Wir haben in dieser Arbeit den zeit- und geistesgeschichtlichen Hintergrund Taulers und seines Denkens sehr ausführlich dargestellt. Wir können seine Predigten nicht isoliert von den religiösen Bewegungen des Mittelalters und der zeitgenössischen Theologie und Philosophie betrachten. Denn die ab dem 13. Jahrhundert entstandene Mystik, in welcher das Ideal der vita apostolica, nämlich arm und heimatlos dem „nackten Christus“ nachzufolgen, im Zentrum stand und immer mehr Laien, vor allem Frauen, ergriff, war maßgeblich, wie McGinn feststellt, das Resultat eines Dialogs zwischen „Männern und Frauen, zwischen dem Latein und den aufsprossenden Volkssprachen, zwischen Spiritualität und Theologie und schließlich zwischen überkommener Weisheit der alten kontemplativen Tradition und den kreativen Energien einer neuen Ära.“1 Bevor wir dies weiter bedenken, wollen wir kurz die Bedeutung der Begriffe Spiritualität und Mystik zusammenfassen und ihr Verhältnis zueinander betrachten.2
1 McGinn 1999, 67. Vgl. Ders. 1999, 36 – 67; Haas 1996, 92f.; Ders. 1979, 59ff.
2 Ausführlicheres zur Bestimmung der Begriffe Spiritualität und Mystik vgl. Wendel 2004, 9 – 26; Dies. 2002, 16 – 42; Sudbrack 2002; Ders. 1999; Ders. 1994; Ders. 1988.