der Brust der Braut.‘ “125

Da für Bernhard die Liebe – wie wir gesehen haben – „fleischlich“, d.h. kreatürlich und sinnlich beginnt, muss auch Gott zuerst auf dieser Ebene geliebt werden. Diese Liebe beginnt mit der sinnlichen Liebe zur irdischen Gestalt Christi: Bernhard hat somit den

„entscheidenden Anstoß für die meditative Beschäftigung mit dem historischen Jesus gegeben. Die ungemein intensive Devotion zum leidenden Heiland und zum Christkind, die vom Spätmittelalter bis in den Barock hinein das erlebnismystische Leben prägen und, von dort übernommen, auch in der Volksfrömmigkeit dominieren sollte, ist in seinen Schriften in entscheidender Weise vorbereitet. Durch den weiten Umlauf seiner Werke wurden zahlreiche religiös empfängliche Menschen mit Meditationstexten konfrontiert, die sie in ihrem ekstatischen Erleben in visionäre Bilder umzuwandeln vermochten. Wenn man sich jetzt auf die Menschheit Christi konzentrierte, statt auf seine Gottesnatur, so ist dies ein zentrales Indiz für die mentalitätsgeschichtlichen Veränderungen, die sich im hohen Mittelalter vollzogen.“126

Vor allem die Hoheliedpredigten Bernhards, die von seinen Mitbrüdern, dem sel. Wilhelm von St. Thierry (1085/90-1148/49)127 und Gilbert von Hoyland (+ 1172)128 ergänzt und kommentiert wurden, wirkten auf das religiöse (mystische) Leben129:

„Die spätmittelalterlichen Mystiker, die die erotische Symbolisierung der Gotteserfahrung in der Seele näher ausführten, kehrten immer wieder zu Bernhards Sermones super Cantica canticorum zurück. Sogar als sie die Einung mit Gott nicht mehr in der Form eines Hoheliedkommentars ausdrückten, behielten die Predigten Bernhards ihre Faszination.“130

Bernhards Gedanken wurden seit dem 13. Jahrhundert von den Frauen begeistert aufgegriffen131: „Manches in den Visionen der Frauenmystik scheint eine unbewusste Umsetzung seiner Metaphern in erfahrene Realität zu sein.“132

Mit Margarete Ebner wollen wir hierzu eine Mystikerin aus dem Umkreis Taulers zu Wort kommen lassen133:

„Ich het grozzen lust und begird, daz ich den kus enphieng mit minem herren sant Bernhart und umbvangen würde mit der minne siner arme, und daz er mir ain grif in daz hertz tät.“134

„Ich habe eine große Lust und (ein großes) Begehren danach, dass ich zusammen mit meinem Herren Sankt Bernhard den Kuss (Christi) empfange und von seinen liebevollen Armen umfangen würde, und dass er mir einen Griff in mein Herz täte.“

In den zahlreichen Frauenklöstern und Beginenkreisen, aber auch unter Laien, begegnete Tauler solch einem Sehnen nach der brautlichen Vereinigung mit Christus. Er fand affektives geistliches (mystisches) Leben vor. Die geistlichen Erfahrungen dieser religiösen Frauen (aber auch Männer) beeinflussten – wie auch Meister Eckhart und Heinrich Seuse – sein Denken und Predigen. Tauler, der Bernhard den „liebenden Bernhard“135 nennt und die Hoheliedpredigten kannte136, war bestrebt, das geistliche Leben seiner ihm anvertrauten „Kinder“ zu fördern, zugleich aber auch korrigierend einzugreifen, wo dies notwendig war. Grundmann hebt hervor, dass gerade die Verknüpfung von dominikanischer Theologie und Seelsorge, volkssprachlicher und weiblicher Frömmigkeit eine wichtige Voraussetzung für das Entstehen der deutschen Mystik war.137

38 Vgl. McGinn 1996, 236: „Die allgemeine Aufbruchstimmung förderte auch die eremitischen wie die zönobitischen Reformbewegungen. Die Reformpäpste dieser Zeit waren zumeist Mönche. Deshalb unterstützten sie auch nach Kräften die neuen Orden, besonders die Zisterzienser.“

39 Morrison 1993, 206.

40 Morrsion 1993, 206.

41 Morrison 1993, 207.

42 Morrison 1993, 207.

43 Apg. 4,32-37: „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam. Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn, und reiche Gnade ruhte auf ihnen allen. Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt. Denn alle, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften ihren Besitz, brachten den Erlös und legten ihn den Aposteln zu Füßen. Jedem wurde davon soviel zugeteilt, wie er nötig hatte. Auch Josef, ein Levit aus Zypern, der von den Aposteln Barnabas, das heißt übersetzt Sohn des Trostes, genannt wurde, verkaufte einen Acker, der ihm gehörte, brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.“

44 Morrison 1993, 207.

45 Kempf 1999, 517.

46 Vgl. Angenendt 2005, 224f.

47 Vgl. Kempf 1999, 520.

48 Kempf 1999, 518.

49 Kempf 1999, 519.

50 Vgl. Grundmann 1977, 492.

51 Vgl. Hauschild I 1995, 304 – 309; Kempf 1999, 522.

52 Kempf 1999, 523f.. Vgl. Borst 2007, 491f.; Angenendt 2005, 56ff.; zu Bruno: Siehe Posada 1987; Greshake (Hg.) 1992. Sehr sehenswert ist Philip Grönings Film über das Leben der Kartäuser heute „Die große Stille“, Warner Bros Entertainment 2006.

53 Vgl. Kempf 1999, 524; Wolter 1999, 19 – 23.

54 Vgl. Stölting 2005, 30f.

55 Siehe hierzu zweiter Teil, drittes Kapitel, II, III und sechstes Kapitel, II.

56 Vgl. Angenendt 2005, 64.

57 Vgl. McGinn 1996, 244; Dinzelbacher 1994, 105-131.

58 McGinn 1996, 246.

59 Zum Folgenden vgl. McGinn 1996, 247f.; Angenendt 2005, 57f.

60 Vgl. McGinn 1996, 248.

61 McGinn 1996, 250f.; vgl. Dinzelbacher 1994, 106.

62 Wir wollen uns in dieser Arbeit auf Bernhards Einfluss auf das spirituelle Leben beschränken.

63 Vgl. Angenendt 2005, 34; Dinzelbacher 1994, 106.

64 Dinzelbacher 1994, 110.

65 Vgl. Angenendt 2005. 45. 65. 137. Zu Bernhard Siehe auch Heller 1990; Benke 1991.

66 Vgl. Dinzelbacher 1994, 120: Seine Predigten zum „Hohenlied“ prägten die Zisterzienserspiritualität und wurden von seinen Mitbrüdern in Kommentaren zum Predigtwerk ergänzt. „Manches in den Visionen der Frauenmystik scheint eine unbewusste Umsetzung seiner Metaphern in erfahrene Realität zu sein, wie man u.a. in Helfta ... sehen kann. ... Margareta Ebner [eine Zeitgenossin und Bekannte Taulers] nennt ihn ihren ‚heiligen Bernhard‘. ... Meister Eckhart zitierte ihn mehr als vierzigmal. Tauler und Seuse betrachten ihn als Autorität“ (120).

67 Vgl. Stölting 2005, 30.

68 Vgl. Ruh 1990, 250: „In der Geschichte der Exegese des Hohenliedes geht Bernhard einen neuen Weg: Er bietet die Auslegung nicht mehr in Form des Kommentars, sondern in Predigten an. Zwar hat die Exegese der biblischen Bücher grundsätzlich der Verkündigung des Wortes, also der Predigt, zu dienen, aber sie tat es mittelbar als homiletisches Hilfsmittel; nur in Ausnahmefällen, so bei Origenes, Ambrosius, Gregor dem Großen, waren Exeget und Prediger eine Person. Die unmittelbare Umsetzung der Bibelerklärung in die Predigt, wie sie durch Bernhard Ereignis wurde, bedeutete das Durchbrechen einer Schranke, derjenigen zwischen Gelehrsamkeit und Seelenführung, zwischen Theologie und Spiritualität, wobei die Spiritualität die volle Verbindlichkeit der theologischen Aussage bewahrte, was in der spirituellen Transformation eher selten der Fall ist. ... Ist auch die Einheit von Theologie und Spiritualität in der Geistigkeit Bernhards begründet, so kann es doch kein Zweifel sein, dass sie sich im Bereich der Mystik vollzieht. Die Predigt ist die Form, die deren Anliegen am vollkommensten erfüllt. Bernhard muss dies erkannt haben wie später Meister Eckhart und Johannes Tauler: Es ist der Zenit der abendländischen Mystik, in der diese zu ihrer eigentlichsten Form gelangt. Die Predigt schlägt die direkte Brücke zwischen Prediger und Hörer.“ Vgl. Angenendt 2005, 66.

69 Bernhard von Clairvaux: Sermones super Cantica Canticorum (Predigten über das Hohe Lied). In: Sämtliche Werke: lateinisch/deutsch. Hrsg. von Gerhard B. Winkler. - Innsbruck (A), Bd. V und VI, 1995.

70 Die Predigten, die thematisch aufeinander abgestimmt sind und in Fortsetzung gelesen werden können, sind zwischen 1135 und 1153, Bernhards Todesjahr, entstanden. Die Predigtreihe wurde niemals abgeschlossen. Zur Geschichte und Überlieferung: Vgl. Ruh 1990, Bd. I, 249 – 260.

71 Ruh 1990, 249.

72 Dinzelbacher 1994, 110. Allerdings gibt Bernhard die Deutung der Kirche als Braut Christi nicht auf. In der 68. Predigt spricht Bernhard über die Kirche als Braut, nachdem er zu Beginn herausstellt, dass auch die einzelne Seele des Menschen als Braut Christi bezeichnet werden könne: Vgl. Cant 68, 2 - 7 (Bd. VI, 409 - 417). Erst in der 69. Predigt geht Bernhard dann auf die einzelne Seele ein: Vgl. cant. 69, Winkler VI, 417 – 429).

73 Dinzelbacher 1994, 110.

74 cant. 68, 1, Winkler VI, 407: „Audite iam quod heri destulimus, audite gaudium meum quod sensi. Et verstrum est: audite gaudentes. In uno verbo sponsale sensi hoch, et quasi odoratus ascondi, eo vobis hodie festivus exhibendum, quo tempestivius. Sponsa locuta est, et dixit sponsum intendere sibi. Quae est sponsa, et quis est sponsus? Hic Deus noster est, et illa, so audeo dicere, nos sumus” (406).

75 cant. 7, 2, Winkler V, 111: „Osculetur me, inquit, osculo oris sui“ (110).

76 cant. 7, 2, Winkler V, 111: „Si servus est, timet a facie domini; si mercenarius, sperat de manu domini; si discipulus, aurem parat magistro; si filius, honorat patrem: quae vero osculum postulat, amat“ (110).

77 cant. 7, 2, Winkler V, 111: „Anima sitiens Deum“ (110). Vgl. auch cant. 9,2, Winkler V, 135: „ ‘Ich finde keine Ruhe‘, sagt sie, ‘wenn er mich mit dem Kuss seines Mundes küsst. Ich danke für den Kuss der Füße, ich danke auch für den Kuss der Hand, aber wenn er noch irgendeine Zuneigung zu mir fühlt, dann küsse er mich mit dem Kuss seines Mundes. Ich bin nicht undankbar, aber ich liebe. Ich gestehe, ich habe empfangen, was meine Verdienste übersteigt, aber für mein Verlangen ist es noch zu wenig. Sehnsucht, nicht Vernunft ist mein Ratgeber.‘ “ „ ‘Non quiesco ait‘, ‘nisi osculetur me osculo oris sui. Gratias de osculo pedum, gratias et de manus; sed si cura est ei ulla de me, osculetur me osculo oris sui. Non sum ingrata, sed amo. Accepi, fateor, meritis potiora, sed prorsus inferiora votis. Desiderio feror, non ratione‘ “(134).

78 cant. 34, 1, Winkler V, 539: „Si ignoras te, o pulchra inter mulieres, egredere, et abi post greges sodalium tuorum, et pasce hoedos tuos iuxta tabernacula pastorum“ (538).

79 cant. 34, 1, Winkler V, 541: „Ita et modo sponsa, quoniam rem grandem postulare videtur, reprimitur sane austeriori responsione, sed plane utili et fideli. Oportet namque humiliter sentire de se nitentem ad altiora: ne, dum supra se attolitur, cadat a se, nisi in se firmiter per veram humilitatem fuerit solidatus” (540).

80 cant. 37, 1, Winkler V, 573: „Ergo tenetis memoria quod teneam assensum vestrum, neminem absque sui cognitione salvari; de qua nimirum mater salutis humilitas oritur, et timor Domini, qui et ipse sicut initium sapientiae, ita est et salutis. ... Noveris proinde te, ut Deum timeas; noveris ipsum, ut aeque ipsum diligas“ (572).

81 cant. 25, 3, 4, 8, Winkler V, 377f., 383f.: „Nigra sum, sed formosa. Nullane in his verbis repugnatia est? Absit. ... Quamquam sine numero sunt, quae in superficie quidem reperies decoloria, in compositione vero decora. Tali fortassis modo potest sponsa, cum pulchritudine utique compositionis, naievo non carere nigredinis: sed sane in loco peregrinationis suae. Alioquin erit cum eam sibi in patria exhibit Sponsus gloriae gloriosam, non habentem maculum, aut rugam, aut aliquid huismodi. ... Sed audi unde nigram et unde se formosa dixerit. ... Non erubescit nigredinem, quam novit praecessisse et in sponsa, cui similari qunatae etiam gloriae est? Nil sibi proinde glorisius putat quam Christi portare opporbrium. ... Nigredo ist, sed forma et similitudo Domini“ (376.384).

82 cant. 27, 3, Winkler V, 415: „Die Schönheit der Braut aber ist mit Einsicht erfassbar, und ihr Bild ist ein geistiges, denn sie ist ein Abbild der Ewigkeit“ („Sed est rationalis quaedam sponsae species ac spiritualis effigies ipsaque aeterna, quia imago aeternitatis“ [183]).

83 cant. 27, 3, Winkler V, 415: „Decor eius, verbi gratia, caritas est ... .Est certe iustitia... . Est etiam patientia ... . Quid voluntaria paupertas? Quid humilitas? Nonne altera regnum aeternum, altera aeque exaltationem promeretur aeternam? Eo quoque spectat et timor Domini sanctus permans in saeculum saeculi. Sic prudentia, sic temperantia, sic fortitudo et si quae sunt virtutes aliae, quid nisi margaritae quaedam sunt in sponsae ornatu, splendore perpetuo coruscantes? Perpetuo, inquam, quia sedes et fundamentum perpetuitatis. Nec enim perpetuae beataeque vitae omnino locus in anima est, nisi mediis interiectisque virtutibus“ (414).

84 Ruh 1990, 262.

85 Vgl. u.a. cant. 7, 3, Winkler V, 113: „Brennend liebt die, die von ihrer Liebe so trunken ist, dass sie nicht an die Majestät denkt. Wie denn? ... Diese Frau begehrt, von ihm geküsst zu werden? Ist sie berauscht? Ja sie ist berauscht“ „Amat ardenter, quae ita proprio debriatur amore, ut maiestatem non cogitet. Quid enim? ... ista se ab eo postulat osculari? Ebriane est? Ebria prorsus“ (112). Vgl. auch cant 49, 1f., Winkler VI, 161 – 163.

86 cant. 51, 1, Winkler VI, 183: „Post ista omnia, sponso more suo secedente, illa languere amore se perhibet, id est amore. Quo fuerat esperta praesentiam, eo postmodum absentiam molestiorem sensit” (182).

87 cant. 52, 3, Winkler VI, 197f.: „Non est autem ist sponsae somnus dormitio corporis vel placida, quae sensus carnis suaviter sopit ad tempus, vel horrida, quae funditus vitam tollere consuevit; multo magis vero et ab illa alienus exsistit, qua obdormitur in morte, cum videlicet in peccato, quod est ad mortem, irrevocabiliter illuminat et, morte propulsata, vitam tribuit sempiternam. Revera enim dormitio est, quae tamen sensum non sopiat, sed abducat“ (196, 198).

88 cant. 80, 2, Winkler VI, 569: „Quid enim animae et Verbo?“ (568).

89 cant. 80, 2, Winkler VI, 569). Die Übersetzung wurde nicht wörtlich übernommen, sondern geringfügig verändert. „Primo quidem quod naturarum tanta cognatio est, ut hoc imago, illa ad imaginam sit. Deinde quod cognationem similitudo testetur. Nempe non ad imaginem tantum: et ad similitudinem facta est” (568).

90 Vgl. cant. 80, 2, Winkler VI, 571.

91 cant. 80, 2, Winkler VI, 571: „Est enim Imago haec iustitia de iustitia, sapientia de sapientia, veritas de veritate, quasi de lumine lumen, de Deo Deus“ (570).

92 cant. 80, 3, Winkler VI, 571: „Est enim consubstantialis Deo imago sua, et omne quod eidem suae imagini imperitiri videtur, ambobus est substantiale, non accidentale“ (570).

93 Vgl. cant. 80, 3, Winkler VI, 571: „ad imaginem” (570).

94 cant. 80, 2, Winkler VI, 571: „Est enim Imago heac iustita de iustitia, sapientia de sapientia, veritas de veritate, quasi lumen, de Deo Deus“ (570).

95 cant. 80, 2, Winkler VI, 571. Die Übersetzung wurde geringfügig verändert. „Harum rerum nihil est anima, quoniam non est imago. Est tamen earumdem capax, appetensque: et inde fortassis ad imaginem“ (570).

96 cant. 80, 2, Winkler VI, 571: „Celsa creatura, in capacitate quidem maiestatis, in appetentia autem rectitudinis insigne praeferens“ (570).

97 cant. 80, 2, Winkler VI, 571: „Oportet namque id, quod ad imaginem est, cum imagine convenire, et non in vacuum participare nomen imaginis, quemadmodum nec imago ipsa solo vel vacuo nomine vocitatur imago” (570).

98 cant. 80, 3, Winkler VI, 571: „...aut creatio, aut dignatio contulit; illi generatio“ (570).

99 cant. 80, 3, Winkler VI, 571: „Est enim consubstantialis Deo imago sua“ (570).

100 cant. 80, 3, Winkler VI, 571: „Haec ad mensuram accepit, illa ad aequalitatem“ (570).

101 cant. 80, 3, Winkler VI, 573: „curva“ (572).

102 cant. 80, 3, Winkler VI, 573): „aeternitatis capax“ (572).

103 cant. 80, 3, Winkler VI, 573: „Neque enim illius aliquando non capax erit, etiamsi numquam capiens fuerit“ (572).

104 cant. 83, 2, Winkler VI, 613: „divinae insigne“ (612).

105 cant. 83, 2, Winkler VI, 613: „...ut semper haec in sese ex Verbo habeat, quo admoneatur semper, aut stare cum Verbo, aut redire, si mota fuerit“ (612).

106 cant. 81, 2, Winkler VI, 583,585: „Advertat igitur ex hac divinae ingenuitate similitudinis inesse sibi illam suae substantiae naturalem simplicitatem, qua hoc est illi esse quod vivere, ut sit similitudo, non aequalitas. Gradus propinquus: gradus tamen. Neque enim unius excellentiae parisve fastigii sunt, hoc habere esse quod vivere, et item habere hoc esse quod beate vivere. Ergo si Verbi est illud propter sublimitatem, hoc animae propter similitudinem, salva quidem eminentia Verbi, palam est affinitas naturarum, palam animae praerogativa. Et ut quod dicitur planius fiat, soli Deo id est esse quod beatum esse: atque hoc primum et purissimum simplex. Secundum autem simile est huic, id videlicet habere esse quod vivere: atque hoch animae est“ (582,584).

107 cant. 81, 2, Winkler VI, 585: „Ex hoc, etsi inferiori gradu, ascendi potest, non modo ad bene, sed etiam ad beate vivendum: non quia vel tunc sit hoc esse quod beatum esse” (584).

108 cant 81, 2, Winkler VI, 585): „illi qui eo pervenerit, quatenus ita glorietur pro similitudine, ut tamen pro disparitate habeat semper unde omnia ossa eius dicant: Domine, quis similis tibi?“ (584).

109 Vgl. cant. 82, 2-5, Winkler VI 601-605.

110 cant. 83, 2, Winkler VI, 613: „quae tamen, dissimilitudo, non naturae abolitio, sed vitium est“ (612).

111 cant. 83,2, Winkler VI, 613: „In quo? In caritate. Ait enim: Estote imitatores Dei, sicut filii carissimi, et ambulante in dilectione, sicut et Christus dilexit vos“ (612).

112 cant. 83, 3, Winkler VI, 613: „diligens sicut dilecta est.“ (612). Vgl. 83, 4 (617): „Denn wenn Gott liebt, will er nichts anderes, als geliebt zu werden: liebt er doch für nichts anderes, als um geliebt zu werden, da er ja weiß, dass alle, die ihn lieben, durch diese Liebe selig werden“ („Nam cum amat Deus, non aliud vult, quam amari: quippe non ad aliud amat, nisi ut ametur, sciens ipso amore beatos, qui se amaverint“ [616]).

113 cant. 83, 3, Winkler VI, 613: „Talis conformitas maritat animam Verbo... . Ergo si perfecte diligit, nupsit… . Parum dixi, contractus: complexus est. Complexus plane, ubi idem velle, et nolle idem, unum facit spiritum de duobus“ (612).

114 Vgl. cant. 81, 6, Winkler VI, 589: „Es ist der freie Wille, ein wahrhaft strahlendes Geschenk Gottes in der Seele, vergleichbar mit einem goldgefassten Edelstein“ („Arbitrii libertas haec est, plane divinum quiddam praefulgens in anima, tamquam gemma in auro“ [588]).

115 cant. 81, 6, Winkler VI, 589: „Ex hac nempe inest illi inter bonum quidem et malum, nec non inter vitam et mortem, sed et nihilominus inter lucem et tenebras, et cognitio iudicii, et optio eligendi, et si qua sunt alia quae similiter circa animi habitum sese e regione respicere videantur. Nihilominus inter ipsa censorius quidam arbiter, is animae oculus, diiudicat et discernit, sicut arbiter in discernendo, ita in eligendo liber. Unde et liberum nominatur arbitrium, quod liceat versari in his pro arbitrio voluntatis. Inde homo ad promerendum potis: omne etenim quod feceris bonum malumve, quod quidem non facere liberum fuit, merito ad meritum reputatur. Et ut merito laudator, non is tantum qui potuit facere mala et non fecit, sed et qui potuit non facere bona et fecit, ita malo non caret merito tam is qui potuit non facere mala et fecit, quam qui potuit facere bona nec fecit. Ubi autem non est libertas, nec meritum“ (588).

116 cant. 81, 6, Winkler VI, 589: „quae sunt carentia ratione animalia“ (588).

117 cant. 81, 7, Winkler VI, 591: „Hanc vim a natura solus homo non patitur, et ideo solus inter animantia liber“ (590).

118 cant. 83, 4, Winkler VI, 615: „Adde quod iste sponsus non modo amans, sed amor est. ... Legi autem quia Deus caritas est“ (614).

119 Vgl. RUH 1990, 267: „Das unterscheidet die nuptiale grundsätzlich von der Christusmystik, die auf der Liebe zum menschgewordenen Gottessohn beruht und die Einheit in der conformitas des Leidens sucht.“

120 cant. 83, 6, Winkler VI, 619: „amor sanctus et castus, amor suavis et dulcis, amor tantae serenitatis quantae et sinceritatis, amor mutuus, intimus validusque, qui non in carne una, sed uno plane in spirita duos iungat, duos faciat iam non duos sed unum, Paulo ita dicente: Qui adhaeret Deo, unus spiritus est“ (618).

121 cant. 45, 6, Winkler VI, 121: „Vides quam in excelso stat, et in sublime mentis verticem extulit, quae universitatis Dominum quadam sibi proprietate vindicet in dilectum. Attende enim quomode non simpliciter ´dilecte´, sed dilecte mi, inquit, ut proprium designaret. Magna visio prorsus, de qua ista in id fiduciae et auctoritas excrevit, ut omnium Dominum, dominum nesciat, sed dilectum. Existimo enim nequaquam hac vice eius sensibus importatas imagines carnis, aut crucis, aut alias quascumque corporearum similitudines infirmitatum. In his namque, iuxta Prophetam, non erat ei species neque decor. Haec autem eo intuito, nunc pulchrum decorumque pronuntiat, in visione meliori illum sibi apparuisse significans. Ore enim ad os, sicut quondam cum sancto Moyse, loquitur cum sponsa, et palam, non per aenigmata et figuras, Deum videt. Talem denique ore pronuntiat, qualem et mente conspicatur, visione plane sublimi et suavi. Regem in decore suo viderunt oculi eius, non tamen ut regem, sed ut dilectum. Viderit eum sane quis super solium excelsum et elevatum, et alius quoque facie ad faciem sibi apparuisse testatus sit“ (120).

122 Dinzelbacher 2003(a) 79.

123 Dinzelbacher 2003(a) 79. Vgl. Angenendt 2005, 98. 537 – 541.

124 Vgl. Angenendt 2005, 136ff.

125 cant. 43, 1, Winkler VI, 97: „Ante ´rex´, modo ´dilectus´; ante ´in accubitu regio´, modo ´inter ubera sponsae´“ (96).

126 Dinzelbacher 1994, 117. Vgl. McGinn 1996, 340: „Den neuen (wenn auch vielleicht nicht gänzlich neuen) Weg, den dieser größte Mystiker der Zisterzienser wies, führte zu einer neuen Wertschätzung der eigenen Erfahrung. Loquor vobis experimentum meum quod expertus sum (´Ich will euch erzählen, was ich selbst davon erfahren habe´) (Cant. 51,3)“.

127 Zu Wilhelm: Vgl. Dinzelbacher 1994, 121-125; McGinn 1996, 341-417; Ruh 1990, 276-319.

128 Zu Gilbert: Vgl. Dinzelbacher 1994, 126ff.; McGinn 1996, Bd. 2, 456-463; Ruh 1990. Bd. I, 268.

129 Stölting 2005, 30: „Bernhard ist der Begründer der Jesus- und Christusmystik, die im Gefolge der Hoheliedinterpretation zur Brautmystik wird“.

130 McGinn 1996, 339.

131 Zur Frauenmystik: Stölting 2005.

132 Dinzelbacher 1994, 120 Vgl. Stölting 2005, 30: „So wurden die Klöster zu Orten, in denen im 12. und 13. Jahrhundert die Mystik beheimatet war; Zisterziensermystik ist aber, seit dem 13. Jahrhundert, ‚zum größten Teil Frauenmystik‘ (Zit. v. Brockhusen, Wörterbuch der Mystik). V. Brockhusen verweist hierfür auf Luitgart von Tongern, Beatrjs von Nazareth, Ida von Nijvel, die Nonnen von Helfta, Mechthild von Magdeburg (was aber nur für ihre letzten Lebensjahre zutrifft), Mechthild von Hackeborn und Gertrud die Große, die zwar nicht alle dem Orden angehören, aber in seinem Umfeld anzusiedeln sind.“

133 Zu Margareta Ebner und Heinrich von Nördlingen sowie die mit beiden und Tauler zusammenhängende Bewegung der sog. „Gottesfreunde“ Siehe den dritten Teil, siebtes Kapitel.

134 Margaretha Ebner und Heinrich von Nördlingen, hg. von Philipp Strauch, 1966, 21f.

135 Vgl. V 43,188,8 (H 45): „minnenden Bernhardus“.

136 Mehr hierzu im dritten Teil, zehntes Kapitel, III, 2

137 Vgl. Grundmann 1977, 527; McGinn 1999, 67. Siehe auch den ersten Teil, sechstes Kapitel, III); Grundmann 1977, 527: „Die besonderen Ausdrucksformen ihrer [Meister Eckhart, Seuse und Tauler] deutschen Predigten und Traktate sah er [gemeint Heinrich Denifle] nicht in ihrer nationalen Eigenart und Neigung begründet, sondern in der von ihrem Orden ihnen übertragenen Aufgabe, als Seelsorger und Prediger eine große Zahl frommer Frauen zu betreuen, Dominikanerinnen und Beginen, die ohne gelehrte Lateinkenntnis, aber besonders empfänglich und interessiert waren für religiöse Unterweisung und theologischen Tiefsinn. Warum sich aber gerade in Deutschland so besonders viele religiöse Frauengemeinschaften den Dominikanern anschlossen und aus deren Predigt ein mystisches Schrifttum werden ließ, das lässt sich wiederum nicht einfach aus der geistig-seelischen Eigenart oder aus der sozialen Struktur dieses Landes und Volkes erklären, sondern nur aus dem ganzen Verlauf der religiösen Bewegung dieser Zeit. Erst die Verknüpfung von dominikanischer Theologie und Seelsorge, volkssprachlicher Predigt, weiblicher Frömmigkeit und der besonderen Stellung Deutschlands in den religiösen Bewegungen des 13. und 14. Jahrhunderts schuf die Voraussetzung für die Entstehung der ´deutschen Mystik´.“