Elftes Kapitel

„Ein Gegenstand, der nicht jedermann angeht“ – der eine Stufenweg in die vollkommene Einheit mit Gott

Bei der Beschreibung der Wege in den göttlichen Ursprung bedient sich Tauler des von Origenes und Pseudo-Dionysios geprägten traditionellen Schemas des anfangenden, fortschreitenden und vollkommenen Menschen bzw. der purgatio (Reinigung), illuminatio (Erleuchtung) und unio (Einigung)2248, die er in Beziehung zu seinem anthropologischen Ternar vom dreifachen Menschen setzt.2249 Tauler bevorzugt jedoch, die Phasen, die jeder Einzelne auf jeder Stufe seines geistlichen Lebens durchlaufen muss, mit den Ausdrücken Jubilacio (Jubel), getrenge (Bedrängnis) und úbervart (transitus, Übergang) zu kennzeichnen2250, um das Erleben der Gottnähe und Gottferne zu veranschaulichen.2251 Es handelt sich hierbei nicht um einen klassischen Stufenweg, sondern eher um eine „psychologische Beschreibung einer ... Erlebnisreihe.“2252

Tauler kommt jedoch auch, anders als Meister Eckhart2253, auf den traditionellen Stufenweg zur Vereinigung mit Gott zu sprechen, obwohl er von sich selbst behauptet, nicht den höchsten Grad dieses Weges erreicht zu haben.2254 Dieser Weg ist für ihn etwas besonderes, der nicht von jedermann verstanden werden kann. Deshalb betont er:

„Nu súllen wir einen sin rueren der nút alle lút an engat. Unde wir armen kranken lúte, wir múgen erschrecken von disen hohen dingen ze sagende und ze hoerende, der im nút gelebt enhat. Wan die es do sint, die wissent do von und enkúnnen doch nút gentzlichen do von gesagen.“2255

„Nun wollen wir einen Begriff behandeln, der nicht alle Leute etwas angeht. Und wir armen kranken Menschen, wir mögen erschrecken, von diesen hohen Dingen zu sprechen und zu hören, wenn wir sie nicht gelebt haben. Denn die, für die es gilt, wissen davon und können doch nicht vollständig darüber etwas sagen.“

Tauler macht deutlich, dass man über das Ziel dieses Weges, über die Einheit mit Gott, nichts sagen kann, doch in den einzelnen Stufen dorthin können die Menschen die verschiedenen Wege zu Gott wiedererkennen. Deswegen finden wir hier eine gute Zusammenfassung von Taulers Denken über die Rückkehr des Menschen zu Gott.

I. Von den Graden des „mystischen Lebens“2256

In einer Predigt am 5. Sonntag nach Dreifaltigkeit2257 spricht Tauler konkret von den Graden des Weges zu Gott, die der Mensch besitzen kann.2258 Tauler unterscheidet hierbei zwischen dem niederen, dem mittleren und dem obersten Grad.2259

1. Der erste Grad: der Jubel (jubilacio)

Den ersten Grad bezeichnet Tauler als ein innerliches Tugendleben, das den Menschen in Gottes höchste Nähe führen soll.2260 Auf diesem Grad kehrt sich der Mensch in die „wunderlichen werk und bewisunge der unsprechelicher gaben und der usflússe der verborgener guotheit Gotz“2261 („wunderbaren Werke und Offenbarungen der unaussprechlichen Gaben und den Ausflüssen der verborgenen Gutheit Gottes“). Aus dieser Hinkehr zu Gott entsteht im Menschen ein Zustand der Freude, und „die heisset jubilacio“2262 („die heißt Jubilacio“). Durch diesen Jubel will Gott den Menschen aus allen irdischen Dingen und aus sich selbst weiter in seine Gemeinschaft locken.2263

Zum Jubel gelangt der Mensch, wenn er auf die göttlichen Liebeszeichen achtet, die in der äußeren Welt zu finden sind und die er dem Menschen und allen Geschöpfen geschenkt hat; das ist z.B. die Schönheit der Natur. Für Tauler ist die Natur voll Gottes:

„Uf den ersten grat der jubilacien kumet man mit flissigem warnemende der wunneklich minnezeichen die uns Got wunderlichen bewiset hat in himel und in erden; wie wunderlichen vil guotz er uns geton hat und allen creaturen; wie es alles bluejet und gruenet und vol Got ist, und wie unbegriffenliche militikeit Gotz alle creaturen úbergossen hat mit sinen grossen gaben.“2264

„Auf den ersten Grad, den Jubel, gelangt man durch fleißiges Wahrnehmen der wonnenvollen Liebeszeichen, die uns Gott am Himmel und auf Erden so wunderbar erwiesen hat. Wie viel wunderbar Gutes hat er uns und allen Geschöpfen getan, wie alles blüht und grünt und voll Gottes ist, und wie die unbegreifliche Milde Gottes alle Geschöpfe übergossen hat mit seinen großen Gaben.“

Der Mensch soll aber auch über das gesamte göttliche Heilshandeln nachsinnen,

„wie in Got gesuocht hat, vertragen hat und gabet hat und in geladen hat und gemanet hat und sin gebeitet hat und gewartet und durch in mensche ist worden und gelitten hat und sin leben und sin sele und sich selber fúr uns gesetzt hat, und ze weler unsprechlicher nehin sin selbes er in geladen hat und wie sin die hoch heilige drivaltikeit eweklichen gebeitet und gewartet, und der eweklichen zuo gebruchende.“2265

„wie ihn Gott gesucht, geführt, (ihm) Begabungen (geschenkt), ihn eingeladen und gemahnt hat und (ihm Zeit) gewährt, auf ihn wartet, und wie er um des Menschen willen (selbst) Mensch geworden ist, gelitten hat und sein Leben, seine Seele, sich selbst eingesetzt hat (für uns) und zu welcher unaussprechlichen Nähe seiner selbst er (den Menschen) eingeladen hat und wie die hoch heilige Dreifaltigkeit seiner harrt und wartet, (damit) er sie ewiglich genieße.“

Wer dieses göttliche Wirken in rechter Liebe betrachtet, der wird von einer innerlichen Freude erfüllt, die der Mensch „nút enthalten enmag und bricht us mit eigener sunderliche wise“2266 („nicht zurückzuhalten vermag und in besonderer Weise ausbricht“).

2. Der zweite Grad: die Bedrängnis (getrenge)

Die Bedrängnis („getrenge“)2267 versteht Tauler als Armut des Geistes, als quälende Beraubung all dessen, was Gott dem Menschen bisher an guten Gaben überlassen hat. Alles, was er bisher über Gott wusste, ist verloren gegangen.2268 Deshalb kommen große Zweifel in ihm auf, ob es Gott überhaupt gäbe und ob er wirklich auf dem richtigen Weg sei.2269 Es wird ihm so

„wunderliche we und we das im alle dise wite welt ze enge wirt. Er enbevindet noch enweis sines Gottes ze mole nút, und aller ander dinge der enmag er nút, und ist im als er enzwischent zwei wenden hange und als hinder im ste ein swert und vor im ein scharpfes sper.“2270

Die Armut des Geistes deutet Tauler auch entwicklungspsychologisch2271: Der Gläubige ist durch den ersten Grad fortgeschritten und reifer geworden. Er ist nun kein Kind mehr, sondern ein Erwachsener. Um weiter auf dem Weg zu reifen, bedarf es nun einer angemessenen Nahrung:

„Wenne Got den menschen als verre hat usser allen dingen gezogen und er númme ein kint enist, und in gesterket mit der labunge der suessikeit, entrúwen, denne git man im guot hert roggin brot; er ist nu ein man worden und ist zuo sinen tagen komen. Dem alten menschen ist nútz und guot herte starke spise; im ensol númme milch und brot, und denne wirt im fúr gehalten und er wirt gefuert einen gar wilden weg, der gar vinster und ellent ist.“2272

„Wenn Gott den Menschen so weit aus allen äußeren Dingen gezogen hat und er kein Kind mehr ist; er ihn gestärkt hat mit der Labung der Süßigkeit; wahrhaftig, dann gibt man ihm gutes, hartes Roggenbrot, (denn) er ist nun ein Mann geworden (d.h. erwachsen) und ist zu seinen Tagen gekommen. Dem alten (erwachsenen) Menschen ist eine harte, kräftige Speise gut und nützlich; er braucht keine Milch und kein (weiches) Brot mehr. Und dann wird ihm ein wilder Weg gezeigt und (auf diesen geführt), der gar finster und elend ist.“

Der Mensch ist voller Liebe nach Gott, doch gleichzeitig muss er des geliebten Gutes entbehren; dies kann als Hölle auf Erden – sogar schlimmer als die wirkliche Hölle – empfunden werden.2273 Nichts und niemand vermag den Leidenden zu trösten; kein Geschöpf genügt ihm mehr.2274 Der große Jubel hat sich nun völlig in umso größeren Jammer gekehrt:

„So das bevinden und das bevoellen ie mere ze vorderest was, so die bitterkeit und der jamer in disem berobende och mere und unlidelicher ist.“2275

„Je stärker das Empfinden und das Fühlen (Gottes) zuvor waren, umso größer und unerträglicher ist nun die Bitterkeit und der Jammer in dieser Beraubung.“

Der Mensch vermag in dieser Finsternis nicht zu glauben, dass ihm wieder Gottes Licht erleuchten wird. Dennoch ist Gott zugegen, und deshalb soll der Mensch Mut fassen.2276 Diese Finsternis dient nämlich der Vorbereitung des dritten Grades.2277

3. Der dritte Grad: der Übergang (úbervart)

Unter der „úbervart“2278 („Übergang“) versteht Tauler den „Übergang“ bzw. den „Durchbruch“ in das göttliche Leben2279, in die „einikeit des geschaffenen geistes in den istigen geist Gotz“2280 („Einung des geschaffenen Geistes in den aus sich selbst seienden Geist Gottes“). Diese Einung ist für Tauler die wahrhaftige Umkehr, weil diejenigen, die dieses Ziel erreicht haben, nicht mehr von Gott abfallen können.2281 Für den Menschen ist der Durchbruch wie eine Auferstehung; er fühlt sich, als sei er vom Tod zum Leben zurückgekehrt, und er findet die Wahrheit.2282 Gott selbst führt den Menschen aus sich selbst hinaus in sein göttliches Wesen hinein.2283 Auf diese Weise heilt er die Wunden des zweiten Grades; er führt den Menschen aus dem Elend der Bedrängnis in die göttliche Sicherheit2284:

„Und wirt do der mensche als vergottet das alles das der mensche ist und wúrket, das wúrket und ist Got in ime, und wirt als verre uf erhaben úber sin natúrlich wise das er recht wert von gnaden das Got wesenlich ist von naturen.“2285

„Und da wird der Mensch so vergottet, dass alles, was der Mensch ist und wirkt, Gott in ihm ist und wirkt, und (der Mensch) wird weit erhoben über seine natürliche Seinsweise, dass er recht von Gnaden das ist, was Gottes Wesen von Natur ist.“

Der Mensch erfährt also eine Vergöttlichung durch Gottes Gnade. Allerdings bleibt der Unterschied zwischen dieser gnadenhaften Göttlichkeit des Menschen und der Göttlichkeit Gottes bestehen. Gott und Mensch bleiben verschieden.

„Dis nemment tumbe affehte lúte fleischlichen und sprechent, sú súllent gewandelt werden in goetteliche nature, und das ist zuomole boese valsche ketzerige. Von der allerhoehster innigester nehster einunge mit Gotte so ist noch goetteliche nature und sin wesen hoch und hoch úber alle hoehi.“2286

„Dies fassen dumme, unbesonnene Leute in menschlicher Weise auf und sagen, sie würden in göttliche Natur gewandelt werden; das ist eine völlige böse falsche Irrlehre. Selbst in der allerhöchsten, innigsten, tiefsten Einung mit Gott ist die göttliche Natur und (Gottes) Wesen höher und höher, über alle Höhe.“

Diesen Weg des Menschen in die Einung mit Gott beschreibt Tauler auch mit Hilfe eines weiteren Gleichnisses.

II. „Duc in altum“ – „fahre in die Höhe“

In zwei Predigten am fünften Sonntag nach Dreifaltigkeit2287 vergleicht Tauler den zu Gott strebenden Grund mit einem Schiff, das Christus zum Fischfang auf die hohe See auffordert.2288

1. Den Grund in die Höhe erheben

Der erste Weg bzw. niedere Grad, damit der zu Gott strebende Seelengrund sein Ziel erreicht, besteht darin, dass das Gemüt – als Ort, an dem sich innere und äußere Kräfte des Menschen vereinigen – von allem weggeführt werden muss, was nicht Gott ist:

„So wer in disem grúwelichen mere nút enwil verderben noch ertrinken, des gemuete muos von not uf erhaben sin von allen creaturen.“2289

„Wer also in diesem schrecklichen Meer weder verderben noch ertrinken will, dessen Gemüt muss notwendigerweise erhoben sein über allen Geschöpfen.“

Von aller Anhänglichkeit an irdische, vergängliche Dinge – an Geschöpfe und an die menschliche Natur – soll sich der Mensch mit aller Konsequenz lösen2290 und sein „Netz“ auf der hohen See auswerfen. Er soll sich mit Hilfe seiner natürlichen Verstandeskraft das Vorbild Jesu Christi vergegenwärtigen und sein Denken und Handeln von Christus positiv erneuern lassen:

„Dis netz das man us sol werfen, das ist der gedank: dis gehúgnisse des menschen das sol der mensche zem ersten us werfen in heiliger betrachtunge und sol mit ganzem flisse fúr sich nemen alle die materien die in ze heiliger andacht reissen oder neigen múgen: das hochwirdig leben und liden und die heilige minnekliche wandelunge und werk unsers lieben herren, und sol sich dar in als tief erbilden daz im die minne und die liebe durch ge alle sine krefte und sine sinne mit also grosser minne und froeiden das er die froeide nút verbergen enmúge, si breche us mit einem jubilieren.“2291

„Dieses Netz, das man auswerfen soll, ist der Gedanke: Die Einbildungskraft des Menschen soll zuerst ausgeworfen (werden) in heiliger Betrachtung, und (der Mensch) soll sich mit ganzem Fleiß alle Materien vornehmen, die ihn zu heiliger Andacht ziehen oder dazu geneigt machen können: das hochwürdige Leben und Leiden und der heilige, liebevolle Wandel und (das) Werk unseres lieben Herrn; und darin soll er sich so tief versenken, dass ihm die Liebe und Lust durch all seine Kräfte und Sinne gehen, und seine Sinne mit so (großer) Liebe und Freude (erfüllt werden), dass er die Freude nicht verbergen kann; sie bricht aus in einem Jubilieren.“

Wer dem Beispiel Christi nachfolgt, der ist wie Simon Petrus; er ist ein gehorsamer Mensch: In den Grund eines gehorsamen Menschen

„setztet sich Got ze lerende: wan Got git da grosse gnade und alsoliche lere das der mensche von Gotte von innen geleret wirt.“2292

„setzt sich Gott, um zu lehren: Denn Gott gibt da große Gnaden und solche Lehren, (indem) Gott den Menschen von innen lehrt.“

Es ist Jesus Christus selbst, der sich in das „Schiff“ – in den Grund – setzt, um den Menschen zu lehren.2293

Der Mensch kann aber noch höher hinauf geführt werden – „ ‚duc in altum, fúre uf das schiff in die hohi‘ “2294 („‚duc in altum‘, ‚führe das Schiff in die Höhe‘ “) –, um ein äußerlich und innerlich gelassener und geläuterter Mensch zu werden, den St. Dionysios „nemmet ein verklert, gotformig mensche“2295 („einen verklärten, gottförmigen Menschen nennt“). Voraussetzung ist, dass ihm all das endgültig verloren geht, was seine niederen Kräfte, die natürliche Sinnen- und Verstandeskraft, erfassen. Dabei denkt Tauler auch an die Freude, die der Mensch beim Betrachten des Lebens Jesu erfahren hat:

„Alle heiligen gedenke und minneklichen bilde und die froeide und jubel und was im von Gotte geschenkt wart.“2296

„alle heiligen Gedanken und die liebevollen Bilder (der Phantasie) und die Freude und der Jubel und was ihm (sonst noch) von Gott geschenkt worden ist.“

Es liegt allerdings nicht im Ermessen des Menschen, diese Bilder loszulassen. Immer wieder ist es Gott selbst, der die Initiative ergreift. Dass sich ein neuer Wegabschnitt ankündigt, spürt er, wenn ihm die Bilder plötzlich grob erscheinen und ihm nicht mehr „schmecken“, d.h. sie genügen ihm nicht mehr.2297 Der Mensch spürt, dass er nicht mehr weiter kommt. Er will mehr von Gott. Aber von dem, den er ersehnt, wähnt er sich weit entfernt.2298 Das führt zu einer Krise: „Und also ist er enzwischen zwein enden und ist in grossem we und getrenge“2299 („Und so befindet er sich zwischen zwei Richtungen und ist in großem Weh und in großer Drangsal“). Das Gefühl des von Gott Verlassenseins und längst überwunden geglaubte Versuchungen lassen das „Schiff“ – den Grund – in schweres „Unwetter“ geraten.2300 Trotzdem, diese Krise ist ein Zeichen dafür, dass „dis schiffelin in die hoehin gefurt“2301 („dieses Schiff in die Höhe geführt“) wird, denn

„die geburt die ist nach und sol in dir geborn werden. Und wissist uf mich das niemer enkein getrenge in den menschen uf gestot, Got enwelle nach dem ein núwe geburt in im ernúwen.“2302

„die Geburt (Gottes in dir) ist nahe und soll in dir geboren werden. Und glaubt mir, dass niemals eine Drangsal im Menschen entsteht, es sei denn, Gott will nach ihr eine neue Geburt im (Menschen) hervorrufen.“

In dieser Krise hilft nicht mehr der verloren gegangene Trost2303 – ihn soll der Mensch auch nicht wieder zu erfahren suchen –, sondern der „aller kurzeste weg und der nechste zuo der goetlichen woren geburt“2304 („allerkürzeste und nächste Weg zu der wahren göttlichen Geburt“) ist, fest in Gott verankert zu sein, nicht vor der Krise davonzulaufen, sondern sich Gott ohne Bedingungen zu überlassen2305: Dann „loeset dich sicher Got“2306 („erlöst dich Gott sicherlich“). Durch den wahren Frieden, den Gott dem Bedrängten schenkt, werden alle Wunden der Drangsal geheilt.2307 Egal welche Stürme weiterhin über den Menschen hereinbrechen, „im blibt ie sin inwendig goetlich fride und wore froeide“2308 („ihm bleibt immer sein innerer göttlicher Friede und die wahre [göttliche] Freude“):

„Bist du besessen mit Gotte, so enmúgen dir din schiffelin, din gemuete, alle creaturen nút getriben noch entsetzen. Dem menschen git der aller guotste Got ein soelich kleinoeter, das ist alsolich froeide, das der mensche in siner innwendikeit smakt alsolichen woren friden und veste, von der nieman enmag verston wan der es hat.“2309

„Bist du von Gott erfüllt, so können alle Geschöpfe dein Schifflein, dein Gemüt, niemals vertreiben noch aus der Fassung bringen. Dem Menschen gibt der allergütigste Gott ein solches Kleinod, das ist eine solche Freude, dass der Mensch in seinem Inneren einen solchen wahren Frieden und Sicherheit schmeckt, von der niemand etwas versteht, außer wer dies hat.“

Der Mensch bleibt in diesem göttlichen Frieden, während er aber gleichzeitig in seinem äußeren und inneren Leben durchaus von Unfrieden weiterhin heimgesucht werden kann. Zum inneren Unfrieden – den er mit dem durch die Beute ausgedehnten Netz vergleicht2310 – kommt es aufgrund der Nichterfahrbarkeit Gottes durch die Sinne und die natürliche Verstandeskraft: Der Mensch erkennt, dass diese Kräfte nicht ausreichen. Darüber hinaus spürt er seine Unfähigkeit, aus eigener Kraft Gott etwas anbieten zu können.2311 Deshalb sehnt sich der Mensch nach dem wahren, vollkommenen göttlichen Trost2312, d.h. nach dem „weselichen friden“2313 („wesentlichen Frieden“), der alle Sinne übersteigt und der wesentlichen Umkehr folgt.2314 Wer sich in seinem Unfrieden – im Leiden – Gott völlig überlässt und alles erträgt, in dem vollzieht sich die wesentliche Umkehr2315:

„Wenne sich das ungenante, das namlos das in der selen ist, in Got zemole kert, so volget und kert sich da mit alles das namen hat in dem menschen, und in dem kere antwúrt alle zit alles das namlos ist in Gotte, das ungenante, und alles das in Gotte namen hat, das antwúrt alles dem kere.“2316

„Wenn sich das Ungenannte, das namenlos in der Seele ist, ganz in Gott kehrt, so folgt und kehrt sich alles, was einen Namen hat im Menschen, und auf diese Kehr antwortet allezeit alles, was namenlos in Gott ist, das Ungenannte, und alles, was in Gott einen Namen hat, das antwortet alles der Kehr.“

Der Geist des Menschen kehrt in Gottes Geist ein und „suochet Got blos und luter und úber alle werk oder wise úber allen gedank oder vernunft“2317 („sucht Gott allein und lauter und über allen Werken oder Weisen, über allen Gedanken oder Vernunft“). Diese (Um)kehr beschreibt Tauler als die Erfahrung von einer innerlichen „unformlicher unwislicher engegenwúrtkeit“2318 („form- und weisenlosen Gegenwart“) Gottes. Der geschaffene Geist des Menschen wird in einer alles Sein überragenden Weise in den ungeschaffenen Geist Gottes hineingehoben2319, und das ist der wesenhafte Lohn, welcher dieser Kehr folgt2320: Dieser vollkommenen Hinkehr

„muos der herre mit im selber antwúrten und zúhet disen menschen also grundeloslichen in sich selber in sins selbes selikeit; do wirt der geist also wunneklichen in gezogen, und wirt alzemole mit der gotheit durchflossen und úber gossen in in gezogen, das er in Gottes einikeit verlúret alle manigvaltikeit. Dis sint die Got ergetzet hie in der zit aller ir arbeit, und hant einen woren fúrsmak des si eweklichen gebruchen súllent.“2321

„muss der Herr mit sich selber antworten, und diesen Menschen zieht er unergründlich in sich selber, in seine eigene Seligkeit; dorthin wird der (menschliche) Geist also in wonniglicher Weise gezogen, und (er) wird von der Gottheit durchflossen und übergossen (und) in (Gottes Geist) gezogen, (so) dass er in der Einheit mit Gott alle (menschliche) Vielheit verliert. Das (also) sind diejenigen, die Gott schon in dieser Zeit für alle ihre Mühe entschädigt, und sie haben einen wahren Vorgeschmack auf das, was sie ewiglich genießen sollen.“

Von dieser wesentlichen Kehr unterscheidet Tauler die gewöhnliche, äußerliche wesenhafte Kehr2322: Bei dieser Kehr hat der Mensch sein Selbst nicht völlig losgelassen, aber in all seinen Werken hat er „got luterlichen und bloslichen“2323 („Gott lauter und allein“) im Sinn; er bezieht Gott in sein ganzes Tun mit ein.2324 Bei der wesentlichen Kehr aber hat der Mensch auch sich selbst losgelassen, um allein Gottes Willen zu folgen. Diesem aber schenkt Gott seinen wahren Frieden.2325 Er wird ein gottförmiger Mensch2326, der äußerlich geläutert und innerlich verklärt ist, so dass er ganz in seinem Grund und somit in Gott wohnt.2327 Dieser Mensch, der Gottes Wesen in einer jenseits aller Sinne liegenden Weise „erfährt“2328, wird selbst zum „Himmel“ Gottes:

„Disen lúten den ist himel und erde und alle creature als ein lúter nút, wan si sint selber ein himel Gotz, wan Got hat raste in in.“2329

„Diesen Leuten sind Himmel und Erde und alle Geschöpfe nichts als ein reines Nichts, denn sie sind selber ein Himmel Gottes, denn Gott wohnt in ihnen.“

Jetzt „sitzt“ – so wie Christus im Boot des Petrus – Gott im Grund des Menschen und lehrt und wirkt durch ihn in der Welt2330:

„Und dis heisset wol ein gotformiger mensche, wan wer den menschen recht sehe, der sehe in als Got, nút denne von gnaden, wan Got lebet und weset und wúrket in im alle sine werk und gebruchet sin selbes in ime.“2331

„Und dies heißt man wohl zu recht einen gottförmigen Menschen, denn wer diesen Menschen recht sähe, der sähe ihn als Gott, nur von Gnaden, denn Gott lebt und west und wirkt in ihm alle seine Werke und in (diesem Menschen) genießt (Gott) sich selbst.“

Der Mensch ist also deshalb gottförmig, weil Gott in ihm lebt und durch ihn wirkt. Jetzt ist das „Schiff“ – der Grund – auf die Höhe geführt.2332 Aber das Ziel ist trotzdem noch nicht erreicht: Das „Schiff“ muss noch an der tiefsten Stelle des Meeres auseinanderbrechen und versinken, denn noch hat der Mensch – obwohl gottförmig – nicht alle menschliche Eigenheit verloren.2333 Soll der Mensch völlig mit Gott vereinigt werden, muss das zunichte werden, was ist, um zu werden, was nicht ist2334, d.h. Leib und Seele des Menschen – das, was nicht allein Gott ist – muss „untergehen“:

„Hie get in etlicher wise under beide lib und sele in disem tieffen mere, und verlierent ir natúrliche werk und uebunge nach iren eigenen kreften in natúrlicher wise und hant in dem versinkende in disem grundlosem mere weder wort noch wise. ... Das ist eine sache. Die ander sache ist das der mensche in disem also velt in sin grundelos nút und wirt also ze mole klein und also gar nút, das er allem dem enpfelt das er ie oder ie enpfieng, und wirft das al ze mole luterlichen wider in Got, des och ist.“2335

„Hier gehen auf vielfältige Weise Leib und Seele unter in diesem tiefen Meer und verlieren ihre natürlichen Werke und Tätigkeiten, (die sie) nach ihren eigenen Kräften, was sie auf natürliche Weise (getan haben), und im Versinken ins grundlose Meer haben sie weder Wort noch Art. ... Das ist die eine Sache. Die andere Sache ist, dass der Mensch hierbei in sein grundloses Nichts fällt und klein und gar nichts wird, dass er all dem entfällt, was er je und je (von Gott) empfing und all das wieder gänzlich Gott zurückgibt, dem es (ja) auch gehört.“

Der Mensch muss vor allem deshalb ein Nichts werden, weil Gott selbst Nichts ist.2336 Somit ist das Nichtssein des Menschen auch ein Kennzeichen der Teilhabe am Sein Gottes:

„Und al do versinkt das geschaffen nút in das ungeschaffen nút: das ist nit was man verstan oder geworten mag.“2337

„Und da versinkt das geschaffene Nichts in das ungeschaffene Nichts: Das ist nicht etwas, was man verstehen oder in Worten fassen vermag.“

Tauler betont sogar, dass der „abgrúnde das geschaffen ist“2338 („Abgrund, der geschaffen ist“) den „ungeschaffen abgrúnde“2339 („ungeschaffenen Abgrund [Gottes]“) in sich ruft, und beide Abgründe werden

„ein einig ein, ein luter goetlich wesen, und do hat sich der geist verlorn in Gotz geiste; in dem grundlosen mere ist er trunken.“2340

„ein einig Eins, ein lauteres göttliches Wesen, und da hat sich der Geist (des Menschen) in Gottes Geist verloren; in dem grundlosen Meer ist er ertrunken.“

Obwohl diese Aussage den Eindruck vermittelt, dass sich der Mensch ganz in Gott „auflöst“ und er damit seine Persönlichkeit verliert, trügt der Schein, denn der Bezug zur realen Welt, zur Schöpfung und zum Mitmenschen bleibt bestehen; denn wenn vom „Ertrinken“ im göttlichen Meer die Rede ist, dann ist das im Bezug auf die egoistischen und egozentrischen Eigenschaften des Menschen gemeint, die Gottes Wirken im Menschen und in der Welt behindern – der Mensch muss von sich selbst und von allen Dingen lassen können, um mit Gott vereinigt zu werden. Die radikale Gelassenheit führt zur Vereinigung des Menschen mit Gott und wird für die ganze Schöpfung erfahrbar in der Hingabe, in der Güte und Liebe, die der mit Gott vereinte Mensch ausstrahlt und im Alltagsleben verwirklicht2341:

„Und diese menschen sint allen menschen geloeibig und barmherzig; sie ensint nút strenge noch hertmuetig, denne vil gnedig. Und das ensit nút ze globende das dise lúte iemer von Gotte múgen gescheiden werden.“2342

„Und diese Menschen sind gegenüber allen Menschen vertrauensvoll und barmherzig; sie sind weder streng noch hartherzig, sondern gnädig. Und es ist nicht zu glauben, dass diese Leute jemals von Gott sollten geschieden werden können.“

2. Wiederaufstehung in Gott

In der zweiten Predigt am fünften Sonntag nach Dreifaltigkeit2343 überträgt Tauler die Geburt, das Sterben und die Auferstehung Christi konkret auf den Weg des Menschen in den göttlichen Ursprung:

„E denne der mensche her zuo kome, so ist vor unser herre in im geborn und gestorben und uf erstanden.“2344

„Ehe aber der Mensch dahin kommt, so muss zuvor unser Herr in ihm geboren und gestorben und wieder auferstehen.“

Was Tauler hiermit meint, wird deutlich, wenn wir auf die Phasen des Weges zu Gott schauen. Er bringt dabei den ersten Fischfang in Lk 5 in Zusammenhang mit dem zweiten Fischfang nach Jesu Auferstehung, bei dem das Netz – nach Taulers Auslegung – nicht riss.2345

Tauler deutet zunächst den Namen Simon, den Besitzer des Bootes, als Mann des Gehorsams: Gott lässt sich nur im „Schiff“, im Grund eines gehorsamen Menschen nieder, um ihn den Weg in seine Gemeinschaft zu lehren.2346 So wie Christus dem Simon Petrus befiehlt, das Schiff vom Ufer abzustoßen, eben solches befiehlt Christus auch dem Menschen:

„Des menschen herze in dem aller nidersten grat das sol und muos von der erden von aller minne irdenscher und zergengklicher dinge gefueret sin und der lust der creaturen und der naturen.“2347

„Des Menschen Herz – das ist der niederste Grad – soll und muss von der Erde, von aller irdischen Liebe und von allen vergänglichen Dingen weggeführt werden und von der Lust an den Geschöpfen und der (menschlichen) Natur.“

Sich wie Simon vom Ufer abstoßen bedeutet, sich mit großem Fleiß von allem loszulösen, was nicht Gott ist und den Weg zu ihm behindert.2348 Das „Netz“, das bei der Suche nach äußeren Dingen zerrissen ist, muss wieder geflickt, durch eine „gantzen widerkere“2349 („gründliche Umkehr“) in Ordnung gebracht werden, indem der Mensch seine Lebenssituation realistisch erkennt und seine Fehler Gott in Demut klagt.2350 Wie Simon hat er die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen, weil Gott nicht in die Arbeit mit einbezogen wurde: „Alles, das der mensche arbeit sunder Got, das ist alles nacht und vervohet ze mole nút“2351 („Alles, was der Mensch ohne Gott arbeitet, das bleibt alles im Dunkeln und führt zu rein gar nichts“).

Insgesamt nimmt die handwerkliche, die manuelle Tätigkeit, eine bedeutende Rolle auf dem ersten Grad des geistlichen Lebens ein.2352 Arbeit wirkt gegen Trägheit und Schläfrigkeit2353: „Denne sol man den uswendigen menschen ueben mit arbeit“2354 („Dann soll man den äußeren Menschen mit Arbeit beschäftigen“). Durch die handwerkliche Arbeit, ganz im Sinne Gottes, wird die Gesinnung des äußeren Menschen wieder auf den Grund gerichtet:

„ ‚Herre, in dime worte wirf ich us min netz‘; das súllent sin alles des menschen werk, wort und gedenke: essen, trinken, slaffen, wachen, alles in sime worte.“2355

„ ‚Herr, auf dein Wort hin werfe ich mein Netz aus‘; das soll sein all dieses Menschen Werk, Wort und Gedanken: Essen, Schlafen, Wachen, alles in seinem Worte.“

Der Mensch strebt auf dem ersten Grad nicht mehr nach äußeren Dingen, sondern nach dem Grund, wo Gott gefunden werden kann. Dann aber kann der Mensch der Aufforderung Jesu Folge leisten: „Fahr dein Schiff auf die hohe See“:

„Das ist: erhebe din gemuete und alle dine krefte in die hoehin úber dich selber und úber dise nideren sinnelichen ding. ... Ker dich úber zit mit dinen obersten kreften, wan do sitzet Got; do ist Got in der worheit; do leret er das úber weselich wort in dem und mit dem alle ding geschaffen sint.“2356

„Das bedeutet: erhebe dein Gemüt und alle deine Kräfte in die Höhe über dich selbst und über diese niederen sinnlichen Dinge. ... Kehre dich über die Zeit mit deinen oberen Kräften, denn dort sitzt Gott; dort ist Gott in der Wahrheit, dort lehrt er das alles Wesen übersteigende Wort, in dem und mit dem alle Dinge geschaffen sind.“

Mit allen seinen Kräften, die im Gemüt vereinigt sind, soll sich der Mensch über sich selbst hinaus erheben in die Höhe, in seinen Grund, wo Gott sein Wort lehrt – das ist Jesus Christus. Hierzu werden zunächst die sinnlichen niederen Kräfte mit Hilfe der oberen Kräfte, mit der Erkenntnisfähigkeit, über alles Zeitliche in den Seelengrund „erhoben“. Damit aber das im Grund lehrende Wort – Christus – aufgenommen werden kann, muss das zuvor „geflickte Netz“, der allem Irdischen zugeneigte äußere Mensch, zerreißen und das „Schiff“ untergehen; d.h. der Mensch „wenet die nature ze mole verderben“2357 („glaubt die [menschliche] Natur ganz zu verderben“). Zu dieser Krise des äußeren Menschen kommt es, weil nur im inneren Menschen das ungeschaffene Licht Gottes aufleuchtet; es erleuchtet die Vernunft.2358 Mit Hilfe der durch Gottes Gnade erleuchteten Vernunft kann der Mensch den Sinn dieser Krise verstehen2359: „Wann wenne das war liecht das Got ist, us get, so muos das geschaffen lieht under“2360 („Denn wenn das wahre Licht, das Gott ist, zu leuchten beginnt, muss das geschaffene Licht untergehen“).2361 Der äußere Mensch „stirbt“. Dieses göttliche Licht verursacht aber, wenn es mit Hilfe der Vernunft angenommen wird, im allem Äußeren „gestorbenen“ Menschen Freude und Zufriedenheit, die über alles hinausgeht, was die Welt zu geben vermag. Aber dies findet bisher nur „in den nidersten kreften, alle dise grosse bevintlicheit“2362 („in den niederen Kräften statt, all dieses große Empfinden“). Es soll aber der ganze Mensch durch Gottes Wort im Grund erhoben und mit göttlichen Formen „überkleidet“ werden; er soll in das Bild Christi umgeformt werden.2363 Tauler hebt in diesem Zusammenhang die Bedeutung des zweiten Fischfangs hervor2364: Nach seinem Tod erscheint Jesus seinen Jüngern am See von Tiberias und fragt sie, ob sie etwas zu essen hätten. Die Jünger verneinen dies. Jesus fordert sie deshalb auf: „Werft das Netz auf der rechten Seite aus.“ Die Jünger, die nichts gefangen haben, entsprechen den Menschen, die von allem und sich selbst losgelöst und arm sind: „Der mensch muos pur sin, luter und arm sin selbes“2365 („Der Mensch muss rein sein, lauter und arm seiner selbst“). Aus dieser vollkommenen Armut heraus kann der Mensch dem Wort Christi vollkommenen Gehorsam leisten und auf dessen Wort hin sein „Netz“ auswerfen. Er wird einen Fang einholen, der alles übertrifft, was mit Hilfe der menschlichen Kräfte möglich wäre, die Überformung mit göttlichen Formen.2366 Dieses Ziel ist aber nur zu erreichen, wenn der „ganze“ Mensch „stirbt“, um dann wieder in den göttlichen „Formen“ aufzuerstehen: Nachdem sich der äußere Mensch mit Hilfe seiner vom göttlichen Licht erleuchteten Vernunft ganz von Christi Wort hat leiten lassen – Jesus von Nazareth wurde gewissermaßen neu geboren –, so muss er jetzt mit seinem „ganzen Menschen“, d.h. auch mit dem durch das Wort Jesu von Nazareth erfüllten inneren Menschen, „sterben“.2367 Denn dieses Wort ist noch nicht der im Himmel erhöhte Christus, sondern sein sichtbares irdisches Beispiel. Diejenigen, die mit ihrem „ganzen Menschen“ sterben,

„stant in dem woresten lutersten armuote und vernichtikeit ir selbes ze mole. Dise enwellent noch si enhabent noch enbegerent noch enmeinent nút denne Got und nút des iren, und geschicht das dike si koment in die arbeit der nacht, das ist in gelossenheit, in armuote und stark kreftig dúnsternisse und untrost, also das si habent enkeinen enthalt noch lúchten noch burnen in bevintlicher wise noch in smackender wise.“2368

„stehen in der wahrsten, lautersten Armut und völligen Vernichtung ihrer selbst. Sie wollen, sie haben, sie begehren (nur Gott); sie haben nur Gott im Sinn und nichts ihres eigenen Nutzens; und es geschieht, dass sie oft in die Arbeit der Nacht kommen, das heißt, dass sie sind in Gelassenheit, in Armut und in schwerer Finsternis und ohne Trost, so dass sie keinen Halt (mehr) haben, weder ein Licht noch einen Glanz, weder in empfindender noch in verkostender Weise.“

Diese Menschen erkennen sich als ein lauteres Nichts, und sie sind deshalb dazu bereit, sich ganz in den Abgrund des göttlichen Willens zu werfen.2369

„Also val uf dine kleinheit und uf din nicht múgen und nút wissen, und do mitte losse dich in den hohen adel des goetlichen willen und enlosse nút anders zuo slahen, denne halt dich ellende und arm in sinen willen.“2370

„Also sinke nieder auf deine Kleinheit und auf dein Unvermögen und Nichtwissen, und damit überlasse dich dem hohen Adel des göttlichen Willens, und lass nichts anderes dazukommen, sondern halte dich elend und arm in seinem Willen.“

Diese Menschen stehen als „neue Menschen“ auf im göttlichen Frieden,

„und fúrbas so sint alle ir werk in grossem friden, und alles ir leben das ist gesasset und vol tugende, senftmuetig und gelossen und guetlich.“2371

„und fürderhin sind alle ihre Werke in großem Frieden, und all ihr Leben ist ruhig und voll der Tugend, sanftmütig und gelassen und gütig.“

Das Leben des Menschen ist im Leiden, Sterben, in der Auferstehung und Himmelfahrt Christi aufgehoben und wird in der Dynamik des einen und trinitarischen Gottes eins mit Gott. Aus dieser Einung heraus wirkt Gott durch den Menschen in der Welt, um der übrigen Schöpfung sein Heil zuteil werden zu lassen und sie auf die endgültige Erlösung vorzubereiten.

2248 Zu den traditionellen Stufenwegen siehe Haas 1995, 22ff.; Gnädinger 1993, 394 – 397 (zu Dionysius).

2249 Vgl. Langer 2004, 387 – 390; Gnädinger 1993, 147 – 160. Zum dreifachen Menschen Siehe dieser Teil, drittes Kapitel, II, 3.

2250 Bihlmeyer 1911, 173,11 verweist zur Herkunft des Begriffs Jubilacio auf Thomas von Aquin, In ps. 32,3; 46,1 und auf weitere Belege aus Mystikerschriften. Eine Definition des Jubilus findet sich auch bei Augustinus, en. Ps., Psalm 99 (100), CCL 39, 1393 – 1404. Vgl. Gnädinger 1993, 162; Lüers 1966, 202f.; Weilner 1961, 213.

2251 Vgl. V 11, 53,13; 54,12; 54,28; V 39, 160,7; 161,8; 162,1 (H 40); V 40, 168,9.24; 169,20 (H 43); V 41, 176,16.28; 173,12; 174,15; V 54, 248,16; 249,3 (H 52). Manchmal geht Tauler nur auf eine der Phasen ein: Vgl. u.a. in V 48 (H 57); V 63 (H 42); V 69 (H 68); V 78 (H 69). Vgl. Gnädinger 1993, 160; Rehe 1989, 115 – 125; Haas 1979, 290f.; Weilner 1961, 212f.

2252 Weilner 1961, 212.

2253 Vgl. Haas 1995, 24.

2254 Vgl. u.a. V 15, 71,6ff. (H 15b.).

2255 Vgl. V 50, 226,6 – 9 (H 56).

2256 Tauler verwendet diese Bezeichnung nicht. Sie wird als deutende Übersetzung von H 40, 303 (V 39, 159,29) übernommen. Zu den Ausdrücken „mystisch“ und „spirituell“ bzw. „Mystik“ und „Spiritualität“ vgl. Stolina 2008, 10ff.; Sudbrack 2002; Ders. 1999, 35 – 48.

2257 V 39 (H 40), Predigt zu 1 Petr. 3,8: „Geliebte seid eines Sinnes im Gebet.“

2258 Vgl. V 39, 159,29 (H 40). Auch hier wird jedoch deutlich, dass es nicht den einen Weg gibt.

2259 Vgl. V 39, 159,30 (H 40).

2260 Vgl. V 39, 159,31f. (H 40).

2261 V 39, 159,32ff. (H 40).

2262 V 39, 159,35 (H 40).

2263 Vgl. V 39, 160,26f.;161,8f. (H 40).

2264 V 39, 160,7 – 12 (H 40). Nach Röm 1, 20; 1 Kor 13,12. Dass sich Gottes Schönheit in der Natur spiegelt, finden wir laut Gnädinger 1993, 161f.62 bei dem Franziskaner Bonaventura, Itinerarium mentis Deum (Wegleitung des Gemüts zu Gott), Kapitel 2, und in der „Vita“ von Taulers Mitbruder und Zeitgenossen Heinrich Seuse (Vita, Kap. L).

2265 V 39, 160,12 – 18 (H 40).

2266 V 39, 160,21f. (H 40). Die besondere Weise kann z.B. eine Verzückung sein: Vgl. u.a. V 15, 71,12 (H 15b).

2267 V 41, 171,34.

2268 Vgl. V 39, 160,1f.; 161,14 – 17 (H 40).

2269 Vgl. V 39, 161,17f. (H 40).

2270 V 39, 161,18 – 22 (H 40).

2271 Zur Bedeutung der Lebensjahre bei Tauler: Vgl. u.a. V 2, 15,25 – 16,9; V 19, 79,17 – 80,14; V 56, 264,25ff. (H 70); V 70, 383,6 (H 66). Vgl. Weilner 1961; Rehe 1989.

2272 V 39, 161,8 – 14 (H 40).

2273 Vgl. V 39, 161,24f. (H 40).

2274 Vgl. V 39, 161,25ff. (H 40).

2275 V 39, 161,27ff. (H 40).

2276 Vgl. V 39, 161,30 – 33 (H 40).

2277 Vgl. V 39, 161,34 – 162,1 (H 40).

2278 V 39, 160,3 (H 40).

2279 Vgl. Gnädinger 1993, 305f. Zum Durchbruch vgl. Haas 1995, 24 – 28.

2280 V 39, 160,3f. (H 40).

2281 Vgl. V 39, 160,4ff. (H 40).

2282 Vgl. V 39, 162,1 – 4 (H 40). Vgl. Gandlau 1993, 102f.

2283 Vgl. V 39, 162,4f. (H 40).

2284 Vgl. V 39, 162,5 – 8 (H 40).

2285 V 39, 162,8 – 11 (H 40).

2286 V 32, 121,26 – 30. Dieser Vorwurf richtet sich gegen die Freien Geister. Siehe auch erster Teil, viertes Kapitel, III; dieser Teil, sechstes Kapitel, I, 2.

2287 63 (H 42), Predigt zu Lk, 5,4f.: „Fahr auf die hohe See, und werft eure Netze zum Fang aus.“

2288 Vgl. V 41, 170,13f.; V 63, 341,26f. (H 42). In V 43, 183,32 (H 45) vergleicht Tauler die Sinnlichkeit des Menschen mit einem Schiff.

2289 V 41,171,4ff.

2290 Vgl. V 63, 342,27 – 343,3 (H 42).

2288 V 41, 171,16 – 23.

2292 V 63, 342,23ff. (H 42).

2293 Vgl. V 63, 341,26-29 (H 42).

2294 V 41, 171,24.

2295 V 41, 171,27. Vgl. Gnädinger 1993, 394 – 397.

2296 V 41, 171,29ff.

2297 Vgl. V 41, 171,31ff.

2298 Vgl. V 41, 171,33.

2299 V 41, 171,34.

2300 Vgl. V 41, 171,35 – 172,4.

2301 V 41, 171,35.

2302 V 41, 172,15ff.

2303 Vgl. V 41, 173,2.

2304 V 41, 173,4.

2305 Vgl. V 41, 172,5ff.

2306 V 41,173,2f.

2307 Vgl. V 41, 173,10 – 13.

2308 V 41, 173,25f.

2309 V 41, 173,17 – 21.

2310 Vgl. V 41, 174,5.

2311 Vgl. V 41, 174,5ff.

2312 Vgl. V 41, 174,8 – 12.

2313 V 41,174, 12.

2314 Vgl. V 41, 174,14f.

2315 Vgl. V 40, 169,1ff. (H 43). Vgl. Weilner 1961, 165 – 206; Rehe 1989, 35 – 134. Siehe auch dieser Teil, neuntes Kapitel, IV, 2.

2316 V 41, 174,15 – 18.

2317 V 40, 169,8f. (H 43).

2318 V 40, 169,16f. (H 43).

2319 Vgl. V 40, 169,17f. (H 43).

2320 Vgl. V 40, 169,4.11. (H 43).

2321 V 40, 169,21 – 25 (H 43).

2322 Vgl. V 40, 169,12f. (H 43).

2323 V 40, 169,13f. (H 43).

2324 Vgl. V 40, 169,13ff. (H 43).

2325 Vgl. V 41, 174,19f.

2326 Vgl. V 41, 174,22.

2327 Vgl. V 41, 174,29f.

2328 Vgl. V 41, 174,23.ff.27f. nämlich Gottes Breite, Länge, Höhe und Tiefe: Siehe dieser Teil, fünftes Kapitel, II.

2329 V 41, 174,30f.

2330 Vgl. V 41, 175,1f.

2331 V 41, 175,19ff.

2332 Vgl. V 41, 175.22f.

2333 Vgl. V 41, 175,24ff.

2334 Vgl. V 41, 175,26f.

2335 V 41, 175,28 – 176,2.

2336 Vgl. u.a. V 46, 204,6ff. (H 54).

2337 V 41,176,4.

2338 V 41,176,8.

2339 V 41,176,8.

2340 V 41,176,9ff.

2341 Vgl. V 41, 176,12 – 15.

2342 V 41, 176,15ff.

2343 V 63 (H 42), Zweite Predigt zu Lk 5,4f.: „Fahrt auf die hohe See.“

2344 V 63, 345,6f. (H 42).

2345 Joh 21,1 – 8.

2346 Vgl. V 63, 342,22f.26f. (H 42).

2347 V 63, 342,27-30 (H 42).

2348 Vgl. V 63, 342,30 – 343,3 (H 42).

2349 V 63, 343,18 (H 42).

2350 Vgl. V 63, 343,20f. (H 42).

2351 V 63, 343,22f. (H 42).

2352 Zur Bedeutung der Arbeit (Berufsarbeit) bei Tauler Siehe V 42 (H 47). Vgl. Mieth 1969, 290 – 304.

2353 Vgl. V 63, 343,23ff. (H 42).

2354 V 63, 343,25f. (H 42).

2355 V 63, 343,27ff. (H 42).

2356 V 63, 344,2f.6-9 (H 42).

2357 V 63, 344,16 (H 42).

2358 Vgl. V 63, 344,19 (H 42).

2359 Vgl. V 63, 344,19ff. (H 42).

2360 V 63, 344,21f. (H 42).

2361 An dieser Textstelle entspricht das geschaffene Licht nicht der menschlichen Vernunft, sondern dem allen Äußerlichen zugewandte sinnliche Mensch.

2362 V 63, 344,28f. (H 42).

2363 Vgl. V 63, 345,4ff. (H 42).

2364 Vgl. V 63, 344,30 – 345,5. Vgl. Joh 21,1.5.f.

2365 V 63, 344,34 – 345,1 (H 42).

2366 Vgl. V 63, 345,5 – 8 (H 42).

2367 Vgl. V 63, 345,6ff. (H 42).

2368 V 63, 345,9 – 15 (H 42).

2369 Vgl. V 63, 345,27ff. (H 42).

2370 V 63, 345,30ff. (H 42).

2371 V 63, 346,2ff. (H 42).