298 »Signor mio … tuto annichillati.«: Italienisch war in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s eine den Humanisten vertraute Sprache, weniger in der ersten Hälfte, daher auch die Antwort Epistemons. Die Übersetzung lautet: »Mein Herr, Ihr seht doch an (meinem) Beispiel, dass der Dudelsack nicht mehr ertönt, wenn er den Bauch nicht voll hat. Genauso kann ich Euch mein Schicksal nicht erzählen, wenn mein geplagter Bauch nicht zuvor seine gewohnte Mahlzeit erhalten hat, denn es scheint ihm, dass Hände und Zähne ihre natürlichen Funktionen verloren haben und völlig vernichtet sind.« Vgl. Lefranc III 114,24; Huchon 1275,5. | »Lard, ghest tholb … iss non gud.«: Übersetzung des schottischen Texts: »Mein hoher Herr, wenn Ihr an Intellekt so mächtig seid wie von Veranlagung her an Körpergröße, solltet Ihr Mitleid mit mir haben, denn von Natur aus sind wir gleich, nur hat das Schicksal die einen erhöht und die anderen erniedrigt. Gleichwohl wird die Tugend oft erniedrigt und die Tugendhaften verachtet, denn vor dem letzten Ende ist niemand gut.« Vgl. Lefranc III 115,27; Huchon 1275,6. | »Jona andie, guaussa … plasar vadu.«: Übersetzung des Textes aus dem Baskischen: »Mein Herr, alle Übel bedürfen eines Heilmittels; so sein, wie man sein sollte, das ist die Schwierigkeit. Ich habe Euch so sehr gebeten! Sorgt dafür, dass Ordnung in unseren Gesprächsgegenstand kommt, was ohne weiteren Ärger sein wird, wenn Ihr mir Sättigung verschafft. Danach könnt Ihr von mir verlangen, was Ihr wollt. Es wird Euch nichts abgehen, wenn Ihr die Kosten für zwei tragt, so wahr es Gott gefällt.« Vgl. A. Hovelacque / Julien Vinson, Etudes lingustiques et d’ethnographie, Paris 1878, S. 229; Julien Vinson, »Rabelais et la langue basque«, in: Revue des Études Rabelaisiennes 3 (1905), S. 276 ff.; Lefranc III 115,28; Huchon 1275,8. | Eudämon: zu Eudämon und der Bedeutung seines Namens vgl. Anm. zu S. 76. | Carpalim: zu griech. Karpálimos ›schnell‹, ›flink‹; einer der Bediensteten Pantagruels. | heiligen Ninian: Sainct Treignan: der heilige Ninianus, 4./5. Jh., erster Heiliger Schottlands, Missionar der Südpikten; vgl. Vollständiges Heiligen-Lexikon, IV, Augsburg 1875, S. 573; vgl. auch Huchon 1276,11. | Ihr kommt: foutys vous: steht für vous êtes, Jargon der schottischen Soldaten in Frankreich, die bereits seit dem 15. Jh. in Diensten des französischen Königs standen; vgl. Lefranc III 116,32. | »Prug frest … jocst stzampenards.«: Phantasiesprache, in der man einige Eigennamen und Begriffe erkennt, so Gravot, Chavigny, Pomardière und Devinière, monach, vins, cordelis; Panurge bittet in jedem Fall um etwas zu trinken.

299 Sprecht Ihr wie ein Christenmensch: parler christian: sprechen, reden wie ein Christenmensch; in der Farce de Maistre Pierre Pathelin sagt der Tuchhändler über Pathelin, der vorgibt, im Delirium zu reden: »Il ne parle pas crestien ne nul langage qui apere«; vgl. V.937/938. Unverständliche Sprachen haben traditionellerweise entweder eine Verbindung mit Abtrünnigkeit oder mit der Teufelsmacht; vgl. Jelle Koopmans, »Pathelin patarin. Archéologie d’un monstre sacré«, in: Revue des Langues Romanes 103 (1999), S. 106; vgl. auch S. 276–278. | pathelenisch: Patelinoys: Epistemon verweist hiermit auf die genannte Farce. | laternisch: Lanternoys: im Phantasieland der Lanternois befindet sich die Dive Bouteille; vgl. Demerson, Tiers Livre, 1973, Kap. 47, S. 537; zu einer Dechiffrierung des Textanfangs vgl. Screech 1979, S. 48. | »Herre, ie en spreke … mach zunich.«: Die siebte Sprache, die Panurge spricht, ist Niederländisch, was in Frankreich so unbekannt ist wie Dänisch, s. unten. Übersetzung: »Mein Herr, ich spreche keine andere Sprache denn die eines Christenmenschen. Es scheint mir allerdings, dass meine Not Euch hinreichend erklärt, was ich begehre, ohne Euch auch nur ein Wort zu sagen. Gebt mir aus Barmherzigkeit etwas, wovon ich mich ernähren kann.« Vgl. Lefranc 117,39,40 und 118,43; Huchon 1276,4. | »Seignor, de tanto … digo mas.«: Spanisch ist in der ersten Hälfte des 16. Jh.s in Frankreich sehr wenig verbreitet. Übersetzung: »Mein Herr, von so vielem Reden bin ich müde. Daher bitte ich Euer Ehrwürden, die Vorschriften des Evangeliums in Betracht zu ziehen, damit Euer Ehrwürden dahin gebracht werden, was das Gewissen erfordert, und, wenn jene nicht ausreichen sollten, um Euer Ehrwürden zur Barmherzigkeit zu bewegen, so bitte ich Euch untertänigst, die angeborene Barmherzigkeit in Betracht zu ziehen. Diese wird Euch, so glaube ich zumindest, anrühren, und jetzt sage ich gar nichts mehr.« Vgl. Lefranc III 117,41; 118,42; Huchon 1276,5. | »Myn Herre, endog … och lycksalight.«: zum Dänischen vgl. oben Anm. zu »Herre, ie en spreke … mach zunich.«; Übersetzung: »Mein Herr, selbst wenn ich eine Kindersprache oder die tumber Tiere von mir gäbe, so zeigen doch meine Kleider und mein ausgemergelter Körper überdeutlich, was ich dringend brauche, nämlich Essen und Trinken. Habt also Erbarmen und lasst mir etwas geben, was meinen knurrenden Magen zum Schweigen bringt, ganz so wie man dem Cerberus eine Suppe vorsetzt. So werdet Ihr lange und glücklich leben.« Vgl. Lefranc III 118,43,44; Huchon 1276,6.

300 Eusthenes: zu griech. eu-sthéno ›stark‹, ›kräftig sein‹; einer der Bediensteten von Pantagruel. | so haben die Goten: gemeint ist eine Barbarensprache; vgl. Anm. zu S. 292 Goten. | »Adoni, scolom lecha … chonen ral.«: Hebräisch, eine Sprache, die Epistemon, der Lehrer Pantagruels, selbstverständlich versteht. Übersetzung: »Mein Herr, Friede sei mit Euch. Wenn Ihr Eurem Diener eine Gefälligkeit erweisen wollt, gebt mir auf der Stelle ein Stückchen Brot, so wie es geschrieben steht: Wer sich des Armen erbarmt, der leihet dem Herrn.« Vgl. Spr. 19,17. Esmangart hat die hebräische Umschrift veröffentlicht, die der Orientalist Silvestre de Sacy angefertigt hatte, vgl. Esmangart III 294,31; Lefranc ist der Ansicht, dass ein jüdischer Rabbi Rabelais diese Passage verfertigt hat, vgl. Lefranc III 119,47; vgl. auch Huchon 1277,9. | »Despota ti … phosphoros epiphenete.«: Die elfte Intervention Panurges ist in griechischer Sprache; vgl. hierzu Esmangart III 295,32; Lefranc III 119,49. Übersetzung: »Trefflichster Herr, warum gebt Ihr mir kein Brot? Ihr seht mich elend vor Hunger zugrunde gehen und doch habt Ihr kein Mitleid mit mir und fragt mich nach unnötigen Dingen. Gleichwohl sind sich alle Gelehrten darüber einig, dass Worte und Reden dann unnötig sind, wenn die Dinge allen klar sind. Die Reden sind nur dort vonnöten, wo die Dinge, über die wir reden, nicht klar und deutlich sind.« Vgl. Huchon 1277,1. | Carpalim: vgl. Anm. zu S. 298. | »Agonou dont oussys … oust troppassou.«: Phantasiesprache, in der man einige Worte erkennen kann, ohne dass ein Sinn zu entdecken wäre. Es soll sich um die Sprache von Utopia handeln. | »Jam toties vos … carere dicitur.«: Übersetzung des lateinischen Textes: »Ich habe euch schon so oft bei allem, was heilig ist und bei allen Göttern und Göttinnen beschworen, mir in meiner Not beizustehen, sollte euch irgendein Mitleid anrühren; aber mein Jammern und Klagen bewirken rein gar nichts. Erlaubt, ihr unbarmherzigen Männer, erlaubt, ich bitte darum, mich dahin gehen zu lassen, wohin das Schicksal mich ruft, und belästigt mich nicht länger mit euren eitlen Fragen und denkt an das alte Sprichwort: ein hungriger Bauch hat keine Ohren.« Das lateinische Sprichwort »Venter auribus caret« findet sich bei Erasmus, Adagia, II,8,84; La Fontaine wird es in der Fabel Le milan et le rossignol IX,18 verwenden.

301 Garten Frankreichs: jardin de France: als Bezeichnung für die Touraine seit dem 15. Jh. geläufiger Begriff. | Achates: Trojaner und treuer Gefährte des Aeneas; vgl. Vergil, Aeneis, I, 312; Hederich vermerkt: »Achates, …, der in der That nichts anderes bedeutet, als die Sorge und Bekümmernis, welche Fürsten und Könige stets zu begleiten pflegen«, vgl. Hederich 1996, S. 22, Sp. 2. | Mytilini: Hafenstadt auf der Insel Lesbos; 1501 waren bei einem Minikreuzzug 32 Franzosen in die Hände der Türken gefallen; vgl. Paul L. Jacob (Hrsg.), Les Chroniques de Jean d’Auton, Bd. 2, Paris: Silvestre, 1834, S. 11 ff.

302 Fest: basme: auch baulme, zu lat. balsamum, nicht nur im Sinne von Linderung, sondern auch von Wunderbarem. | satt zu Bett: coucher en chappon: nicht: früh, mit den Hühnern schlafen gehen, wie bei Regis/Schrader/Pörnbacher 182 und Heintze 225, sondern: satt, sich wie gutgenährte Kapaune zur Ruhe begeben. | Wie Pantagruel eine höchst … Bewunderung zollte: zur kritischen Analyse des Kapitels vgl. Huchon 1278,2. | neuntausendsiebenhundertundvierundsechzig Thesen: Allgemein bekannt war, dass Pico della Mirandola (1463–94) 900 Thesen verfasst hatte (Conclusiones philosophicae, cabalisticae et theologicae, 1486), die er ursprünglich öffentlich diskutieren wollte, was vom Heiligen Stuhl jedoch verboten wurde. Auch die Thesen Martin Luthers (1517) waren noch in aller Munde. | Freien Künste: artiens: zu artes liberales vgl. Anm. zu 282 sieben Freie Künste. | Rue du Fouarre: früher Rue du Feurre, 5. Arrondissement in Paris. Die Fakultät der Freien Künste war die meistbesuchte der vier Fakultäten der Pariser Universität und umfasste vier »nations«: Normandie, Picardie, Deutschland (seit dem 14. Jh. anstelle Englands) und France = Île de France. Für die öffentlichen Veranstaltungen hatte die Universität dieser Fakultät Räumlichkeiten in der Rue du Fouarre angewiesen, die in bewusstem Verzicht nur mit Strohballen (feurre = ›Stroh‹) statt mit Tischen und Bänken ausgestattet waren; vgl. Hillairet 1963 I, S. 541.

304 Requetenmeister: maistres de requestes: Ihre Aufgaben waren durch ein königliches Edikt vom 11. Dezember 1493 festgelegt; sie waren dem Kanzler beigeordnet und vertraten ihn als Siegelbewahrer und Vorgesetzte der Justiz; vgl. Doucet 1948 I, S. 155. | Oberrechnungskammer: vgl. hierzu Doucet 1948 I, S. 189 ff. | Schöffen: eschevins: Handelsaufseher, die in Paris dem Prévôt des Marchands zugeordnet waren; in Paris waren es vier; vgl. Doucet 1948 I, S. 370. | Mediziner und Kanonisten: medicins et canonistes: gemeint sind die Lehrenden der Medizinischen Fakultät und die des Kirchenrechts. | legten sich mächtig ins Zeug: prendre le frein (mors) aux dents: faire qc. avec emportement ›durchgehen‹; vgl. Godefroy 1969 IX, S. 659. | Syllogismen: ergotz: zu argoz, etymologisch unsicher; kein Bezug zu Argot; vgl. Rey 1992 I, S. 716, Sp. 1. Wortspiel von Rabelais mit lat. ergo, Schlussformel zu Syllogismen; vgl. hierzu Anm. zu S. 71 Es ist … abwischen können. | Spitzfindigkeiten: fallace: List, trügerische Rede; vgl. Huguet 1953 IV, S. 23. | setzte er sie alle schachmatt: il les fist tous quinaulx: vgl. S. 70; Huchon 1279,2. | robenbekleidete: engiponnez: mit einem Kleid oder einer Robe versehen; die erwähnten Honoratioren trugen alle eine Robe in Ausübung ihres Amtes. | ganz so wie dem Demosthenes … »Der ist es!«: Diese Anekdote geht auf Cicero, Tusculanae disputationes, V, 36, zurück; sie findet sich auch bei Erasmus, Adagia, I, 10, 43. | Herr von Baisecul … Humevesne: sprechende Namen: Herr von ›Leckarsch‹ und Herr von ›Schleichfurz‹. | rein gar nichts verstand: n’y entendoit que le hault alemant: ›nur noch Althochdeutsch verstand‹; vgl. hierzu S. 110. | Staatsrat: Grand Conseil: gesamter Rat des frz. Königs, wie aus den königlichen Verordnungen von 1497 und 1498 hervorgeht; vgl. Doucet 1948 I, S. 202 ff. | Jason: Jason Mainus (1435–1519), italienischer Rechtsgelehrter, vgl. Gustav Hugo, Lehrbuch der Geschichte des Römischen Rechts, IV, Berlin 1830, S. 183. | Philipp Decius: Philippe Dece (1453–1535), italienischer Rechtsgelehrter, vgl. Hugo 1830 IV, S. 183–184; vgl. Screech 1979, S. 113 f.; Huchon 1280,10. | Petrus von Petronibus: zu lat. petro: ›alter Hammel‹, also: ›Petrus von den alten Hammeln‹; möglicherweise eine Anspielung auf Petrus von Ravenna, einen italienischen Rechtsgelehrten, der wegen seines enormen Gedächtnisses bekannt war, weshalb man ihn auch Petrus de memoria nannte; hatte sich in Köln mit Hardwin von Grätz (Ortuinus Gratius, vgl. Anm. zu S. 283 Magister Ortuinus) und Hoogstraaten (vgl. Anm. zu 286 Jakob von Hoogstraaten) angelegt; vgl. Hugo 1830 IV, S. 183. | Rabbinisten: Rabaniste: eigtl. jemand, der die rabbinischen Schriften studiert hat; steht hier für alte Rechtsgelehrte.

305 Du Douhet: Briand Vallée, seigneur du Douhet, Gerichtsherr am Gerichtshof von Bordeaux von 1527 bis 1544; stand den Humanisten nahe; vgl. Febvre 1947, S. 154 f.; Screech 1979, S. 113. | Hirne völlig zerfranzt: philogrobolizez: Wortschöpfung von Rabelais in Anlehnung an metagrabolisez; vgl. Lefranc III 169,17; Huchon 1280,13. | keine zufriedenstellende Lösung: ne … fond ny rive: aucun terrain solide, aucune solution satisfaisante; vgl. Huguet 1953 IV, S. 149 (fond1). | prüfen: canabasser: die Kontrolle der einzelnen Fäden in einer Gitterleinwand vornehmen; aus der Weberspreche; vgl. Huguet 1932 II, S. 69.

306 Cepola: Bartolommeo Cepola aus Verona, gest. um 1477; Rechtsgelehrter in Padua, der eine Sammlung juristischer Kunstgriffe unter dem Titel Cautelae ultissimae (daher cautèle) herausgegeben hat. | Accursius: vgl. Anm. zu S. 275 die Glossa des Accursius; vgl. auch Hugo 1830 VI, S. 145–147. | Baldus: Petrus Baldus de Ubaldis (1324–1400), italienischer Rechtsgelehrter, der in Perugia, Padua und Pavia tätig war; Schüler von Bartolus, vgl. folgende Anm. | Bartole: Bartole Bonnacursi (1313–56), Rechtsgelehrter in Pisa, einer der Mitarbeiter an der Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. (1356); zur Zeit Rabelais’ waren seine Opera omnia bereits gedruckt (4 Bde., Venedig 1499); Charles Dumoulin (1500–66), frz. Rechtsgelehrter und Zeitgenosse Rabelais’, nannte ihn »le premier et le coryphée des interprètes du droit«; vgl. Larousse 1867 II, S. 285, Sp. 1. | de Castro: Paulus de Castro, geb. letztes Viertel des 14. Jh.s, gest. 1447 oder 1457, war zunächst angestellt bei Petrus Baldus, (s. oben Anm. zu Baldus), später tätig in Florenz, Bologna, Ferrara und Padus; vgl. Larousse 1867 III, S. 534, Sp. 2. | de Imola: eigtl. Alexander Tartagni (1424–77), geb. in Imola, Tätigkeit als Rechtsgelehrter in Padua, Ferrara und Bologna, ebenfalls sehr geschätzt von Charles Dumoulin; vgl. Larousse 1875 XIV, S. 1484, Sp. 3. | Hyppolitus: bekannter unter dem Namen Riminaldus (1434–97), Rechtsgelehrter in Ferrara. | Panormitanus: Niccolò de Tedeschi (1386–1445), Beiname: Panormitanus, italienischer Kirchenrechtsgelehrter, tätig in Siena, Parma, Bologna und Florenz, Erzbischof von Palermo, Legat von Papst Felix V. im Kaiserreich. | Bertachin: vgl. Anm. zu S. 256 Bartachim. | Alexandre: der eigtl. Name von de Imola, vgl. oben Anm. zu de Imola. | Curtius: Francesco Curtius, gest. 1553, italienischer Rechtsgelehrter, tätig in Pavia und Mantua; in Diensten des frz. Königs Franz I. geriet er in der Schlacht von Pavia (1525) in die Hände des Gegners. | Pandekten: vgl. Anm. zu S. 31 Digesten … mense. | Gotisch und ihre Barbarensprache: Gothique und Barbare ist als Tautologie zu sehen; vgl. Anm. zu S. 300 so haben die Goten. | Ulpian: Domitius Ulpianus (170–224), römischer Rechtsgelehrter; aus seinen Schriften stammen ca. ein Drittel der Digesten (auch Pandekten) des Kaisers Justinian; vgl. Anm. zu S. 31 Digesten … mense. | De origine iuris: Dieses Werk stammt nicht von Ulpianus, sondern von Sextus Pomponius, der im 2. Jh. unter den Kaisern Hadrian, Antoninus Pius und Marcus Aurelius (117–180) lebte. | Dann, zweitens, … in der gesamten lateinischen Sprache gibt: Mit diesem Urteil stimmte Rabelais der Ansicht seines vom ihm verehrten Guillaume Budé zu.

307 weder Sallust … und Quintilian: Es handelt sich um eine Aufzählung lateinischer Autoren, deren Stil und Ausdrucksweise besonders geschätzt wurde. | Was die humanistische Bildung … diese nicht verstanden werden: vgl. hierzu die Hinweise bei Huchon 1282,4. | wie es Titus Livius in Bezug auf die Karthager sagt: Titus Livius (59 v. Chr. – 19 n. Chr.), Ab urbe condita, XXI,4: »Wenige, und fast die Rechtlichsten alle, stimmten dem Hanno bei; allein, wie gewöhnlich, siegte die größere Partei über die bessere.«

309 Wie die Herren von Baisecul … vor Pantagruel führten: zur kritischen Analyse des Kapitels vgl. Huchon 1282,1; Screech 1979, S. 107 ff. | »Ihr könnt Euren Hut wieder aufsetzen: Adlige setzen ihre Kopfbedeckung nur vor dem König ab. Die Anweisung Pantagruels ist als eine huldvolle Geste zu verstehen. | Heller: blans: ein Blanc zu 13 Deniers tournois war bereits zur Zeit von Karl VII. und Ludwig XI. die gängigste Währung; vgl. hierzu Steinsieck 2004, S. 106, Anm. V. 238. | Pfennig: 2 Mailles entsprachen 1 Denier, vgl. hierzu vorherige Anm. | Bergen Rhipaia: mons Riphées: Gebirge, das sich in der Vorstellungswelt der Antike am Nordrand der Welt befand und wohinter sich die Sonne bei Dunkelheit befinden sollte; vgl. Der Neue Pauly x, 2001, S. 991. | Schwadroneure: ballivernes: vgl. hierzu S. 120. | Accursiusti: Accoursiers: Wortspiel von Rabelais von a(c)coursier ›Kunde‹ und accoursier ›Anhänger des Accursius‹; vgl. Anm. zu S. 275 die Glossa des Accursius. | damit sie den Hunden Hafer geben: Es handelt sich bei den Plädoyers um eine Abfolge von Unsinnigkeiten und Anspielungen, die von der Gesamtkonzeption mit dem 2. Kap. des Gargantua, »Firlefanz mit Gegengift«, verwandt sind. Dieser Unsinn, so vermerkt Schrader zu Recht, bereitet der Einzelkommentierung manche Schwierigkeiten. Das darf jedoch nicht zu einer subjektiven Nachdichtung führen, wie dies bei Heintze (229 ff.) der Fall ist. Das entscheidende Moment bei Rabelais ist der Gesamteindruck einer verkehrten Welt. Dies wird durch eine Absage an logische Gliederung und durch Häufung von adýnata – Unmöglichkeiten – erreicht. Vgl. Regis/Schrader/Pörnbacher 556. Literarhistorisch sind die Plädoyers und Pantagruels Urteil mit den Fatrasien des französischen MA verwandt; vgl. Ralph Dutli, Fatrasien – Absurde Poesie des Mittelalters, Göttingen 2010. | die Hand auf dem Pott: la main sur le pot: man schließt einen Handel ab, indem man die Hand auf einen »Pott« Wein legt, den man dann gemeinsam trinkt; vgl. Steinsieck 2004, S. 112, Anm. V. 396. | weil die Schneider aus geklauten Stoffresten: vgl. Anm. zu S. 288 Sutor. | Trappenringe: pas d’ostarde: steht für: pas d’âne: Stichblattzapfen nach der Klinge in Form eines Ringes, durch den man Zeige- und Mittelfinger hindurchsteckt, um eine höhere Stoßkraft zu erzielen; vgl. Le Duc 1995 II, S. 308; Rabelais hat wohl »ostarde« gewählt, um einen Reim mit »moustarde« zu haben; der Waffenbezug wird über den Begriff bezagues ›zweischneidige Axt‹ hergestellt.

310 auf jede Art und Weise: par bemol: zu par bequare et par bemol vgl. Lefranc III 74,19; Huchon 1261,3. | halten: allebouter: wie halleboter; vgl. Lefranc III 262,32; S. 129. | Ragot: bekannter Bettelkönig (coësre) in Paris zu Beginn des 16. Jh.s. | Bicocca: la Bicoque: kleiner Ort nördlich von Mailand; Schlachtort, an dem die Truppen von Franz I. gegen die kaiserlichen Soldaten von Karl V. am 27. April 1522 eine herbe Niederlage hinnehmen mussten. | Meister Antitus: burleske Person aus der Literatur des 15. Jh.s, Prototyp des anmaßenden Dummkopfs. | Kanonisten: canonistes: vgl. Anm. zu 304 Mediziner und Kanonisten. | Beati lourdes, quoniam ipse trebuchaverunt: Pseudolatein: »Selig sind die Tölpel, denn sie sind von alleine gestolpert«; Parodie auf die Bergpredigt, vgl. Mt. 5,3 ff.; Lk. 6,20 ff.; vgl. Screech 1979, S. 65. | Beim heiligen Fiacrius von Brie: Der irische Mönch Fiacrius ließ sich im 7. Jh. wohl in Meaux in der Brie, östlich von Paris, nieder. Er ist vor allem der Heilige der Gärtner; die Lohnkutscher hatten ab 1637 ihren Stand in der Rue Saint-Martin (ungefähr bei der Nummer 212) bei der Auberge à l’enseigne au Grand Saint-Fiacre; hier war auch das bureau central des voitures, daher fiacres für ›Lohnkutschen‹; vgl. Hillairet 1963 II, S. 466. | Pfingsten nie kommt, ohne dass es mich was kostet: Sprichwörtlich seit Chrétien de Troyes, Le Chevalier au Lion, V. 5 f.: »A cele feste qui tant coste / Qu’on doit clamer la pentecoste«. | Kleiner Regen lässt großen Sturm sich legen: vgl. S. 38 und Anm. zu 282 Friedhof der unschuldigen Kindlein. | Packsättel: bas: für bât; vgl. Lefranc III 138,47. | Fünfjahresfrist: quinquenelle: Frist, die Schuldnern eingeräumt wurde. | Thibaut Mitaine: Anspielung auf eine unbekannte Person; mitaine existiert in vielen Redewendungen, wie z. B. fourrer ses mitaines ›sich durch Plünderung bereichern‹, prester sa mitaine ›Schläge austeilen‹ u. a.; vgl. Huguet 1961 V, S. 288 f.

311 die ihre ›Vater unser‹ und ihre Gegrüßet seist du Maria von sich gab: disant ses gaudez et audinos: gaudez und audi nos stehen für heruntergeleierte Gebete, ohne innere Anteilnahme. | Schlag mit verkehrter Hand: revers faulx montant: Begriff aus der Fechtkunst, bei dem es sich um einen Schlag handelt, der mit der rechten Hand von links nach rechts geführt wird. | Karo Sieben zudeckte: couvrir une carte: beim Kartenspiel eine Karte entweder mit Geld oder mit einer anderen Karte zudecken. | um die Zikaden vernünftig mit Eisen zu beschlagen: ferrer les cigales: auch ferrer les oies; sprichwörtlicher Ausdruck für einen Versuch, etwas Unmögliches unternehmen zu wollen. | heiligen Antonius: vgl. S. 131, 194; Anm. zu S. 68 Feuer des heiligen Antonius und Anm. zu S. 84 schweinische Kollekte. | du fällst mir schon wieder auf die Nerven: Der Anredewechsel dient Rabelais dazu, Pantagruels Erregung zu verdeutlichen. | Pragmatische Sanktion: pragmatique sanction: königliche Kirchenverordnung von Karl VII. (1438), die die Autorität des Papstes unter die der Konzile stellte und den Einfluss des Königs auf die Kirche in Frankreich sicherte; vgl. auch Screech 1979, S. 115.

312 Jean le Veau: vgl. Anm. zu S. 75. | nimm nichts, gib alles: vgl. S. 98. | Non de ponte vadit, qui cum sapientia cadit: Schüttelreim: »Der geht nicht von der Brücke herunter, der mit Umsicht herunterfällt«; vadit und cadit müssten ausgetauscht werden, um den ursprünglichen Sinn wiederzugeben. | die Brillen der Fürsten: Anspielung auf Les Lunettes des Princes (entstanden 1461–64, gedruckt 1493 bei Etienne Larcher, Nantes) von Jean Meschinot (1420–91); vgl. hierzu Christine Martineau-Geneys, Les lunettes des Princes de Jean Meschinot, Genf 1972. | das kürzlich in Antwerpen erschienen ist: Von dem genannten Werk von Jean Meschinot sind sechs Auflagen vor Abfassung des Pantagruel erschienen, jedoch keine in Antwerpen; vielleicht ein Wortspiel Rabelais’ von Anvers mit en vers. | im Priester des Worts: vgl. oben Anm. zu Non de ponte vadit, qui cum sapientia cadit; in sacer verbo dotis statt in verbo sacerdotis. | Spat: Arthrose am Sprunggelenk des Pferdes. | Freund Baudichon: ami Baudichon: Refrain eines bekannten Volkslieds. | Artois: historische Provinz im Norden Frankreichs, heute Département Pas-de-Calais. | Kiepenkerle: porteurs de cousteretz: vgl. S. 23. | Hahnenstorchkraniche: coquecigrues: vgl. Anm. zu S. 207.

313 Ball spielen: jourroit … à la paulme: vgl. Anm. zu S. 275 das Ballspiel. | Pont aux Meuniers: Brücke in der Nähe des Pont au Change und des Châtelet, die am 22. Dezember 1596 von den Wassermassen der Seine zerstört wurde; vgl. F. Hoffbaur, Paris à travers les siècles, Bibliothèque de l’Image, Tours 2001, S. 409; Le Duc 1995 I, S. 601. | König von Kanarien: roy de Canarre: vgl. Anm. zu S. 210 Kanarier. | Eurer Herrlichkeit: vostre seigneurie: Anrede der ehemaligen Pairs von Frankreich. | tu autem: »Tu autem, domine, miserere nobis« ist ein liturgischer Satz, der vom Chor am Ende einer jeden Bibellektüre eingesetzt wird. | vier Ochsen: quatre beufz: zu verschiedenen Spekulationen bezüglich dieser Hinzufügung in späteren Auflagen des Pantagruel vgl. Esmangart III 344,2.

314 Fußangeln: hanicrochemens: vgl. Anm. zu S. 283 Stolpersteine. | alten Gassenhauer: antiquaille: ein Tanzlied, Vorläufer des Cancan. | Bettung: plate forme: Begriff aus der Artillerie: geeigneter Platz für ein Geschütz. | Absud: decoction: das Abgekochte. | Hintern: tintamarres: zu tintamarrer (intrans.) ›Lärm machen‹, daher der Hintern, der Lärm macht; vgl. Lefranc IV 143,23; Demerson 264. | Testonen: testons: zu ital. testone zu lat. testa; Silbermünze, die 1513 von Ludwig XII. eingeführt wurde, auf der der Kopf (testa) des Herrschers dargestellt war; die Münzen wurden an den Rändern von Fälschern zur Herstellung von Falschgeld abgeschabt. | Holzschüsseln: escutz elles: zu verstehen als écu-elles; écu als Münze mit angehängtem elles ergibt rein lautlich écuelles: Schüsseln; Wortschöpfung von Rabelais.

315 Kurzschwanz: courtault: ein an Schweif und Ohren gestutztes Pferd, das im Kampf geritten wurde; mit »im Jahre sechsunddreißig« ist das Jahr 1436 gemeint; vgl. Screech 1979; S. 115. | hoch und kurz: hault et court: Wortspiel von Rabelais mit courtault. | Zusatzklauseln: cetera: Ein Sprichwort besagte, man möge sich vor den »caetera« der »notaires« ebenso hüten wie vor den »qui pro quo« der »apothicaires«; vgl. Esmangart III 350,23. | Werkzeuge von Vulcanus: instrumens vulcanicques: Es handelt sich um Hammer und Amboss von Vulcanus, dem römischen Gott des Feuers und der Schmiede; vgl. Hederich 1996, Sp. 2483 ff. | Kühe im verbrannten Holz zu sehen: veoir vaches noires: im Sinne von ›sich an Hirngespinsten weiden‹, ›einem Trugbild folgen‹. | friseomorum: mnemotechnisches Wort zur Konstruktion von Syllogismen; vgl. Anm. zu S. 88 in tertio prime. | Büttel: record: begleitet den Gerichtsdiener als Zeuge.

316 Doppelsechs: ambezars: ambesas, zu lat. ambo ›beide und as‹, also: Doppel As; zwei Würfel mit der höchsten, gleichen Zahl; der folgende Dreierpasch bedeutet: drei Würfel mit gleicher Zahl. | schubidu, schubida: toureloura la la: Refrain eines bekannten Tanzliedes. | zum Abfischen der Frösche: despiscando grenoillibus: pseudolat. | kothurnischen Jagdstiefeln: houseaulx coturnicques: houseau ›Stiefel‹; vgl. Anm. zu S. 283 Gamaschen; coturnicque: zu griech. kóthornos ›hoher Jadstiefel‹, im Theater: Stelzschuh; der von Rabelais verwendete Begriff ist tautologisch. | ›Feuer mit der Nase ausblasen‹: foucquet: eins der Spiele von Gargantua; vgl. S. 101. | Bierschwaflern: bavars de godale: godale ist die französisierte Form von engl. good ale. | vier Ochsen: quatre beufz: vgl. Anm. zu S. 313. | sich geschickt anstellen: sçavoir sa game: être habile, adroit; vgl. Huguet 1953 IV, S. 260 f. | Rechtsrubrik: rubrique de droict: zu lat. ruber ›rot (gefärbt)‹, in Rot gehaltene Überschrift in einem juristischen Text. | ›Her, tringue, tringue!‹: (gehörtes) Deutsch der Landsknechte: »Herr, trink, trink!« | Schlag auf Schlag: doublet en case: Ausdruck vom Tric-Trac, wo er genau diese Bedeutung hat. | freilaufende Hühner: geline de feurre: eigtl. ›Strohhuhn‹, d. h. ein Huhn, das im Strohschober groß und nicht gemästet wird; gelin de feurre gehört zu den bekannten »cris de Paris«, den Rufen der Händler auf den Straßen; vgl. Esmangart III 356,45. Der Petit Pont, am linken Seineufer, war wohl die älteste Brücke von Paris, bereits von den Römern angelegt, 1185 aus Stein gebaut, neun Mal vom Hochwasser zerstört, 1718 abgebrannt und neu aufgebaut; heute 38,4 Meter lang.

317 Kapitälchen: tranchefille: in der Buchbinderei ein Pergamentstreifen oben und unten im Innern des Buchrückens. | Koppeln: coublement: coupler les chiens, was bedeutet, sie jeweils zu zweit anzuschnallen; vgl. Elzéar Blaze, Le chasseur au chien courant, II, Paris 1838, S. 409. | ohne zu blechen: sans souffler au bassin: wohl im Sinn von cracher au bassin (de la quête) ›Geld geben‹; vgl. Huguet 1925 I, S. 501. | Begräbnisfeierlichkeiten von König Karl: Der letzte König Karl zu Lebzeiten Rabelais’ war Karl VIII. (1483–98). | Doppelpasch: vgl. Anm. zu S. 316 Doppelsechs. | bei meinem Eid, Wolle: par mon serment, de laine: Dies ist wohl eine Reminiszenz an die Farce de Maistre Pierre Pathelin, V. 248–253: »Or attendez à samedi / Vous verrez que vault la Toison / … Me cousta, a la Magdalene, / Huit blans, par mon serment, de laine«; vgl. Steinsieck 2004, S. 28 f. | Lockpfeifenjagd: pipée: Vogelfang mit Hilfe von Lockpfeifen. | seinen Anspruch vermerkt: insinuant sa nomination: Verfahren beim Pfründenwesen, wo man seinen Anspruch in ein öffentliches Register einträgt; vgl. Lefranc I 59,67; insinuant mit sexueller Konnotation. | anzustrengen: bander aux reins: Anstrengungen (aus der Hüftbewegung heraus) unternehmen, hier: vergebens. | es rolle der Kegel: quille luy bille: zu quille ›Kegel‹; vgl. S. 24; bille zu billier ›mit Kugeln‹ oder ›Murmeln spielen‹. | Hosenklappe: martingale: Hosenklappe, dient zum bequemeren Ausmisten der Hose; vgl. S. 90. | im Jahre siebzehn: gemeint ist das Jahr 1517; vgl. Screech 1979, S. 115. | Louzefougerouse: Möglicherweise liegt diesem fiktiven Ort das reale Loge-Fougereuse im Arrondissement Fontenay-le-Comte zugrunde, das Rabelais gut kannte; vgl. Anm. zu S. 271 Geoffroy vom großen Zahn und S. 272 Fontenay-le-Comte. | Weberhellebarde: rançon de tisserand: rançon zu ital. rancone, eine Art Hellebarde, die ca. 2 Meter maß und Ende des 15. Jh.s in Deutschland große Verbreitung fand; dass ein Weber damit nichts zu tun hatte, liegt auf der Hand. Vgl. Le Duc 1995 II, S. 350, Abb. 1.

318 quid juris pro minoribus?: (lat.) ›welches Recht für die Minderjährigen?‹ | Noten: poincts: Wortspiel: gemeint sind sowohl Noten als auch die Stiche, die der Schuster beim Vernähen macht. | gestochenem Moos: mousse cuillie: zum Ausstopfen der Hosen; vgl. S. 49. | Wippstrafe: estrapade: Martermethode aus Italien, bei der ein zu Marternder, der mit einem einzigen Seil gefesselt war, hochgezogen und fallen gelassen wurde. | ein Beinchen stellen: faire la jambette: gemeint ist, dass ein leicht zu trinkender Wein schwere Beine macht. | so wie die Ringer aus der Bretagne: à la mode de Bretaigne: Der Ringkampf war Nationalsport der Bretonen. | vive vocis oraculo: (lat.) Begriff aus dem päpstlichen Kanonisationsverfahren, wobei es um die Commissio vivae vocis oraculo geht; es handelt sich um eine mündliche Aufforderung des Papstes an bestimmte Kardinäle, sich einer »causa canonizationis« zu widmen; vgl. Thomas Wetzstein, Heilige vor Gericht. Das Kanonisationsverfahren im Spätmittelalter, Köln 2004, S. 355 ff.; Rabelais spielt mit dem Begriff »oraculum«.

319 una voce: (lat.) ›einstimmig‹. | ex nunc prout ex tunc: (lat.) ›von jetzt an sowie rückwirkend von damals an‹. | Euer Paragraph Cato … das Gesetz Venditor: Die von Rabelais genannten Gesetzestexte wurden von den Juristen seiner Zeit als besonders eigentümlich und schwierig angesehen; in den Ausgaben des Corpus Iuris Civilis (Digest/Pandekten) des 16. Jh.s fanden sich diese Gesetze aufgelistet; vgl. Lefranc IV 156,6; zur frz. Übersetzung des Corpus Iuris vgl. www.histoiredudroit.fr/corpus_iuris_civilis.html. | schlüssig: sans varier: ohne vom Weg abzukommen; vgl. Huguet 1967 VII, S. 405. | Fledermaus: ratepenade: vgl. Anm. zu S. 285 Fledermaushüte.

320 Galeone: drei- bis viermastiges Kriegs- oder Handelsschiff. | abgedichtet: calafater: kalfatern; vgl. S. 32 und Anm. zu S. 375 ihr Schiff abdichteten | Klatschblasen: baguenaudes: auch »Judenkirsche« genannt. | Bluff: autant pour le brodeur: »Cette expression s’employait pour indiquer que ce qui venait d’être dit était un mensonge, une tromperie«; vgl. Huguet 1932 II, S. 4; vgl. auch Huchon 1289,4. | Ausnahmefall cas privilégié: mit cas privilégiés oder royaux bezeichnete man Verbrechen, über welche die königlichen Richter alleine entscheiden durften, wie z. B. Falschmünzerei oder Duelle. | Nusstalg: chandelle de noix: ein Talglicht, dessen brennbare Masse aus zerstoßenen Nüssen und Hanffasern bestand. | Mirebeau: frz. Kommune im heutigen Département Vienne, Poitou-Charentes. | Bugleine: bouline: zu engl. bowline, Haltetau für das Rahsegel. | Loire: Loyrre: mask., später fem. | Sperberglöckchen: sonnettes d’esparvier: vgl. Anm. zu 280. | feiner Spitze: poinct de Hongrie: »Selon l’Encyclopédie […] le point de Hongrie est un point de dentelle à l’aiguille sur mousseline«, vgl. Gorges Couton (Hrsg.), Molière. Œuvres Complètes, II (L’Avare, II,1), Paris 1971, S. 1388, Anm. 5. | Proviantkorb: penier limitrophe: limitrophe ist ein sprachlich hybrides Kompositum aus lat. limes ›Grenze‹ und griech. trépho ›(er)nähren‹; urspr. Bedeutung: Grenzgebiete, die der Ernährung der Truppen dienten; vgl. Rey 1992 I, S. 1131, Sp. 2. | Hundeloch: caignard: Ausdruck aus dem südfrz. Sprachbereich, der einen windgeschützten Unterschlupf bezeichnet. | Federbesen: vistempenarde: vgl. Anm. zu S. 282 Feudel. | käsefressender: tyrofageux: zu griech. tyrós ›Käse‹ und phagein ›verzehren‹; Anspielung auf das griech. Epyllion Batrachomyomachía der ›Froschmäusekrieg‹. | Mumienverkleisterer: goildronneur: zu arab. qatrãn (Ägypten): klebrige Substanz, die durch Destillation erzeugt und zum Verkleben von Mumien benutzt wurde; vgl. Rey 1992 I, S. 902, Sp. 1. | Prüfung: brimbalant: zu brimbaler, hier: ›eine Frage untersuchen‹; vgl. Huguet 1925 I, S. 716. | ihn: den Kläger. | Schlabberfraß: guilverdons: »great gobbets of liquid meats, as of oyster, etc.«; vgl. Randle Cotgrave, A dictionarie of the French an English tongues, 1611 (Neudr. Hildesheim / New York 1970).

321 wie ehedem Freunde sein: amis comme devant: vgl. S. 146. | Jubeljahren: jubilez: zu hebr. jobel, eine Art Horn oder Posaune, womit alle 50 Jahre das Jubeljahr in Palästina verkündet wurde. Im Jahre 1300 hatte Papst Bonifaz VIII. das erste Jubeljahr ausgerufen, bei dem den Pilgern in Rom Ablass gewährt wurde; der Erfolg des Ablassjahres war finanziell so ertragreich, dass Papst Clemens VI. 1343 die Jubeljahrperiode von 100 Jahren auf 50 verkürzte und Papst Urban VI. 1389 diese auf 33 Jahre (die vermeintliche »Lebensdauer« Jesu Christi auf Erden) heruntersetzte; 1470 hatte Papst Paul II. die Jubeljahrperiode auf 25 Jahre festgelegt; so bezeichnen die dreizehn Jubeljahre, die Rabelais angibt, einen Zeitraum von 325 Jahren. | hinterlegt: rediger à: »faire entrer dans«; vgl. Huguet 1965 VI, S. 421.

322 Requetenmeister: maistre des requestes: vgl. Anm. zu S. 304. | die leeren Stühle der abgefallenen Engel: sièges vuides des anges: Manche Theologen, wie der Benediktiner Anselm von Canterbury (1033–99), waren der Ansicht, dass die Menschen nur deshalb erschaffen wurden, um die Stelle der mit Luzifer abgefallenen Engel einzunehmen. | siebenunddreißig Jubeljahren: trente sept jubilez: also nicht vor 925 Jahren; vgl. Anm. zu S. 321 Jubeljahren. | Cusanus: Nikolaus von Kues (1401–64), der im Auftrag von Papst Nikolaus V. in Sachen Verkündigung des Jubelablasses in deutschen Landen unterwegs war; vgl. Anton Haidacher, Geschichte der Päpste in Bildern. Eine Dokumentation zur Papstgeschichte von Ludwig Freiherr von Pastor, Heidelberg 1965, S. 163. Zu Lebzeiten von Cusanus war die Periodisierung des Jubeljahrs noch auf 33 Jahre festgelegt, vgl. Anm. zu S. 321 Jubeljahren; in seiner Schrift De coniecturis novissimorum temporum (1452) hatte Nikolaus von Kues das Ende der Welt auf das 34. Jubeljahr, gerechnet von 1343 (Papst Clemens VI.) an, festgelegt, d. h. für das Jahr 2465. | Fass: muid: eigtl. Mud; hier als Fass mit Inhalt eines Muds; vgl. Anm. zu S. 35 Mud und S. 255 Mud. | Vögelchen: pinson: Buchfink. | auf den Schwanz klopft: tape la queue: vgl. die Reden der Zecher in Gargantua, S. 39.

324 Empedokles: um 495–435 v. Chr., Vorsokratiker. Einer Legende nach soll er bei einem Sturz in den Ätna ums Leben gekommen sein. Lukian (120–180/200) versetzt ihn in Ikaromenippus oder die Luftreise auf den Mond, wohin ihn der aufsteigende Rauch getragen hatte. | wie der Mond den Husten verursacht: la lune faict les catharres: Bereits in der Antike glaubte man an den Einfluss (influenza) der Gestirne auf die Gesundheit des Menschen. | heiligen Laurentius: Laurentius von Rom, der unter Kaiser Valerian (253–260) als Märtyrer 258 auf einem Gitterrost verbrannt wurde.

325 Merkur/Argus: vgl. hierzu Hederich 1996, Sp. 402; Demerson II 386,9. | Hängezapfen: cul-de-lampe: auch ›Abhängling‹, aus der Sprache der Architektur; steht im Gewölbe für einen herabhängenden Schlussstein, der oft in Form eines Zapfens oder eines Knaufs gebildet ist. | »Dal baroth, dal baroth!«: Phantasiesprache von Rabelais.

326 Leberlappen: tierce lobe du foye: Hippokrates hatte die Leber in fünf Lappen unterteilt. | stieß aufwärts durch das Zwerchfell … wieder zum Vorschein: Diese Art der Darstellung, die auch die medizinischen Kenntnisse von Rabelais dokumentiert, finden wir auch in Gargantua, 27. Kap.; vgl. S. 131 f. | Grilgoth, Astaroth, Rapallus und Grisbouillis: Grilgoth zu griller und Gribouillis, in Anlehnung an gribouri ›Gespenst‹ sind von Rabelais erfundene Namen, wohingegen Astaroth (zu Astarte, phönizisch-kanaanäische Fruchtbarkeitsgöttin) und Rapallus Namen von Teufeln im MA sind. | Jamblichos: um 240/250–325; aus Syrien stammender Neoplatoniker, der sich u. a. mit den esoterischen Lehren der Ägypter beschäftigt hat. Seine Schrift Über die Geheimlehren (Aus dem Griechischen übers., eingel. und erkl. von Theodor Hopfner, Leipzig 1922, Neudr. 1981) fand über Marsilio Ficino (1433–99) und Pietro Riccio (Petrus Crinitus, um 1465–1504) ihren Weg zu Nostradamus (1503–66), dem Zeitgenossen von Rabelais. Vgl. Wolf Steinsieck, »Kryptische Texte aus der Zeit der französischen Renaissance. Zu den Prophéties von Nostradamus (Michel de Nostredame)«, in: Eloquentia copiosus, Festschrift für Max Kerner, hrsg. von Lotte Kéry, Aachen 2006, S. 230. | Johannes Murmellius: Johann(es) Murmel(lius), um 1480–1517, niederländischer Gelehrter und Philologe, der von 1500 bis 1513 in Münster tätig war und sich dort für die Einführung des Griechischen als Schulfach eingesetzt hat; vgl. Joachim Knape / Ursula Kocher, »Murmellius, Johannes«, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 18, Berlin 1997, S. 613; Huchon 192,7. | De bossutis et contrefactis pro Magistros nostros: (lat.) Pantasieschrift: ›Über die Buckligen und Verunstalteten für unsere in Theologie Promovierten‹; zu magistros nostros vgl. Anm. zu S. 286 Doktorkandidaten. | »Agyos athanatos, ho Theos!«: (griech.) ›Heilig ist der ewige Gott‹; vgl. Anm. zu S. 157 Agios ho Theos. | Bougrino: pseudoitalianisierte Form von bougre ›Sodomit‹.

327 Behandlung durch die Barbiere: Barbiere praktizierten als Wundärzte; vgl. Anm. zu S. 145 Barbiere. | Seraphinen: seraphz: orientalische Goldmünze; vgl. Anm. zu S. 51 seraphischem. | Wo ist der Schnee vom letzten Jahr: vgl. Hausmann 1988, S. 95 f., V. 329–356.

328 ein junges Ding aus Korinth: Das Temperament der Korintherinnen in der Antike ist sprichwörtlich und fand sich daher auch in den Adagia des Erasmus; vgl. Esmangart III 383,33. | Myrobalanen: myrobolans emblics: Früchte eines ostindischen strauchartigen Baums, die in der Pharmazie zur Stärkung von Magen, Herz und Leber, aber auch als Aphrodisiakum verwendet wurden; emblics: zu emblica officinalis, auch Phyllantus emblica; vgl. hierzu auch Esmangart III 383,34. | durch diese Braterei von meinem Ischiasleiden geheilt worden bin: Guy Demerson hat auf diese medizinische Erkenntnis (Wärmeanwendung bei Ischiasleiden) von Rabelais hingewiesen, denn allgemein wurden Ischiasleiden mit der Syphilis in Verbindung gebracht; vgl. Demerson 274,24.

329 Propheten: Mahom: steht für Mohammed; häufig verwendete Kurzform, die sich schon in den Chansons de Geste und Mystères findet. | drehte ich mich um, so wie Loths Frau: Anspielung auf 1. Mose 19,26. | »Ja, Kruzitürken …«: Pasques de soles: abgeschwächter Fluch zu »Pasques de Dieu«; vgl. Lefranc IV 173,88. | größere Zahnschmerzen, als … ins Bein beißen: mal de dens: Wortspiel von Rabelais: Schmerzen, die durch Zähne verursacht werden.

330 Wie Panurge … vorstellte: zur kritischen Analyse des Kapitels vgl. Huchon 1292,4. | Vorstadt Saint-Marcel: faulxbours sainct Marceau: Faubourg Saint-Marcel, Viertel von Paris, das sich topographisch über die heutigen 5. und 13. Arrondissements erstreckt. | Folie Gobelin: Follie Goubelin: komfortables Landhaus, das Lefranc (IV 174,2) und Demerson (275,1) in dem Faubourg Saint-Jacques verorten, das sich aber auch im Faubourg Saint-Marcel hat befinden können, und zwar in der Nummer 19 der Rue des Gobelins, 13. Arrondissement; vgl. Hillairet 1963 I, S. 592; vgl. auch Huchon 1293,6. Esmangart ist der Ansicht, es handele sich um die Färberei selber (zwischen der Avenue des Gobelins und der Rue Berbier-du-Mets), und beruft sich auf den Dictionnaire de Trévoux; vgl. Dictionnaire universel français et latin vulgairement appélé Dictionnaire de Trévoux, IV, Paris 1752, S. 346. | einen Degen anbot … würde ihm nur seine Milz in Wallung bringen: die Milz (ratelle) liegt im linken Oberbauch, und der Degen wurde in der Regel links getragen. | »Indem ich meine Füße gewaltig in Bewegung setze«: à grands coups de brodequin: gemeint: »indem ich mich davonmache«. | Degenstöße: estocz: Begriff aus der Fechtkunst: direkter Stoß mit der Spitze der Waffe auf den Gegner. | Mauern von Paris: Es handelt sich um die alte heruntergekommene Maueranlage von Philippe Auguste aus der Zeit von 1190 bis 1213 auf dem linken Seineufer, wohingegen die Mauern auf dem rechten Ufer von 1356 bis 1383 erweitert und erneuert worden waren. | Mauserkäfig für Gänseküken: Mauserkäfige waren aus Weidengeflecht. | Bei meinem Bart: Par ma barbe: mittelalterliche Beschwörungsformel, die sich häufig in den Chansons de Geste findet und nichts über einen möglichen Bartträger aussagt. | sechs Klafter: six brasses: ca. 1,96 Meter; die Dicke der Mauern betrug 8 Fuß = ca. 2,60 Meter, die Höhe zwischen 6 und 8 Metern. Die von Panurge angesprochenen 6 Klafter sind also wesentlich mehr als tatsächlich vorhanden; vgl. Hillairet 1963 I, S. 24 ff. | Agesilaos: spartanischer König aus dem Haus der Agiaden, von alexandrinischen Chronographen unverbindlich auf um 929–886 v. Chr. angesetzt; vgl. Der Neue Pauly I, 1996, S. 254; Rabelais’ Quelle waren die Apophtegma von Erasmus. | Lakedaimon: Lacedemone: zu griech. Lakedaímon, peloponnesische Landschaft, gemeint: Sparta. | die Mauern der Stadt: Lange nach dem Tod von Rabelais kam die Stadt Paris ohne Stadtmauern aus: 1670 ließ Ludwig XIV. sukzessive die Stadtmauern schleifen, und erst 1784/87 wurde mit dem Mur des Fermiers eine neue (Zoll-)Mauer errichtet; vgl. Hillairet 1963 I, S. 27.

331 Diese Stadt: Pantagruel meint Paris. | andere Mauern: Vor allem auf dem rechten Seineufer hielt man sich nicht an die wiederholten Verbote, Häuser außerhalb der Stadtmauern zu bauen; vgl. Hillairet 1963 I, S. 27. | Nagelköpfen: poinctes de diamans: Verzierung im italienischen Baustil; vgl. Huchon 1294,1. | großen Turm von Bourges: grosse tour de Bourges: Zitadelle der Stadt; von Philippe Auguste erbaut und auf Anordnung Mazarins 1653 abgerissen. | Klingen: bracquemars: eigtl. Kurzschwert, hier sexuell konnotiert. | Langrohrkanonen: couillevrines: zu couleuvrines ›Culverinen‹; Wortspiel mit couilles, was wir mit ›Langrohr‹ wiedergegeben haben; vgl. auch Anm. zu S. 125 Basilisken.

332 De compotationibus mendicantium: (lat.) ›Über die Saufgelage der Bettler‹; zu Bruder Lubin, den Rabelais bereits in seinem Prolog zu Gargantua zitiert, vgl. Anm. zu S. 20 Bruder Lubin. | Wald von Fontainebleau: forest de Bievre: Es handelt sich um den Wald von Fontainebleau, wohindurch die Bièvre nach Paris hineinfließt. | Schafgarbe: herbe au charpentier: millefeuille ›Schafgarbe‹, Pflanze, die zur Wundbehandlung verwendet wurde.

333 Riss: solution de continuité: aus dem medizinischen Latein hergeleitet (belegt 1314) als Sammelbegriff für Wunden oder Brüche; vgl. Rey 1992 II, S. 1969, Sp. 1. | Spannen: empans: südfrz. Maßeinheit, ca. 24 Zentimeter, hier: ca. 96–132 Zentimeter; vgl. Anm. zu S. 87 sechs Spannen und S. 270 sieben Spannen.

334 Don Pedro von Kastilien: Pedro el Cruel oder el Justiciero, König von Kastilien und León (1350–69), war als Bigamist bekannt; die legitimierten Töchter, die er mit seiner Mätresse Maria de Padilla hatte, heirateten in das englische Königshaus der Plantagenêts ein.

335 »Woher nehmt ihr das denn«: Et ubi prenus: pseudolatinisierender Studentenjargon. | Quersack, gleich dem des Äsop: bissac: Bettelsack mit zwei Taschen; Anspielung an die Fabel Perai dy (»Die beiden Ranzen«) von Äsop, Vorbild für La Fontaines Fabel La Besace, Fables I,7; Parabel, bei der sich in der vorderen Tasche die Charakterfehler derer befinden, die man im Auge hat, und in der hinteren die eigenen. | meine Farben: zu den Farben bei Gargantua vgl. S. 52–60.

336 über die Bequemlichkeit der langen Hosenlätze: Rabelais zitiert zweimal in Gargantua den Phantasietitel De la dignité des braguettes; vgl. Lefranc I 7,40 und 85,46; S. 18 und 49. | Er war von so feiner Beschaffenheit … vergolden können: fin à dorer: Wortspiel von Rabelais, denn fin heißt auch: ›schlau‹, ›gerissen‹; faire le fin ›sich verstellen‹; Blei wird im MA als relativ wertlos betrachtet und lässt sich auch nicht vergolden; vgl. auch Regis/Schrader/Pörnbacher 563. | saufen wie die Templer: boire comme templiers: zu diesem Ausdruck vgl. Lefranc I 57,52; Demerson 52,34; Anm. zu S. 38 Templer.

337 zur Anhöhe von Sainte-Geneviève: au dessoubz de Saincte Geneviefve: heutige Rue de la Montagne-Sainte-Geneviève, steil abfallende Straße im 5. Arrondissement von Paris; vgl. Hillairet 1963 II, S. 138. | Collège de Navarre: berühmtestes Collège von Paris im heutigen 5. Arrondissement, an dem u. a. Gerson, Ramus, Heinrich III., Heinrich IV. und Richelieu ausgebildet wurden, in der heutigen Rue Descartes; vgl. Hillairet 1963 I, S. 426 f. | den abschüssigen Weg hinunter: contre l’avallée: vgl. oben Anm. zu zur Anhöhe von Sainte-Geneviève. | Deus det: (lat.) Kurzform für das Tischgebet »Deus det nobis suam panem«. | das Feuer des heiligen Antonius: vgl. Anm. zu S. 68. | Lehrer der freien Künste: maistres des ars: vgl. S. 90. | Kapuze: chaperons au bourlet: Kapuze mit verstärktem Rand. | Fuchsschwanz: quehues de regnard: der Fuchsschwanz diente schon in der Antike der Verspottung; vgl. Anm. zu S. 54 an den Kragen heften. | Rue du Fouarre: rue du Feurre: vgl. Anm. zu S. 302. | bourbonische Torte: tartre Borbonnaise: eigtl. eine Art Kuchen mit geriebenem Käse; Bezeichnung für Sumpfloch, Morast, Scheißhaufen. | Galbanum: aus der Pflanzenfamilie der Doldenblütler, bereits in der Antike bekannte Heilpflanze, grün und bitter. | Teufelsdreck: assa fetida: (lat.) ferula asafaetida, stark nach Knoblauch schmeckendes Gummiharz. | Bibergeil: castoreum: Sekret aus den Drüsensäcken des Bibers.

338 Fingerhut: deau: zu afrz. deel (deelier: fabricant de dés), findet sich in afrz. Texten häufig in der Verbindung mit aguille (genau wie im fortlaufenden Text von Rabelais); hat mit Wasser (Regis/Schrader/Pörnbacher 205; Heintze 251) nichts zu tun; vgl. Godefroy 1969 II, S. 453. | Saint-Innocent: vgl. Anm. zu S. 282 Friedhof der unschuldigen Kindlein.

339 feinem Taft: tafetas armoisy: feiner, nichtglänzender Taft, den Frauen im 16. Jh. bevorzugt trugen; vgl. Lefranc IV 190,35; armoisy: zu ital. ermesi und emersino, Parallelformen zu cremesi und cremesino, daher cramoisy ›karme-sinfarbig‹, ›feuerrot‹. | Feuerzeug: fouzil: zu mfrz. foisil ›Feuerstein‹. | Antistrophe: zu griech. antistrophé ›Gegenstrophe‹; es handelt sich hier allerdings um eine »contrepèterie«, wobei Anfangsbuchstaben oder -silben versetzt werden, um einen komischen Effekt zu erzielen, im Stile von: »Goutez-moi cette farce!« Die »contrepèterie« ist von Rabelais an bis zum heutigen Tag im französischsprachigen Raum sehr beliebt. | am Ausgang des Palastes: Es handelt sich um das Palais de Justice, dessen Hauptein- und ausgang nach Osten hin gelegen war, also zur Rue de la Barillerie (heute Bd. du Palais), hier: der Saal, der 1618 abgebrannt ist; vgl. Le Duc 1995 I, S. 601 f.; Hillairet 1963 I, S. 640 ff.; II, S. 210 ff. | der die Messe halten sollte: disoit la messe: Vor den Sitzungen des Obersten Gerichtshofes wurde im Sommer um 6 Uhr und im Winter um 7 Uhr eine Messe gehalten; der hierfür notwendige Altar stand an der nach Osten gelegenen Seite, also dort, wo auch der Ausgang war; vgl. Lefranc III 191,42. | Ite, missa est: Schlussworte der heiligen Messe, die zurückgehen auf lat. contionem dimittere ›eine Versammlung auflösen‹. | Fritz: callibistris: männliches oder weibliches Geschlechtsteil, vgl. Anm. zu S. 286 Geschlechtsteilen und S. 332. | Pater: pere: zum Diakon oder Priester geweihter Klostergeistlicher. | Patene: l’offrande: Hostienteller. | Feuer des heiligen Antonius: vgl. Anm. zu S. 68.

340 de Alliaco: Petrus de Alliaco, lat. Form für Pierre d’Ailly (1351–1420), Kanzler der Universität von Paris (1389) und Lehrer von Jean Gerson; Verfasser u. a. des Imago Mundi (um 1410); die Supposition(e)s sind aber Petrus Hispanus und nicht Petrus de Alliaco zuzuschreiben; vgl. Anm. zu S. 91 Suppositiones / Parva logicalia. | weil ihre Hosen keinen Boden haben: zu einer ausführlichen Beschreibung der Kleidung vgl. Esmangart III 414,34. | Federalaun: alun de plume: auch Haarsalz, diente u. a. als Juckpulver; vgl. Anm. zu S. 377.

341 tief eingedrückt … wegbekommen können: engravée/renommée/ostée: möglicherweise stammt diese Wortfolge aus einer volkstümlichen Redewendung, die wir nicht kennen. | Euphorbiapulver: euphorbe: Wolfsmilch oder Wolfskrautmilch, so genannt wegen des ›beißenden‹ Milchsafts der Pflanze, stark giftig; wurde zur Behandlung von Ekzemen und Tumoren verwendet; das Pulver der Euphoria risinifera wirkt als starkes Niespulver; vgl. Anm. zu S. 376 Wolfsmilch. | am Justizpalast: Der Justizpalast war mit der Sainte-Chapelle durch die »Galerie des Merciers« verbunden, in der sich viele kleine Geschäfte befanden, die erst 1840 endgültig verschwunden sind; vgl. Hillairet 1963 II, S. 213. | aus Flandern oder aus dem Hainaut: Gebiete im heutigen Belgien, die für ihre Tuchfabrikation bekannt waren. | Foutignan / Foutarabie: Phantasienamen, die vielleicht nach Frontignan und Fontarabie gebildet sind, aber so viel heißen wie ›Bumshausen‹ und ›Fickarabien‹.

342 Minerva: war u. a. die Göttin aller freien Künste, des Webens, des Spinnens, Nähens und des Färbens; vgl. Hederich 1996, S. 1626, Sp. 2. | Arachne: war Tochter eines Färbers; sie lernte von Minerva die Weberkunst, bevor sie in eine Spinne verwandelt wurde; vgl. Hederich 1996, S. 351, Sp. 1. | Scharlatan: crié le theriacle: ein Allheilmittel anpreisen; zu thériacleurs vgl. Lefranc II 240,34; zum Theriak als Allheilmittel und Prophylaktikum in medizinischer Sicht vgl. Hans Schadewaldt, »Renaissance der Phytotherapie«, in: Heilpflanzen und ihre Kräfte, hrsg. von William A. R. Thomson, Köln 1978, S. 10. | Teston: vgl. Anm. zu S. 314 Testonen. | große Heller: grans blancs: vgl. Anm. zu S. 309. | Windhauch: vent: gemeint ist der Windhauch, der durch die Handbewegung von Panurge entsteht. | Wie Panurge Ablassbriefe erstand: Zu Folengo als literarischer Quelle vgl. Huchon 1299,1. | Eines Tages fand ich: Rabelais setzt sich hier als Erzähler und Zeuge von Ereignissen in Szene. | Sous und ein paar Mailles: solz et maille: vgl. Anm. oben zu große Heller und Anm. zu S. 309 Pfennig. | weder Vater noch Mutter jeweils gesehen: qui ne virent: Unzweifelhafte Anspielung auf einen Ausspruch von Maistre Pierre Pathelin in der gleichnamigen Farce (vgl. Steinsieck 2004, S. 26, V. 216 f.), der damit insinuiert, dass diese Geldstücke niemals existiert haben; dies ist auch die Meinung von »je« (»ich«), dem Autor (vgl. Anm. oben zu Eines Tages fand ich), wie aus dem fortlaufenden Text ersichtlich wird; mit anderen Worten: da kannst du zwar mit rechnen, aber es wird wohl nicht stattfinden. | »Bei meiner Treu … nicht besonders ablassfreudig …«: pardons … pardonneur: Wortspiel von Rabelais von Ablassbrief und Vergeber von Beleidigungen; ist nur annähernd im Deutschen wiederzugeben.

343 Denier: zu den gängigen Rechnungsmünzen vgl. Steinsieck 2004, S. 100, Anm. V. 70 und S. 106, Anm. V. 238. | »Grates vobis, Dominos«: ›Ich danke Euch‹; verballhorntes Latein: grates wurde mit agere, habere oder referre verbunden, nicht mit dare; Dominos hat hier nichts zu suchen; rabelaisianischer Scherz. | Saint Gervais: Die Kirche Saint-Gervais-Saint-Protais, gelegen an der heutigen Place Saint-Gervais, Rue Lobau im 4. Arrondissement von Paris, ist mehrfach umgebaut worden und war eine Zeitlang eine der reichsten Kirchen im Maraisviertel; vgl. Hillairet 1963 II, S. 420 f. | Kasten: tronc: zu tronchet: tronc, petit coffre, billot; vgl. Godefroy 1969 VIII, S. 86. | heiligen Birgitta: saincte Brigide: Heilige Birgitta von Schweden (1303–73), die in einer Vision fünfzehn Litaneien von Jesus Christus empfangen haben soll; diese Litaneien waren täglich in Erinnerung an die 5480 Schläge, die er während seiner Passion erhalten hatte, aufzusagen. Vgl. Vera Schauber / Hanns Michael Schindler, Heilige und Namenspatrone im Jahreslauf, Augsburg: Pattloch, 1998, S. 375. | Saint Jean: entweder Saint-Jean-le-Rond, an der Notre-Dame gelegen, 1748 zerstört, oder Saint-Jean-en-Grève, ganz in der Nähe von Saint-Gervais, Rue de Lobau; vgl. Hillairet 1963 II, S. 50. | Saint Antoine: Le Petit-Saint-Antoine in der Rue Saint Antoine, nach der Revolution zerstört; vgl. Lefranc IV 199,16. | Castel: cabaret du Chasteau: Taverne in der Rue de la Juiverie; vgl. Anm. zu S. 277.

344 wie die Schlange: sarpe: vgl. 1 Mose 3,14: »Da sprach Gott der Herr zu der Schlange: Weil du solches getan hast, seist du verflucht vor allem Vieh«. | Centuplum accipies: vgl. Mt. 19,29: »Und jeder […] wird es hundertfältig wiederempfangen«. | Diliges Dominum et dilige: Anspielung auf 5. Mose 6,13 und Lk. 4,8; »diliges proximum tuum sicut te ipsum« findet sich in 3. Mose 19,18, somit hat Rabelais nicht (wie bei Huchon 1300,7 vermerkt) das Alte durch das Neue Testament ersetzt; der Ausspruch findet sich im übrigen in Mk. 12,31, Lk. 10,27 (und nicht Lk. 20,41 wie bei Lefranc IV 200,30; ebenso Huchon 1300,7) und Mt. 22,39 (und nicht 20,39 wie Lefranc ebd. und Huchon ebd.). Vgl. auch Screech 1979, S. 71. | Centuplum accipies: »du erhältst das Hundertfache«, und nicht: »du sollst das Hundertfache erhalten«. | Rabbi Kimhi: Rabi Kimy: Moses Kimhi, hebräischer Gelehrter, Bibelkommentator. | Rabbi ibn Ezra: Rabi Aben Ezra: Abraham ibn Ezra (1089–1164), hebräischer Gelehrter, Bibelkommentator; die Ausführung von Rabelais zu den beiden Gelehrten ist natürlich nur scherzhaft zu verstehen. | Massoreten: hebräische Bibelexegeten; vgl. Anm. zu S. 27 Massoreten. | Bartolus: Bartole Bonnacursi; vgl. Anm. zu S. 306 Bartole; Rabelais macht sich über die Manie der Juristen lustig, die zu allen Gelegenheiten Bartolus als Referenz anführten. | Papst Sixtus: Francesco della Rovere, Papst Sixtus IV. (1471–84), war u. a. wegen seines praktizierten Nepotismus bekannt; vgl. Haidacher 1965, S. 206 ff. | Pfund: livres: vgl. Anm. zu S. 343 Denier. | Kreuzzug: croysade: vgl. Anm. zu S. 301 Mytilini. | Florin: fleurins: zu lat. flos, -ris, weil auf dem ersten Florin (Gulden) eine Lilie geprägt war; florin d’or: in Florenz geprägte Goldmünze, etwa 1 Dukat.

345 Arschbackenklemmen: serrecropiere: vgl. Anm. zu S. 274. | durchrütteln: saccader: ein Begriff aus der Reiterei: kräftig mit dem Zügel arbeiten. | flachgelegt: biscoter: vgl. Lefranc II 367,35.

346 bestellten die jungen Damen einen Rechtsbeistand: formerent syndicat: bildeten eine Vereinigung, indem sie einen Syndikus bestellten; vgl. Regis/Schrader/Pörnbacher 566. | legten ihre Begründung vor: monstrerent leurs fondemens: Wortspiel mit fondement ›Hintern‹. | die Pipe des Bussarts: Pipe de Bussart: in etwa: ›Kübeltonne‹; zu pipe vgl. Anm. zu S. 46 Pipen; zu bussars vgl. Anm. zu S. 35 Mud; für Esmangart sind diese Ausdrücke wie der der folgenden Anm. Anspielungen aufs Weintrinken; vgl. Esmangart III 432,25. | Quart de Sentences: Wortspiel von Rabelais mit c(h)ars ›vornehmer Wagen‹ und sentence, zu sentir, senteur ›stinken‹, also: ›Stinkwagen‹ einerseits; andererseits mit den Libri quatuor sententiarum, Standardwerk und theologisches Handbuch von Petrus Lombardus (um 1100–60), Lehrer an Notre-Dame von Paris, Zeitgenosse von Pierre Abélard und Hugues de Saint-Victor. | Schulen der Rue du Fouarre: escoles du Feurre: vgl. Anm. zu S. 302 Rue du Fouarre. | Sophisten: Rabelais ersetzt gerne die Bezeichnung Theologen durch die der Sophisten; vgl. Anm. zu S. 73. | Innenhof des Palastes: basse court du palays: Es handelt sich um den Hof, in dem die später sogenannte »Tour Montgomery« stand; vgl. Le Duc 1995 I, S. 601; Anm. zu 339 am Ausgang des Palastes. | Gott verdammt: reniguebieu: Spiel von Gargantua, vgl. S. 99; Lefranc I 195,60.

347 heiligen Adauras: von Rabelais erfundener Phantasieheiliger; zu lat. ad auras ›in die wehenden Lüfte‹, d. h. am Galgen. | Auftritts: montouoir: Stein oder anderer Gegenstand, den man zum bequemen Aufsteigen bei Reittieren benutzte. | den Schlund unter seiner Nase … mitgerechnet: de dessoubz le nez: gemeint ist der Mund, zur Aufnahme von Essen und Trinken.

348 Wie ein großer englischer Gelehrter … gestellt wurde: zu einer kritischen Analyse dieses Kapitels vgl. Huchon 1302,1. | Thaumastes: zu griech. thaumastós ›der viel Bewunderte‹, ›der Bestaunenswerte‹, Verbaladjektiv zu thaumázo ›staunen‹, ›bewundern‹. In der Rabelaisforschung ist vielfach versucht worden, Thaumastes zu identifizieren; neben Thomas Morus vermutete man, es könne sich um Erasmus, Henri Corneille Agrippa, Geronimo Cardano oder gar Beda Venerabilis handeln (Esmangart III 437 ff.); Lefranc widerspricht dem, ohne sich weiter festzulegen (IV 207,3). Wahrscheinlich sind einige Schnittmengen mit Pico della Mirandola, der sich mit einigen okkultistischen Autoren und Schriften beschäftigt hat; der hebräische Buchstabe ›thau‹ ist der letzte im Alphabet und bedeutet im Okkultismus so viel wie das ›Zeichen‹ schlechthin. Grundlegend hat hierüber Michael Screech, weltweit anerkannter Rabelaisexperte, gehandelt: vgl. »The Meaning of Thaumaste. A double-edged satire of the Sorbonne and of the prisca theologia of cabbalistic Humanists«, in: Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance 22 (1960), S. 62 ff.; vgl. auch Huchon 1304,2 und 3; Screech 1979, S. 119 ff. und S. 127. | Hôtel Saint Denis: Hierbei handelt es sich um das Collège des Charités-Saint-Denis, das sich in der heutigen Rue des Grands-Augustins befand (Nummer 14); die Straße hieß im 13. Jh. Rue l’Abbé-Saint-Denis, später du Collège-Saint-Denis, des Ecoles-Saint-Denis etc.; ab dem 17. Jh. erhielt sie den heutigen Namen nach dem benachbarten Kloster der Grands-Augustins; vgl. Hillairet 1963 I, S. 559 f. Es ist anzunehmen, dass Rabelais das Collège aus eigener Anschauung kannte. | aller Weisen Oberhaupt: prince des philosophes: vgl. S. 17. | wenn das Bild von Wissenschaft … betrachtet werden müsste: vgl. Platon, Phaidros, 250d.

349 Königin von Saba: Die Königin von Saba kam zu Salomo, weil sie von seinem »Wesen« und seiner »Weisheit« gehört hatte, auch aber, um ihn mit »Rätseln zu versuchen«, vgl. 1 Kön. 10,1,6; Mt. 12,42; Lk. 11,31; vgl. auch Lefranc IV 208,9; Screech 1979, S. 129 f. | Anarchasis: Skythe aus fürstlichem Geschlecht, der im 6. Jh. nach Griechenland reiste, um die griech. Kultur kennenzulernen; es war aber Solon, athenischer Staatsmann, Gesetzgeber und Dichter (um 640–560 v. Chr.), der ihn bewunderte, nicht umgekehrt. | durch Pythagoras: die Reise von Pythagoras zu den Sehern von Memphis wurde durch den von Hieronymus der Vulgata vorangestellten Brief an Paulinus überliefert; vgl. Dante Alighieri, Convivio/Gastmahl, Philosophische Bibliothek, Bd. 466d, Hamburg 2004, S. 228, Anm. 52. Die nächsten drei von Rabelais zitierten Beispiele stammen ebenfalls aus dieser Quelle. | durch Platon: die Reise von Platon (um 428–348) nach Italien hat vermutlich 388/387 v. Chr. stattgefunden. | Architas von Tarent: um 435/410–355/350 v. Chr., Philosoph und Staatsmann. | Apollonius von Tyana: Apolonius Tyaneus: Apollonios von Tyana, Neupythagoräer des 1. Jh.s n. Chr. (um 40–96/98), lebte das Leben des Pythagoras nach, wurde besonders von Kaiser Caracalla geehrt; als Wundertäter wurde er mit Christus verglichen; vgl. Der Neue Pauly I, 1996, S. 888; Rabelais übersetzt hier den Text von Hieronymos (vgl. Anm. oben zu durch Pythagoras). | großen Fluss Physon: vgl. Anm. zu S. 51. | Hiarchas: der »König der weisen Männer« in Indien. | Gymnosophisten: griech. Name für indische (und nicht äthiopische) Asketen (âran yaka), die äußerst belesen waren und über mystische Fähigkeiten verfügten. | Titus Livius: 59 v. Chr. – 17 n. Chr., römischer Geschichtsschreiber, Ab urbe condita libri CXLII. | Überfahrt: über den Ärmelkanal. | Geomantie: Punktierkunst, aus geworfener Erde wahrsagen. | Kabbala: caballe: vgl. Anm. zu S. 249 wie eine heilige Kabbala und S. 294 Kabbalisten.

350 so gebe ich mich dir von jetzt an zum Knecht: je me rens … ton esclave: Anspielung an den Einsatz, den Goliath bei seiner Herausforderung an die Israeliten bietet, vgl. 1 Sam. 17,9. | Pro und Contra: vgl. S. 85; Screech 1979, S. 84. | Deklamation: Lautes Aufsagen eines vorgefertigten Textes. | akademischer Philosophen: des academicques: Rabelais bezeichnet damit Philosophen, die sich einer Akademie, wie z. B. der des Platon, zugehörig fühlen; vgl. Aulus Gellius, Die attischen Nächte, Leipzig 1876 (Nachdr. Darmstadt 1992), I 7,14, S. 354 ff. | nicht mit Zahlen, wie Pythagoras: zu Pythagoras vgl. Anm. zu S. 349 durch Pythagoras und S. 349 Apollonius von Tyana; war für das MA und die frühe Neuzeit der erste, der über die Wissenschaft der Zahl geschrieben hat; vgl. Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla, S. 123; die Proportionen des Universums werden von Zahlen bestimmt; vgl. Demerson 291,16. | Pico della Mirandola: Picus Mirandula: vgl. Anm. zu S. 302 neuntausendsiebenhundertundvierundsechzig Thesen; della Mirandola wollte nicht mit Zahlen argumentieren, sondern öffentlich über 900 Thesen. | im großen Saal des Collège de Navarre: la grande salle de Navarre: vgl. Anm. zu S. 337 Collège de Navarre. | ehrenwerten Wissens: honeste sçavoir: ein Konzept, das wir bereits bei mittelalterlichen Dichtern vorfinden; vgl. Chrétien de Troyes, Erec et Enide, V. 9–18; Marie de France, Les Lais, »Prologue«, V. 1–4.

351 von dem Heraklit gesagt hat … die Wahrheit versteckt sei: verité cachée: der griech. Spruch en bythó gár é alétheia (»In der Tiefe ist sicherlich die Wahrheit«) wird Demokrit und nicht Heraklit zugeschrieben. | Hôtel de Cluny: Das Hôtel des Abbé de Cluny in der heutigen Rue Du Sommerard, 5. Arrondissement von Paris, war bis zur Frz. Revolution im Besitz des burgundischen Klosters und wurde renommierten Gästen zur Verfügung gestellt; vgl. Hillairet 1963 I, S. 453 f.

352 als habe mich Pantagruel bei der Gurgel gepackt: me tient à la gorge: vgl. Anm. zu S. 241 Pantagruel, S. 279 und Anm. zu S. 282 unsere Kehlen sind total versalzen. | das Buch von Beda: Beda Venerabilis (um 672–735), offizieller Heiliger der katholischen Kirche seit 1899, Historiker und Kirchenlehrer, hat u. a. eine Abhandlung über Zeichensprache verfasst: De computo vel loquela digitorum, in: Temporum ratione, Kap. 1. | Plotin: Plotinus (205–270), Begründer und bekanntester Vertreter des Neuplatonismus; der Titel De Inenarrabilibus kommt in seinem Werk, den Enneaden (vgl. Anm. zu S. 285 neun mal neun), die Marsilio Ficino von 1484 bis 1486 ins Lateinische übersetzt hat, nicht vor. | Proclus: Proclus Lycaeus Diadochus (412–485), neuplatonischer Philosoph; zu seinem Buch De Sacrificio et Magia vgl. Anm. zu S. 58 dass der Löwe … nur den weißen Hahn fürchtet; Lefranc I 108,41. | Artemidor: Artemidor von Daldis, auch: von Ephesus, zweite Hälfte des 2. Jh.s, Traumdeuter und Wahrsager; sein Werk über die Traumdeutung ist 1518 in Venedig erschienen: De somniorum interpretatione Libri quinque. | Anaxagoras: griech. Philosoph, um 500–428 v. Chr., der Titel Peri Semion (Peri semeíon [Über die Zeichen]) ist von Rabelais frei erfunden; vgl. auch Screech 1979, S. 52,1 und S. 127. | Ynarius, Peri Aphaton: Peri Aphaton zu griech. Peri áphathón (Über das Unsagbare); Autor und Titel sind von Rabelais frei erfunden. | Philistion: komischer Dichter aus dem 5. Jh. v. Chr.; bei Ravisius Textor, Officina I, S. 86 finden wir: »Philistion Nicaeus poëta Comicus (qui Socratis aetate floruit) nimio quoq; risu mortuus est«; vgl. Anm. zu S. 52 Philippides. | Hipponax: Hipponax von Ephesus, griech. Dichter aus der zweiten Hälfte des 6. Jh.s; von seinem Werk sind nur Fragmente erhalten; ein Werk mit dem Titel Peri ánekphonetón (Über das zu Verschweigende) ist unbekannt und eine freie Erfindung von Rabelais; zu allen genannten Autoren und Werken vgl. auch Demerson 292,24. | ad metan non loqui: (lat.) »bis zu dem Punkt, an dem er nicht weitersprechen kann«, mundtot machen; Ausdruck aus der Scholastik.

353 schachmatt: faictz quinaulx: vgl. S. 70; Lefranc I 136,59. | auf den Arsch gesetzt: mist de cul: vgl. S. 302. | Baumöl seichen: chier vinaigre: wie chier de peur oder pisser vinaigre: ›große Furcht haben‹, ›in großer Bedrängnis sein‹. |  Schnürstifte: aigueillettes de ses chausses: Schnürstifte befanden sich an Riemchen, mit denen die Beinkleider am Wams befestigt wurden. | beim Primus et Secundus und bei Stöckchen oben gewinnt: Primus et Secundus, Vergette: Spiele, die auch bei den Spielen von Gargantua erwähnt werden; vgl. S. 99 und 101; Lefranc I 196,64 und 201,118; es handelt sich um Spiele, bei denen Holzstäbchen übereinandergeworfen werden. Derjenige, dessen Stäbchen oben liegenbleibt, hat den Einsatz gewonnen. | Teufel von Vauvert: Château de Vauvert, Name eines Gebäudes, das in dem Winkel lag, der von der Rue de l’Enfer (heute Boulevard Saint-Michel) und der Rue de Vaugirard gebildet wurde. Über dieses verfallene Gebäude, das möglicherweise einst von Robert II., dem Sohn Hugues Capets, erbaut worden war, machten finstere Gerüchte seit dem 11. Jh. die Runde. Dort hielten sich Räuber, Ganoven und kriminelles Gesindel auf, so dass eine stehende Redewendung entstand: »Aller au diable Vauvert« für: ›eine lebensgefährliche Reise unternehmen‹; vgl. Hillairet 1963 II, S. 474. | Pennäler: grimaulx: die jüngsten Studenten, die ab dem 15. Lebensjahr in die Fakultät aufgenommen wurden; vgl. S. 255 und Anm. zu S. 292 Pennäler. | Studenten: artiens: Studenten höherer Studienjahre; vgl. Anm. zu S. 302 Freien Künste. | Delegierten: intrans: Es handelt sich um die Delegierten der »Quatre nations« der Faculté des Arts; vgl. Doucet 1948 II, S. 791 ff. | Doppelkanone: größtes Geschütz der damaligen Zeit; ca. 3,5 t Gewicht. | duckten sich weg wie die Enten: Erschreckte Enten legen sich auf den Bauch, statt wegzufliegen.

354 die Kehle versalzen: les gorges salées: vgl. Anm. zu S. 352 als habe mich Pantagruel bei der Gurgel gepackt. | Vorsitzenden: cathedrant: Kommissionsvorsitzender bei der Verteidigung einer Doktorarbeit. | Hosenlatz: longue braguette: da die Beinkleider der Zeit über keine Taschen verfügten, diente der Hosenlatz in der Tat als solche.

355 Ellen: couldée: nicht zu verwechseln mit au(l)ne; zu den verschiedenen Ellenmaßen vgl. Larousse 1869 V, S. 294, Sp. 2; zu diversen Interpretationen dieser Pantomime vgl. Esmangart III 457 ff. | Maske: masque: Anspielung auf die »momons«, die im 16. Jh. üblich waren; dabei handelte es sich um kleine Maskeraden, bei denen ›Geschenke‹ überbracht wurden und wobei die Teilnehmer verkleidet waren und nicht sprechen durften, um sich nicht zu verraten.

356 trismegistischen: tresmegiste: Beiname des Gottes Hermes: ›drei Mal groß‹. | Klappern: cliquettes: Es handelt sich um ein Gerät aus Holzstäbchen, mit dem man ein den Kastagnetten ähnliches Geräusch machte, um den Gesunden das Herbeinahen der Kranken anzukündigen. | Kanonisten: decretistes: Juristen, die sich auf das kanonische Recht spezialisiert hatten. | wie es seinerzeit unser Heiland lehrte: vgl. den reichen Prasser und den armen Lazarus, Lk. 16,19 ff.

359 Kleie: bran: Wortspiel von Rabelais mit bran und bren ›Scheiße‹. | seichte … Baumöl: pissa vinaigre: vgl. Anm. zu S. 353 Baumöl seichen.

360 die Hand bis zum Ellenbogen drin: mis la main: bedeutet im übertragenen Sinn: in die Tiefe einer Deutung einsteigen; gleichzeitig litterale Anspielung auf die Geste von Panurge.

361 Et ecce plus quam Salomon hic: (lat.) »Und siehe, hier ist mehr als Salomo«, vgl. Mt. 12,42; Lk. 11,31; vgl. auch Screech 1979, S. 130.

362 die Tiefe des Wissens: encyclopedie: zu griech. egkýklia paideía ›der Kreis der allgemeinen Wissenschaften‹, ›die allgemeine Bildung‹. | Scherze: mocqueries: zu möglichen Interpretationen der in der Tat scherzhaften und obszönen Gesten vgl. Esmangart III, 461 ff. | Non est discipulus super magistrum: (lat.) »Der Jünger ist nicht über dem Meister«; Ausspruch von Jesus Christus; vgl. Mt. 10,24; Lk. 6,40; Joh. 13,16. | mit aufgeknöpftem Bauch: à ventre déboutonné: Rabelais spielt mit dem übertragenen Sinn des Wortes; gemeint ist das Wams, das den Bauch bedeckte; verwendet in der Bedeutung von ›viel‹, ›unmäßig trinken‹. | wo kommt Ihr denn her: D’ont venez-vous: gemeint: Sie waren so betrunken, dass sie sich gegenseitig nicht mehr erkannten. | soffen wie die Löcher: tiroyent au chevrotin: auf den Weinschlauch (aus Ziegenhaut) drücken; vgl. Demerson 73,16; S. 61. | sie schlugen richtig zu: corner: eigtl. ›das Horn blasen‹; Wortspiel mit boire dans un cornet ›aus dem Horn, dem Becher trinken‹.

363 Her damit!: Tyre! Baille!: Hier finden wir die Grundelemente für das 5. Kap. von Gargantua: »Die Reden der Zecher«; vgl. S. 35–41. | Sicut terra sine aqua: vgl. Psalm 143 (142),6: »Meine Hände breite ich aus nach dir, meine Seele dürstet nach dir wie trockenes Land«; vgl. Anm. zu S. 35 Mud. | italienischer: Romanicque: eigtl.: römische Mode. | das die Kinder auf der Straße sangen: alloyent à la moustarde: aller à la moustarde: ›ein Geheimnis ausplaudern‹; Wortspiel mit aller moult tarde ›trödeln‹, also auch: trödelnde Kinder auf dem Schulweg oder sonstigen Wegen; vgl. Huguet 1961 V, S. 358; vgl. auch Demerson 300,2.