NEUNTES
KAPITEL
DURCHHALTEVERMÖGEN
Zum Glauben gehört Ausdauer
Der achte Schritt zum Reichtum
Ausdauer ist ein wesentlicher Faktor für die Verwandlung eines dringenden Anliegens in klingende Münze. Und Ausdauer setzt Willenskraft voraus.
Willenskraft und ein dringendes Anliegen sind im Zusammenspiel unschlagbar. Menschen, die es zu sehr viel Geld gebracht haben, gelten in aller Regel als gefühl- oder gar rücksichtslos. Dieser Eindruck trügt häufig. In Wirklichkeit verfügen sie über Willenskraft, die sie mit Durchhaltevermögen kombinieren und ihren Anliegen zugrunde legen, um dafür zu sorgen
, dass sie ihre Ziele erreichen.
Henry Ford wurde von vielen irrtümlich als rabiat und kaltschnäuzig wahrgenommen, weil er seine Pläne so ausdauernd verfolgte.
Die meisten Menschen werfen ihre Ziele und Überzeugungen schnell über Bord und geben schon beim ersten Anzeichen für Widerstand oder Pech auf. Ein paar wenige bleiben allen Widrigkeiten zum Trotz unbeirrt, bis sie ihr Ziel erreicht haben. Das sind die Fords, die Carnegies, die Rockefellers und die Edisons.
Das Wort »Ausdauer« mag wenig heroisch klingen, doch für den Charakter eines Menschen macht diese Eigenschaft den Unterschied zwischen Carbon und Stahl aus
.
Beim Aufbau eines Vermögens kommen in aller Regel alle dreizehn Faktoren dieser Philosophie ins Spiel. Jeder, der zu Geld kommen will, muss diese Grundsätze kennen und ausdauernd anwenden.
Richten Sie sich in der Absicht nach diesem Buch, das darin vermittelte Wissen anzuwenden, dann wird Ihre Ausdauer erstmals auf die Probe gestellt, wenn Sie die sechs Schritte in Angriff nehmen, die im zweiten Kapitel zum Anliegen beschrieben sind. Sollten Sie nicht zu den 2 Prozent gehören, die ein bestimmtes Ziel haben, und einen konkreten Plan, um es zu erreichen, dann kann es passieren, dass Sie die Anweisungen lesen, zur Tagesordnung übergehen und sich nie wirklich daran halten.
An dieser Stelle möchte ich Sie zur Ordnung rufen, denn mangelnde Ausdauer ist der Hauptgrund für Misserfolg. Außerdem hat die Erfahrung Tausender gezeigt, dass zu wenig Durchhaltevermögen eine sehr verbreitete Schwäche ist – aber eine, die sich überwinden lässt, wenn man sich Mühe gibt. Wie leicht Ihre mangelnde Ausdauer zu kurieren ist, hängt ganz davon ab, wie dringend Sie etwas erreichen wollen.
Voraussetzung für jeden Erfolg ist ein Anliegen. Das sollten Sie stets vor Augen haben. Wer über kein richtiges Anliegen verfügt, der wird auch nichts Großes erreichen. Ein kleines Feuer erzeugt eben nur wenig Hitze. Haben Sie zu wenig Ausdauer, lässt sich diese Schwäche durch ein stärker brennendes Verlangen ausgleichen.
Lesen Sie das Buch ganz durch, nehmen Sie sich dann das zweite Kapitel noch einmal vor und beginnen Sie sofort
damit, die Anweisungen im Zusammenhang mit den sechs Schritten umzusetzen. Wie eifrig Sie sich nach diesen Anweisungen richten, zeigt deutlich, wie ernst es Ihnen damit ist, zu Geld zu kommen. Stellen Sie fest, dass es Ihnen gleichgültig ist, dann wissen Sie, dass Sie sich noch nicht das nötige »Geldbewusstsein« angeeignet haben, das Sie brauchen, um wirklich reich zu werden.
Geld sucht seinen Weg zu Menschen mit der richtigen Einstellung – zu Menschen, die es »anziehen«, so wie alles Wasser am Ende
ins Meer fließt. In diesem Buch finden Sie alle nötigen Anreize, um sich auf die Vibrationen »zu polen«, die anziehen, wonach Sie streben.
Stellen Sie fest, dass es Ihnen an Durchhaltevermögen fehlt, sollten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Anweisungen im Kapitel über »Macht« richten. Umgeben Sie sich mit einer »Master Mind«-Gruppe. Durch die gemeinschaftlichen Anstrengungen der Mitglieder dieser Gruppe können Sie Ausdauer entwickeln. Weitere Hinweise zur Stärkung Ihrer Ausdauer finden Sie in den Kapiteln über Autosuggestion und das Unterbewusstsein. Befolgen Sie die Anweisungen in diesen Kapiteln, bis antrainierte Gewohnheiten ein klares Bild vom Ziel Ihrer Wünsche ins Unterbewusstsein übergehen lassen. Ist das passiert, ist mangelndes Durchhaltevermögen kein Hinderungsgrund mehr für Sie.
Ihr Unterbewusstsein arbeitet ständig, ob Sie wach sind oder schlafen.
Halbherzige oder sporadische Anläufe, die Regeln zu praktizieren, bringen Ihnen nichts. Wenn Sie Ergebnisse sehen wollen, müssen Sie alle Regeln so lange konsequent anwenden, bis Ihnen das zur festen Gewohnheit geworden ist. Nur so können Sie das nötige »Geldbewusstsein« entwickeln.
Armut holt Menschen mit einer bestimmten Geisteshaltung ein. Ebenso tendiert Geld zu Menschen, die sich gezielt geistig darauf eingestellt haben, es zu bekommen. Dabei gelten dieselben Gesetzmäßigkeiten. Armutsbewusstsein ergreift automatisch Besitz von Menschen, die kein Geldbewusstsein haben. Ein Armutsbewusstsein entwickelt sich ganz ohne die bewusste Einübung förderlicher Gewohnheiten. Geldbewusstsein muss man sich dagegen gezielt aneignen, wenn man nicht damit zur Welt kommt.
Wer die ganze Tragweite der Aussagen im vorigen Absatz begreift, versteht, wie wichtig Ausdauer beim Vermögensaufbau ist. Ohne Ausdauer haben Sie schon verloren, bevor Sie richtig anfangen. Mit Ausdauer werden Sie gewinnen.
Wer schon einmal einen Albtraum hatte, der weiß um den Wert der Ausdauer. Sie liegen im Halbschlaf im Bett und haben das Gefühl, zu
ersticken. Sie können sich nicht umdrehen, keinen Muskel bewegen. Sie spüren, dass Sie die Kontrolle über Ihren Körper zurückgewinnen müssen. Durch Aufbietung aller Willenskraft gelingt es Ihnen am Ende, die Finger einer Hand zu bewegen. Indem Sie Ihre Finger immer kräftiger bewegen, gewinnen Sie die Kontrolle über die Muskeln eines Arms zurück, bis Sie ihn heben können. Dann bringen Sie den anderen Arm genauso unter Kontrolle. Am Ende können Sie auch ein Bein bewegen, und schließlich das andere. Und dann verschaffen Sie sich mit größter Willensanstrengung die vollständige Kontrolle über Ihren Muskelapparat und »klinken« sich aus Ihrem Albtraum aus. Dieser Trick funktioniert nur Schritt für Schritt.
Vielleicht müssen Sie sich ja auch auf ähnliche Weise aus Ihrer geistigen Trägheit »ausklinken«, indem Sie langsam anfangen und Ihr Tempo steigern, bis Sie Ihren Willen vollständig unter Kontrolle haben. Halten Sie durch, ganz gleich wie langsam es am Anfang auch geht. Ausdauer bringt Erfolg.
Wenn Sie sich Ihre »Master Mind«-Gruppe sorgfältig auswählen, befindet sich darunter mindestens ein Mitglied, das Ihnen bei der Entwicklung von Ausdauer hilft. Manche Menschen haben es aus Notwendigkeit zu viel Geld gebracht. Sie haben sich Ausdauer zur Gewohnheit gemacht, weil sie von ihren Lebensumständen dazu gezwungen wurden
.
Ohne Ausdauer geht es nicht! Sie lässt sich durch keine andere Eigenschaft ersetzen. Denken Sie daran, und halten Sie sich daran fest, wenn der Anfang schwierig und zäh erscheint.
Wer sich Ausdauer zur Gewohnheit gemacht hat, ist offenbar gegen Misserfolge gefeit. Ganz gleich wie viele Rückschläge er erleidet, am Ende schafft er es ganz nach oben. Manchmal scheint es, als würden Menschen gezielt im Rahmen eines heimlichen Plans durch alle möglichen frustrierenden Erfahrungen auf die Probe gestellt. Wer sich nach einer Niederlage wieder hochrappelt und einen neuen Anlauf wagt, der kommt ans Ziel, und die Welt jubelt: »Bravo! Ich wusste, du kannst es.« Der heimliche Plan lässt nicht zu, dass sich jemand großer
Leistungen erfreut, ohne den Ausdauertest bestanden zu haben. Wer dazu nicht antritt, der schafft es eben nicht.
Wer den Test »besteht«, wird für sein Durchhaltevermögen reich belohnt – damit, dass er sein erklärtes Ziel erreicht. Doch das ist noch nicht alles! Er bezieht daraus etwas sehr viel Wichtigeres als eine materielle Gegenleistung – nämlich die Erkenntnis, dass »in jedem Fehlschlag der Keim für eine entsprechende positive Entwicklung liegt«.
Es gibt allerdings Ausnahmen von dieser Regel. Manche Menschen wissen aus Erfahrung, was Ausdauer erreichen kann. Sie akzeptieren Rückschläge höchstens als vorübergehend. Sie setzen ihre Anliegen so hartnäckig um, dass sich die Niederlage am Ende in einen Sieg verwandelt. Wir Beobachter des Lebens sehen, wie eine überwältigend große Zahl von Menschen Niederlagen erleidet, von denen sie sich nie wieder erholen. Wir sehen aber auch die wenigen, für die ein Rückschlag eine Strafe ist, die sie nur zu noch größeren Anstrengungen
anspornt. Solche Menschen lernen zu ihrem Glück nie, den Rückwärtsgang des Lebens hinzunehmen. Was wir aber nicht sehen und von dessen Existenz die meisten nie etwas ahnen, ist die hintergründige, doch unbezwingbare Kraft, die denen zu Hilfe kommt, die sich nicht entmutigen lassen, sondern weiterkämpfen. Wenn überhaupt von dieser Kraft die Rede ist, dann wird sie als Ausdauer bezeichnet. Dabei wollen wir es bewenden lassen. Eines wissen wir aber alle: Wer keine Ausdauer besitzt, der kann auf keinem Gebiet nennenswerte Erfolge erzielen.
Wenn ich von meiner Arbeit an diesen Zeilen aufblicke, sehe ich ein paar Straßen weiter den sagenhaften, gefeierten »Broadway«, gleichermaßen der »Friedhof begrabener Hoffnungen« und das Tor »Pforte zu großen Chancen«. Aus aller Welt strömen Menschen an den Broadway auf der Suche nach Ruhm, Geld, Macht, Liebe oder dem, was gemeinhin als Erfolg bezeichnet wird. Von Zeit zu Zeit tritt einer aus der langen Prozession der Suchenden heraus, und die Welt erfährt, dass es wieder jemand am Broadway ganz nach oben geschafft hat. Doch so leicht oder schnell lässt sich der Broadway nicht erobern. Er
erkennt Begabung, honoriert das Genie und belohnt das alles auch finanziell –aber nur,
wenn jemand nicht aufgibt.
Dann wissen wir, dass er das Geheimnis des Erfolgs am Broadway ergründet hat. Und dieses Geheimnis ist untrennbar mit einem Wort verbunden: Ausdauer!
Von diesem Geheimnis erzählt der Kampf von Fannie Hurst, die mit Durchhaltevermögen die Theatermeile des Broadway eroberte. Sie kam 1915 nach New York, um sich ihr Geld als Autorin zu verdienen. Das gelang ihr nicht auf Anhieb. Vier Jahre lang erfuhr sie am eigenen Leib, warum der Broadway ein hartes Pflaster sein kann. Tagsüber arbeitete sie, nachts hing sie ihren Hoffnungen nach. Als diese allmählich bröckelten, sagte sie nicht: »Also gut, Broadway, du hast gewonnen!«, sondern: »Na schön, Broadway, den einen oder anderen kriegst du klein – aber mich nicht. Ich zeige dir schon noch, wo der Hammer hängt.«
Ein Verlag (The Saturday Evening Post) schickte ihr sechsunddreißig
Absagen, bevor sie »das Eis brechen« und eine Geschichte platzieren konnte. Ein mittelmäßiger Schreiberling – wie es auch für das »Mittelmaß« in anderen Lebensbereichen zutrifft – hätte sich schon bei der ersten Absage von dem Berufstraum verabschiedet. Sie aber putzte noch vier weitere Jahre Klinken und ließ sich von den Verlagen abweisen, weil sie entschlossen war, es zu schaffen.
Am Ende zahlte sich das aus. Der Bann war gebrochen, der heimliche Plan hatte Fannie Hurst für geeignet befunden. Von da an standen die Verleger bei ihr Schlange. Das Geld strömte so schnell herein, dass sie es kaum zu zählen vermochte. Später wurde sie für den Film entdeckt, und der Geldstrom wurde zur Springflut. Die Filmrechte an ihrem 1936 erschienenen Roman Great Laughter
brachten ihr 100 000 Dollar ein – wie es hieß, die höchste Summe, die je vor der Veröffentlichung für eine Story gezahlt worden sei. Die Tantiemen aus dem Buchverkauf dürften vermutlich noch darüber gelegen haben.
Damit ist im Grunde alles dazu gesagt, was man mit Ausdauer erreichen kann. Und Fannie Hurst ist keineswegs eine Ausnahme. Alle,
die es zu großem Reichtum gebracht haben, haben sich zunächst Durchhaltevermögen angeeignet, so viel steht fest. Jeder kann dem Broadway eine Tasse Kaffee und ein Sandwich abringen, doch der große Wurf verlangt Ausdauer.
Kate Smith wird »Amen« sagen, wenn sie das liest. Sie hat jahrelang für billiges Geld in jedes Mikrofon gesungen, das sie in die Finger kriegen konnte. Der Broadway sagte zu ihr: »Du schaffst es, wenn du lange genug durchhältst.« Und sie hielt durch – bis zu dem glücklichen Tag, an dem der Broadway nachgab und sagte: »Ach, was soll’s. Ein Nein kapierst du offenbar nicht, also sag, was du willst, und wir kommen ins Geschäft.« Und Kate Smith nannte ihren Preis! Der war so hoch, dass die meisten Menschen in einem ganzen Jahr nicht verdienen, was sie in der Woche verlangte.
Sie sehen: Es zahlt sich wirklich aus durchzuhalten!
Folgende ermutigende Aussage enthält einen ausgesprochen bedeutsamen Hinweis: Am Broadway warten Tausende Sängerinnen auf ihren »Durchbruch«, die besser sind als Kate Smith – vergeblich. Zahllose andere sind gekommen und wieder gegangen, von denen viele gut genug singen konnten, aber den Sprung nicht schafften, weil ihnen der Mut fehlte, weiterzumachen, bis der Broadway müde wurde, sie immer wieder abzuweisen.
Durchhaltevermögen ist eine Einstellung, die man sich aneignen kann. Wie alle Einstellungen gründet sich auch die Ausdauer auf bestimmte Faktoren wie:
a)
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Ein klares Ziel. Der erste und vielleicht wichtigste Schritt zur Entwicklung von Ausdauer ist, zu wissen, was man will. Wer ein starkes Motiv hat, kann viele Schwierigkeiten überwinden. |
b)
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Ein Anliegen. Wer ein echtes Anliegen hat, dem fällt es leichter, sich Durchhaltevermögen anzueignen und beizubehalten. |
c)
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Selbstvertrauen. Wer daran glaubt, dass er einen Plan umsetzen kann, kann mit größerer Ausdauer daran festhalten. (Selbstvertrauen lässt sich durch das im Kapitel über Autosuggestion beschriebene Prinzip aufbauen.) |
d)
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Konkrete Planung. Systematische Pläne, so wenig überzeugend oder unrealistisch sie auch sein mögen, steigern die Ausdauer. |
e)
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Sicheres Wissen. Wer aus Erfahrung oder Beobachtung weiß, dass die eigenen Pläne tragfähig sind, hält besser durch. Wer »spekuliert« statt zu »wissen«, untergräbt sein Durchhaltevermögen. |
f)
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Teamgeist. Einfühlungsvermögen, Verständnis und harmonische Zusammenarbeit mit anderen tragen zur Entwicklung von Ausdauer bei. |
g)
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Willenskraft. Die Angewohnheit, die eigenen Gedanken auf die Entwicklung von Plänen zum Erreichen eines bestimmten Ziels auszurichten, führt zu Durchhaltevermögen. |
h)
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Gewohnheit. Ausdauer ist die direkte Folge von Gewohnheit. Der menschliche Geist nimmt die täglichen Erfahrungen, von denen er lebt, in sich auf und wird Teil davon. Gegen Angst, den größten Feind, lässt sich effektiv Abhilfe schaffen, indem man sich zwingt, immer wieder couragiert vorzugehen.
Das weiß jeder, der schon aktiven Kriegsdienst geleistet hat. |
Um das Thema Ausdauer abzuschließen, sollten Sie Bilanz ziehen und ermitteln, in welcher bestimmten Hinsicht Ihnen diese wesentliche Eigenschaft abgeht – wenn überhaupt. Prüfen Sie sich selbstkritisch und stellen Sie fest, wie viele der acht Durchhaltefaktoren Ihnen fehlen. Die Analyse kann Ihnen Aspekte offenbaren, die Ihnen zu ganz neuer Selbstbeherrschung verhelfen.
ANZEICHEN FÜR MANGELNDE AUSDAUER
Im Folgenden erfahren Sie mehr über Ihr größtes Hindernis für herausragende Leistungen. Sie erkennen nicht nur die »Symptome« für schwaches Durchhaltevermögen, sondern auch die tief sitzenden
unterbewussten Ursachen für diese Schwäche. Lesen Sie sich diese Liste aufmerksam durch und seien Sie ehrlich zu sich selbst: Wollen Sie wirklich wissen, wer Sie sind und was Sie erreichen können? Wer reich werden will, muss die folgenden Schwächen in den Griff bekommen:
-
Nicht zu erkennen und klar zu definieren, was man wirklich will.
-
Mit oder ohne Grund zu zaudern (gewöhnlich untermauert durch eine lange Litanei von Ausreden und Ausflüchten).
-
Mangelndes Interesse am Erwerb von Fachkenntnissen.
-
Unentschlossenheit. Die Gewohnheit, immer anderen den Schwarzen Peter zuzuschieben, statt sich Problemen zu stellen (ebenfalls unter Ausflüchten).
-
Die Angewohnheit, Ausreden zu finden, statt sich konkrete Pläne zur Lösung von Problemen zu überlegen.
-
Selbstgefälligkeit. Gegen diese Krankheit ist kaum ein Kraut gewachsen. Wer darunter leidet, ist ein hoffnungsloser Fall.
-
Gleichgültigkeit, die sich in aller Regel in ständiger Kompromissbereitschaft äußert, statt aktiv Widerstand zu leisten.
-
Die Angewohnheit, anderen die eigenen Fehler in die Schuhe zu schieben und widrige Umstände als unvermeidbar hinzunehmen.
-
Mangelndes Engagement aufgrund von Nachlässigkeit bei der Auswahl der Motive, die zur Handlung antreiben.
-
Die Bereitschaft oder gar Bereitwilligkeit, beim ersten Anzeichen für eine Niederlage die Flinte ins Korn zu werfen. (Basierend auf einer oder mehreren der sechs Grundformen der Angst.)
-
Mangelnde systematische Planung, die schriftlich niedergelegt wird, um sie analysieren zu können.
-
Die Angewohnheit, auf Ideen nicht zu reagieren oder Chancen nicht zu ergreifen, wenn sie sich bieten.
-
Zu wünschen statt zu wollen.
-
Die Angewohnheit, sich mit der Armut abzufinden, statt nach Reichtum zu streben. Die allgemeine Abwesenheit von Ambitionen, jemand zu sein
, etwas zu tun
und etwas zu besitzen
.
-
Die Suche nach leichteren Wegen zum Geld, der Versuch, zu nehmen ohne entsprechende Gegenleistung, der sich gewöhnlich in der Neigung zum Glücksspiel und zur Feilscherei äußert.
-
Angst vor Kritik. Von vornherein keine Pläne zu schmieden oder sie nicht umzusetzen im Gedanken an das, was andere denken, tun oder sagen werden. Dieser Feind sollte ganz oben auf der Liste stehen, denn er lauert gewöhnlich unbemerkt im Unterbewusstsein. (Siehe die sechs Grundformen der Angst in einem späteren Kapitel.)
Werfen wir einen näheren Blick auf die Symptome der Angst vor Kritik. Die meisten Menschen gestatten Angehörigen, Freunden und der breiten Öffentlichkeit, sie so zu beeinflussen, dass sie aus lauter Angst vor Kritik nicht selbstbestimmt leben können.
Enorm viele Menschen heiraten den falschen Partner, halten aber an der Ehe fest und gehen elend und unglücklich durchs Leben, weil sie Angst vor der Kritik haben, die sie auf sich ziehen könnten, wenn sie den Fehler korrigieren. (Jeder, der schon einmal dieser Form der Angst nachgegeben hat, weiß, welch irreparable Schäden sie anrichtet, indem sie Ehrgeiz, Selbstvertrauen und Erfolgswillen unterminiert.)
Millionen von Menschen verzichten darauf, Bildung nachzuholen, wenn sie die Schule verlassen haben, weil sie Kritik befürchten.
Zahllose Männer und Frauen jeden Alters lassen zu, dass ihre Familie im Namen des Pflichtbewusstseins ihr Leben zerstört, weil sie Angst vor Kritik haben. (Pflichtbewusstsein verlangt von niemandem, zuzulassen, dass seine persönlichen Ambitionen zerstört werden, und auf das Recht zu verzichten, sein Leben selbstbestimmt zu leben.)
Menschen lassen geschäftliche Chancen ungenutzt, weil sie Kritik fürchten, falls sie scheitern. Die Angst vor Kritik ist in solchen Fällen stärker als das Anliegen, Erfolg zu haben.
Zu viele Menschen wollen sich keine ehrgeizigen Ziele setzen, ja, entscheiden sich sogar gegen eine berufliche Karriere, weil sie
die Kritik ihrer Familien und »Freunde« fürchten, die sagen könnten: »Wenn du so hoch hinaus willst, werden dich alle für verrückt halten.«
Als Andrew Carnegie vorschlug, ich solle mich zwanzig Jahre lang der Erarbeitung einer Philosophie für den persönlichen Erfolg widmen, war mein erster Gedanke geprägt von der Angst, was die Leute sagen könnten. Sein Vorschlag steckte mir ein Ziel, das jenseits aller meiner Vorstellungen lag. Wie der Blitz suchte mein Verstand nach Ausreden und Vorwänden, die sich alle auf meine angeborene Angst vor Kritik zurückführen ließen. Meine innere Stimme sagte: »Das kannst du nicht – die Aufgabe ist zu groß, das dauert zu lange – was wird deine Familie dazu sagen? Wovon willst du leben? Noch nie hat jemand eine solche Erfolgsphilosophie auf die Beine gestellt. Wie kommst du auf den Gedanken, dass du das kannst? Wer bist du denn, dass du dir das zutraust? Denk an deine bescheidenen Anfänge. Was weißt du denn über Philosophie? Die Leute werden glauben, du seist verrückt. (Und so war es auch.) Wieso hat das denn noch niemand anderer versucht?«
Diese und viele weitere Fragen schossen mir durch den Kopf und lenkten mich ab. Mir schien, die ganze Welt habe plötzlich ihre Aufmerksamkeit auf mich gerichtet, um mich so lächerlich zu machen, dass mir alle Lust verging, auf Carnegies Vorschlag einzugehen.
Damals hatte ich die ideale Gelegenheit, den Ehrgeiz abzuwürgen, bevor er Besitz von mir ergriff. Viel später, nachdem ich Tausende andere Menschen analysiert hatte, wurde mir klar, dass die meisten Ideen Totgeburten sind. Leben wird ihnen erst eingehaucht durch konkrete Handlungsanstöße. Eine Idee will aufgepäppelt werden, wenn sie entsteht. Mit jeder Minute, die man sie am Leben erhält, steigen ihre Überlebenschancen. Die Angst vor Kritik zerstört die meisten Ideen, die es nie ins Stadium der Planung und Umsetzung schaffen.
Viele Menschen glauben, dass jeder nennenswerte Erfolg das Resultat eines glücklichen Zufalls ist. Diese Überzeugung entbehrt nicht einer gewissen Grundlage, doch wer sich ausschließlich auf sein Glück verlässt, wird fast immer enttäuscht, denn er übersieht dabei
einen anderen wesentlichen Faktor, der eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg eines Unterfangens ist: zu wissen, wie man glückliche Zufälle gezielt herbeiführt.
Während der Weltwirtschaftskrise verlor der Komiker W. C. Fields sein gesamtes Vermögen. Da stand er, ohne Einkommen, ohne Job, und das Varieté, in dem er sich seinen Lebensunterhalt verdiente, gab es nicht mehr. Außerdem war er schon über 60 – ein Alter, in dem sich andere »alt« fühlen. Doch er wollte so unbedingt ein Comeback schaffen, dass er anbot, ohne Gage aufzutreten – in einem neuen Medium (dem Film). Zu allem Überfluss stürzte er auch noch und verletzte sich am Hals. An diesem Punkt hätten viele aufgegeben und das Handtuch geworfen. Doch Fields besaß Ausdauer. Er wusste, wenn er am Ball blieb, würde es früher oder später auch glückliche Zufälle geben – und die kamen. Er musste allerdings schon ein wenig nachhelfen.
Marie Dressler stand ebenfalls mit 60 ohne Geld und ohne Job da. Auch sie setzte auf glückliche Zufälle, und sie traten ein. Ihre Beharrlichkeit bescherte ihr spät im Leben noch erstaunliche Triumphe – in einem Alter, in dem die meisten Menschen längst keinen Ehrgeiz mehr entwickeln.
Eddie Cantor verlor sein Geld beim Börsencrash von 1929, doch seine Ausdauer und sein Mut blieben ihm erhalten. Damit und mit zwei wachen Augen verschaffte er sich wieder ein Einkommen von 10 000 Dollar pro Woche! Wer Durchhaltevermögen besitzt, der kommt auch ohne größere sonstige Qualitäten ganz gut zurecht.
Der einzige glückliche Zufall, auf den man sich verlassen kann, ist der selbst herbeigeführte. Und das gelingt durch Beharrlichkeit. Die Grundlage dafür ist Zielstrebigkeit.
Fragen Sie die ersten hundert Leute, die ihnen über den Weg laufen, was sie sich im Leben am meisten wünschen. 98 Prozent werden keine Antwort darauf haben. Haken Sie nach, werden manche Sicherheit nennen, andere Geld, ein paar Glück und wieder andere Ruhm und Macht. Noch andere werden sagen gesellschaftliche Anerkennung, ein leichtes Leben oder dass sie singen, tanzen oder schreiben
können möchten. Doch niemand wird das näher definieren oder auch nur den leisesten Hauch eines Plans vorweisen können, durch den er diese vage formulierten Wünsche zu verwirklichen hofft. Das Leben ist aber kein Wunschkonzert. Reichtum stellt sich nur ein, wenn Sie konkrete Pläne haben, denen ein klares Anliegen zugrunde liegt und die sie beharrlich umsetzen.
WIE SIE AUSDAUER ENTWICKELN
Es sind vier einfache Schritte, die zu gewohnheitsmäßiger Beharrlichkeit führen. Sie erfordern weder besondere Intelligenz noch höhere Bildung und nur wenig Zeit und Mühe. Die nötigen Schritte sind:
-
ein konkretes Ziel, dem das dringende Anliegen zugrunde liegt, es zu erreichen.
-
ein konkreter Plan, der sich in laufender Aktivität ausdrückt.
-
eine Einstellung, die sich hermetisch gegen alle negativen und entmutigenden Einflüsse abschottet, einschließlich negativer Impulse aus der Familie und dem Freundes- und Bekanntenkreis.
-
ein freundschaftliches Bündnis mit einer oder mehreren Personen, die dazu ermutigen, den Plan und das Ziel bis zum Ende zu verfolgen.
Diese vier Schritte sind die Voraussetzung für Erfolg in allen Lebenslagen. Der Zweck der dreizehn Grundsätze dieser Philosophie ist im Grunde nur, Menschen in die Lage zu versetzen, diese vier Schritte gewohnheitsmäßig
zu unternehmen.
Es sind die Schritte, durch die sich das eigene wirtschaftliche Geschick steuern lässt.
Es sind die Schritte, die zu freiem, unabhängigem Denken führen.
Es sind die Schritte, die zu – großem oder bescheidenerem – Reichtum führen
.
Es sind die Schritte, die zu Macht, Ruhm und irdischer Anerkennung führen.
Es sind die Schritte, die für glückliche Zufälle sorgen.
Es sind die Schritte, die Träume Wirklichkeit werden lassen.
Und nebenbei sind es die Schritte, die dazu führen, dass Sie Angst, Entmutigung und Gleichgültigkeit in den Griff bekommen.
Wer lernt, diese vier Schritte zu gehen, wird dafür reich belohnt – mit dem Privileg, sein Leben selbst zu bestimmen und ihm den selbst festgelegten Preis abzufordern.
Ich habe zwar keinen persönlichen Einblick in die näheren Umstände, wage aber zu behaupten, dass Wallis Simpsons große Liebe zu einem Mann nicht von ungefähr kam und auch nicht allein das Ergebnis glücklicher Zufälle war. Sie empfand ein brennendes Verlangen und tastete sich Schritt für Schritt voran. Ihre vornehmste Pflicht galt der Liebe. Was ist das Wichtigste auf der Welt? Die Liebe – nicht menschengemachte Vorschriften, Kritik, Verbitterung, Verleumdung oder politisch motivierte »Verbindungen«, sondern die Liebe.
Wallis Simpson wusste, was sie wollte – nicht erst, nachdem sie den Prince of Wales kennengelernt hatte, sondern lange vorher. Zweimal hatte sie danebengegriffen, und beide Male hatte sie den Mut gehabt, sich erneut auf die Suche zu machen. »Sei zu dir selbst aufrichtig und dem wird folgen wie die Nacht dem Tage, dass du zu einem anderen nicht falsch sein kannst.«
Langsam, aber sicher und beharrlich trat sie aus ihrem Schattendasein heraus und triumphierte, obwohl ihre Chancen denkbar schlecht standen. Wer Sie auch sind oder was Sie auch von Wallis Simpson halten, oder von dem König, der ihr zuliebe auf seine Krone verzichtete, sie ist ein exemplarisches Beispiel für praktizierte Beharrlichkeit und lebte eine Entschlossenheit vor, von der die ganze Welt viel lernen könnte.
Wenn Sie an Wallis Simpson denken, denken Sie an eine Frau, die wusste, was sie wollte, und ein Weltreich ins Wanken brachte, um es zu erreichen. Frauen, die sich beklagen, in einer Männerwelt zu
leben, in der Frauen von Haus aus weniger Chancen haben, schulden es sich selbst, das Leben dieser ungewöhnlichen Frau zu studieren, die in einem Alter, in dem sich die meisten Frauen »alt« fühlen, die Zuneigung eines der begehrtesten Junggesellen der Welt gewann.
Und König Edward? Welche Lehre können wir aus seiner Rolle in dem seinerzeit größten Drama der Welt ziehen? Zahlte er einen zu hohen Preis für die Liebe seiner Herzensdame?
Das kann natürlich nur er beantworten.
Wir übrigen können lediglich spekulieren. Doch so viel wissen wir: Der König wurde nicht gefragt, in welche Wiege er gelegt werden wollte. Er wurde in großen Reichtum hineingeboren, ohne dass er darum gebeten hatte. Ihm wurde ständig die Ehe angetragen. Politiker und Staatsmänner aus ganz Europa legten ihm Witwen und Prinzessinnen zu Füßen. Weil er der Erstgeborene seiner Eltern war, erbte er die Krone, was er sich nicht ausgesucht hatte und womöglich gar nicht wollte. Über 40 Jahre lang war er nicht Herr seiner Entscheidungen, konnte nicht so leben, wie er wollte, hatte wenig Privatsphäre und übernahm letztlich die ihm auferlegten Pflichten, als er den Thron bestieg.
Manche werden sagen: »König Edward hatte es so gut, das hätte ihm doch Seelenfrieden, Zufriedenheit und Lebensfreude geben müssen.«
In Wahrheit stand hinter all den Privilegien eines gekrönten Hauptes, all dem Geld, der Popularität und der Macht, die König Edward erbte, eine Leere, die nur durch die Liebe verdrängt werden konnte.
Sein größtes Anliegen war die Liebe. Sicherlich spürte er schon lange vor seiner Begegnung mit Wallis Simpson dieses starke, universelle Gefühl, dass da an seinem Herzen riss und an die Türe seiner Seele klopfte und ein Ventil suchte.
Und als er dann eine Seelenverwandte traf, die dasselbe heilige Privileg einforderte, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, erkannte er das, öffnete ohne Angst oder Ausflüchte sein Herz und ließ sie ein.
Auch die größten Klatschmäuler der Welt können der schönen Seite dieses internationalen Dramas nichts anhaben, im Zuge dessen
zwei Menschen die Liebe gefunden und den Mut aufgebracht haben, sich der offenen Kritik zu stellen und auf alles andere zu verzichten, um dieses heilige
Gefühl zu leben.
König Edwards Entscheidung, auf die Krone des mächtigsten Weltreiches zu verzichten für das Privileg, den Rest seines Lebens mit der Frau seiner Wahl zu verbringen, erforderte Mut. Sie hatte auch ihren Preis, doch wer hat das Recht, zu behaupten, der Preis sei zu hoch gewesen? Sicher nicht der, der gesagt hat: »Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie!«
28
Dem Böswilligen, der dem Herzog von Windsor übel nimmt, dass sein Anliegen die Liebe war und dass er seine Liebe zu Wallis Simpson öffentlich erklärte und für sie abdankte, sei gesagt, dass er sich nicht hätte öffentlich erklären müssen. Er hätte stattdessen, was in Europa seit Jahrhunderten der übliche Weg war, eine heimliche Beziehung führen können, ohne dafür seinen Thron oder die Frau seiner Wahl aufzugeben, und dazu hätte es weder von kirchlicher noch von weltlicher Seite kritische Kommentare gehagelt. Doch dieser ungewöhnliche Mann war aus anderem Holz geschnitzt. Seine Liebe war rein. Sie war ehrlich und kam aus tiefstem Herzen. Sie war das, was er vor allem anderen in Wirklichkeit unbedingt wollte. Und deshalb entschied er sich dafür und zahlte den geforderten Preis.
Wäre Europa in den letzten hundert Jahren mit mehr Herrschern gesegnet gewesen, die das menschliche Herz und die Ehrlichkeit von Edward besessen hätten, hätte dieser unglückliche Kontinent, auf dem derzeit Gier, Hass, Begierde, politische Intrigen und Kriegsgefahr herrschen, eine andere, schönere Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte der Liebe, nicht des Hasses.
Lassen Sie uns mit den Worten Stuart Austin Wiers unser Glas erheben und diesen Toast auf den früheren König Edward und Wallis Simpson ausbringen
:
»Gesegnet ist der Mensch, der erfahren hat, dass unsere stillen Gedanken unsere süßesten Gedanken sind.
Gesegnet ist der Mensch, der aus den schwärzesten Tiefen die leuchtende Gestalt der Liebe sehen und singen kann: ›Süßer als alle Balladen sind meine Gedanken über dich.‹«
Mit diesen Worten würden wir den beiden Menschen Tribut zollen, die im modernen Zeitalter mehr als jeder andere zur Zielscheibe von Kritik und Schimpf wurden, weil sie den größten Schatz des Lebens gefunden und für sich beansprucht hatten. (Wallis Simpson hat diese Einschätzung gelesen und gebilligt.)
Alle Welt wird dem Herzog von Windsor und Wallis Simpson applaudieren, weil sie ausdauernd weitergesucht haben, bis sie gefunden hatten, wofür es sich wirklich zu leben lohnt. Wir alle können von ihrem Vorbild nur profitieren bei unserer eigenen Suche nach dem Sinn in unserem Leben.
Welche geheimnisvolle Macht gibt Menschen, die Ausdauer besitzen, die Fähigkeit, Schwierigkeiten zu bewältigen? Setzt Durchhaltevermögen im Kopf irgendeinen spirituellen, mentalen oder chemischen Prozess in Gang, der übernatürliche Kräfte verleiht? Stellt sich die grenzenlose Intelligenz auf die Seite von Menschen, die weiterkämpfen, obwohl die Schlacht bereits verloren ist – und der Rest der Welt auf der anderen Seite steht?
Diese und viele ähnliche Fragen habe ich mir gestellt bei der Beobachtung von Menschen wie Henry Ford, der aus dem Nichts ein gewaltiges Industrieimperium aufgebaut hat, obwohl er am Anfang über wenig mehr als seine Ausdauer verfügte. Oder wie Thomas A. Edison, der kaum drei Monate zur Schule gegangen war, zum größten Erfinder der Welt wurde und mithilfe von Ausdauer den Sprechapparat, den Filmapparat und die Glühbirne erfand – und zig weitere nützliche Erfindungen.
Ich hatte das Vergnügen, mich über viele Jahre, Jahr um Jahr, genauer mit Edison und Ford zu befassen und konnte sie daher aus der Nähe studieren. Ich weiß also, wovon ich spreche, wenn ich sage: Die
einzige Eigenschaft der beiden, die ihre herausragenden Leistungen auch nur ansatzweise erklären kann, ist die Ausdauer.
Eine unvoreingenommene Analyse der Propheten, Philosophen, Wundertäter und religiöser Leitfiguren vergangener Zeiten verleitet unausweichlich zu der Schlussfolgerung, dass Ausdauer, Konzentration und Zielstrebigkeit die Hauptgründe für ihre Erfolge waren.
Ein Beispiel dafür ist die ebenso seltsame wie faszinierende Geschichte Mohammeds. Setzen Sie sich mit seinem Leben auseinander, vergleichen Sie ihn mit erfolgreichen Persönlichkeiten des modernen Industrie- und Finanzzeitalters, und Sie werden feststellen: Ihre hervorstechende Gemeinsamkeit ist die Ausdauer.
Interessieren Sie sich wirklich näher für die merkwürdige Macht, die der Ausdauer ihre Wirkung verleiht, dann lesen sie eine Mohammed-Biografie – insbesondere die von Essad Bey. Die kurze Rezension dieses Buches von Thomas Sugrue in der Herald-Tribune
gibt einen Vorgeschmack auf das besondere Vergnügen, das alle erwartet, die sich die Zeit nehmen, die ganze Geschichte über eines der erstaunlichsten Beispiele für die Macht der Ausdauer zu lesen, die die Zivilisation kennt.
DER LETZTE GROSSE PROPHET – REZENSION VON THOMAS SUGRUE
Mohammed war ein Prophet, der nie ein Wunder vollbrachte. Er war weder Mystiker noch Gelehrter. Er begann seine Mission erst im Alter von 40 Jahren. Als er sagte, er sei der Prophet Gottes und verkünde den wahren Glauben, wurde er verspottet und für verrückt erklärt. Kinder trieben Schabernack mit ihm, Frauen bewarfen ihn mit Unrat. Er wurde aus seiner Heimatstadt Mekka vertrieben und seine Anhänger wurden enteignet und ihm in die Wüste hinterhergeschickt. Nach zehnjährigem Predigen hatte er nichts vorzuweisen außer Verbannung, Armut, Hohn und Spott. Keine zehn Jahre später war er
Gebieter von ganz Arabien, Herrscher von Mekka und Oberhaupt einer neuen Weltreligion, die bis zur Donau und zu den Pyrenäen vordringen sollte, bevor der Impuls nachließ, den er ihr verlieh. Dieser Impuls setzte sich aus drei Faktoren zusammen: der Macht des Wortes, der Wirksamkeit des Gebets und der Nähe des Menschen zu Gott.
Mohammeds Aufstieg war nicht zu erklären. Er war der Spross eines verarmten Zweigs einer einflussreichen Mekkaer Familie. Weil die Lebensbedingungen in Mekka, dem Knotenpunkt der Welt, Standort des magischen Würfels namens Kaaba, wichtige Handelsstadt, wo sich bedeutende Handelsrouten kreuzten, so ungesund waren, wurden die Kinder in die Wüste geschickt und von Beduinen aufgezogen. So wuchs auch Mohammed auf, stark und bei guter Gesundheit durch die Milch nomadischer Ammen. Er hütete Schafe und verdingte sich bald als Karawanenführer bei einer reichen Witwe. Er reiste im gesamten Orient umher, sprach mit vielen Menschen unterschiedlichen Glaubens und beobachtete den Zerfall des Christentums in einander bekämpfende Sekten. Als er 28 Jahre alt war, fiel der wohlwollende Blick der Witwe Chadidscha auf ihn, und sie nahm ihn zum Mann. Ihr Vater wäre mit einer solchen Ehe nicht einverstanden gewesen. Deshalb machte sie ihn betrunken und stützte ihn, während er seinen väterlichen Segen spendete. Zwölf Jahre lang lebte Mohammed das Leben eines reichen, angesehenen und ausgesprochen klugen Kaufmanns. Er fing an, Ausflüge in die Wüste zu unternehmen. Eines Tages kehrte er mit der ersten Sure des Korans zurück. Er erzählte Chadidscha, ihm sei der Erzengel Gabriel erschienen und habe ihm gesagt, er sei der Prophet Gottes.
Der Koran, das offenbarte Wort Gottes, war das, was in Mohammeds Leben einem Wunder am nächsten kam. Mohammed war kein Dichter. Er konnte nicht schreiben. Doch die Suren des Korans, wie er sie empfing und vor den Gläubigen rezitierte, waren besser formuliert als die Verse, die die berufsmäßigen Dichter der Stämme hervorbrachten. Für die Araber war das ein Wunder. Sprachbegabung galt als größte Gabe, der Dichter als allmächtig. Außerdem sagte der Koran, vor
Gott seien alle Menschen gleich und die Welt solle ein demokratischer Staat sein – der Islam. Diese politische Ketzerei und Mohammeds Bestreben, alle 360 Götzenbilder im Hof der Kaaba zu zerstören, trugen ihm die Verbannung ein. Die Götzenbilder zogen die Wüstenstämme nach Mekka, und das förderte den Handel. Deshalb wendeten sich die Geschäftsleute Mekkas, die Kapitalisten, zu denen er selbst gehört hatte, gegen Mohammed. Da zog er sich in die Wüste zurück, um die Weltherrschaft zu fordern.
Damit begann der Aufstieg des Islam. Aus der Wüste loderte eine Flamme, die sich nicht löschen ließ – ein demokratisches Heer, das gemeinsam antrat und ohne zu zögern bereit war, zu sterben. Mohammed hatte Juden und Christen aufgefordert, sich ihm anzuschließen. Er schuf keine neue Religion. Er rief alle auf, die an einen Gott glaubten, sich einem Glauben anzuschließen. Wären Juden und Christen diesem Ruf gefolgt, hätte der Islam die Welt erobert. Doch das taten sie nicht. Sie akzeptierten noch nicht einmal Mohammeds neumodische humane Kriegsführung. Als die Heerscharen des Propheten nach Jerusalem vordrangen, wurde nicht ein Mensch seines Glaubens wegen getötet. Als die Kreuzfahrer Jahrhunderte später in die Stadt einfielen, wurde kein Muslim verschont, ob Mann, Frau oder Kind. Eine muslimische Idee übernahmen die Christen jedoch – den Ort des Lernens, die Universität.