II_Kapitel_10.tif

An den Disputationen nahmen fast alle Herren der Justiz teil, die Requetenmeister, die Präsidenten, die Räte, die Leute der Oberrechnungskammer, Rechtsanwälte und andere, die Schöffen der Stadt, die Mediziner und Kanonisten.

Und glaubt mir, die meisten von ihnen legten sich mächtig ins Zeug, aber trotz ihrer Syllogismen und Spitzfindigkeiten setzte er sie alle schachmatt und zeigte ihnen deutlich, dass sie nur robenbekleidete Kälber waren.

So kam es, dass alle Welt über ihn und sein sagenhaftes Wissen redete, bis hin zum Weibervolk, den Waschfrauen, den Kupplerinnen, den Garköchinnen, den Messerhändlerinnen und den anderen, die riefen, wenn er durch die Straßen ging: »Das ist er!« Das gefiel Pantagruel, ganz so wie dem Demosthenes, dem Rednerfürsten der Griechen, als eine zusammengekauerte Alte mit dem Finger auf ihn zeigte und rief: »Der ist es!«

Nun, um diese Zeit war ein Prozess zwischen zwei bedeutenden Herren am Gerichtshof anhängig; der eine, der Ankläger, war Herr von Baisecul, und der andere, der Beklagte, Herr von Humevesne. Ihre Auseinandersetzung war rechtlich so kompliziert und so schwierig, dass der Oberste Gerichtshof rein gar nichts verstand. Auf Befehl des Königs wurden die vier klügsten und bestbesetzten Gerichtshöfe Frankreichs zusammengerufen, dazu der Staatsrat, die bedeutendsten Professoren der Universitäten, nicht nur von Frankreich, sondern auch von England und Italien, wie Jason, Philipp Decius, Petrus von Petronibus und ein Haufen anderer alter Rabbinisten.

So versammelt, hatten sie sechsundvierzig Wochen getagt, [305] ohne den Fall zu kapieren oder so dahinterzusteigen, dass man ihn in der einen oder anderen Art hätte darstellen können, was sie derart ärgerte, dass sie sich wie Drecksbauern vor Schande zuschissen.

Aber einer von ihnen, mit Namen Du Douhet, der Gelehrteste, Erfahrenste und Umsichtigste von allen, sagte ihnen eines Tages, als sie sich ihre Hirne völlig zerfranst hatten:

»Meine Herren, wir sind hier schon so lange beisammen und tun nichts anderes, als Geld ausgeben, und wir finden für diese Angelegenheit keine zufriedenstellende Lösung; und je mehr wir uns damit auseinandersetzen, desto weniger verstehen wir: dies erfüllt uns mit großer Scham und belastet unser Gewissen. Meiner Meinung nach werden wir nur unehrenhaft aus dieser Sache herauskommen, und zwar, weil wir während unserer Beratungen nur herumspintisieren. Deshalb habe ich mir folgendes überlegt: Ihr habt doch sicherlich von diesem großartigen Mann reden hören, den man Meister Pantagruel nennt und dessen Gelehrsamkeit alles Maß unserer heutigen Zeit übersteigt, wie man bei den öffentlichen großen Diskussionen, die er einer gegen alle führte, hat feststellen können? Ich bin der Ansicht, wir sollten ihn herbeirufen und die Angelegenheit mit ihm erörtern, denn wenn er damit nicht zu Rande kommt, wird niemand damit zu Rande kommen.«

Dem stimmten alle Räte und Doktoren freudig zu.

Sogleich wurde nach ihm geschickt, und sie baten ihn, den Prozess gründlich zu prüfen, Punkt für Punkt sichten zu wollen und ihnen ein Gutachten nach seiner Ansicht zur wahren Rechtslage zu erstellen. Dazu übergaben sie ihm alle Akten und Unterlagen, die fast vier Traglasten für starke Eselshengste ausmachten.

[306] Da sagte Pantagruel zu ihnen: »Meine Herren, weilen die beiden edlen Herren noch am Leben, die den Prozess gegeneinander führen?«

Dies wurde ihm bestätigt.

»Wozu, zum Teufel«, polterte Pantagruel, »dienen dann dieser ganze Papierwust und dieses Geschreibsel, was ihr mir da anbringt? Ist es nicht viel gescheiter, sie selbst über ihre Auseinandersetzung reden zu hören, als dieses Affengekritzel hier zu lesen, das nur aus Lug und Trug besteht, aus teuflischen Spitzfindigkeiten von Cepola und aus Beugungen des Rechts?

Denn ich bin mir sicher, dass ihr alles, was ihr an Pro und Contra habt finden können, hinzugefügt habt, ebenso wie alle diejenigen, durch deren Hände diese Prozessakten gegangen sind. Und für den Fall, dass deren Auseinandersetzung einmal klar nachvollziehbar und leicht zu beurteilen war, habt ihr sie vernebelt, und zwar mit dümmlichen und abenteuerlichen Argumenten und mit den abwegigen Meinungen von Accursius, Baldus, Bartole, de Castro, de Imola, Hippolytus, Panormitanus, Bertachin, Alexandre, Curtius und denen der anderen alten Erztölpel, die nie auch nur das kleinste Gesetz der Pandekten verstanden haben und einfach nur riesendumme Kälber waren. Sie haben absolut nichts von dem verstanden, was zu einer richtigen Erkenntnis der Gesetze notwendig gewesen wäre.

Denn sie hatten, und das ist nun mal sicher, keinerlei Kenntnis der griechischen und der lateinischen Sprache und beherrschten lediglich ihr Gotisch und ihre Barbarensprache. Gleichwohl stammen zunächst einmal die Gesetze von den Griechen her, wie Ulpian in seinem II. Buch De origine iuris vermerkt, und alle Gesetze enthalten griechische Formulierungen und Wörter. Dann, [307] zweitens, sind sie in lateinischer Sprache abgefasst, und zwar in der gewähltesten und rhetorisch ausgefeiltesten, die es in der gesamten lateinischen Sprache gibt, und ich möchte nachdrücklich betonen, dass ich hiervon weder Sallust noch Varro, Cicero, Seneca, Titus Livius und Quintilian ausnehmen möchte. Wie hätten sie also jemals diese Gesetzestexte verstehen können, diese alten Spinner, die noch nie ein gutes lateinisches Buch in der Hand hatten, was man leicht an ihrem Stil feststellen kann, der eher dem eines Schornsteinfegers, eines Kochs oder eines Küchenjungen gleicht als dem eines Rechtsgelehrten?

Hinzu kommt noch, dass die Gesetze in der Natur- und Moralphilosophie wurzeln: wie wollen sie es denn anstellen, diese Verrückten, die – bei Gott – weniger Philosophie studiert haben als mein Maultier? Was die humanistische Bildung angeht, die Kenntnis der Antike und die der Geschichte, so sind sie damit genauso ausstaffiert wie eine Kröte mit Federn, und das, obwohl alle Gesetzestexte voll davon sind, und ohne jene können diese nicht verstanden werden. Das werde ich eines Tages schriftlich ausführlich darlegen.

Wenn ihr also wollt, dass ich Licht in diesen Prozess bringe, dann verbrennt zunächst einmal all diese Papiere hier, und anschließend lasst ihr die beiden edlen Herren persönlich vor mir erscheinen, und wenn ich sie dann angehört habe, werde ich euch unumwunden, klar und deutlich meine Meinung sagen.«

Dem widersprachen zwar etliche, aber ihr wisst ja so gut wie ich, dass es in jeder Gemeinschaft mehr Dummköpfe als Kluge gibt und dass die größere Anzahl den besseren Teil übertrumpft, so wie es Titus Livius in Bezug auf die Karthager sagt. Aber der genannte Du Douhet hielt mutig dagegen und unterstrich, dass [308] Pantagruel wohl gesprochen habe und dass all diese Protokolle, Voruntersuchungen, Eingaben, Ablehnungen, Verteidigungen und gleichartige Teufeleien nichts anderes als Rechtsbeugungen und Prozessverlängerungen seien, und dass der Teufel sie alle holen würde, gingen sie nicht anders zu Werke, und zwar nach der mit dem Evangelium übereinstimmenden und philosophischen Redlichkeit.

Kurz und gut, die gesamten Papiere wurden verbrannt, und man berief die beiden Edelleute persönlich ein.

Pantagruel sprach sie an: »Seid ihr diejenigen, die den großen Streit miteinander haben?«

»Ja, mein Herr«, antworteten sie.

»Wer von euch ist der Kläger?«

»Ich«, sagte Herr von Baisecul.

»Nun denn, mein Freund, dann erzählt mir wahrheitsgemäß Punkt für Punkt Eure Angelegenheit, und, potztausend, solltet Ihr auch nur ein unwahres Wort von Euch geben, dann mach ich Euch einen Kopf kürzer und zeige Euch, dass man in der Rechtsprechung und vor Gericht nichts als die Wahrheit zu sagen hat. Hütet Euch also, Eurer Sache etwas hinzuzudichten oder etwas wegzulassen. Dann redet.«

[309] Elftes Kapitel

Wie die Herren von Baisecul und von Humevesne ihren Rechtshandel ohne Anwälte vor Pantagruel führten

So begann also Baisecul wie folgt: »Gnädiger Herr, zunächst einmal entspricht es der Wahrheit, dass eine meiner Mägde auf dem Weg zum Markt war, um Eier zu verkaufen …«

»Ihr könnt Euren Hut wieder aufsetzen, Baisecul«, sagte Pantagruel.

»Ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet, gnädiger Herr«, sagte Herr von Baisecul. »Um bei unserem Thema zu bleiben, sie kam zwischen den beiden Wendekreisen sechs Heller und einen Pfennig zenithwärts, weil es den Bergen Rhipaia orrē in diesem Jahr an plumpen Listen ermangelte, aufgrund eines Aufruhrs der Schwadroneure gegen die Schwafler und Accursiusti wegen des Aufstands der Schweizer, die sich in ausreichender Zahl versammelt hatten, um zur Neujahrsfeier am ersten Loch des Jahres zu gehen, indem man den Ochsen Kraftbrühe verabreicht und den Mädchen den Schlüssel zum Kohlenkeller gibt, damit sie den Hunden Hafer geben.

Die ganze Nacht verbrachte man damit, die Hand auf dem Pott, Nachrichten per Boten zu Fuß oder zu Pferd auszusenden, um die Boote am Auslaufen zu hindern, weil die Schneider aus geklauten Stoffresten ein Blasrohr verfertigen wollten, um das große Meer zu bedecken, das nach Meinung der Heubinder mit einem Topf Kohl schwanger war; aber die Ärzte behaupteten, kein eindeutiges Zeichen in seinem Urin feststellen zu können, das auf Trappenringe an der Klinge hinwiese, um die Streitaxt mit Senf zu verzehren, es sei denn, die Herren des Gerichtshofes würden auf [310] jede Art und Weise der Syphilis befehlen, bei den Seidenwürmern keine Nachlese zu halten, denn die Gauner waren schon gut dabei, zum Pfeifton das Tanzbein zu schwingen, einen Fuß im Feuer und den Kopf in der Mitte, so wie es der gute Ragot sagte.

Ha, meine Herren, Gott bestimmt alles nach seinem Gutdünken, und ein Kärrner zerbrach (Backpfeifen) seine Peitsche wider das launische Schicksal. Es geschah bei der Rückkehr von Bicocca, als man Meister Antitus des Crossonniers zur Lizentiatenprüfung in allumfassender Tölpelei annahm, denn, so sagen die Kanonisten: Beati lourdes, quoniam ipse trebuchaverunt.

Beim heiligen Fiacrius von Brie, dass die Fastenzeit so spät fällt, liegt nur daran, weil:

Pfingsten nie kommt, ohne dass es mich was kostet:

Los, voran, Monat Mai,

Kleiner Regen lässt großen Sturm sich legen.

Da der Diener mir die Zielscheibe auf dem Schießstand zu hoch gehängt hatte, kam der Kanzleischreiber nicht umhin, seine Finger abzulecken, die mit Gänsekielen besetzt waren, und wir sehen, dass sich alle schuldig bekennen, es sei denn, dass man augenmäßig schräg auf den Kamin blickt, wo das Aushängeschild für den Wein mit den vierzig Sattelgurten hängt, die nötig sind für zwanzig Packsättel der Fünfjahresfrist. Zumindest sollte derjenige, der einen Jagdvogel vor einem Käsekuchen steigen lassen will, die Haube abnehmen, denn das Erinnerungsvermögen geht flöten, wenn man die Hosen verkehrt herum anzieht. Nun, Gott schütze Thibaut Mitaine vor allem Übel.«

Da unterbrach Pantagruel ihn und sagte: »Nun mal sachte, [311] mein Freund, immer mit der Ruhe, sprecht langsam, ohne Euch zu ereifern. Ich verstehe den Fall, sprecht weiter!«

»Nun, mein Herr«, sagte Baisecul, »die erwähnte Magd, die ihre ›Vater unser‹ und ihre ›Gegrüßet seist du Maria‹ von sich gab, konnte sich nicht vor einem Schlag mit verkehrter Hand bei der Tugend Gottes vor den Privilegien der Universität schützen, außer dadurch, dass sie sich engelsgleich mit der Wärmpfanne erwärmte und jenen mit der Karo Sieben zudeckte und ihm mit einem kurzen eisenbeschlagenen Schlagstock an dem Ort einen überzuziehen, an dem die alten Stofffetzen verkauft werden, die die flämischen Maler benutzen, um die Zikaden vernünftig mit Eisen zu beschlagen, und ich bin höchst erstaunt, dass die Leute keine Eier legen, wo doch Brüten so gut tut.«

An dieser Stelle wollte Herr von Humevesne eingreifen und etwas sagen, aber Pantagruel fuhr ihn an: »Beim Bauch des heiligen Antonius, steht es dir zu, ohne Erlaubnis zu reden? Ich schwitze hier vor lauter Anstrengung, um den Ausführungen Eures Prozessgegners folgen zu können, und du fällst mir schon wieder auf die Nerven? Ruhe jetzt, zum Teufel, Ruhe! Du kannst so viel reden, wie du willst, wenn der hier ausgeredet hat. Sprecht weiter«, sagte er zu Baisecul, »und lasst Euch Zeit.«

»In Anbetracht der Tatsache«, fuhr Baisecul fort, »dass die Pragmatische Sanktion dem keine Erwähnung tut und der Papst einem jeden die Freiheit einräumte, nach Belieben zu furzen, wenn das weiße Innenfutter nicht gestreift ist; welch eine Armut auch immer in der Welt gewesen sein mag, vorausgesetzt, man gehörte nicht zum Gesocks, stimmte der Regenbogen, der gerade in Mailand geschliffen worden war, um die Nachtigallen zum Erblühen zu bringen, zu, dass die Magd die Ischiaskranken mit [312] einem Napf bediene trotz des Wechselprotests der kleinen Dickeierfische, die damals vonnöten waren, um die Herstellung von alten Stiefeln zu verstehen.

Jedoch Jean le Veau, sein Vetter Gervais, der von einer Holzkugel abstammte, riet ihr, sich nicht der Gefahr auszusetzen, ein wildes Waschfest zu veranstalten, ohne zuvor das Papier in Alaunwasser zu sieden, nimm nichts, gib alles, denn:

Non de ponte vadit, qui cum sapientia cadit,

angesichts der Tatsache, dass die Herren vom Rechnungshof sich nicht einig waren bei der Vorladung der Querflöten, die man verwendet hatte, um die Brillen der Fürsten zu verfertigen, ein Buch, das kürzlich in Antwerpen erschienen ist.

Sie sehen also, meine Herren, was ein schlechter Bericht anrichtet, und ich bin überzeugt, dass die Gegenpartei im Priester des Worts ist; denn da ich dem Willen des Königs nachkommen wollte, hatte ich mich von Kopf bis Fuß mit einem Bauchlederriemen ausgerüstet, um nachzusehen, wie meine Weinleser ihre schönen hohen Mützen zerfetzt haben, um besser Kasperle spielen zu können; es war zu der Zeit auch nicht ganz ungefährlich wegen des Durchfalls, daher wurden auch mehrere Freischütze bei der Parade zurückgewiesen, obwohl die Kaminzüge hoch genug waren im Verhältnis von Schanker zu Spat bei Freund Baudichon.

Und so kam es, dass es ein großes Jahr für die Schnecken im Artois wurde, was nicht nur eine kleine Erleichterung für die Herren Kiepenkerle darstellte, wenn man, ohne die Waffe zu ziehen, Hahnenstorchkraniche mit aufgeknöpftem Bauch aß. Und ich [313] würde mir schon wünschen, dass ein jeder eine so schöne Stimme hätte: dadurch könnte man dann wesentlich besser Ball spielen, und die kleinen Feinheiten, die man entwickelt, um die Schuhe zu etymologisieren, gingen viel leichter auf der Seine, um ihren Dienst am Pont aux Meuniers zu verrichten, so wie es seinerzeit der König von Kanarien in einem Rechtsbescheid verordnete, der sich hier in dieser Gerichtsstube befindet. Deshalb, gnädiger Herr, erbitte ich von Eurer Herrlichkeit, dass sie zu dem Fall erkläre und kundtue, was rechtens ist, nebst Gerichtskosten und Schadenersatz mit Zinsen.«

Pantagruel fragte ihn: »Mein Freund, habt Ihr noch etwas hinzuzufügen?«

Baisecul antwortete: »Nein, gnädiger Herr, ich bin am tu autem angelangt und habe, bei meiner Ehre, rein gar nichts verändert.«

»Nun, mein Herr von Humevesne«, sagte da Pantagruel, »dann sagt, was Ihr zu sagen habt, und fasst Euch kurz, aber lasst nichts aus, was uns dienen kann.«

Zwölftes Kapitel

Wie Herr von Humevesne vor Pantagruel seine Klage führte

Herr von Humevesne begann wie folgt zu reden:

»Mein Herr und meine Herren, wenn man in einem klaren Urteil die Ungerechtigkeit der Menschen so leicht erkennen könnte wie Fliegen in der Milch, würde die Welt, vier Ochsen, nicht so sehr von den Ratten zerfressen, wie sie es wird, und es gäbe noch [314] so manche Ohren auf der Welt, die sie heimtückisch zernagt haben: denn – obwohl alles, was die Gegenpartei vorgebracht hat, buchstabengetreu und dem Protokoll gemäß reiner Flaum ist – gleichwohl, meine Herren, sind die Tücke, die Spitzbüberei und die kleinen Fußangeln hinter blumiger Rhetorik verborgen. Muss ich mir denn gefallen lassen, dass man mir in dem Augenblick, in dem ich nichts Böses denke oder sage und meine Suppe esse, ohne jemandem etwas schuldig zu sein, das Hirn nervt und den Kopf mit dem alten Gassenhauer zudröhnt, der da besagt: ›Wer zur Suppe trinkt, der sieht nichts mehr, wenn er gestorben ist?‹

Bei der heiligen Jungfrau, wie viel bedeutende Heerführer haben gesehen, wie sie sich mitten auf dem Schlachtfeld, während man die Schwinger des geweihten Brotes der Bruderschaft austeilte, mühten, rhythmische Beckenbewegungen ehrbar auszuführen, Laute zu spielen, den Arsch dröhnen zu lassen und kleine Sprünge auf der Bettung zu machen! Die Welt ist völlig aus den Fugen geraten wegen der Leinenballen aus Leicester: der eine gibt sich der Schlemmerei hin, der andere fünf, vier und zwei, und wenn das Gericht hier keine Ordnung schafft, dann wird das Ährenlesen dieses Jahr nicht besser, als es letztes war, oder aber man stellt Becher her. Wenn ein armer Schelm in die Badestuben geht, um sich das Maul mit Kuhmist färben zu lassen oder um sich Winterstiefel zu kaufen, und wenn die Polizeidiener auf ihrer Runde oder auch die Nachtwache den Absud eines Klistiers oder die fäkalische Materie eines Kackstuhls auf ihren Hintern bekommen, muss man dann deshalb die Testonen abschaben und die Holzschüsseln kleinmachen?

Häufig ist es so, dass der Mensch zwar denkt, aber Gott lenkt, und wenn die Sonne untergegangen ist, liegen alle Tiere im [315] Schatten. Man soll mir keinen Glauben schenken, es sei denn, ich beweise es mit Hilfe von Leuten mitten aus dem Leben.

Im Jahre sechsunddreißig hatte ich einen Kurzschwanz aus Deutschland gekauft, hoch und kurz, aus sehr guter Wolle, scharlachrot gefärbt, wie die Goldschmiede versicherten, gleichwohl fügte der Notar noch seine Zusatzklauseln hinzu. Ich bin kein Studierter, der den Mond mit den Zähnen herunterholt, aber im Buttertopf, in dem man die Werkzeuge von Vulcanus versiegelte, ging das Gerücht, dass der gesalzene Ochse den Wein ohne Kerzenlicht finden ließ, und wäre jener auch tief in einem Kohlensack versteckt, gestiefelt und mit Pferdeharnisch versehen, mit Stirnblech und Beinschutz, den man benötigt, um den Billigfraß zu zerkleinern, gemeint ist Schafskopf. Und hierauf zielt genau das Sprichwort, das besagt, dass es wohltut, schwarze Kühe im verbrannten Holz zu sehen, wenn man sich mit seiner Liebsten vergnügt. Ich ließ die Angelegenheit von den studierten Herren prüfen, und als Ergebnis zogen sie einen Schluss gemäß ›friseomorum‹, der besagte, dass nichts besser sei, als in einem Keller zu mähen, der gut mit Papier und Tinte ausgestattet ist, mit Schreibfedern und Federmessern aus Lyon an der Rhône und blablabla: denn sobald ein Harnisch nach Knoblauch riecht, frisst ihm der Rost die Leber weg, und man macht nichts anderes, als sich gegen den steifen Hals zu wehren und nach dem Mittagsschlaf Ausschau zu halten. Und daher kommt es, dass das Salz so teuer ist.

Meine Herren, glaubt nicht, dass die genannte Magd zu diesem Zeitpunkt den Spatel mit Vogelleim bestrich, um den Büttel des Gerichtsboten besser auszustatten, und dass das Blutwurstgeschlinge den Geldbörsen der Wucherer den Rücken zudrehte; es gab nichts Besseres, um sich vor Kannibalen zu schützen, als ein [316] Bund Zwiebeln zu nehmen, dieses mit dreihundert Steckrüben und etwas krausen Kalbsdärmen zu binden – der besten Zutat, über die Alchimisten verfügen – und seine Pantoffeln zu verkitten und zu verkalken, blubbeldiblubb, mit einer guten Heuforkensauce, und sich in einem kleinen Maulwurfsloch zu verstecken, wobei immer auf den Erhalt der Speckstücke zu achten ist.

Und wenn Euch das Würfelspiel immer nur die Doppelsechs oder einen Dreierpasch bringt, dann Vorsicht vor dem Ass, legt die Dame auf die Ecke vom Bett und verwöhnt sie, schubidu, schubida, und sauft, was das Zeug hält, bis zum Abfischen der Frösche mit schönen kothurnischen Jagdstiefeln: das ist für die kleinen Gänschen in der Mauser, die sich bei dem Spiel ›Feuer mit der Nase ausblasen‹ vergnügen, indem sie darauf warten, den Bierschwaflern das Eisen zu schmieden und das Wachs anzuheizen.

Wohl wahr ist es, dass die vier Ochsen, von denen die Rede ist, irgendwie ein kurzes Gedächtnis hatten; gleichwohl fürchteten sie weder den Kormoran noch die savoyische Ente, um sich geschickt anzustellen, und die braven Leute aus meiner Gegend waren guter Hoffnung und sagten: ›Diese Kinder werden es in Arithmetik weit bringen, das wird für uns eine Rechtsrubrik sein.‹ Wir werden mit Sicherheit den Wolf fangen, wenn wir die Hecken oberhalb der Windmühle anbringen, von der die Gegenpartei gesprochen hat. Aber der große Teufel war darauf neidisch und ließ die Deutschen ärschlings hinplumpsen, die wie die Teufel soffen: ›Her, tringue, tringue!‹ Schlag auf Schlag, denn es gibt keinen Grund zu behaupten, dass auf dem Petit Pont in Paris freilaufende Hühner zu verkaufen sind, und wären sie noch so behaubt wie ein Wiedehopf, es sei denn, man opfert die Troddeln der [317] Tinte, die frisch geschliffen wurde aus Großbuchstaben oder auch normalen, das ist mir einerlei, unter der Bedingung, dass das Kapitälchen keine Würmer erzeugt.

Und, gesetzt den Fall, die Bälge hätten beim paarweise Koppeln der Rennhunde ins Horn geblasen, um die Eroberung anzuzeigen, bevor der Notar seinen Bericht in kabbalistischer Manier abgegeben hätte, so folgt daraus nicht (es sei denn, der Gerichtshof urteilt anders), dass sechs Morgen Wiesenland mit großer Breite drei Fässer feine Tinte ausmachten, ohne zu blechen, in Anbetracht der Tatsache, dass man bei den Begräbnisfeierlichkeiten von König Karl die Scherwolle wohlfeil für einen Doppelpasch bekam, ich verstehe, bei meinem Eid, Wolle.

Ich sehe gewöhnlich bei allen guten Dudelsäcken, dass, wenn man zur Lockpfeifenjagd geht, drei Runden mit dem Besen durch den Kamin fegt und seinen Anspruch vermerkt, man nichts anderes tut, als sich vergeblich anzustrengen und in den Arsch zu blasen, wenn er zu heiß sein sollte, und es rolle der Kegel:

Sobald der Brief gelesen war

wurden ihm die Kühe zurückgegeben.

Derselbe Beschluss erging am Tag der Hosenklappe im Jahre siebzehn für den Schlamper von Louzefougerouse; das Hohe Gericht möge dies berücksichtigen.

Ich behaupte nicht eigentlich, dass man diejenigen nicht rechtens enteignen könnte, die Weihwasser trinken, wie man es mit einer Weberhellebarde macht, woraus man Stuhlzäpfchen herstellt, um die zu pfählen, die nicht weichen wollen, es sei denn, auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.

[318] Tunc, meine Herren, quid juris pro minoribus? Denn die allgemeine Anwendung des Salischen Gesetzes geht dahin, dass der erste Brandstifter, der die Kuh nassauert und sich mitten im Musikstück die Nase putzt, ohne die Noten der Schuster in Zeiten der Wampe zu solfeggieren, dem Elend seiner Männlichkeit mit einem Stück gestochenem Moos abhelfen muss, während man sich bei der Mitternachtsmesse erkältet, um den Weißweinen aus dem Anjou die Wippstrafe zu verpassen, da sie ein Beinchen stellen und einen am Kragen packen, ganz so wie die Ringer aus der Bretagne.

Man möge zu einem Beschluss kommen, wie gefordert, nebst Gerichtskosten und Schadenersatz mit Zinsen.«

Nachdem Herr von Humevesne geendet hatte, sagte Pantagruel zu Herrn von Baisecul: »Mein Freund, wollt Ihr etwas antworten?«

Worauf Baisecul sagte: »Nein, mein Herr, denn ich habe nur die Wahrheit gesagt, und, bei Gott, beenden wir unsere Auseinandersetzung, denn sie hat uns schon genug Geld gekostet.«

Dreizehntes Kapitel

Wie Pantagruel in der strittigen Sache der beiden edlen Herren sein Urteil verkündete

Daraufhin erhebt sich Pantagruel, versammelt alle anwesenden Präsidenten, Räte und Doktoren und sagte zu ihnen: »Nun, meine Herren, ihr habt vive vocis oraculo die Auseinandersetzung verfolgt, von der die Rede ist. Was haltet ihr davon?«

[319] Worauf sie antworteten: »Wir haben sie in der Tat verfolgt, aber, zum Teufel, den Rechtshandel daran haben wir nicht verstanden. Deshalb bitten wir Euch una voce und ersuchen Euch inständig, uns gnädigst Eure Urteilsfindung kundzutun; wir werden sie ex nunc prout ex tunc gutheißen und ihr voll und ganz zustimmen.«

»Nun denn, meine Herren«, sagte Pantagruel, »da dies euer Wunsch ist, werde ich es tun; aber ich finde diese Angelegenheit nicht so schwierig, wie ihr meint. Euer Paragraph Cato, das Gesetz Frater, das Gesetz Gallus, das Gesetz Quinque pedum, das Gesetz Vinum, das Gesetz Si dominus, das Gesetz Mater, das Gesetz Mulier bona, das Gesetz Si quis, das Gesetz Pomponius, das Gesetz Fundi, das Gesetz Emptor, das Gesetz Pretor, das Gesetz Venditor und so manch andere sind meiner Meinung nach wesentlich schwieriger.«

Nachdem er dies gesagt hatte, machte er ein oder zwei Runden durch den Saal, tief in Gedanken versunken, wie man leicht vermuten konnte, denn er ächzte wie ein Esel, dem man die Gurte zu fest gezogen hatte; er wollte ja beiden ganz schlüssig und ohne Ansehen der Person Gerechtigkeit widerfahren lassen. Dann ging er zurück, um sich zu setzen, und verkündete den Urteilsspruch wie folgt: »Nach Vernehmung, Anhörung und Abwägung des Streitfalls zwischen den edlen Herren von Baisecul und von Humevesne erklärt das Hohe Gericht:

In Anbetracht der Gänsehaut der Fledermaus, die sich kühn herabsenkt von der Sommersonnenwende, um den Hirngespinsten schleimspurig den Hof zu machen, die schachmatt gesetzt worden sind wegen der bösen Schikanen der Lichtscheuen, die sich in der Gegend von Rom aufhalten, und wegen eines Affen [320] zu Pferde, der kraft seiner Hüften eine Armbrust spannte, hat der Kläger zu Recht die Galeone abgedichtet, die die Magd, die nur an einem Fuß einen Schuh trug, aufblies, und ihr kurz und knapp nach ihrem Gewissen so viel Klatschblasen verpasste, wie es Haare auf achtzehn Kühen gibt, das Ganze ist sowieso nur ein Bluff.

Gleichermaßen wird er für unschuldig erklärt in dem Ausnahmefall des Unflats, der ihm drohte, weil er nicht munter drauflosscheißen konnte, und zwar gemäß dem Entscheid eines Paares Handschuhe, die mit Nusstalg parfümiert waren, so wie man ihn in der Gegend von Mirebeau verwendet, indem man die Bugleine mit bronzenen Kanonenkugeln nachlässt; aus diesem Grund haben die Stallknechte auf fragwürdige Weise ihre sattelverpackten Gemüse von der Loire mit Sperberglöckchen vermengt, die mit feiner Spitze versehen waren, die sein Schwager in denkwürdiger Weise in einem Proviantkorb trug, der mit drei Sparren heraldisch verziert war, die völlig erschöpft von der Leinenware waren, mit einem eckigen Hundeloch, aus dem man die wurmförmigen Vogelschießscheiben herauszieht mitsamt dem Federbesen.

Was nun aber den Vorwurf gegen den Beklagten angeht, er sei ein käsefressender Schuhflicker und Mumienverkleisterer gewesen, hat sich dies bei genauerer Prüfung als unwahr herausgestellt, wie der Beklagte hat erfolgreich nachweisen können. So verurteilt das Hohe Gericht ihn, dem Beklagten drei Gläser gewürzte dicke Milch nach landesüblicher Art heidschibumbeidschi und dideldumm zu stellen, und dies Mitte August im Monat Mai.

Der Kläger hingegen ist gehalten, Heu und Werg zu stellen zur Stopfung der Schlundfangeisen, eingewickelt in Schlabberfraß und gründlich mit dem Hohlmeißel untersucht.

[321] Lasst uns wie ehedem Freunde sein ohne Gerichtskosten, somit ist dieser Fall erledigt.«

Nachdem dieser Urteilsspruch verkündet war, trennten sich die beiden Parteien, die mit dem Urteilsspruch höchst zufrieden waren, was ja eine fast unglaubliche Sache war: Denn seit der Sintflut und in dreizehn Jubeljahren von jetzt an fand und findet nicht statt, dass zwei Parteien, die sich im Prozess vor Gericht befinden, gleichermaßen zufrieden über ein endgültiges Urteil sind.

Was die Räte und die anderen anwesenden Doktoren anging, so waren diese vor lauter Verzückung gut drei Stunden ohnmächtig, und alle waren vor Bewunderung hingerissen angesichts der übermenschlichen Weisheit Pantagruels, die sie überdeutlich miterlebt hatten bei dem Urteilsbescheid in dieser diffizilen und haarigen Angelegenheit. Sie wären wohl immer noch da, hätte man nicht jede Menge Essig und Rosenwasser herbeigeschafft, um sie wieder zu Verstand und ihrer üblichen Besinnung zu bringen, wofür Gott überall auf der Welt gepriesen sei.

Vierzehntes Kapitel

Wie Panurge erzählte, auf welche Art und Weise er den Türken entkam

Der Urteilsspruch wurde alsbald bekannt, und die ganze Welt erfuhr davon; er wurde vielfach gedruckt und in den Archiven des Palastes hinterlegt, so dass alle Leute sagten: »Salomo, der durch logische Schlussfolgerung das Kind seiner Mutter zuerkannte, hat zeit seines Lebens nie ein solches Meisterwerk an Weisheit [322] zustande gebracht, das vergleichbar wäre mit dem, was Pantagruel vollbracht hat. Wir sind glücklich, ihn in unserem Lande zu haben.«

Und in der Tat, man wollte ihn zum Requetenmeister und Präsidenten des Obersten Gerichtshofes machen. Aber er schlug alles aus und dankte ihnen freundlichst: »Denn«, so sagte er, »diese Ämter sind mit zu großer Dienstbarkeit verbunden, und das Seelenheil derjenigen, die ein solches Amt ausüben, ist wegen der Verkommenheit der Menschen äußerst gefährdet. Darüber hinaus glaube ich, dass, wenn die leeren Stühle der abgefallenen Engel nicht von einer solchen Sorte von Menschen besetzt sind, das Jüngste Gericht nicht vor siebenunddreißig Jubeljahren stattfinden wird, und Cusanus wird sich in seinen Konjekturen geirrt haben – ich werde euch rechtzeitig Bescheid geben. Solltet ihr aber ein Fass guten Weins haben, so würde ich mich nicht zieren, es als Geschenk anzunehmen.«

Dem kamen sie gerne nach und ließen ihm eines bringen mit dem besten Wein der Stadt, und Pantagruel langte gut zu. Der arme Panurge trank heldenmütig mit, wobei er so dünn war wie ein Hering und sich bewegte wie eine ausgehungerte Katze. Jemand sprach ihn an, als er einen Humpen rot leuchtenden Weins zur Hälfte geleert hatte und nach Luft schnappte, und sagte zu ihm: »Nun mal sachte, Gevattersmann, Ihr sauft ja wie ein Wilder!«

»Zum Teufel aber auch«, sagte dieser, »du hast es hier nicht mit den Glasnippern von Paris zu tun, die nicht mehr trinken als ein Vögelchen und nur dann ein Schnäbelchen nehmen, wenn man ihnen wie bei den Spatzen auf den Schwanz klopft. O Kamerad, wenn ich so steigen könnte, wie ich es herunterlaufen lassen [324] kann, dann wäre ich oberhalb des Mondkreises zusammen mit Empedokles!

Aber, zum Teufel, ich weiß nicht, was los ist: dieser Wein ist ausgezeichnet und sehr edel, aber je mehr ich trinke, desto mehr Durst habe ich. Ich glaube, dass der Schatten des gnädigen Herrn Pantagruel die Durstigen hervorbringt, so wie der Mond den Husten verursacht.«

Daraufhin fingen alle Anwesenden an zu lachen. Als Pantagruel das sah, fragte er: »Panurge, was gibt es da zu lachen?«

»Mein Herr«, antwortete Panurge, »ich erzählte ihnen gerade, wie schlimm diese armen Teufelstürken doch dran sind, weil sie keinen Tropfen Wein zu trinken kriegen. Selbst wenn es keine andere Unannehmlichkeit im Koran des Mohammed gäbe, würde ich mich nicht unter dessen Fuchtel begeben.«

»Erzählt mir doch mal«, sagte Pantagruel, »wie Ihr ihnen entkommen seid.«

»Bei Gott, mein Herr«, sagte Panurge, »ich werde es Euch wahrheitsgemäß berichten.

Diese Türkensäcke hatten mich an einen Bratspieß gesteckt, gespickt wie einen Hasen, denn ich war ja so mager, dass mein Fleisch ansonsten ein wenig schmackhaftes Essen abgegeben hätte, und so brieten sie mich also bei lebendigem Leibe. Und während sie mich so brieten, empfahl ich mich der göttlichen Gnade und dachte dabei an den heiligen Laurentius und hoffte inständig auf Gott, dass er mich von dieser Qual befreie, was dann auch auf höchst wundersame Weise geschah. Während ich mich also aus tiefster Seele Gott empfahl und schrie: Herr, Du mein Gott, hilf mir! Herr, Du mein Gott, rette mich! Herr, Du mein Gott, befreie mich aus dieser Qual, die mir die verfluchten Hunde um Deines [325] Glaubens antun!, da schlief der Bratkoch durch göttliche Einwirkung ein, oder aber durch das Eingreifen von einem gutgesinnten Merkur, der den hundertäugigen Argus listig ins Reich der Träume schickte.

Als ich sah, dass er mich nicht mehr am Bratspieß drehte, schau ich ihn an und sehe, dass er einschläft. Auf der Stelle packe ich mit den Zähnen ein Holzscheit am noch nicht verbrannten Ende und werfe es meinem Bratkoch in den Schoß, und ein weiteres Holzscheit werfe ich, so gut es geht, unter eine Pritsche, die am Kamin stand und auf der sich der Strohsack meines Herrn Bratkochs befand.

Auf der Stelle griff das Feuer auf das Stroh über, vom Stroh aufs Bett und vom Bett auf die Zimmerdecke, deren Fichtenholzverkleidung mit lauter Hängezapfen versehen war. Das Gute daran war, dass das Feuer, das ich dem Halunken von Bratkoch in den Schoß geworfen hatte, ihm den ganzen Unterleib verbrannte und schon auf sein Gehänge übergriff, aber erst mit dem Feuerqualm in die Nase stieg, weil er selber so unglaublich stank. Da sprang er auf wie ein verdutzter Bock und brüllte am Fenster, so laut er konnte: ›Dal baroth, dal baroth!‹, was so viel heißt wie: Feuer, Feuer! Er kam geradewegs auf mich zu und wollte mich vollends ins Feuer befördern, wozu er bereits meine Handfesseln zerschnitten hatte und dabei war, die meiner Füße zu zertrennen.

Da kam der Herr des Hauses herein, der das Feuergeschrei und den Rauch von der Straße her wahrgenommen hatte, wo er mit ein paar anderen Paschas und Muftis spazieren gegangen war. Er rannte, was das Zeug hielt, um zu helfen und um seine Sachen in Sicherheit zu bringen.

Und wie er so hereinstürmte, packte er sich den Spieß, an dem [326] ich aufgespießt gewesen war, und tötete mit einem Stoß meinen Bratkoch, der da mangels Versorgung oder mangels anderer Dinge verstarb, denn er rammte ihm den Spieß etwas oberhalb des Nabels in die rechte Bauchgegend, durchbohrte ihm den dritten Leberlappen, stieß aufwärts durch das Zwerchfell, zerschnitt ihm den Herzbeutel und brachte den Spieß so zwischen den Rückenwirbeln und dem linken Schulterblatt auf Höhe der Schultern wieder zum Vorschein.

Als er mir den Spieß vom Körper zog, fiel ich neben dem Feuerbock zu Boden und hab mir bei dem Sturz etwas wehgetan, aber nicht besonders, da die Speckscheiben mich auffingen.

Nun, als mein Pascha sah, dass seine Lage aussichtslos war und sein Haus gnadenlos abbrannte, empfahl er sich allen Teufeln und rief neun Mal Grilgoth, Astaroth, Rapallus und Grisbouillis an.

Als ich das sah, bekam ich eine Heidenangst, denn ich fürchtete, die Teufel würden den Verrückten auf der Stelle holen und wären vielleicht imstande, auch mich mitzunehmen. Ich war ja schon halb gebraten. Meine Speckscheiben, so dachte ich, werden mein Untergang sein, denn die Teufel dort sind ja ganz scharf auf Speckscheiben, so bezeugen es die Philosophen Jamblichos und Johannes Murmellius in seiner Apologie De bossutis et contrefactis pro Magistros nostros. Aber ich machte das Kreuzeszeichen und rief laut: ›Agyos athanatos, ho Theos‹! Und kein Teufel erschien.

Als mein Lump von Pascha dessen gewahr wurde, wollte er sich mit meinem Spieß töten und sich das Herz durchbohren. So richtete er den Spieß gegen seine Brust, aber er kam damit nicht durch, weil dieser nicht spitz genug war; er stieß, so fest er konnte, aber es gelang ihm nicht.

Da bin ich zu ihm hin und sagte: ›Mein Herr Bougrino, du [327] vergeudest hier deine Zeit, denn so wirst du dich nie um die Ecke bringen; du wirst dir höchstens eine Verletzung zufügen, an der du dein Leben lang leiden wirst, und zwar wegen der Behandlung durch die Barbiere. Aber wenn du willst, kann ich dich hier ganz sauber umlegen, ohne dass du etwas davon spürst, und du kannst mir glauben, ich habe schon so manchen umgebracht, dem das gut bekommen ist.‹

›Ha, mein Freund‹, sagte jener, ›ich bitt dich drum! Wenn du das tust, gebe ich dir meinen Geldbeutel. Sieh, hier ist er. Sechshundert Seraphinen sind darin und ein paar feine Diamanten und Rubine.‹«

»Und wo sind die jetzt?« fragte Epistemon.

»Beim heiligen Johannes«, sagte Panurge, »die sind weit weg, wenn sie denn immer noch laufen:

Wo ist der Schnee vom letzten Jahr?

Das war der größte Kummer, den Villon, der Pariser Dichter, hatte.«

»Nun erzähl zu Ende«, sagte Pantagruel, »ich bitte dich, damit wir erfahren, was du mit deinem Pascha gemacht hast.«

»Bei meinem Ehrenwort«, sagte Panurge, »kein Wort ist gelogen. Ich hab ihn in eine halbverbrannte, erbärmliche Hose eingewickelt, die ich dort fand, und hab ihm mit meinen Stricken ordentlich Füße und Hände zusammengebunden, so dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Dann hab ich ihm den Spieß durch die Gurgel gerammt und ihn aufgehängt, indem ich den Spieß an zwei dicken Haken befestigte, an denen Hellebarden staken; darunter hab ich ein schönes Feuerchen gemacht und meinen Milord [328] abgeflammt, so wie man es mit dem Räucherhering über dem Holzfeuer macht. Dann nahm ich mir die Geldbörse und einen kleinen Jagdspeer, der auf den Haken lag, und machte mich hastewaskannste von dannen, und Gott weiß, wie erbärmlich ich gestunken habe!

Als ich dann auf der Straße war, sah ich eine Menge Leute, die mit Wassereimern herbeieilten, um das Feuer zu löschen. Als sie mich so halbverbrannt sahen, hatten sie spontan Mitleid mit mir und kippten das ganze Wasser über mich aus, was mich höchst angenehm erfrischte und mir ausgesprochen gut tat. Dann gaben sie mir etwas zu essen, aber ich nahm kaum etwas zu mir, da sie mir zum Essen nur Wasser gaben, so wie es bei ihnen Brauch und Sitte ist.

Ansonsten taten sie mir nichts weiter zuleide, bis auf einen widerlichen kleinen Türken, der klammheimlich in meine Speckscheiben biss; dem habe ich so volle Kanne mit meinem Speer auf die Finger geklopft, dass er es kein zweites Mal versucht hat. Und da war noch so ein junges Ding aus Korinth, die mir einen Topf mit grauen Myrobalanen brachte, die nach der dortigen Tradition eingelegt waren, und die mein armes Pittermännchen in Augenschein nahm, das ganz verhutzelt aus dem Feuer gekommen war, denn es ging mir nur noch bis zu den Knien. Man sollte hierbei aber nicht vergessen, dass ich durch diese Braterei von meinem Ischiasleiden geheilt worden bin, an dem ich schon seit mehr als sieben Jahren litt, weil mein Bratkoch, der ja eingeschlafen war, mich von der einen Seite ja weiter befeuert hatte.

Während die Leute so ihre Zeit mit mir vertaten, griff das Feuer weiter um sich und – fragt mich nicht wie – erfasste mehr als zweitausend Häuser, und als einer von ihnen dessen gewahr [329] wurde, schrie er laut: ›Beim Bauch des Propheten, die ganze Stadt brennt, und wir verschwenden hier unsere Zeit!‹ Und so ging ein jeder nach Hause.