Keine Angst vor der eigenen Ahnungslosigkeit!

Wir leben in einem Wirtschaftssystem, in dem Geld Macht bedeutet, aber auch Entscheidungsfreiheit und Lebensqualität. Geld prägt uns und unsere Beziehungen zu anderen; zudem beeinflusst es unsere Entscheidungsmöglichkeiten. Solide Finanzbildung ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben und ist in unserer Gesellschaft lebensrelevant.

Doch Finanzbildung findet in der Schule wenig bis gar nicht statt. Umso wichtiger ist es, dass Sie auch zu Hause darüber reden. Dieses Buch ist ein Aufruf zur Veränderung, zur Übernahme der Verantwortung für die eigenen Finanzen und zur Weitergabe dieses lebenswichtigen Wissens an die nächste Generation.

Geld ist ein Privileg, das auf den ersten Blick ungerecht wirken mag. Es kann scheinbar unüberwindbare Unterschiede zwischen Menschen schaffen, die von Geburt an mit finanziellen Mitteln gesegnet sind, und denen, die mit begrenzten Ressourcen aufwachsen. Doch in Wirklichkeit ist Geld mehr als nur ein Maß für materiellen Wohlstand. Es ist ein Schlüssel, der Türen öffnet und Chancen schafft.

Es ist kein Geheimnis: Finanzielle Bildung und die Fähigkeit, Geld effektiv zu verwalten, können das Leben eines Kindes grundlegend verändern. Es verschafft ihm nicht nur einen Vorsprung, sondern eröffnet auch eine Welt von Möglichkeiten und Freiheiten. Es ermöglicht den Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und die Verwirklichung von Träumen. Ein solides finanzielles Fundament kann das Leben weniger stressig und die Zukunft sicherer machen.

Wir nehmen an, Sie wünschen sich für Ihr Kind, dass es lernt, mit Geld umzugehen, kluge (finanzielle) Entscheidungen zu treffen und später einmal gut abgesichert zu sein. Sonst hätten Sie dieses Buch vermutlich erst gar nicht zur Hand genommen. Und Sie selbst? Wie steht es um Ihre finanzielle Bildung?

Sie haben keine oder kaum Ahnung vom Thema »Finanzen«? Vielleicht kümmert sich Ihre Partnerin, Ihr Partner oder ein anderer Mensch in Ihrem Leben um das Finanzielle, und Sie sind froh darüber? Mathe war vielleicht auch nicht Ihr Lieblingsfach? Oder haben Sie Ihre eigenen Finanzen so weit im Griff, sind aber unsicher, wie Sie Ihr Kind auf den richtigen Weg bringen? Die gute Nachricht: Das macht alles überhaupt nichts! Dafür sind wir da, und genau deshalb haben wir dieses Buch geschrieben! Wir werden uns gemeinsam von Ihren hinderlichen Glaubenssätzen (und unschönen Geschichten) rund ums Thema »Geld« verabschieden und Ihnen zeigen, wie Sie Ihr Kind im Alltag spielend leicht finanziell bilden können, ohne großen Mehraufwand und ohne erhobenen Zeigefinger.

Ein weiterer Trost: Sie sind damit nicht allein. Laut einer Studie des Bundesverbands deutscher Banken aus dem Jahr 2017 verfügen 60 Prozent aller Befragten laut Selbsteinschätzung über »schlechte« oder »eher schlechte« Finanzkenntnisse. Gerade jüngere Menschen unter 30 Jahren fallen dabei durch eine geringe Finanzkompetenz auf. 3 Gleichzeitig haben junge Menschen großes Interesse, sich über finanzielle Themen, wie zum Beispiel die Inflation, auszutauschen, und das wollen wir uns zunutze machen. 4 Also von wegen »Über Geld spricht man nicht«! Diesen Glaubenssatz können Sie schon mal streichen.

Exkurs: Sprache

Sprache ist so alltäglich wie mächtig. Nicht erst seit der Debatte ums Gendern wissen wir, wie emotional aufgeladen Sprache und Sprachwahl sein kann. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, Sie dafür zu sensibilisieren, achtsam mit Ihrer Sprache – nicht nur, aber vor allem auch in Bezug auf Geld – umzugehen. Sie entscheiden selbstverständlich selbst, welche Worte Sie wählen, Ihnen sollte allerdings die Tragweite bewusst sein. Ein kleines Beispiel soll verdeutlichen, wie Sprache und Wortwahl wirken können, denn Sprache schafft nicht nur Realitäten, sondern kann auch Grenzen schaffen, die unüberwindbar scheinen können:

Fragt man Grundschülerinnen, ob sie sich vorstellen können, »Arzt« oder »Pilot« zu werden, dann trauen sich das die wenigsten Schülerinnen zu. Werden in der Befragung allerdings die weiblichen Berufsbezeichnungen »Ärztin« oder »Pilotin« verwendet, trauen sich Schülerinnen viel eher zu, diese Berufe zu ergreifen. 5 Spannend, oder?

Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir in diesem Buch das Wechselmodell: Wir wechseln beliebig zwischen weiblichen und männlichen Formen. Nicht weiblich oder männlich gelesene Menschen sind explizit mitgemeint.

Überraschen sollten uns diese Zahlen allerdings nicht. Über solides Finanzwissen zu verfügen, ist in Deutschland eher Glückssache: Weder Schule noch Politik sehen sich aktuell in der Pflicht, das Thema anzupacken und es so in der Bildungslandschaft zu verankern, dass es so selbstverständlich erworben werden kann wie die Grundrechenarten.

Fast alle der 38 Mitgliedsstaaten der OECD verfolgen eine nationale Strategie, die finanzielle Bildung fördern und sicherstellen soll. Nur vier Staaten sahen bisher keine Notwendigkeit, Deutschland war bislang einer davon. 6 Es überrascht daher auch wenig, dass Deutschland und seine Schülerinnen und Schüler nicht an der PISA -Studie zur finanziellen Bildung 7 teilnehmen, denn was nicht vorhanden ist, kann auch nicht evaluiert werden.

Erst im Jahr 2023 hat die deutsche Bundesregierung die »Initiative Finanzielle Bildung« ins Leben gerufen, ohne bisher allerdings einen konkreten »Fahrplan« und/oder Ergebnisse vorzulegen. 8 Kurze Randnotiz: Das Female Finance Forum wirkt als Key Stakeholder an der Entwicklung dieser nationalen Finanzbildungsstrategie mit. Die entsprechende Anfrage des Bundesministeriums für Finanzen und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung haben wir dankend angenommen.

Kinder haben in Deutschland aktuell kaum Gelegenheit, fundiertes explizites Wissen rund um die Themen »Geld« und »Finanzen« zu erwerben. Sie lernen vor allem implizit – durch das eigene Elternhaus und ihr Umfeld – wie Finanzen funktionieren.

Zu wissen, dass man nichts oder nur wenig über Finanzen weiß, ist also kein Versagen oder ein Zeichen von »Dummheit«, sondern eine ziemlich logische Konsequenz unseres aktuellen Bildungssystems. Wir alle sollten akzeptieren, dass es okay ist, sich für Themen extern Expertise zu holen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ganz im Gegenteil! Sie sparen im Zweifelsfall nicht nur Ihre Zeit und Ressourcen, sondern sind damit auch ein starkes Vorbild für Ihr Kind, denn Sie leben vor, dass es ein Zeichen von Stärke ist, Hilfe zu suchen, wenn man sie benötigt. Keiner kann oder muss alles selbst wissen, man sollte nur wissen, wo es (verlässlich) steht. Wir wollen Sie, liebe Leserinnen und Leser, deshalb entlasten: Sie müssen diesen Weg nicht allein gehen, wir begleiten Sie gern.

Um Berührungsängste gegenüber dem Thema »Finanzen für Kinder« abzubauen und es für Sie maximal verständlich zu machen, verwenden wir eine einfache und klare Sprache und schnüren übersichtliche Informationspakete, die Sie nach eigenem Tempo und Interesse auspacken können. Sie finden sowohl anschauliche Erklärungen für Erwachsene als auch kindgerechte Erklärungen und Beispiele, auf die Sie im täglichen Miteinander zurückgreifen können. Und denken Sie daran: Bevor Sie (Groß-)Eltern wurden, hatten Sie auch keinen Plan davon. Man wächst an seinen Aufgaben, Sie schaffen das!

Wir nehmen Sie an die Hand und gehen die ersten Schritte gemeinsam mit Ihnen, bis aus dem kleinen, zarten Trampelpfad Kapitel für Kapitel ein breiter Weg wird, den Sie in Kürze schon ganz selbstverständlich allein beschreiten werden.

Wenn Sie sich bisher wenig oder gar nicht mit dem Thema Finanzen auseinandergesetzt haben, mag das anfangs ungewohnt für Sie sein. Es dauert, bis sich eine neue Gewohnheit nachhaltig etabliert hat. Auf die Sprünge helfen können Sie dem Ganzen, indem Sie sich folgende Fragen stellen 9 (und gute Antworten für sich finden!):

  1. How can I make it obvious? Wie kann ich es angehen oder besser: anstellen, dass das Beschäftigen mit meinen Finanzen naheliegend wird und leicht umzusetzen ist (zum Beispiel einen regelmäßigen Termin im Kalender mit Erinnerung einstellen)?
  2. How can I make it attractive? Wie kann ich es angehen, dass mir das Beschäftigen mit meinen Finanzen Spaß macht (zum Beispiel einen Massagetermin buchen, um sich für die erledigte Vorsteueranmeldung zu belohnen)?
  3. How can I make it easy? Wie kann ich es so gestalten, dass es mir leichtfällt, mich mit meinen Finanzen zu beschäftigen (zum Beispiel Zahlungen automatisieren, Sparpläne einrichten, überflüssige Konten zusammenlegen/kündigen; alles an einem »Ort« organisieren)?

Und falls Sie sich ärgern, nicht schon früher damit angefangen zu haben, machen Sie sich klar: Der beste Zeitpunkt ist immer jetzt! Sie haben mit diesem Buch alles in der Hand, was Sie brauchen, um loszulaufen. Kommen Sie mit?

Kinderfragen und Kinderwissen

Das Thema Geld ist fester Bestandteil in unser aller Alltag, und auch unsere Kinder kommen auf vielfältige Weise damit in Berührung: Sei es beim gemeinsamen Einkaufen und dem anschließendem Bezahlvorgang, wenn Pfandflaschen zurückgebracht werden oder wenn Sie zu Hause über die Steuererklärung sprechen.

Kinder entwickeln schon früh ein Gespür dafür, mit welchem Gefühl das Thema Geld in ihrem Umfeld belegt ist: Wirkt Papa angespannt und legt die Stirn in Falten, wenn die Nachzahlung des Energieversorgers ins Haus flattert? Zaubert die Urlaubsplanung den Eltern ein fröhliches Lächeln ins Gesicht? Hat Oma Spaß daran, ihre Kontoauszüge zu checken und ihre Finanzen zu managen? Geld ist neutral, es ist weder gut noch schlecht. Geld erhält erst durch unsere individuelle Wahrnehmung bestimmte Zuschreibungen, und unsere Kinder übernehmen diese in der Regel ungefiltert. Für das (jüngere) Kind meist kognitiv (noch) nicht greif- und/oder artikulierbar, wirkt die Stimmung rund um finanzielle Themen wie eine Art »Anstrich«, der dem ganzen Thema anhaftet.

Money Talk: Über Geld spricht man doch!

Fragen Sie Ihr (jüngeres) Kind doch mal, mit welcher Farbe es Geld in Verbindung bringt. Vielleicht erhalten Sie Aufschluss darüber, was Ihr Kind auf der Gefühlsebene über Geld denkt. Ältere Kinder können Sie fragen, welche (Sprich-)Wörter ihnen zum Thema Geld einfallen und was sie bedeuten. Oder tragen Sie verschiedene Bezeichnungen für Geld zusammen (Mäuse, Kröten, Asche, Kies …). 10 Und stellen Sie sich diese Fragen auch gern selbst! Überlegen Sie gemeinsam, ob die zusammengetragenen Sprichwörter und Bezeichnungen eher positiv oder negativ behaftet sind und in welchen Kontexten oder bei welchen Anlässen Ihr Kind diese schon einmal gehört hat. Decken sich Ihre Erfahrungen? Oder erlebt Ihr Kind hier etwas anders als Sie selbst? Spannende Einblicke und jede Menge Anknüpfungspunkte sind Ihnen garantiert.

Denn dabei entdecken Sie den unbewussten Part, den Teil vom Eisberg, der sich unter der Wasseroberfläche befindet und mit bloßem Auge nicht so leicht erkennbar ist. Doch wofür interessieren sich Kinder beim Thema Geld? Was bringen sie an Vorwissen und Erfahrungen schon mit? Wo gibt es Unsicherheiten beziehungsweise was wurde vielleicht falsch aufgeschnappt/verstanden? Sie sind die Expertin für Ihr Kind und kennen es am allerbesten. Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit Geld variieren von Kind zu Kind, abhängig von seinem Alter, seinem Umfeld und seinen Interessen. Es gibt allerdings Situationen und Themen, mit denen jedes Kind früher oder später in Berührung kommt. Sei es durch seine eigenen Erfahrungen oder durch Freundinnen und Freunde.

Folgende Themen oder Situationen können relevant sein und Ihnen als Gesprächsanlässe dienen, um Ihrem Kind in Sachen Geld auf den Zahn zu fühlen:

Geld geben – ja oder nein?

Wie Sie auf einen obdachlosen Menschen reagieren wollen, ist eine – Ihre – ganz persönliche Entscheidung. Wenn Sie etwas geben wollen, kann es trotzdem eine Hemmschwelle geben: Habe ich das passende Kleingeld zur Hand? Oder schüre ich mit dem Öffnen des Geldbeutels falsche Hoffnungen, wenn ich nur zu großes Scheingeld mit mir führe? Unser Tipp: Bewahren Sie in einem Extrafach im Geldbeutel oder in Ihrer Tasche ein paar abgezählte Münzen für genau solche Anlässe auf. So können Sie direkt auf dieses Geld zugreifen, wenn Sie etwas geben möchten. Sie ersparen sich dadurch auch unangenehmes Kramen oder mehr zu geben, als sich für Sie passend anfühlt.

Entwickeln Sie ein Gespür für solche Redeanlässe und nutzen Sie sie, wo es passt. Wenn Sie gerade gestresst den Wocheneinkauf mit übermüdetem Geschwisterkind zu meistern versuchen, ist das eher kein guter Zeitpunkt, um die ungleiche Verteilung von Geld zu diskutieren. Vielleicht können Sie jedoch am Abend vor dem Schlafengehen oder in einem anderen geeigneten Moment den Gesprächsfaden noch einmal aufnehmen. Diese Anlässe können Ihnen dabei helfen, den individuellen Kenntnisstand Ihres Kindes herauszufinden, falsche Annahmen aufzuspüren und zu besprechen. Und keine Angst: Wenn Sie bei gewissen Themen selbst unsicher sein sollten, gibt es eine Vielzahl an Ressourcen, auf die Sie zurückgreifen können. Eine kuratierte Auswahl selbiger finden Sie im Anhang dieses Buches. 12 Recherchieren Sie gemeinsam mit Ihrem Kind und begeben Sie sich zusammen auf Spurensuche!

Kleiner Tipp am Rande :

Es gibt neben der wohl bekanntesten Suchmaschine der Welt auch nachhaltige Alternativen, wie zum Beispiel Ecosia. Das Berliner Unternehmen pflanzt pro 45 Suchanfragen einen Baum an. Mithilfe eines Trackers können Sie jederzeit sehen, wie viele Bäume durch Ihre Suchanfragen schon gepflanzt wurden. Vergleichen Sie mit Ihrem Kind, wer in einem bestimmten Zeitraum wie viele Bäume hat pflanzen lassen. Weitere Tipps, wie Sie und Ihre Familie Ihren digitalen Fußabdruck reduzieren können, finden Sie in unserem Blogbeitrag »Nachhaltig online: 5 Tipps für einen kleineren digitalen Fußabdruck«. 13

Geld in unserer Gesellschaft

Geld spielt in unserer Gesellschaft eine zentrale, (fast) alle Bereiche durchdringende Rolle. Deshalb ist es so wichtig, die ursprüngliche Bedeutung von Geld zu verstehen. Geld erfüllt drei zentrale Funktionen:

  1. Geld ist ein allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel. Mit einem Zehn-Euro-Schein können Sie sowohl in der Bäckerei als auch in der Apotheke bezahlen; er wird überall akzeptiert.
  2. Geld ist eine Recheneinheit. Sie wissen ziemlich genau, wie viel zehn Euro wert sind; egal, ob im Gegenwert von Brötchen oder von Nasenspray aus der Apotheke. Geld hat für uns alle denselben Wert; die Dinge, die wir davon kaufen, haben unterschiedlichen Wert, je nachdem, wie dringend wir sie benötigen. Wenn Sie gerade hungrig sind, ist Ihnen das Brot mehr wert als das Nasenspray; die zehn Euro sind dagegen neutral.
  3. Geld ist ein Wertspeicher. Wenn Sie das Geld gerade nicht brauchen, können Sie es in Ihrem Portemonnaie mit sich herumtragen oder es unter Ihr Kopfkissen legen. Der Wert bleibt zwar nicht langfristig derselbe, aber kurzfristig hat er Bestand. Das frische Brot hat dagegen schon nach wenigen Tagen seinen Wert verloren.

Dabei kann Geld alles sein, was wir als solches definieren. Bis weit ins 14. Jahrhundert wurden Tiere, Gegenstände und natürliche Ressourcen wie Korn und Getreide als Zahlungsmittel verwendet. 14 Diese Tauschwirtschaft, also der direkte Tausch von Gegenständen, Dienstleistungen oder Naturalien, hatte zwei große Nachteile: Erstens war es unpraktisch, zum Beispiel ständig eine Kuh zum Tauschen herumzutreiben. Zweitens verdarben diese Naturalien nach einer gewissen Zeit, das Zahlungsmittel wurde somit unbrauchbar. Die Funktion des Wertspeichers, die unser heutiges Geld neben den anderen Funktionen ausmacht, wurde also nicht erfüllt.

So früh, wie Menschen miteinander handelten, so früh gab es auch Banken: Die frühesten Vorläufer der heutigen Banken schrieben Forderungen auf und verrechneten diese, vergaben Kredite und wechselten die frühen Versionen von Währungen. Neben der Tauschwirtschaft verbreitete sich bereits früh das erste Geld nach heutigem Standard: Muscheln, Kakaobohnen oder Getreide erfüllten die Funktion des Zahlungsmittels, der Recheneinheit und auch des Wertspeichers. Kurz darauf wurden Edelmetalle, insbesondere Gold und Silber, als Zahlungsmittel vor allem in den späteren römischen und mittelalterlichen Kulturen verwendet. Im Mittelalter führten Banken die Banknote ein, die als Geldersatz fungierte und als Zahlungsmittel verwendet werden konnte. Die leichte und handliche (Papier-)Banknote ermöglichte es, Geld in größeren Mengen zu transportieren, und setzte sich daher mengenmäßig gegenüber den schweren Münzen durch.

Im 19. Jahrhundert begann die Industrialisierung, und der Handel boomte mit unvergleichbarer Geschwindigkeit. Dies führte zur Entwicklung des modernen Geldsystems. Mit der weiteren Entwicklung der modernen Technologie kamen Kreditkarten, Debitkarten und elektronisches Geld auf den Markt.

Insbesondere für kleine Kinder ist der Wert von Geld schwer greifbar: Warum ist ein lilafarbenes Stück Papier so viel mehr wert als ein Grünes? Warum ist ein Stück Papier überhaupt etwas wert? Diese Fragen werden selten so offen gestellt, aber sie spiegeln eine wesentliche Thematik unseres Geldsystems: Es beruht auf Vertrauen. Nur weil wir alle vertrauen, dass das lilafarbene Stück Papier auch bei der nächsten Verwendung den hohen (gleichen) Wert haben wird, hat es auch diesen Wert.

Ähnliches gilt für elektronisches Geld, das sogenannte Giralgeld. Das Guthaben auf dem Konto ist genauso real und damit genauso endlich wie das Geld im Portemonnaie. Gleichzeitig sind Mama oder Papa nicht pleite, nur weil sie kein Bargeld dabeihaben; im besten Fall gibt es noch Geld auf dem Konto.

Wir möchten Ihnen einige Tipps mitgeben, um Kindern zu erklären, dass elektronisches Geld genauso real, genauso wertvoll und genauso endlich ist wie Bargeld:

Money Talk: Karte versus Kröten

Wenn Sie kein Bargeld dabeihaben, erklären Sie das Ihrem Kind. Sagen Sie nicht: »Ich habe kein Geld mehr«, sondern sagen Sie lieber: »Ich habe kein Bargeld dabei.« Dann können Sie im nächsten Schritt entscheiden, ob Sie am Geldautomaten Bargeld abheben möchten oder nicht. Dadurch lernt Ihr Kind, dass es einen Unterschied zwischen dem Bargeld in Ihrem Portemonnaie und dem Vermögen auf Ihrem Konto gibt.

Wenn Sie Bargeld abheben, erklären Sie Ihrem Kind, dass das Geld im Geldautomaten nicht gratis ist und dass Sie nur so viel Geld abheben können, wie Sie besitzen. Für kleinere Kinder kann der Vergleich mit einem Sparschwein helfen: Der Geldautomat hat Zugriff auf das Sparschwein der Eltern. Daher kann nur so viel abgehoben werden, wie sich Geld im Sparschwein befindet. Wenn das Kindersparschwein leer ist, kann das Kind kein Geld mehr herausnehmen; ebenso kann der Geldautomat kein Geld mehr ausgeben, wenn das Elternsparschwein (also das Konto) leer ist.

Geldgespräche und die Rolle von finanzieller Bildung

Im deutschen Kulturraum wird wenig und vor allem wenig positiv über Geld gesprochen. Das vermutlich am weitesten verbreitete Sprichwort, das wir eingangs schon einmal zitiert haben, lautet: »Über Geld spricht man nicht!«, gern mit dem Nachsatz: »Man hat es.« Aber was, wenn man es nicht hat? Dann darf man offenbar nicht darüber reden, wie man diesen Umstand ändern kann.

Die Privatsphäre wird bei uns generell großgeschrieben: Personen in der Politik werben selten mit ihrer religiösen Zugehörigkeit, und auch ihre Partnerschaft oder sexuelle Orientierung spielt eine untergeordnete Rolle. In Bezug auf Geld herrscht da schon etwas mehr Uneinigkeit: Einerseits erwarten wir vom Staat, für die Absicherung und die Altersvorsorge zu sorgen, andererseits wollen wir nicht darüber reden, ob oder wie wir privat mit unserem Geld umgehen. Generell löst das Thema häufig ein unangenehmes Gefühl aus: Menschen mit viel Geld fühlen sich manchmal schuldig, wenn sie mit weniger vermögenden Menschen zusammenkommen. Und Menschen mit wenig Geld schämen sich manchmal dafür, dass sie armutsbetroffen sind oder wenig Geld haben. Vielfach geht es nicht um die absoluten Zahlen, sondern um das Einkommen im Vergleich zum Umfeld. Ungleiche Gehälter und Vermögen werden als gegebene Ungerechtigkeit betrachtet: »Natürlich verdient sie weniger; sie arbeitet im Pflegebereich, da konnte sie nichts anderes erwarten.« Es gibt Bestrebungen, Ungerechtigkeiten beispielsweise im Steuersystem oder bei Gehältern zu reduzieren; allerdings brauchen gesellschaftliche und politische Veränderungen ihre Zeit, und wir haben noch einen weiten Weg vor uns.

In anderen Ländern, beispielsweise im angelsächsischen Sprachraum, wird anders mit privaten Informationen umgegangen: Die Familienmitglieder von Politikern werden aktiv in den Wahlkampf eingebunden, und auch Geschäftsbeziehungen erstrecken sich häufig bis in die Familie. Auch die Gehälter werden im Freundes- oder Bekanntenkreis offener thematisiert und sind weniger emotional behaftet. Da die Altersvorsorge oft nicht als originäre Staatsaufgabe gesehen wird, werden Möglichkeiten der individuellen Altersvorsorge und des Vermögensaufbaus offener und selbstverständlicher diskutiert.

Insbesondere in Bezug auf Gehälter sind die Gespräche weniger neidgetrieben als bei uns. Wenn in Deutschland jemand ein hohes Einkommen hat, wird häufig argumentiert, so viel Geld brauche man nicht oder es gehe nicht alles mit rechten Dingen zu. In den USA ist die Betrachtung eine andere: Es wird gefragt, wie diese Person dieses Einkommen erreicht hat und was man von ihr lernen kann. Während bei uns Neid dominiert, sehen wir dort mehr Begeisterung und Veränderungswillen.

Diese unterschiedliche Herangehensweise an Geld kann eine Tatsache nicht verharmlosen, die in den meisten Kulturen vorhanden ist: Menschen messen Erfolg unter anderem an der Höhe des Gehalts, obwohl das Gehalt manchmal nicht im Verhältnis zum Wert der jeweiligen Arbeit steht. 

Money Talk: Wie viel verdienen Ihre Freunde?

Lassen Sie uns ein kleines Experiment machen: Wissen Sie, welches Gehalt Ihre beste Freundin bekommt? Und vielleicht sogar, welchen Anteil davon sie monatlich beiseitelegt und ob/wie sie investiert?

Gleiche Frage, anderer Adressat: Wissen Sie, welches Gehalt Ihr bester Freund bekommt, wie viel er spart und wie er sein Geld investiert?

Falls Sie eine durchschnittliche Frau sind, kennen Sie die Antworten auf diese Fragen vermutlich nicht. Frauen bekommen weniger Gehalt (der Gender-Pay-Gap im Jahr 2022 beträgt 18 Prozent pro Arbeitsstunde), investieren ihr Geld seltener und reden seltener über Finanzen. Als Mann haben Sie vielleicht eine ungefähre Vorstellung vom Gehalt Ihres Freundes, denn Männer reden mehr über Geld als Frauen. Vermutlich wissen Sie aber auch nicht, wie viel er spart und investiert.

Das deutsche Tabu »Über Geld spricht man nicht!« ist ein großes Hindernis auf dem Weg zu einem unbeschwerten Umgang mit Geld. Daher an der Stelle der Appell an Sie von uns: Seien Sie die Person, die das Tabu bricht! Reden Sie mit Ihren Freundinnen, Ihren Kollegen und natürlich Ihren Kindern über Geld. Das müssen keine konkreten Zahlen sein; eine allgemeine Frage kann häufig ein guter Türöffner sein. Als Beispiel: »Ich stehe gerade vor der Frage, wie ich mein Geld am besten investieren kann. Wie gehst du das Thema an?«

Möglicherweise werden Sie anfangs schräge Blicke ernten, aber im Zweifelsfall sind einige Personen dankbar, wenn Sie den Stein ins Rollen bringen und sie mitnehmen auf Ihrer Finanzreise.

Warum thematisieren wir an dieser Stelle diesen deutschen, sehr privaten Umgang mit Geld? Können wir es nicht einfach dabei belassen, eben nicht über Geld zu reden?

Leider nein. Mit Geld kann Macht ausgeübt werden, und damit ist auch das Wissen in Bezug auf den Umgang mit Geld Macht. Bislang sind Geldgespräche und Finanzbildung private Angelegenheiten. Familien mit mehr Vermögen und höherem Einkommen reden im Schnitt mehr über Geld und geben ihren Kindern mehr Finanzbildung mit. Wer mehr über Geld weiß, kann dieses Geld besser investieren und vermehren. Außerdem lernen Kinder aus diesen Familien durch ihre familiären Vorbilder, dass es sehr einfach ist, aus Geld mehr Geld zu machen. Kinder aus ärmeren Familien reden mit ihren Eltern seltener über Geld und sehen zudem an ihren Vorbildern, dass sich mit Gelddingen zu beschäftigen, eher anstrengend ist und zu Sorgen führt. Damit verfestigen sich bestehende Machtstrukturen oder, anders ausgedrückt: Wohlhabende Menschen haben mehr Geld, das sie investieren können, und investieren häufiger; damit werden sie reicher. Von Armut betroffene Menschen haben wenig Geld und sparen dieses höchstens, investieren aber nicht; damit bleiben sie arm. Fehlende (leicht zugängliche) Finanzbildung verfestigt also die strukturelle Ungleichheit.

In diesem Buch schlagen wir immer wieder Anlässe für »Money Talks« vor: Geldgespräche, die Sie in Ihrer Beziehung, Ihrer Familie, Ihrem Freundeskreis oder weiteren Umfeld führen können. Diese Money Talks können anfänglich herausfordernd sein und sich merkwürdig anfühlen; schließlich brechen Sie ein gesellschaftliches Tabu, was sich irgendwie verboten oder ungehörig anfühlen kann. Mit der Zeit werden Sie aber Übung in Geldgesprächen bekommen und sich wohler dabei fühlen, diese Gespräche anzuregen und zu führen. Planen Sie für sich und Ihr Kind regelmäßige Money Talks ein, einmal im Monat, einmal im Quartal oder wie es für Sie passt. Nehmen Sie sich fest vor, dass Sie zusammen mit Ihrem Kind über Themen reden, die mit Geld und Finanzen zu tun haben, die bei Ihnen vielleicht gerade aktuell anstehen (Urlaubsplanung, Taschengeldanpassung, etc.). Und auch, wenn es keinen aktuellen äußeren Anlass gibt, lassen Sie den Money Talk nicht platzen. Recherchieren Sie zum Beispiel zusammen, wer der reichste Mensch der Welt ist, welche Aufgaben die Bundesbank hat oder ähnliche spannende Fragen. Akzeptieren Sie es aber auch, wenn Ihr Kind keine Lust auf Geldthemen hat und das »Gesprächsfenster« vorübergehend geschlossen ist. Das Thema sollte seine Leichtigkeit behalten und nicht mit Druck oder Widerwillen verbunden sein.

Schulbildung

An Schulen gibt es bislang keine flächendeckende Finanzbildung. Nur zwei Bundesländer, NRW und Baden-Württemberg, haben »Wirtschaft« als Schulfach oder als Unterrichtsinhalt eingeführt. Und das, obwohl laut Kultusministerkonferenz »die ökonomische Bildung ein unverzichtbarer Bestandteil der Allgemeinbildung (ist) und […] somit zum Bildungsauftrag der allgemeinbildenden Schulen (gehört)«. 15 Bisher bleiben die Inhalte jedoch meist auf der strukturellen Ebene, was zwar dabei hilft, die Wirtschaftskreisläufe oder die Entwicklung der letzten Finanzkrise zu verstehen, jedoch nicht ausreicht, Schülerinnen und Schüler vor Überschuldung zu schützen und einen gesunden Alltagsumgang mit Geld zu lehren. Das Schulsystem verändert sich nur langsam, und der Föderalismus erschwert flächendeckende Veränderungen zusätzlich. Es gibt einzelne Initiativen, die diese Bildungslücke schließen wollen, wie beispielsweise der Geldlehrer e. V., das Female Finance Forum, Schulgold oder diverse bankeigene Stiftungen. Trotz der beachtlichen Erfolge, die diese Initiativen bereits vorweisen können, bleiben es Tropfen in einem riesigen Meer; strukturelle Veränderungen sind notwendig! An den Schülerinnen und Schülern selbst sollte es nicht liegen, denn laut Studie wünschen sich knapp neun von zehn Befragten, dass z. B. das Thema Altersvorsorge fester Bestandteil eines Schulfachs »Wirtschaft und Finanzen« sein sollte. 16

Finanzielle Bildung in der Schule ist auch aus verteilungspolitischen Gründen wichtig. Schülerinnen und Schüler, die in einem schwierigeren finanziellen Umfeld aufwachsen, erfahren weniger häufig familiäre Unterstützung beim Thema Geld und Vorsorge: Die Eltern »fehlen« als wichtiges Rollenmodell oder verlässliche Informationsquelle. Die Schule kann hier einen wichtigen Ausgleich schaffen, indem sie als bildungspolitisches Korrektiv für die »Start-Nachteile« mancher Schülerinnen und Schüler fungieren kann. 17

Die Rolle des Finanzsektors

Der Finanzsektor hat die Expertise und könnte theoretisch die Finanzbildung abdecken; einerseits durch Pro-Bono-Projekte wie Schulbildung, andererseits in den regulären Beratungsgesprächen mit Kundinnen und Kunden. Bei diesen Gesprächen kommt uns allerdings das deutsche Provisionsgeschäft in die Quere. Beim Provisionsvertrieb geht es darum, dass Vermittlerinnen und Vermittler von Finanzprodukten (zum Beispiel Versicherungen oder Investmentfonds) Provisionen von den Anbietern erhalten. Diese Provisionen sind oft sehr hoch und werden vom Anbieter als Marketingkosten verbucht. Die Vermittlerin oder der Vermittler erhält also eine Belohnung dafür, dass sie/er das Produkt des Anbieters an die Kundin oder den Kunden vermittelt hat.

Das kann dazu führen, dass Vermittlerinnen und Vermittler nicht im Interesse der Kundin/des Kunden handeln. Denn je höher die Provision, desto größer ist der Anreiz, ein bestimmtes Produkt zu verkaufen – unabhängig davon, ob es wirklich zu den Bedürfnissen und Zielen der Kundin oder des Kunden passt. Der Vermittler oder die Vermittlerin hat also einen Konflikt zwischen den eigenen finanziellen Interessen und den Interessen der Kundschaft.

Ein weiteres Problem des Provisionsvertriebs ist, dass er oft dazu führt, dass Kundinnen und Kunden zu teure oder unnötige Produktverträge abschließen. Denn die Vermittlerin oder der Vermittler wird eher teurere Produkte verkaufen, da sie oder er dadurch eine höhere Provision erhält.

Der Finanzsektor profitiert also tendenziell davon, wenn die Kundinnen und Kunden finanziell eher ungebildet sind und sich leichter Produkte verkaufen lassen. Zugespitzt ausgedrückt: Mit Ihrer Ahnungslosigkeit wird Geld verdient! Es gibt sicherlich viele Personen aus dem klassischen Finanzsektor, die sich aufrichtig für solide Finanzbildung an Schulen einsetzen und die sich auch ernsthaft bemühen, ihren Kundinnen und Kunden das beste Produkt zu vermitteln. Strukturell besteht aber immer der Verdacht, dass ein teurer Produktvertrieb das (langfristige) Interesse ist.

Geschlechterrollen

Frauen kümmern sich durchschnittlich weniger um ihre Finanzen als Männer. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen fehlen in vielen Familien weibliche Vorbilder, wenn es um Finanzen geht. Häufig ist die Rollenverteilung relativ klar: Die Mutter trifft alle Haushaltsentscheidungen und verwaltet das Budget für Essen, aber die größeren Ausgaben (Auto und teurer) werden maßgeblich vom Vater entschieden. Dasselbe gilt für das Einkommen: Die Mutter bringt den Nebenerwerb nach Hause, der Vater das Hauptgehalt. Natürlich gibt es viele Zwischentöne, aber die Tendenz ist eindeutig. Dieser Trend wird durch viele Strukturen verstärkt. So sehen wir bis heute weniger Frauen in MINT -Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik); es fehlen also auch hier die Vorbilder. Der Themenbereich Finanzen zählt zu diesen von Männern dominierten Feldern. Das führt dazu, dass die Kommunikation und das Design des Finanzsektors auf männliche Bedürfnisse zugeschnitten sind, was wiederum mehr Männer anspricht; der Kreislauf verstärkt sich. Dadurch erhalten Frauen oft weniger Beratung, gleichzeitig aber unpassende und teurere Finanzprodukte als Männer. Dies ist in der Tat eine weit verbreitete Praxis, die von Finanzinstituten oft nicht beabsichtigt und nicht einmal bewusst wahrgenommen wird. Viele Banken und Kreditinstitute gehen davon aus, dass Frauen weniger risikobereit sind als Männer und stellen ihnen daher die lukrativen, dabei aber riskanteren Finanzprodukte gar nicht vor. Dies führt dazu, dass Frauen oft nur eine begrenzte Auswahl an Finanzprodukten angeboten bekommen, die in der Regel weniger rentabel und gleichzeitig teurer sind als die Angebote, die Männern zur Verfügung stehen.

Ein weiteres Problem ist, dass Frauen oft weniger Zugang zu Finanzberatung und -bildung haben als Männer. Das bedeutet, dass sie nicht ausreichend über die verschiedenen Finanzprodukte und -optionen informiert sind und somit Schwierigkeiten haben, fundierte Entscheidungen zu treffen. Ohne angemessene Beratung kann es auch schwieriger sein, erfolgreich zu investieren und finanzielle Ziele zu erreichen.

Ein weiteres Hindernis für Frauen in Bezug auf Geld ist die Lohnlücke. Frauen verdienen aktuell in der Regel weniger als Männer (18 Prozent pro Stunde), was bedeutet, dass sie weniger Geld zur Verfügung haben, um in Finanzprodukte zu investieren. Das hat Auswirkungen auf ihre langfristigen Finanzen und ihren Vermögensaufbau, da sie durchschnittlich weniger investieren und damit weniger Wohlstand aufbauen können.

Um diese Herausforderungen zu bewältigen, müssen Finanzinstitute und Regulierungsbehörden sich bewusst machen, dass Frauen und Männer gleichermaßen von Finanzprodukten profitieren können. Es ist wichtig, dass Frauen die gleichen Finanzprodukte und -optionen wie Männer erhalten, damit sie die Möglichkeit haben, ihr Vermögen aufzubauen und zu schützen.

Außerdem sollten Frauen in der Finanzbranche stärker vertreten sein, um sicherzustellen, dass ihre Bedürfnisse und Interessen berücksichtigt werden. Eine größere Anzahl von Frauen in der Finanzbranche kann dazu beitragen, dass Frauen besser über Finanzprodukte informiert sind und bessere Entscheidungen treffen können.

Schließlich müssen wir als Gesellschaft auch die Ungleichheiten beseitigen, die dazu führen, dass Frauen weniger verdienen als Männer. Durch eine Verringerung der Lohnlücke können Frauen mehr Geld sparen und investieren, was dazu beitragen kann, ihre finanzielle Zukunft zu sichern.

Stellen Sie sich vor, Ihre Tochter verdient einmal weniger als die Männer in ihrem Umfeld. Finden Sie das gerecht? Und stellen Sie sich vor, was diese Lohnlücke für Auswirkungen haben kann: Weniger Möglichkeiten, Rücklagen aufzubauen, weniger Karrierechancen und letztlich keine Aussicht auf finanzielle Unabhängigkeit. Was macht das mit Ihnen?

Ihre Rolle als Eltern

Sie werden in diesem Buch immer wieder lesen, dass Sie die oberste Priorität in Ihrem Leben haben sollten. Es beginnt immer mit Ihnen! Im Kontext dieses Buches gilt das natürlich vor allem in Bezug auf Ihre Finanzen.

Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Finanzen. Damit bieten Sie Ihren Kindern die beste Vorsorge und sind gleichzeitig ein wichtiges Vorbild. 65 Prozent der jungen Erwachsenen, deren Eltern »sehr viel Wert« auf die eigene Altersvorsorge legen, sparen selbst fürs Alter. Bei den jungen Menschen, deren Eltern diesem Thema »keinen Wert« beimessen, sind es weniger als ein Drittel. 18 Behandeln Sie dabei Ihre Tochter und Ihren Sohn gleich. Gesellschaftlich sind es oft die Väter, die das Gespräch anregen; sie sprechen häufiger mit ihren Söhnen über Geld als mit ihren Töchtern. Dies führt dazu, dass sich schon früh eine Schere zwischen den Geschlechtern öffnet, wenn es um finanzielle Bildung geht. In der Schule setzt sich dieser Trend fort, denn auch dort erwerben Jungen häufiger Finanzwissen als Mädchen. In einer aktuellen repräsentativen Studie (2023) konnten nur 36,3 Prozent der Frauen drei relativ einfache Fragen zu Zinsen, Inflation und Kursrisiken allesamt korrekt beantworten – bei den Männern waren es hingegen 54,6 Prozent. 19 Zudem vererben Eltern den Söhnen häufig den größeren Anteil ihres Erbes. Machen Sie sich dieses meist unbeabsichtigte Verhalten bewusst und entscheiden Sie dann aktiv, wie Sie sich verhalten wollen. Seien Sie realistisch in Ihren Erwartungen, die Sie an Ihr Kind haben; agieren Sie als Team oder Sparringspartner, nicht als Gegner. Tauschen Sie sich mit anderen gleichgesinnten Personen aus, die sich ebenfalls für finanzielle Bildung engagieren. Fragen Sie andere (Groß-)Eltern oder Betreuungspersonen in Ihrem Umfeld, wie sie mit dem Thema Geld umgehen und welche Ideen sich bewährt haben. Sport fällt vielen auch leichter, wenn sie sich dafür einen Buddy suchen. In Patchworkszenarien kann es, abhängig von der Beziehungsqualität, sinnvoll sein, die Expartnerinnen und Expartner einzubeziehen, um sicherzustellen, dass man grob am selben Strang zieht, wenn es um finanzielle Bildung geht.

Sehen und fördern Sie die Talente und Begabungen Ihrer Kinder. Von der Entwicklungspsychologin Alison Gopnik stammt der Ausspruch »Be the gardener, not the carpenter!« in Bezug auf Kindererziehung. Seien Sie die Gärtnerin oder der Gärtner, nicht die Schreinerin oder der Zimmermann! Der Gärtner sorgt dafür, dass jede Pflanze in seinem Garten, das bekommt, was sie braucht. Die eine braucht vielleicht mehr Wasser, eine andere mehr Sonne oder Schatten oder einen anderen Boden. Der Gärtner tut sein Bestes, damit alle gut versorgt sind, lehnt sich zurück und schaut zu. Ähnlich können Sie es mit Ihrem Kind handhaben: Sorgen Sie gut für Ihr Kind und schaffen Sie die idealen Wachstumsbedingungen. Vertrauen Sie darauf, dass die Talente, Interessen und Begabungen wachsen, die organisch wachsen wollen. Was machen die Zimmerleute hingegen? Sie bauen ein Möbelstück nach einem vorgefertigten Plan und bearbeiten das Holz nach den eigenen Vorstellungen. Hierin steckt die Idee, dass Kinder in bestimmte Muster oder Erwartungen gepresst werden sollen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Welcher Ansatz Ihnen mehr zusagt, bleibt natürlich Ihnen überlassen.

Versuchen Sie, es simpel und einfach zu halten, wenn Sie mit Ihren Kindern über Geld sprechen. Greifen Sie gern auf die vielen verschiedenen Redeanlässe in diesem Buch zurück, passen Sie sie für sich und Ihre Familie an oder finden Sie selbst spannende Beispiele und Analogien, die mit der Lebensrealität Ihres Kindes zu tun haben und das Interesse Ihres Kindes aufrechterhalten. Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Kinder. Denn nur so können Sie wirklich erfahren, wie die Lebensrealität Ihrer Kinder jenseits von Fragen wie »Wie war’s heute in der Schule?« aussieht. Außerdem ergeben sich während gemeinsam verbrachter Zeit vielfältige Redeanlässe, um über Geld ins Gespräch zu kommen und zu bleiben. Dabei muss der Fokus der gemeinsamen Zeit nicht unbedingt auf Quantität liegen, sondern eher auf Qualität. Wir wissen, Ressourcen können knapp verteilt und der Mental Load erdrückend sein. 20 Sehen Sie »Quality Time« mit Ihrem Kind als Zeit, in der Sie unvoreingenommen ganz für Ihr Kind da sind und seine Bedürfnisse sehen. Das Handy hat Pause, die piepsende Waschmaschine wird ignoriert, der Job kann warten: Jetzt zählen nur Sie und Ihr Kind.

Fühlen Sie sich etwas erschlagen von diesem »Anforderungskatalog«? Keine Panik, Sie setzen sicher einiges davon bereits ganz intuitiv um. Wir wollen Sie einladen, eine kleine Selbsteinschätzung vorzunehmen, um zu sehen, wo Sie schon ganz gut aufgestellt sind und auf welche Bereiche Sie künftig (noch mehr) Ihren Fokus legen wollen.

Test

Bewerten Sie sich selbst auf einer Skala von 1 bis 5, wie gut Sie den jeweiligen Bereich bereits zum jetzigen Zeitpunkt umsetzen:

1 = nie

2 = selten

3 = manchmal

4 = immer öfters

5 = regelmäßig und oft

Vorbild : Sie gehen für Ihr Kind sichtbar mit gutem Beispiel voran: Sie kümmern sich um Ihre eigenen Finanzen und leben ein positives Verhältnis zu Geld vor. Sie reden offen über Geld.

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Erwartungen : Sie haben realistische Erwartungen an Ihre Kinder, wenn es um den Umgang mit Geld geht.

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Austausch : Es gibt in Ihrem Leben Gleichgesinnte, die sich ebenfalls mit dem Thema »Finanzielle Bildung« auseinandersetzen, und Sie tauschen sich regelmäßig miteinander aus.

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Förderung : Sie sehen und fördern die Interessen und Begabungen Ihres Kindes.

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Interesse : Sie holen das Kind in seiner Welt ab und schaffen es, mit spannenden Anknüpfungspunkten das Thema Finanzen interessant und ansprechend zu gestalten.

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Quality Time: Sie verbringen aktiv und bewusst Zeit mit Ihrem Kind.

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Nach dieser kleinen Selbsteinschätzung haben Sie sicherlich ein Gefühl dafür bekommen, wo Sie auf dieser Reise stehen. Eventuell noch ganz am Anfang, vielleicht sind Sie aber auch schon gut unterwegs. In den nachfolgenden Kapiteln geben wir Ihnen genug Input, um die einzelnen Bereiche (weiter) auszubauen.

Finanzbildung in den Medien

In den Medien sehen wir häufig zwei Tendenzen: seriöse Quellen, die Vorwissen erfordern, um die Informationen einsortieren zu können; und unseriöse Quellen, die Halbwahrheiten verbreiten und mit schnellen Gewinnen locken. Für beide Kategorien benötigt es ein Minimum an finanzieller Bildung, um verantwortungsvoll mit den Informationen umgehen zu können.

Erst langsam kommen mehr niedrigschwellige und gleichzeitig seriöse Angebote auf den Markt. Überraschenderweise haben vor allem typische Frauenzeitschriften wie Brigitte , Cosmopolitan oder Emotion das Thema Finanzen für ihre Zielgruppe entdeckt.

Einzelne Initiativen wie der Weltspartag oder der (als Gegenentwurf entstandene) Tag der Aktie sorgen dafür, dass die Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt wird. Allerdings finden diese Initiativen bislang nur punktuell statt und wirken nicht nachhaltig. Der Weltspartag legt zudem wieder einmal den Fokus lediglich aufs Sparen, ohne den essenziellen Schritt zum Investieren zu gehen.

Unser Wunsch als Autorinnen dieses Buches ist es, dass in jeder Lebenslage Finanzinformationen geboten werden: In der Schule und der weiteren Ausbildung, als Weiterbildung im Berufsleben, im familiären und freundschaftlichen Umfeld und im Kontext von Finanzbildung, die wir situativ selbst suchen. Das Thema Finanzen bleibt im ganzen Lebensverlauf relevant: Vom Taschengeld zum ersten Gehalt, Mietvertrag, Versicherungen, Immobilienkauf, Testament … Finanzen sind wie kaum ein anderes Thema mit dem Konzept von lebenslangem Lernen verbunden. Bleiben Sie offen, neugierig und lernen Sie dazu!

Warum ist Finanzwissen so wichtig?

In Deutschland gibt es noch ein weit verbreitetes Sprichwort: »Geld ist Macht.« Zunächst einmal ist es wichtig, zu verstehen, dass Geld an sich keine Macht hat. Es ist lediglich eine Ressource, die verwendet werden kann, um Macht und Einfluss zu erlangen oder auszuüben. Im Geschäftsumfeld kann finanzielle Unabhängigkeit eine starke Verhandlungsposition gegenüber Geschäftspartnern und Kunden bedeuten. In der Politik kann Geld dazu verwendet werden, um politische Entscheidungen zu beeinflussen oder um sich selbst eine Position in der Regierung zu sichern.

In der Gesellschaft kann Geld dazu verwendet werden, um einflussreiche Positionen zu erreichen und Menschen zu beeindrucken. Macht muss nicht schlecht sein; Sie können selbst entscheiden, wie Sie diese Macht einsetzen: Durch finanzielle Unterstützung in der Familie (oder den Entzug dieser Unterstützung), durch Lobbyismus oder auch durch Spenden. Tatsächlich ist jeder Kassenzettel auch ein Stimmzettel. Ein Stimmzettel dafür, ob es ein bestimmtes Produkt oder eine Herstellungsart weiterhin geben soll (Stichwort Tierwohl). Zudem ist Geld auch die Eintrittskarte zu unserer Gesellschaft: Egal, ob es das Eis mit dem Patenkind ist, der Kaffee mit einer Freundin oder das Busticket in die Stadt: Alles kostet Geld.

Geld ist in unserer Gesellschaft ein Mittel, um Macht auszuüben; sowohl hinsichtlich der Teilhabe an unserer Gesellschaft als auch hinsichtlich der Prägung und Beeinflussung. Umso wichtiger ist es, dass diese Macht gerecht verteilt ist und dass sie bewusst genutzt wird. Sonst wächst der Unterschied zwischen wohlhabenden und weniger wohlhabenden Menschen immer weiter: Es ist leichter, bereits vorhandenes Geld zu vermehren und dadurch ein Vermögen aufzubauen, als es durch Arbeit zu verdienen.

Die Tatsache, dass Männer eher lernen, über Geld zu sprechen und mit Geld umzugehen als Frauen, verstärkt die diversen Gender Gaps: die geschlechterspezifische Lohnlücke (Gender Pay Gap); die daraus resultierende Sparlücke (Gender Savings Gap); die Investitionslücke (Gender Investing Gap); die Rentenlücke (Gender Pension Gap); die Vermögenslücke (Gender Wealth Gap).

In unserer Gesellschaft kann Geld Macht und Teilhabe bedeuten. Es geht also um nichts Geringeres als die grundlegende Entscheidungsfreiheit, unser Leben nach unseren Vorstellungen und Werten zu gestalten. Finanzwissen schafft diese Entscheidungsfreiheit. Es gibt uns quasi einen Vorsprung im Leben. Egal ob als Elternteil, Patentante, Lehrer, Nachbarin oder andere Bezugsperson – Sie können den jungen Menschen in Ihrem Umfeld dieses Wissen vermitteln und den Zugang zum Thema Geld öffnen.

Gleichzeitig können Ungleichheiten im System reduziert werden, wenn Finanzwissen nicht mehr hauptsächlich vererbt, sondern von öffentlicher Stelle zur Verfügung gestellt wird. Bis dahin ist es hilfreich, wenn Sie die Sache in die eigenen Hände nehmen. Vielleicht machen Sie es sich zur Gewohnheit, nicht nur mit Ihrem eigenen Kind, sondern auch mit dem Nachbarskind Geldgespräche zu führen? So können Sie einen Teil dazu beitragen, das System von innen heraus gerechter zu gestalten.