Manche Beobachter ziehen aus dieser Episode den falschen Schluss, das Pfund sei zusammengebrochen, weil Soros, Druckenmiller und andere Spekulanten es verkauften. Richtig ist jedoch die Interpretation, dass das Pfund nur deshalb nicht schon früher gefallen war, weil die Bank of England eingegriffen hatte. Als die Intervention zurückgefahren wurde, fiel das Pfund augenblicklich auf das von den ökonomischen Kräften diktierte Niveau. Im Endeffekt riefen die Spekulanten also keinen unbegründeten Kursverfall hervor, sondern machten einem künstlich hoch gehaltenen Preis vorzeitig ein Ende. Es mag sein, dass der Kanonenschuss die Lawine auslöst, aber die eigentliche Ursache ist die instabile Struktur.

Kurz gesagt kann das Agieren von Hedgern und Regierungen am Markt zu Preis-Ungleichgewichten und somit zu Gewinnchancen führen, die es laut der Effizienzmarkthypothese gar nicht geben dürfte.

Die fehlende Zutat

Wenn ein Verfechter der Theorie der Markteffizienz ein Kochbuch schreiben würde, könnte die Zutatenliste für eine Hühnersuppe etwa so aussehen:

1 Esslöffel Olivenöl

2 Zwiebeln

2 Liter kochendes Wasser

2 Lorbeerblätter

1 große Karotte

1 Stangensellerie

1/2 Teelöffel getrockneter Thymian

1/4 Tasse frische Petersilie

gemahlener Pfeffer

Das ist kein schlechtes Rezept, bloß dass eine Zutat fehlt, die ein Koch im richtigen Leben vielleicht wichtig finden könnte: das Huhn.

Für jemanden, der wirklich schon an Märkten gehandelt hat, ist eine Theorie der Marktpreise, in der die Rolle und der Einfluss menschlicher Emotionen fehlen, genauso vollständig und hilfreich wie ein Rezept für Hühnersuppe ohne Huhn. Die Effizienzmarkthypothese geht bedingungslos davon aus, dass die Märkte immer rational reagieren – aber diese Vorstellung ignoriert die Tatsache, dass an den Märkten keine Roboter handeln, sondern Menschen, und dass Menschen häufig eher aufgrund von Emotionen als aufgrund von Informationen reagieren.

Verhaltensökonomiker haben klar demonstriert, dass die Menschen von Natur aus irrationale Entscheidungen treffen. Ein Beispiel dafür ist das klassische Experiment, das Kahneman und Tversky, zwei Pioniere der Prospekttheorie, durchgeführt haben. Die Versuchspersonen wurden vor die hypothetische Wahl zwischen einem sicheren Gewinn von 3.000 Dollar und einer 80-prozentigen Gewinnchance auf 4.000 Dollar bei einer 20-prozentigen Chance gestellt, gar nichts zu bekommen.13

Die überwältigende Mehrzahl der Menschen bevorzugte den sicheren Gewinn von 3.000 Dollar, obwohl der erwartete Gewinn bei der anderen Alternative höher war (0,8 × 4.000 Dollar = 3.200 Dollar). Dann drehten Kahneman und Tversky die Fragestellung um und stellten Menschen vor die Wahl zwischen einem sicheren Verlust von 3.000 Dollar und der 80-prozentigen Chance auf einen Verlust von 4.000 Dollar bei einer 20-prozentigen Wahrscheinlichkeit, nichts zu verlieren. In diesem Fall entschied sich die überwiegende Mehrheit für das Glücksspiel und nahm die 80-prozentige Wahrscheinlichkeit eines Verlusts von 4.000 Dollar in Kauf, obwohl der erwartete Verlust dabei 3.200 Dollar betrug. Die Menschen trafen in beiden Fällen irrationale Entscheidungen, denn sie wählten jeweils die Alternative mit dem geringeren erwarteten Gewinn oder dem größeren erwarteten Verlust. Warum? Weil das Experiment eine Eigenart des menschlichen Umgangs mit Risiko und Gewinn widerspiegelte: Wenn es um Gewinne geht, sind die Menschen risikoscheu, aber bei der Verlustvermeidung gehen sie gerne Risiken ein. Diese Eigenart des Verhaltens wirkt sich sehr auf das Trading aus, denn sie erklärt, weshalb die Menschen dazu neigen, ihre Verluste laufen zu lassen und ihre Gewinne zu begrenzen. Somit ist das alte Klischee, das nichtsdestoweniger ein brauchbarer Ratschlag ist, dass man „seine Gewinne laufen lassen und seine Verluste begrenzen“ soll, tatsächlich das genaue Gegenteil von dem, wozu die meisten Menschen neigen.

Bankrotte Unternehmen bieten ein perfektes Beispiel dafür, dass einen die menschliche Natur dazu verleitet, Verluste laufen zu lassen. Im Falle eines Bankrotts werden die Inhaber von Stammaktien als Letzte ausbezahlt – also nach allen anderen Klassen von Anleiheinhabern, Gläubigern, Beschäftigten, im Falle fälliger Steuern dem Staat und den Inhabern von Vorzugsaktien. Wenn nach dem Verkauf der Vermögenswerte genug Geld da wäre, um alle diese Parteien auszubezahlen, wäre das Unternehmen wahrscheinlich gar nicht erst bankrottgegangen. Sobald sicher ist, dass ein Unternehmen Insolvenz beantragt, müssten seine Aktien daher wertlos werden. Aber trotzdem werden die Aktien bankrotter Unternehmen noch eine ganze Weile deutlich über null gehandelt, bevor sie schließlich der Vergessenheit anheimfallen. Wie kommt das? Obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass die Aktie irgendwann auf null fällt, quasi 100 Prozent beträgt, stellen die Menschen folgende Überlegung an: „Ich habe die Aktie für 30 Dollar gekauft und jetzt steht sie auf einem Dollar. Ich habe also schon 29 Dollar verloren und der schlimmste Fall ist ein Verlust von 30 Dollar. Da kann ich es doch genauso gut versuchen.“ Was die Vermeidung von Totalverlusten angeht, sind die Menschen risikobereit, und diese Tatsache erklärt einen großen Teil des Marktverhaltens.

Das rationale Verhalten und die grundlegende Wirtschaftstheorie lassen erwarten, dass Menschen einen Artikel mit umso geringerer Wahrscheinlichkeit kaufen, je teurer er ist. Die Preise von Wertpapieren spiegeln allerdings häufig genau das umgekehrte eigenartige Muster wider: Stetig steigende Preise können zusätzliche Käufer anlocken, weil sie dann immer mehr befürchten, sie könnten eine Hausse verpassen. Im Extremfall resultiert daraus eine Preisblase. Vergleichbare Fundamentaldaten können mit extrem unterschiedlichen Preisen verbunden sein, weil die Psychologie des Menschen so chaotisch und unberechenbar ist. Die bereits besprochene Internetblase ist ein perfektes Beispiel dafür. Innerhalb von nur drei Jahren hat sich der Internet-Index versiebenfacht und den gesamten Gewinn wieder abgegeben. Dieser Parabelflug der Kurse lässt sich viel leichter als Niederschlag sich umschlagender Emotionen erklären – von der Euphorie zur Panik – denn als Reaktion auf eine gleichzeitige dramatische Verbesserung der Fundamentaldaten, gefolgt von einer drastischen Verschlechterung.

Der wesentliche Punkt ist hier, dass die Effizienzmarkthypothese jeglichen Einfluss menschlicher Emotionen auf die Preise außen vor lässt und somit notwendigerweise eine unvollständige Theorie des Preisverhaltens ist. Tatsächlich lassen sich alle bisher angeführten Widersprüche in der Theorie der Markteffizienz auf das Potenzial menschlicher Emotionen und irrationalen Verhaltens zurückführen, Preise zu verzerren. Die Märkte berücksichtigen nicht akkurat alle bekannten Fundamentaldaten, vielmehr berücksichtigen sie diese Informationen zu stark oder zu schwach – je nach der Gefühlslage des Marktes. Und im Endeffekt ist das eine der Ursachen von Investment- oder Trading-Gelegenheiten.

Es ist ein viel realistischeres Modell der tatsächlichen Funktionsweise von Märkten, dass die Preise von einer Kombination aus Fundamentaldaten und Emotionen bestimmt werden. Die exakt gleiche Kombination von Fundamentaldaten kann in unterschiedlichen emotionalen Situationen zu unterschiedlichen Preisen führen. Die lange Geschichte der Börsenblasen und Börsencrashs liefert überwältigende empirische Belege dafür, dass der „Massenwahn“14 die Marktpreise weit über jegliches rationale Niveau hinaustragen kann, das sich aus dem Wert und aus den Fundamentaldaten ergibt, und dass eine Börsenpanik überstürzte Preisrückgänge hervorrufen kann, die von allen gleichzeitigen Veränderungen der Fundamentaldaten völlig losgelöst sind. Es verläuft eine gerade Linie von der Tulpenmanie im Holland des 17. Jahrhunderts, als „Häuser und Grundstücke […] zu ruinös niedrigen Preisen […] bei Transaktionen an der Tulpenbörse in Zahlung gegeben“ wurden,15 zu der riesigen Nachfrage nach verbrieften Hypothekendarlehen Anfang der 2000er-Jahre, als die Anleger gegen einen winzigen Renditeaufschlag begierig AAA-Tranchen von Verbriefungen kauften, die ausschließlich durch Subprime-ARM-Hypothekendarlehen ohne Bonitätsprüfung besichert waren. Diese Episoden und die Vielzahl ähnlicher Ereignisse in der Finanzwelt lassen sich unmöglich anhand von Fundamentaldaten und der Zeitpunkte erklären, zu denen sich fundamentale Informationen geändert haben. Diese und ähnliche Ereignisse kann man nur erklären, wenn man die offenkundigen und manchmal durchschlagenden Auswirkungen menschlicher Emotionen anerkennt. Diese können zu völlig irrationalem Verhalten führen und tun das auch häufig.

Aus dem falschen Grund richtig: Weshalb es so schwer ist, die Märkte zu schlagen

Die Vertreter der Theorie der Markteffizienz behaupten absolut zu Recht, dass es schwer ist, die Märkte zu schlagen, aber sie haben damit aus dem falschen Grund recht. Die Schwierigkeit, an den Märkten einen Vorsprung zu gewinnen, liegt nicht darin, dass die Preise alle Informationen augenblicklich einpreisen (auch wenn sie das manchmal tun), sondern vielmehr darin, dass die Auswirkungen der Emotionen sehr unterschiedlich ausfallen und so gut wie unmöglich einzuschätzen sind. Manchmal führen die Emotionen dazu, dass die Preise unbändig über jegliche vernünftige Definition des fairen Wertes hinausschießen – solche Phasen bezeichnet man als Marktblasen. Zu anderen Zeiten führen die Emotionen dazu, dass die Preise unter jegliche vernünftige Definition des fairen Wertes abtauchen – solche Phasen bezeichnet man als Marktpaniken. Und schließlich üben die Emotionen – vermutlich ist das meistens so – einen begrenzten Einfluss auf die Preise aus und in solchen Marktlagen liefert die Theorie der Markteffizienz brauchbare Näherungswerte. Also weichen die Marktpreise entweder nicht wesentlich von den fairen Bewertungen ab (die Auswirkungen von Emotionen auf die Preise sind gedämpft) oder wir werden mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, das mögliche Ausmaß der preislichen Abweichung zu bestimmen.

Oft lässt sich zwar erkennen, wann sich der Markt in einem euphorischen oder panischen Zustand befindet, aber das, was es so schwer macht, den Markt zu schlagen, ist die Schwierigkeit, einzuschätzen, wie weit Blasen und Paniken wohl reichen werden. Es kann sein, dass man den fairen Wert eines Marktes absolut korrekt einschätzt, aber trotzdem einen massiven Verlust erleidet, weil man eine Position zu früh eingegangen ist. Nehmen wir als Beispiel einen Trader, der Ende 1999 der zu dem Schluss kam, die beschleunigte Aufwärtsbewegung der Technologie-Aktien sei überzogen, und der den NASDAQ Composite geshortet hat, sobald er die Marke von 3.000 Punkten erreichte. Seine Einschätzung wäre zwar absolut korrekt gewesen, was das Niveau des Marktes in den zehn Jahren ab dem Jahr nach dem Platzen der Blase betrifft (die Spanne von 1.100 bis 2.900), aber wahrscheinlich wäre dieser scharfsinnige Trader dann schon pleite gewesen, weil der Markt erst noch einmal um weitere 68 Prozent stieg, bevor er im März 2000 bei 5.048 Punkten den Höhepunkt überschritt (siehe Abbildung 2.12). Die Börsenprognose des Traders wäre also grundsätzlich korrekt gewesen und er hätte den Höhepunkt einer mehr als zehnjährigen Hausse nur um vier Monate verfehlt, aber trotzdem wäre der Trade ein Desaster gewesen. Um zu erklären, wieso es so schwer ist, an den Märkten Gewinne zu erzielen, braucht man also gewiss nicht die Annahme zu bemühen, die Marktpreise seien perfekt.

Abbildung 2.12
NASDAQ Composite Index, Oktober 1998 bis Mai 2001

Quelle: moneycentral.msn.com

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Wenn man anerkennt, dass Emotionen einen starken und sogar dominanten Einfluss auf Preise ausüben können, hat das entscheidende Folgen. Gemäß dieser Sichtweise des Marktverhaltens ist es zwar immer noch schwer, den Markt zu schlagen (weil die Emotionen als Marktfaktor so veränderlich und unberechenbar sind), aber – und das ist wichtig – nicht unmöglich. Tatsächlich erzeugen gerade die Auswirkungen von Emotionen, durch die sich die Preise weit von den richtigen Bewertungen entfernen, Gelegenheiten für Anleger und Trader.16

Eine Diagnose der Fehler der Effizienzmarkthypothese

Jetzt sind wir in der Lage, die Punkte exakt zu identifizieren, in denen die Denkmethode Effizienzmarkthypothese fehlerhaft ist. Man kann die Effizienzmarkthypothese folgendermaßen zusammenfassen:

1.Die Märkte beziehen alle bekannten Informationen ein.

2.Deshalb sind die Preise immer korrekt.

3.Das Bekanntwerden neuer Informationen ist zufällig.

4.Preisänderungen hängen von neuen Informationen ab.

5.Deshalb kann man den Markt nicht schlagen.

Betrachten wir nun die Gültigkeit aller fünf Argumente:

1.Die Märkte beziehen alle bekannten Informationen ein.

ANGENOMMEN, DAS SEI WAHR.

2.Deshalb sind die Preise immer korrekt.

FALSCH!

An den Märkten handeln Menschen und keine Roboter und Menschen reagieren häufig mehr auf Emotionen als auf Informationen.17 Der Einfluss von Emotionen kann irrationales Verhalten auslösen und somit dazu führen, dass die Preise im Verhältnis zu einer objektiven Beurteilung der Fundamentaldaten zu hoch oder zu niedrig sind.

3.Das Bekanntwerden neuer Informationen ist zufällig.

ANGENOMMEN, DAS SEI WAHR.

4.Preisänderungen hängen von neuen Informationen ab.

FALSCH!

Preisbewegungen hinken oft hinter der jeweiligen Information hinterher.

Oft treten Preisbewegungen ohne dass neue Informationen vorliegen (zum Beispiel Blasen und Crashs, bei denen sich das Momentum selbst speist).

5.Deshalb kann man den Markt nicht schlagen.

FALSCH!

Die Preise können wesentlich von den fairen Bewertungen abweichen.

Die Preise bewegen sich nicht im Gleichschritt mit den Informationen.

Manche Menschen sind geschickter darin, Informationen zu interpretieren.

Weshalb die Effizienzmarkthypothese in den Mülleimer der Wirtschaftstheorie gehört

Die Verfechter der Theorie der Markteffizienz geben diese Theorie trotz wachsender gegenteiliger Belege nur ungern auf, weil sie die Grundlage eines breiten Spektrums zentraler Elemente des Finanzbereichs ist, unter anderem Risikobewertung, optimale Portfolio-Allokation und Optionspreisberechnung. Doch leider ist es eine Tatsache, dass diese Anwendungen zu irrigen Schlussfolgerungen führen können, weil die Annahmen, die ihnen zugrunde liegen, unzutreffend sind. Überdies fallen die Fehler gerade in denjenigen Phasen am extremsten aus, in denen der Preis für Fehler am höchsten ist (also in Blasen und Paniken). In gewissem Sinne sind die Verfechter der Effizienzmarkthypothese wie der sprichwörtliche Mann, der seinen verlorenen Autoschlüssel unter der Parkplatzlaterne sucht, weil es dort am hellsten ist. Die Fehler der Theorie der Markteffizienz sind ebenso schwerwiegend wie zahlreich:

Wenn sie zutrifft, ist das Unmögliche passiert – und zwar schon viele Male! Das Ausmaß mancher Preisbewegungen wäre statistisch unmöglich, wenn die Effizienzmarkthypothese korrekt wäre.

Manche Marktteilnehmer haben Track Records erzielt, die statistisch unmöglich wären, wenn die Effizienzmarkthypothese korrekt wäre.

Der angenommene Mechanismus, über den sich die Preise in Richtung der korrekten Niveaus anpassen, beruht auf einer falschen Voraussetzung. Der Einfluss informierter Trader auf den Preis kann nämlich vorübergehend vom Handeln weniger sachkundiger Trader oder durch die Aktivitäten von Hedgern und Regierungen aufgewogen werden, die von anderen Faktoren als dem Gewinn motiviert werden.

Marktpreise, die völlig außerhalb jeder plausiblen Bewertung liegen, kommen regelmäßig vor.

Häufig finden Preisbewegungen erst lange nach dem allgemeinen Bekanntwerden der fundamentalen Nachricht statt.

Dass alle die gleichen Informationen haben, bedeutet noch nicht, dass alle diese Informationen mit der gleichen Effizienz einsetzen.

Die Effizienzmarkthypothese berücksichtigt nicht die Auswirkungen menschlicher Emotionen auf Preise und lässt somit einen entscheidenden Einfluss auf die Marktpreise außen vor, der im Laufe der gesamten Geschichte zu gewissen Zeiten (zum Beispiel bei Blasen und Crashs) den Einfluss fundamentaler Faktoren überwogen hat.

INVESTMENT-MISSVERSTÄNDNISSE

Investment-Missverständnis 2: Die Marktpreise sind perfekt und berücksichtigen alle bekannten Informationen.

In Wirklichkeit: Häufig sind die Marktpreise weit von jedem vernünftigen Maß für eine vernünftige Bewertung entfernt. Manchmal sind sie für die geltenden Fundamentaldaten zu hoch, manchmal zu niedrig.

Investment-Missverständnis 3: Man kann die Märkte nicht schlagen.

In Wirklichkeit: Die Märkte zu schlagen ist zwar schwierig, aber nicht unmöglich. Diese wichtige Unterscheidung bedeutet, dass manche Gewinner deswegen gewinnen, weil sie geschickt sind, nicht weil sie Glück haben (auch wenn manche aus purem Glück Gewinn machen). Dass es so schwierig ist, den Markt zu schlagen, verleitet viele Menschen zu der falschen Überzeugung, diese Aufgabe sei nur durch Glück zu bewältigen.

Investment-Missverständnis 4: Preisbewegungen sind unmittelbare Reaktionen auf geänderte Fundamentaldaten.

In Wirklichkeit: Preisbewegungen hinken regelmäßig den Fundamentaldaten hinterher. Außerdem werden sie manchmal nicht von Fundamentaldaten, sondern von emotionalen Faktoren bewirkt.

Investment-Missverständnis 5: Wenn man von einem Modell der effizienten Märkte ausgeht, kann man aus historischen Preisbewegungen geschätzte Wahrscheinlichkeiten für Preisbewegungen unterschiedlicher Größe ableiten.

In Wirklichkeit: Modelle, die auf effizienten Märkten beruhen, gehen implizit davon aus, dass die Preise normalverteilt seien – für mäßige Preisänderungen liefert diese Annahme zwar Wahrscheinlichkeitsschätzungen von brauchbarer Genauigkeit, aber die Wahrscheinlichkeit großer Preisänderungen gibt sie drastisch zu niedrig an. Dieser Mangel hat entscheidende Folgen: Die Gefahr großer Verluste ist viel größer als von konventionellen Risikomodellen impliziert, die auf der Annahme der Markteffizienz basieren.

Investment-Erkenntnisse

Von den entscheidenden Annahmen der Effizienzmarkthypothese, die einem großen Teil der Investment-Theorie zugrunde liegt, passen die meisten ganz einfach nicht zu dem tatsächlichen Verhalten von Märkten. Oft sind Märkte zwar effizient (oder fast effizient) gepreist, aber davon gibt es viele Ausnahmen und gerade diese Ausnahmen bieten geschickten Marktteilnehmern die Chance auf Outperformance. Die Märkte sind in der Tat schwer zu schlagen und die Anerkennung dieser Tatsache bedeutet, dass für viele Anleger der traditionelle Rat von Wissenschaftlern durchaus die beste Wahl sein könnte: in Indexfonds investieren, damit sie wenigstens die gleiche Performance erzielen wie der Markt. Allerdings besteht zwischen schwer zu schlagen und unmöglich zu schlagen ein großer Unterschied. Anleger, die sich für die Märkte interessieren und die einerseits bereit sind, durch harte Arbeit eine Anlage- oder Trading-Methode zu entwickeln, und andererseits diszipliniert genug sind, um sich an einen Plan zu halten, sollten sich durch die Effizienzmarkthypothese nicht von diesem Vorhaben abbringen lassen.

Das Modell, wonach die Marktpreise ausschließlich von Fundamentaldaten bestimmt sind, ist zu stark vereinfachend. Die Preise werden sowohl von Fundamentaldaten als auch von menschlichen Emotionen bestimmt. Manchmal kann der Einfluss der menschlichen Emotionen die Fundamentaldaten vollständig übertönen. Ich finde es beispielsweise viel plausibler, die Versiebenfachung der Kurse von Internet-Aktien und ihren nachfolgenden vollständigen Einbruch – beides innerhalb von nur drei Jahren – als Börsenblase und deren Nachwehen zu betrachten, denn als Widerspiegelung einer enormen Verbesserung und Verschlechterung der fundamentalen Gegebenheiten. Und die menschlichen Emotionen können sich nicht nur erheblich auf die Preise auswirken, sondern ihre verzerrenden Auswirkungen erzeugen oft auch die besten Investmentchancen.

1 Eine klare und anschauliche Schilderung des Fiaskos mit den Subprime-Wertpapieren finden Sie in: Michael Lewis: The Big Short, Frankfurt, Campus Verlag 2010. Dieser Abschnitt ist ein abgewandelter Auszug aus: Jack Schwager: Magier der Märkte: Next Generation, Teil 2: Die Multi-Strategen, Kulmbach, Börsenbuchverlag 2013.

2 Nach dem CDO-Muster wurden zwar noch viele andere Typen von Instrumenten verbrieft, aber diese Konstruktionen sind für diese Diskussion irrelevant.

3 Zwar kann auch die Korrelation einzelner Hypothekendarlehen im Zuge schwerer konjunktureller Abschwünge signifikant sein, aber sie ist dann immer noch nicht annähernd so extrem wie die Korrelation zwischen verschiedenen BBB-Tranchen.

4 Um genau zu sein wurden in die Gauß-Copula, die allgemein für die Preisberechnung von CDOs verwendet wird, als Näherungswert für das Ausfallrisiko die Daten von Credit Default Swaps (CDS, Kreditausfallversicherungen) auf hypothekenbesicherte Wertpapiere (MBS = Mortgage Backed Security) eingesetzt. Allerdings wurden die CDS-Preise massiv von den historischen Ausfallquoten beeinflusst, die auf irrelevanten Daten beruhten. Überdies war die historische Phase, für die es CDS-Zahlen gab, von stetig steigenden Immobilienpreisen und niedrigen Ausfallquoten geprägt – dies implizierte irreführend geringe Korrelationen zwischen den Ausfällen verschiedener Verbriefungen und gab das Risiko der CDOs, die durch die Kombination von MBS konstruiert wurden, deutlich zu niedrig an.

5 Die Quelle für diesen Abschnitt ist das Kapitel „The Curious Case of Palm and 3Com“ aus: James Pickford: Mastering Investment, Upper Saddle River, NJ, Financial Times Prentice Hall 2002.

6 Die Zahlenangaben zu den historischen Rückgängen des S&P 500 stammen aus der Studie Stock Market Volatility: Ten Years after the Crash aus dem Jahr 1997 von G. William Schwert (Brookings-Wharton Papers on Financial Services 1998, S. 65-99).

7 Genauer gesagt besagt die Annahme, die Preisänderungen seien log-normalverteilt – was bedeutet, dass die Logarithmen der Preisänderungen normalverteilt sind. Die Annahme der Log-Normalverteilung ist deshalb notwendig, weil Preise zwar um mehr als 100 Prozent steigen können, aber ein Rückgang um mehr als 100 Prozent negative Preise nach sich ziehen würde, und das ist unmöglich. Bei einer Log-Normalverteilung ist die Wahrscheinlichkeit eines Preisanstiegs um den Faktor k gleich der Wahrscheinlichkeit eines Preisrückgangs um den Kehrwert dieses Faktors, also um 1/k. Wenn zum Beispiel k = 2, dann folgt aus der Log-Normalverteilung, dass die Wahrscheinlichkeit einer Preisverdopplung genauso groß ist wie die Wahrscheinlichkeit einer Halbierung des Preises.

8 Die Einzelheiten über Countrywides Politik und Praxis der Kreditvergabe sind entnommen aus: Roger Lowenstein: The End of Wall Street, New York, Penguin Press 2010.

9 Diese Aussage beruht auf der Schätzung von 1050 Atomen auf der Erde. Quelle: www.wolframalpha.com.

10 Natürlich haben manche Teilnehmer der Futures-Märkte – insbesondere Hedger und Arbitrageure – auch noch ausgleichende Positionen an anderen Märkten. Aber um die Argumentation nicht unnötig zu verkomplizieren, betrachten wir den Futures-Markt als abgeschlossenen Markt.

11 Die Eigenschaft „long-only“ ist für die Richtigkeit dieser Aussage von entscheidender Bedeutung. Aktien-Hedgefonds, die wesentliche Short-Positionen haben (auch wenn sie im Schnitt netto long stehen), bringen bezüglich des Rendite-Risiko-Verhältnisses eine bessere Performance als die Aktienindizes. Doch sobald ein Hedgefonds gleichzeitig long und short steht, ist der Aktienindex nicht mehr die angemessene Benchmark.

12 Für eine detaillierte Schilderung dieser Episode siehe: Sebastian Mallaby: Mehr Geld als Gott, München, FinanzBuch Verlag 2010 – eine ausgezeichnete Geschichte der Hedgefonds-Industrie und ihrer wichtigsten Akteure.

13 Daniel Kahneman und Amos Tversky: „Prospect Theory: An Analysis of Decision under Risk“, in: Econometrica 47, Nr. 2 (März 1979), S. 263-291. Die Prospekttheorie ist ein Zweig der Entscheidungstheorie, der dadurch zu erklären versucht, weshalb Individuen Entscheidungen treffen, die von der rationalen Entscheidungsfindung abweichen, dass sie überprüft, wie die erwarteten Ergebnisse alternativer Wahlmöglichkeiten wahrgenommen werden (Quelle dieser Definition: www.qfinance.com).

14 Teil des Originaltitels von Charles Mackays Klassiker, der ursprünglich aus dem Jahr 1841 stammt: Extraordinary Popular Delusions and the Madness of Crowds, New York, Broadway Books 1995.

15 Ebenda, zitiert nach: Max Otte (Hg.): Gier und Wahnsinn: Warum der Crash immer wieder kommt, München, FinanzBuch Verlag 2010, S. 24.

16 Hier ist keine Dualität zwischen Emotionen und Vernunft beabsichtigt, sondern vielmehr eine komplexe Wechselwirkung zwischen beiden. Beispielsweise kann es vollkommen rational sein, sich an einer emotional getriebenen Blase zu beteiligen. Es geht hier lediglich darum, dass der Einfluss von Emotionen dazu führen kann, dass das Preisverhalten nicht mit dem Modell der Theorie der Markteffizienz in Einklang steht.

17 Auch dass ein Teil des Handels von Computerprogrammen abgewickelt wird, ändert nichts an der Tatsache, dass ein großer Teil der Handelsaktivität menschliche Entscheidungsprozesse widerspiegelt. Außerdem werden Computerprogramme überarbeitet und können durch Eingriffe übergangen werden, sodass sich sogar im computerisierten Handel menschliche Emotionen niederschlagen können. Ein klassisches Beispiel dafür war die Kernschmelze der Fonds für statistische Arbitrage im August 2007. Die statistische Arbitrage ist eine marktneutrale Strategie, die sich auf die Rückkehr zum Mittelwert bezieht. Mithilfe mathematischer Modelle erkennt sie kurzfristige Anomalien in den Aktienkursbewegungen und gleicht dann den Kauf von Aktien, die (laut dem Modell) nach oben abweichen, durch den Verkauf von Aktien aus, die nach unten abweichen. Da in diese Strategie normalerweise eine mehrdimensionale Neutralität eingebaut ist (bezüglich der Marktsektoren, der Kapitalisierungen, der Regionen et cetera), werden dabei gewöhnlich beträchtliche Hebelwirkungen eingesetzt, um die gewünschten Renditen zu erzielen. Die Aktien, auf die Fonds, die statistische Arbitrage betreiben, long beziehungsweise short stehen, überschneiden sich häufig sehr stark. Im August 2007 führten umfangreiche Liquidierungen einiger Arbitrage-Fonds dazu, dass sich die Portfolios anderer Fonds, die diese Strategie betrieben, abnorm verhielten – ihre Long-Positionen fielen und gleichzeitig stiegen ihre Short-Positionen. Die Verluste, die sich daraus ergaben, wurden durch die Hebelwirkungen, die fester Bestandteil dieser Strategie sind, noch verstärkt. Der plötzliche Zusammenbruch der Modelle und die abrupten Verluste regten weitere Fonds, die statistische Arbitrage betrieben, zur Liquidierung an, sodass eine Kettenreaktion ausgelöst wurde. In diesem höchst chaotischen und stressigen Umfeld spielten menschliche Entscheidungsfindung und somit Emotionen bei einer Strategie eine wesentliche Rolle, die normalerweise als Domäne des automatisierten Handels gilt.