Bis jetzt ging es in diesem Buch viel um Ihre eigenen Finanzen und um den Umgang mit Finanzen für ein Kind, das noch relativ wenig eigenes Geld hat. In diesem Kapitel soll es darum gehen, Ihrem Kind die echte eigene Finanzsouveränität beizubringen. Durch Finanzbildung ermöglichen Sie es Ihrem Kind, finanzielle Verantwortung zu übernehmen, fördern seine finanzielle Unabhängigkeit und helfen ihm dabei, wichtige Fähigkeiten für seine zukünftige finanzielle Stabilität zu entwickeln. Sie können Ihr Kind in diesem Zeitraum des Erwachsenwerdens dabei unterstützen, seine eigenen Finanzen von Anfang an auf stabile Beine zu stellen.
Ziele kosten Geld – Sparen für Jugendliche
Sie haben im Kapitel »Umgang mit Geld im Alltag« bereits Tipps bekommen, wie Sie das Taschengeld, sofern Sie welches geben, auf unterschiedliche Töpfe aufteilen können: kurzfristiger Konsum, mittelfristiges Sparen, langfristiges Investieren, Spenden. Bei älteren Kindern werden meistens die Wünsche teurer: Kleidung wird teurer, der erste Urlaub ohne Eltern, der Führerschein in den nächsten Jahren. Diese Wünsche können meistens nicht mehr mit dem Taschengeld weniger Wochen finanziert werden, sondern erfordern eine längerfristige Planung.
Idealerweise reflektiert Ihr Geldverhalten Ihre Prioritäten: Je mehr Geld Sie für eine Kategorie ausgeben, umso wichtiger sollte Ihnen diese Kategorie sein. Natürlich gibt es einige grundlegende Kategorien, auf die Sie vermutlich nicht verzichten können: Miete oder zumindest Nebenkosten müssen Sie bezahlen, ebenso wie Lebensmittel. Aber insgesamt lassen die Proportionen Ihrer Ausgabentöpfe Rückschlüsse auf Ihre Vorlieben zu.
Dasselbe gilt für Jugendliche und ihr Geld. Wahrscheinlich hat Ihr Kind mehr Wünsche, als es sich leisten kann. Besprechen Sie mit ihrem Kind
Wahrscheinlich wird das Geld nicht für alle Ziele reichen. Deshalb ist es so wichtig, die Prioritäten herauszuarbeiten. Falls die Ziele für Ihr Kind allein nicht realistisch erreichbar sind, Sie ihm die finanzielle Belastung nicht zumuten wollen oder Sie die Finanzierung in Ihrer elterlichen Verantwortung sehen, spricht nichts dagegen, sich die Kosten zu teilen. Das kann über Geld verdienen durch zusätzliche Aufgaben (z. B. Auto saugen, Pfand oder Altpapier wegbringen) stattfinden, oder Sie steuern einen Teil der Kosten ohne Gegenleistung hinzu.
Fragen Sie Ihr Kind, welche Wünsche es sich in den nächsten fünf Jahren erfüllen und finanzieren möchte. Als Beispiel: der Führerschein. Zuerst sollte es recherchieren, wie viel Geld der Führerschein kostet. Nun können Sie diese Zahl neben den aktuellen Stand des Sparbuchs Ihres Kindes legen. Und neben sein zu erwartendes Einkommen (Taschengeld, Nebenjob) in der Zeit bis zum Führerschein oder seine anderen Wünsche. Jetzt können Sie berechnen, welchen Betrag Ihr Kind monatlich beiseitelegen muss, um zum gewünschten Zeitpunkt die erforderliche Summe angespart zu haben.
Um eine Vorstellung zu bekommen, wie sich die Länge der Ansparzeit auf die Höhe der notwendigen monatlichen Sparrate auswirkt, stellen wir hier zwei beliebte Sparziele vor. 68
Ziel |
5 Jahre |
3 Jahre |
1 Jahr |
~Zielsumme |
Führerschein 69 |
55,42 € |
92,36 € |
277,08 € |
3325 € |
Reise nach Schulabschluss |
25 € |
41,67 € |
125 € |
1500 € |
Tabelle 7: Höhe der notwendigen Sparrate für verschiedene Ziele und Ansparzeiten.
Um Ihre eigenen Sparziele beziehungsweise die Ihres Kindes zu berechnen, können wir Ihnen den Rechner www.zinsen-berechnen.de/sparrechner.php empfehlen. Hier können Sie Ihre Zielsumme eintragen, die Länge der Ansparphase anpassen und mit den Zahlen spielen.
Vielleicht stellt Ihr Kind fest, dass sein Erspartes zusammen mit seinem Taschengeld nicht reichen wird, um das Geld rechtzeitig zusammenzuhaben. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, ist jetzt ist sein Unternehmergeist gefordert! Sie können Ihr Kind unterstützen, nach Strategien zu suchen, dieses fehlende Geld aufzubringen. Vielleicht wird Ihr Kind plötzlich überall Möglichkeiten sehen, sein Geld zu vermehren: Durch Gartenarbeit bei den Nachbarn, Nachhilfestunden, Ferienjobs, Hunde spazieren führen … 70
Um den Überblick über das noch verfügbare Geld zu behalten und zu wissen, wie viel noch übrig ist, kann es sehr wertvoll sein – für Ihr Kind genauso wie für Sie – ein klassisches Haushaltsbuch zu führen. Wofür gibt es wirklich sein Geld aus? Gerade bei jungen Menschen summieren sich die kleinen Ausgaben stark auf: Mal der Snack in der Schule hier, das Getränk dort. Gerade diese kleineren Beträge werden häufig bar bezahlt, was den Überblick erschwert.
Es ist egal, ob Ihr Kind das Haushaltsbuch mit Stift und Papier führt, mit einer App oder mit einer Excel-Tabelle. Wichtig ist, dass das System für das Kind funktioniert und dass es das Haushaltsbuch für mindestens einen, besser drei Monate lang führt. Erwiesenermaßen ist es besonders effektiv, Dinge handschriftlich festzuhalten. Aber hier wie auch allgemein gilt:
80 Prozent richtig ist besser als 100 Prozent nicht gemacht.
Wenn das Kind seine eigenen Prioritäten und Ziele herausgefunden hat, kann es sich Budgets setzen. Ihrem Kind wird es wahrscheinlich nicht leichtfallen, Geld für unbestimmte Ziele in der ferneren Zukunft zu sparen. Deshalb ist es so wichtig, mit Ihrem Kind eine klare Vision zu entwickeln, was es mit seinem Geld erreichen möchte, und konkrete Zahlen mit seinen Träumen zu verbinden.
Lassen Sie Ihr Kind jetzt sein verfügbares Geld auf verschiedene Kategorien aufteilen: Welchen Betrag möchte es für Freizeit ausgeben, welchen Betrag möchte es für den mittelfristigen Wunsch (z. B. Führerschein, ein Auslandsaufenthalt …) beiseitelegen, und welchen Anteil möchte es investieren?
Es kann lehrreich sein, Ihr Kind teilweise an der Finanzierung von Anschaffungen zu beteiligen. Das neue Fahrrad, das nicht nur als Geburtstagsgeschenk daherkommt, sondern teilweise von Ihrem Kind mitbezahlt wird. Sie können es auch in Stufen angehen: Die Standardausstattung übernehmen Sie; die preisliche Differenz zur Sonderausstattung, beispielsweise die 21-Gang-Schaltung anstelle der standardmäßigen Drei-Gang-Schaltung, übernimmt Ihr Kind. Somit bekommen die Gegenstände, die Ihr Kind bekommt und mitbezahlt, einen anderen Wert.
Budgetgeld zusätzlich zum Taschengeld
Im Kapitel »Umgang mit Geld im Alltag« haben Sie mögliche Aufteilungen für Ihr eigenes Budget kennengelernt. Für Ihr Kind ist es vermutlich nicht sinnvoll, dieselben Kategorien zu verwenden. Im Normalfall sind die absolut notwendigen Ausgaben niedriger, da keine Kosten für Miete oder Versicherungen anfallen.
Sie können Ihrem Kind auch ein Budgetgeld geben, von dem es seine eigenen, notwendigen Ausgaben tätigt: Schulmaterial, öffentlicher Nahverkehr, Kleidung, Körperpflege … Das Deutsche Jugendinstitut empfiehlt 2020 die folgende Höhe für das Budgetgeld:
Abbildung 17: Empfehlungen des Deutschen Jugendinstituts zum Budgetgeld 2020. 71
Wenn Sie Ihrem Kind Budgetgeld geben, dann sollte es zusätzlich zum und unabhängig vom Taschengeld gezahlt werden. Das Taschengeld ist weiterhin das Geld, über das Ihr Kind vollkommen frei verfügen darf. Was es davon kauft, ist allein die Entscheidung Ihres Kindes.
Besprechen Sie in regelmäßigen Abständen mit Ihrem Kind, wie es mit diesem Budget zurechtkommt. Reicht das Geld für die notwendigen Ausgaben? Kommt es mit der Aufteilung auf die verschiedenen Kategorien klar, oder müssen Sie die Verteilung anpassen?
Eigenes Geld hinzuverdienen
Ab dem Alter von 13 Jahren können Jugendliche erste Arbeitserfahrung und Zuverdienst in Form von Nebenjobs oder Praktika erwerben. Allerdings gelten für Schülerinnen und Schüler strenge Regeln des Kinder- oder Jugendarbeitsschutzes. Ihr Job ist es, zur Schule zu gehen und ihren Abschluss zu machen. In den Ferien sollen sie sich in erster Linie erholen.
Je jünger Ihr Kind ist, umso strenger sind die Arbeitsschutzregeln. Grundsätzlich ist es Kindern unter 13 Jahren untersagt, zu arbeiten, da Kinderarbeit gesetzlich verboten ist.
Für 13- und 14-jährige Schülerinnen und Schüler, die einen Minijob ausüben möchten, ist die Zustimmung ihrer Eltern erforderlich. In diesem Fall dürfen sie täglich bis zu zwei Stunden arbeiten, während in landwirtschaftlichen Familienbetrieben bis zu drei Stunden pro Tag erlaubt sind. Die Arbeitszeiten sind beschränkt und liegen zwischen 8 und 18 Uhr. Es ist streng verboten, während der Unterrichtszeit zu arbeiten.
Im Alter von 15 bis 17 Jahren wird Jugendlichen erlaubt, zwischen 6 und 20 Uhr bis zu acht Stunden pro Tag arbeiten. Allerdings sind besondere Schutzvorkehrungen für ihr Wohlergehen vorgesehen: Ihre wöchentliche Arbeitszeit darf 40 Stunden nicht überschreiten und sollte auf fünf Arbeitstage verteilt sein. Ebenso muss ausreichend Freizeit gewährleistet sein: Es müssen zwei aufeinanderfolgende freie Tage zur Verfügung stehen, und zwischen zwei Arbeitstagen muss eine Pause von mindestens zwölf Stunden liegen. An Wochenenden ist die Arbeit in der Regel verboten.
Diese Bestimmungen gelten für alle Jugendlichen, die noch der Vollzeitschulpflicht unterliegen. Während der Schulferien besteht die Möglichkeit, bis zu vier Wochen im Jahr zu arbeiten, wobei eine wöchentliche Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden erlaubt ist. Auch hierfür ist die Zustimmung der Eltern erforderlich.
Durch einen Job sammeln Jugendliche vielfältige und wichtige Erfahrungen: Sie lernen, Verantwortung außerhalb des bekannten Umfelds aus Schule, Familie und Hobby zu übernehmen; sie lernen, wie viele Arbeitsstunden es dauert, bis man sich einen Wunsch erfüllen kann; sie erhalten idealerweise Einblicke in die Berufswelt und können auf dieser Grundlage wichtige Orientierung für ihren eigenen Berufswunsch bekommen.
Außerdem haben sie durch das Gehalt mehr Geld im Budget, das sie auf die verschiedenen Töpfe verteilen können. Sie haben also mehr finanziellen Spielraum und dadurch mehr Möglichkeiten, Prioritäten zu setzen und sich Wünsche zu erfüllen.
Ein eigenes Konto für Ihr Kind
Gerade für kleine Kinder ist es hilfreich, ihr Taschengeld bar zu bekommen. So hat Geld einen echten Wert; sie spüren das Geld in den Händen, können eine Spardose nutzen und sehen dort immer auf einen Blick, wie viel Geld sie noch haben. Ungefähr mit dem zehnten Lebensjahr, also in den meisten Bundesländern dem Übergang auf die weiterführende Schule, ist es wertvoll, wenn Kinder auch den Umgang mit Giralgeld lernen, also den Umgang mit einer Bankkarte und elektronischem Geld. Es ist psychologisch erwiesen, dass Menschen mehr Geld ausgeben, wenn sie mit Karte bezahlen; das gilt für Erwachsene und umso mehr für Kinder. Erwarten Sie von Ihrem Kind also nicht, dass ihm automatisch klar ist, dass das Geld auf der Karte genauso real ist wie das Geld in der Spardose.
Es gibt mittlerweile diverse Möglichkeiten, wie Ihr Kind genau dieses Verständnis lernen kann. Sie können ihm beispielsweise mit einer Prepaidkarte Zugriff auf ein Konto geben, über das Sie anfänglich verfügen. Damit können Sie auch bestimmen, welche Summe Ihr Kind zur Verfügung hat. Sie können einen Teil des Taschengelds auf das Konto überweisen und diese Überweisungen kontinuierlich erhöhen. So kann Ihr Kind Schritt für Schritt lernen, mit dem greifbaren Bargeld und dem nicht greifbaren Giralgeld umzugehen. Bei manchen Bank-Apps kann Ihr Kind sogar Pläne machen, was es mit dem Geld tun möchte, beispielsweise auch für konkrete Projekte Rücklagen aufbauen. Das kann dabei helfen, das Geld nicht für andere, kurzfristige Wünsche auszugeben. Außerdem sieht es zu jeder Zeit genau, wie viel Geld es noch zur Verfügung hat, und kann entsprechend damit planen.
Wahl des Kinderkontos
Sie können schon früh ein Konto für Ihr Kind eröffnen; tatsächlich bei vielen Banken schon ab der Geburt. Eine eigene Karte bekommt Ihr Kind, abhängig von der Bank, ab dem siebten Geburtstag oder später. Eine Übersicht über die Konditionen verschiedener Kinder- oder Juniorkonten finden Sie beispielsweise bei Finanztip. 72
Achtung: Ihr minderjähriges Kind kann nicht eigenständig ein Konto eröffnen. Alle Sorgeberechtigten müssen unterschreiben. Das gilt auch, wenn Sie sich das Sorgerecht teilen.
Diese Aspekte sollten Sie bei der Wahl des Kinderkontos beachten:
Augen auf bei Schulden!
Mittlerweile leiden immer mehr Menschen unter Konsumsucht. Rund 20 Prozent aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 14 und 29 haben Schulden. 73 Die Hochglanzbilder in den sozialen Medien erwecken den Wunsch nach vielen Dingen und Erlebnissen, und die ständige Möglichkeit, jederzeit online einkaufen zu gehen, schafft die Gelegenheit, diesem Wunsch nachzugehen.
Buy-Now-Pay-Later-Angebote führen dazu, dass wir uns unsere Wünsche selbst dann erfüllen können, wenn wir kein Geld dafür haben. Wir bestellen ein Produkt online und bezahlen erst Wochen oder Monate später dafür; wir delegieren das Problem also an unser zukünftiges Ich.
Diese Falle ist für Jugendliche besonders verlockend. Immer mehr Jugendliche sind bereits verschuldet, obwohl sie noch nicht volljährig sind. Es ist immens wichtig, dass Ihr Kind lernt, zwischen Wünschen und Bedürfnissen zu differenzieren, und dass es lernt, sein Budget einzuhalten. 74
Perspektivwechsel: Das Wort »Schulden« impliziert, dass sich jemand etwas zuschulden hat kommen lassen, die Schulden also selbst verschuldet sind. Dabei können Schulden unterschiedlichste Hintergründe, Notwendigkeiten und Zielsetzungen haben. Sie lassen sich weder pauschal verurteilen, noch trägt die Person, die Schulden hat, immer selbst Schuld.
Schauen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind ins Kleingedruckte dieser Buy-Now-Pay-Later-Angebote: Die Null-Prozent-Finanzierung kostet selten wirklich null Prozent Zinsen, sondern das Angebot gilt nur für die ersten Monate des ersten Vertrags. Sobald Ihr Kind (oder Sie) mehrere dieser Angebote abgeschlossen hat, steigen die Zinsen exponentiell. Dasselbe gilt für die Teilzahlungsfunktion, die einige Kreditkarten anbieten. Damit zahlen Sie nur einen Teil des Betrags sofort; der Rest wird zu einem späteren Zeitpunkt oder in Raten abgebucht. In den meisten Fällen verstecken sich dahinter klassische Kredite, auf die nicht selten Zinsen in zweistelliger Höhe fällig werden. Und: Einige dieser Verträge führen zu einem negativen Schufa-Eintrag.
Die Schufa ist ein Unternehmen, das die Kreditwürdigkeit von Personen und Unternehmen bewertet. Ein schlechter Schufa-Score kann sich negativ auswirken, wenn Sie beispielsweise eine Wohnung mieten oder einen Kredit aufnehmen wollen. Ein schlechter Score bedeutet, dass Sie weniger kreditwürdig sind, und führt dazu, dass Sie bei einem Kredit höhere Zinsen zahlen müssen, um das für die Bank erhöhte Risiko zu kompensieren. Es lohnt sich also, schlechte Schufa-Einträge nur im echten Notfall in Kauf zu nehmen!
Die folgenden Aspekte haben negative Auswirkungen auf Ihre Schufa-Glaubwürdigkeit: viele verschiedene Bankkonten, ein überzogener Disporahmen, Mahnverfahren, Zahlungsverzug bei Kreditraten, privater Konkurs.
Es wird häufig kritisiert, dass die Schufa weder transparent noch fair agiert. Leider hat der Schufa-Score eine große Relevanz. Es gibt Bestrebungen, die Schufa transparenter zu gestalten, aber bislang ist das noch das System, mit dem wir arbeiten müssen.
Nicht alle Schulden sind kategorisch schlecht. Die Zielsetzung ist entscheidend: Geht es um kurzfristigen Konsum oder um langfristige Weiterentwicklung? Generell können wir zwischen sinnvollen und weniger sinnvollen Schulden unterscheiden. Allerdings sollten Sie daran denken: Ein Kredit, egal mit welcher Zielsetzung, kann immer eine Belastung sein. Das Wissen, jeden Monat eine Zahlung an die Bank oder andere Kreditgeber überweisen zu müssen, kann Entscheidungen hemmen: Eine Zusatzausbildung anfangen, die Zeit aus der bezahlten Erwerbstätigkeit nimmt und damit das Gehalt senkt? Eine Selbstständigkeit wagen, wenn die Erfolgsaussichten in der Anfangszeit unklar sind? Selbst eine Familiengründung oder -erweiterung wurde schon auf Eis gelegt, weil die monatlichen Ausgaben für Lebenshaltungskosten plus Kredittilgung samt Zinsen zu hoch waren. Ihr Kind sollte sich also gut überlegen, welche Schulden es aufnehmen möchte.
Tendenziell sinnvolle Schulden: Sinnvolle Schulden helfen Ihrem Kind, schneller die Vision seines zukünftigen Ichs zu verwirklichen. Ein Studienkredit kann es Ihrem Kind ermöglichen, ein Studium zu absolvieren. Ein Immobilienkredit macht es möglich, Immobilienbesitzerin zu werden. Schulden können Ihrem Kind den Schritt auf die nächste Stufe seiner persönlichen Entwicklungstreppe erleichtern. Denken Sie daran: Diese Treppe kann für jeden Menschen anders aussehen!
Obwohl diese Schulden sinnvoll sein können, können sie eine Belastung darstellen: Am Anfang der Erwerbstätigkeit zuerst die BA föG-Zahlungen tilgen zu müssen, bevor man eigene Rücklagen aufbauen kann; ein Immobilienkredit, den man zusätzlich zu den Rücklagen für die Immobilie und für andere Dinge zurückzahlen muss. Je höher die Fixkosten, umso niedriger die finanzielle Entscheidungsfreiheit. Jeder Kredit sollte daher wohlüberlegt sein.
Weniger sinnvolle Schulden: Aufgrund der emotionalen und finanziellen Belastung sollte man sich gut überlegen, mit welcher Zielsetzung man einen Kredit aufnimmt. Ein sinnvoller Kredit kann dazu beitragen, schneller das eigene Ziel zu erreichen. Ein nicht sinnvoller Kredit kann das Gegenteil bewirken: Er bremst in der Verfolgung der eigenen Ziele, weil die finanzielle Belastung zu allen Zeiten getragen werden muss. Alle Konsumkredite sollten, wenn irgendwie möglich, vermieden werden: der Fernseher, das Handy, die Reise. Dabei muss klar sein, dass sich ein Konsumkredit manchmal nicht vermeiden lässt. Wenn Sie ein neues Handy brauchen und keine Rücklagen haben, ist die Ratenzahlung Ihre einzige Möglichkeit und eine sehr gute Lösung. Wenn es aber um die Befriedigung kurzfristiger Wünsche (statt echter Bedürfnisse) geht, empfehlen wir dringend, erst die notwendigen Rücklagen aufzubauen und mit diesen Rücklagen die Anschaffungen zu tätigen.
#KlarnaSchulden:
Klarna ist ein schwedischer Zahlungsdienstleister, der im Online-Shopping wegen seiner Buy-Now-Pay-Later-Möglichkeit zu Beliebtheit gekommen ist. Der Hashtag Klarna-Schulden war vor einiger Zeit unter Jugendlichen beliebt: Wer die meisten (!) Klarna-Schulden angehäuft hatte, war besonders cool. 75
Investieren für und mit Ihrem Kind
Im Kapitel »Absicherung, Vorsorge und Geldanlage« haben Sie gelesen, wie Sie für sich und, wenn Ihre eigene Absicherung steht, für Ihr (kleines) Kind Geld anlegen. Vielleicht nähert sich jetzt der Zeitpunkt, zu dem Sie Ihr Kind in die Geheimnisse des Investierens einführen möchten, damit es zu einem späteren Zeitpunkt sein Geld selbst verwalten und verantwortungsbewusst nutzen kann.
Lassen Sie Ihr Kind mitbestimmen!
Sie kennen es bestimmt von sich selbst: Zuschauen ist gut, selbst machen ist besser! Binden Sie Ihr Kind in Ihre Investitionen ein. Erklären Sie ihm, was Sie machen, und lassen Sie Ihr Kind auch auf den »Investieren«-Knopf drücken.
Vielleicht ist ein globaler ETF nicht unbedingt das, was das Interesse Ihres Kindes weckt. Zugegeben: Es gibt spannendere Investitionsmöglichkeiten! Sie wissen aus dem vorigen Kapitel, dass statistisch betrachtet ein globaler ETF für die meisten von uns die beste Wahl ist. Was spricht dagegen, zusätzlich zu dem vernünftigen ETF noch einen kleinen Betrag in einen Themen-ETF zu investieren, den Ihr Kind aussuchen darf? Egal, ob das E-Sports, Künstliche Intelligenz, Mode, Sport oder Luxus ist – es gibt für alle Interessen einen passenden ETF . Vielleicht entscheidet sich Ihr Kind auch für einen Erneuerbare-Energien-ETF ? Hören Sie ihm offen zu und lassen Sie Ihr Kind seine eigene Entscheidung treffen! Denn was ist cooler für einen jugendlichen Menschen, als eigene Investitionsentscheidungen treffen zu dürfen und diese auch umzusetzen?
Eine Investition ist der beste Weg, um mit Ihrem Kind über Geld zu reden.
Vielleicht kommen Sie auch dahin, nicht nur über Themen-ETF s zu reden, sondern auch über Dividenden-ETF s oder Einzelaktien. Hier können Sie ganz besonders Ihre eigenen Ansichten einfließen lassen: Die Produkte von börsennotierten Unternehmen begegnen uns überall im Alltag; egal, ob es der Autohersteller, das Lebensmittelunternehmen oder der Bettwäschehersteller ist.
Auch über Dividenden lässt sich hervorragend ein Gespräch beginnen: Wie hoch müsste die Investition sein, damit Sie von der Dividende eine Kugel Eis bezahlen können? Einen Eisbecher? Welche Unternehmen zahlen überhaupt Dividenden aus, und was hat es mit Sachdividenden auf sich?
Denken Sie an das magische Dreieck der Geldanlage und an die Lebensplanung, die jeder Finanzplanung zugrunde liegt. Für Ihr Kind ist die Zukunft vermutlich noch sehr ungewiss; die nächsten wenigen Jahre sind noch absehbar, aber was danach kommt, weiß niemand. Deshalb ist es wichtig, die Lebensplanung nicht allzu präzise machen zu wollen. Es ist auch ein großer Unterschied, ob Ihr Kind in absehbarer Zeit finanziell auf komplett eigenen Beinen stehen soll oder ob Sie im Ernstfall nicht nur emotional, sondern auch finanziell an seiner Seite stehen.
Ein Investitionsrechner kann enorm motivierend sein. Junge Menschen haben in den meisten Fällen relativ wenig Geld (im Vergleich zu einem vollen Gehalt fällt das Taschengeld normalerweise sehr klein aus), dafür aber noch sehr viele Jahre, um ihr Geld zu investieren. Nutzen Sie diesen Hebel für den Zinseszins und zeigen Sie Ihrem Kind, welchen Vorteil es durch die lange Laufzeit hat.
Die Geschichte vom Josephscent – wie aus einem Cent ein unfassbares Vermögen wird .
Stellen Sie sich vor, Joseph legt als verantwortlicher Vater im Jahre Null zur Geburt seines Sohnes einen Cent bei der Sparkasse Bethlehem an. Der vereinbarte jährliche Zinssatz beträgt 2 Prozent, die Gewinne werden wieder angelegt (Zinseszins). Am Ende des ersten Jahres bekommt Joseph 0,02 Cent auf Jesus’ Konto gutgeschrieben; ein mageres Ergebnis. Doch im Laufe der Jahre wird es interessant: Zur Thronbesteigung Karl des Großen im Jahr 768 liegen schon 40265,39 € auf dem Konto! Im Jahr 1000 sind es fast 4 Millionen € (3982646,52 €), und im Jahr 2023 müsste die Sparkasse Bethlehem Joseph 600000-mal die Sonne aus purem Gold gutschreiben!
Mit einem Online-Rechner können Sie leicht herausfinden, welchen Betrag Ihr Kind monatlich beiseitelegen muss, um die 100000-€-Marke in 10, 30 oder 50 Jahren zu erreichen, ausgehend von einer Rendite von 5 Prozent pro Jahr. Es wird Sie nicht überraschen, dass die Person, die diese Summe in zehn Jahren erreichen will, überproportional viel mehr zurücklegen muss als die Person, die noch 50 Jahre Zeit hat. Aber zeigen Sie diese Zahlen auch Ihrem Kind:
Ziel |
100 000 € |
||
Laufzeit |
Monatlich investierter Betrag |
Eingezahlte Summe insgesamt |
Durch Zinsen hinzugekommen |
10 Jahre |
645,07 € |
77408,40 € |
22591,98 € |
30 Jahre |
122,12 € |
43963,20 € |
56035,84 € |
50 Jahre |
38,76 € |
23256,00 € |
76753,10 € |
Tabelle 8: Monatlich notwendiger Betrag, um 100000 € Vermögen anzusparen über 10, 30 oder 50 Jahre. Annahme: 5 Prozent Rendite pro Jahr, vor Steuern.
Natürlich bleibt es Ihnen überlassen, welche Summe Sie sich als Ziel nehmen. Mit dem Online-Rechner »Zinsen berechnen« 76 können Sie mit den Zahlen spielen: Laufzeit, Rendite, Sparrate … Natürlich sollte klar sein, dass es keine Prognose für die nächsten 50 Jahre geben kann. Wer weiß schon, wie sich das Finanzsystem entwickelt, wie der Steuersatz sein wird und, vor allem: Wie sich das Leben Ihres Kindes entwickelt? Aber eine klare Zahl vor Augen zu haben kann motivieren, das Ziel »Investieren« möglichst selten zugunsten von Alltagsausgaben hintanzustellen.
Schauen Sie sich gemeinsam mit Ihrem Kind mit offenen Augen um: Welche Produkte nutzen Sie und Ihre Familie im Alltag? Wo steht zurzeit der Preis einer Aktie von Apple, und was kostet eine Microsoft-Aktie? Was sind die Unterschiede? Kann man in Schokolade investieren, und warum ist die Lindt-Aktie so teuer? All diese Fragen können Sie gemeinsam mit Ihrem Kind erforschen. Und vielleicht die ein oder andere Aktie kaufen, um neben der Theorie auch die Praxis kennenzulernen. Dafür kann ein Kind auch einen Teil seines eigenen Geldes verwenden. Als das Kind jünger war, haben Sie vielleicht den »Investieren«-Topf vermehrt und das Geld für Ihr Kind aus Ihrem Budget investiert. Jetzt können Sie langsam Ihr Kind an diese Verantwortung heranführen und es seine eigenen Investitionsentscheidungen treffen lassen.
Ein Hinweis noch: Grämen Sie sich nicht, falls Sie das Gefühl haben, Sie kommen nicht an Ihr Kind heran. Wir können unsere Kinder nicht dazu zwingen, sich für Themen zu interessieren. Gleichzeitig ist das Thema Geld zu wichtig, als dass man es sich leisten könnte, sich nicht dafür zu interessieren. Aber manchmal sind Eltern nicht die richtigen Personen, um das Thema anzubringen; ebenso wie es schwierig sein kann, in einer Beziehung über Geld zu reden. Suchen Sie nach Lösungen, wie Ihr Kind das notwendige Wissen erlangt: durch Bücher, Finfluencerinnen und Finfluencer in den sozialen Medien, im Freundeskreis, Pateneltern … Erklären Sie ihm, dass nicht alle Quellen vertrauenswürdig sind und neutrale Aufklärungsarbeit leisten, sondern dass es wichtig ist, die Beweggründe der Institutionen und Personen zu verstehen. So helfen Sie Ihrem Kind, seine und Ihre Entscheidungen zu verstehen, und unterstützen es dabei, verantwortungsbewusste und informierte Schritte zu gehen.
Und wenn Ihr Kind letztlich andere Entscheidungen trifft, als Sie sich gewünscht hätten, dann sollten Sie das akzeptieren.
Versicherungen für ältere Kinder
Im Kapitel »Absicherung, Vorsorge und Geldanlage« haben Sie viel über Versicherungen für sich selbst und für die Absicherung Ihres jungen Kindes gelesen. Jetzt konzentrieren wir uns auf die Versicherungen für ältere Kinder, die bald oder bereits nicht mehr im elterlichen Zuhause leben. Außerdem geben wir Ihnen Anregungen mit, wie Sie das Thema Versicherungen als Gesprächsanlass nutzen können.
Krankenversicherung
Wenn beide Eltern gesetzlich versichert sind, ist Ihr Kind bis zum 25. Lebensjahr über die Familienversicherung kostenlos krankenversichert, sofern es kein eigenes Einkommen hat. Das gilt also vor allem während einer unbezahlten Ausbildung oder eines Studiums. 77
Wenn mindestens eines der Elternteile privat krankenversichert ist, kann das Kind nicht familienversichert sein, sofern
Wenn Ihr Kind nicht kostenfrei über die Familienversicherung abgedeckt ist, maximal 25 Jahre alt ist und kein eigenes Einkommen hat (beispielsweise während Ausbildung oder Studium), ist die gesetzliche Krankenversicherung normalerweise deutlich günstiger als die private (abhängig von der Beihilfe). Der Beitrag zur gesetzlichen Versicherung liegt 2023 bei 111 € pro Monat (Kranken- und Pflegeversicherung) zuzüglich dem Zusatzbeitrag der jeweiligen Krankenversicherung.
Achtung:
Die Entscheidung für die gesetzliche oder private Krankenversicherung lässt sich normalerweise während des Studiums nicht rückgängig machen. Sobald Ihr Kind 25 Jahre alt wird, bekommen Sie keine Beihilfe mehr; die private Krankenversicherung wird damit schlagartig deutlich teurer. Auch wenn Ihr Kind nach Abschluss der Ausbildung oder des Studiums für eine Übergangszeit arbeitslos ist und Bürgergeld bezieht, kann es nicht in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln, sondern muss die teurere Privatversicherung bezahlen. Es gibt lediglich einen Zuschuss, der möglicherweise nicht die gesamten Mehrkosten abdeckt.
Wenn Sie das nächste Mal mit Ihrem Kind in eine Arztpraxis gehen, erklären Sie ihm die Funktionsweise der Krankenversichertenkarte: Durch Ihren Versichertenbeitrag »kaufen« Sie die Erlaubnis, jederzeit einen Arztbesuch wahrzunehmen, wann immer Sie ihn brauchen. Sie müssen nicht vor Ort für die Behandlung bezahlen, sondern können einfach die Karte durch das Lesegerät ziehen und im Wartezimmer Platz nehmen. Lediglich für die Medikamente müssen Sie gegebenenfalls einen Eigenanteil bezahlen. Sie können auch über die unterschiedlichen Versicherungssysteme diskutieren. Wenn Sie zum Beispiel einen Termin online bei einer Fachärztin oder einem Facharzt vereinbaren, können Sie Ihrem Kind zeigen, dass privat versicherte Menschen meistens schneller einen Termin bekommen als gesetzlich Versicherte. Ist dieser Unterschied gerechtfertigt? Wie könnte ein gerechtes Versicherungssystem aussehen?
Privathaftpflichtversicherung
Die Haftpflichtversicherung greift, wenn Ihr Kind einen Schaden an dem Eigentum eines anderen Menschen verursacht. Kinder sind in Ihrer Haftpflichtversicherung mitversichert, sogar wenn sie volljährig sind oder zeitweise außerhalb Ihres Wohnsitzes leben. Erst wenn die Kinder mit der Berufsausbildung fertig oder verheiratet sind, benötigen sie eine eigene Privathaftpflichtversicherung.
Berufsunfähigkeitsversicherung
Die Berufsunfähigkeitsversicherung zählt zu den Versicherungen, die für die meisten Menschen sinnvoll sind. Auch für Ihr Kind lohnt sie sich wahrscheinlich, und zwar so früh wie möglich. Wie weiter oben beschrieben, ist es bereits ab zehn Jahren möglich und sinnvoll, sich hinsichtlich einer Schüler-Berufsunfähigkeitsversicherung für Ihr Kind zu informieren. Vermutlich möchte sich Ihr zehnjähriges Kind noch nicht darauf festlegen, welchen Beruf es später ergreifen möchte. Das ist auch nicht nötig, denn bei einer Schüler-Berufsunfähigkeitsversicherung bleibt die Berufswahl offen. In einer guten Berufsunfähigkeitsversicherung muss Ihr Kind nach Erreichen der Volljährigkeit oder dem Einstieg in den ersten Job keine erneute Gesundheits- oder Risikoprüfung durchlaufen. Das bedeutet, dass die Beiträge in der Regel stabil bleiben, selbst wenn Ihr Kind in der Zwischenzeit gesundheitliche Herausforderungen bewältigen musste oder sich für einen beruflichen Pfad mit höherem Risiko entscheidet. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass die Beiträge im Laufe der Zeit steigen, insbesondere wenn Ihr Kind beim Berufseinstieg eine höhere Berufsunfähigkeitsrente in seine Versicherung aufnehmen möchte.
Hausratversicherung
Die Hausratversicherung deckt alle im Haushalt wohnenden Personen ab, unabhängig vom Alter oder Familienstand. Solange Ihr Kind bei Ihnen wohnt, ist es somit automatisch über Ihre Hausratversicherung mitversichert. Sie sollten allerdings darauf achten, den Wert Ihres Hausrats regelmäßig anzupassen. Solange Ihr Kind sich in der Ausbildung befindet, ist sein Hausstand auch dann über Sie versichert, wenn es in einer eigenen Wohnung oder Wohngemeinschaft wohnt. Um ganz sicherzugehen, sollten Sie die Versicherung über die neuen Wohnumstände informieren und die Mitversicherung des Kindes außerhalb des Haushalts schriftlich bestätigen lassen.
In einer Wohngemeinschaft besteht der Versicherungsschutz nur für das eigene Zimmer, nicht für die gesamte Wohnung. Eigentum in gemeinschaftlich genutzten Räumen ist nicht über die Hausratversicherung abgedeckt.
Lassen Sie Ihr Kind schätzen, was es kosten würde, sein Zimmer neu einzurichten, falls die Wohnung abbrennt oder ein anderes Unglück passiert. Dann überlegen Sie gemeinsam, ob es im Ernstfall in der Lage wäre, alle Gegenstände (inklusive gegebenenfalls Laptop, Tablet, Musikinstrument und Ähnlichem) zu ersetzen.
Ihr Kind wird älter, eigenständiger und denkt über seine berufliche Zukunft nach: Welche Ausbildung möchte ich ergreifen? Welche Interessen und Begabungen habe ich? Welches Berufsfeld strebe ich an? Hat das Kind früher wahrscheinlich mit Feuerwehr, Bundeskanzlerin oder Astronautin geantwortet, treten nun vielleicht andere Berufswünsche in den Vordergrund – oder der ursprüngliche Traumberuf wird ganz konkret angegangen.
Beruf oder Berufung
Als Eltern haben Sie sicherlich nur das Beste für Ihr Kind im Sinn. Denken Sie daran, dass das, was in Ihren Augen das Beste für Ihr Kind wäre, nicht unbedingt das ist, was Ihr Kind für sich selbst möchte und/oder was es glücklich machen würde. Versuchen Sie, Ihre eigenen Wünsche für ihr Kind so weit wie möglich im Hintergrund zu halten und lediglich beratend zur Seite zu stehen. Auch in diesem Kontext zeigt sich wieder der große Einfluss von elterlichem Verhalten auf die Entscheidungen der Kinder. Viele Kinder streben dem Vorbild und auch den Erwartungen ihrer Eltern nach. Bis heute sehen Eltern die berufliche Zukunft ihrer Töchter weniger in naturwissenschaftlichen Berufen als die Zukunft ihrer Söhne, selbst wenn die Töchter in naturwissenschaftlichen Fächern in der Schule genauso gut sind wie ihre Brüder. Gleichzeitig können sich Eltern für ihre Söhne schlechter einen künstlerischen Beruf vorstellen als für ihre Töchter, unabhängig von der jeweiligen Kunstnote. 78
Der Tipp »Mach das, was dich interessiert« ist nur zur Hälfte richtig. Er müsste fortgesetzt werden mit: »Und was es dir ermöglicht, deine Lebensträume zu verwirklichen.«
Erinnern Sie sich an die Priorisierung, die Sie im vorigen Kapitel mit Ihrem Kind hinsichtlich seines Taschengelds und Ausgabeverhalten erarbeitet haben? Eine ähnliche Übung können Sie nun noch einmal durchführen, allerdings mit den größeren Lebensträumen. Wie steht Ihr Kind zu Eigenheim gegenüber einer Mietwohnung? Hat es teure Hobbys, denen es nachgehen möchte? Wie wichtig sind ihm ein (teures) Auto und andere Statussymbole? Natürlich können sich diese Ansichten noch ändern, aber es ist sehr hilfreich, sich darüber bereits vor der definitiven Berufswahl Gedanken zu machen und den finanziellen Aspekt in diese Wahl einzubeziehen.
Jetzt können Sie argumentieren, dass es wichtiger ist, einen Beruf zu haben, den man liebt, als ein hohes Gehalt. Das mag für Sie zutreffen, aber nicht unbedingt für alle Menschen. Und ein ehrlicher Blick auf die finanzielle Zukunft einiger Berufe kann dazu führen, dass die Wahl noch einmal überdacht wird.
Vielleicht muss auch nicht jede Leidenschaft zum Beruf gemacht werden. Eine begeisterte Musikerin kann sich einen Job suchen, der ihr den erwünschten Lebensstandard finanziert und ihr den Kauf der teuren Instrumente ermöglicht und in ihrer Freizeit viel Zeit zum Musizieren lässt. Viele Überstunden oder Schichtdienst sind nicht unbedingt förderlich für regelmäßige Hobbys. Die Musikerin muss die Musik nicht unbedingt zu ihrem Beruf machen, um sie in ihrem Leben zu haben.
Auch bei der Berufswahl können Erbschaftsaussichten eine Rolle spielen. Je höher das zu erwartende Erbe, umso weniger relevant ist die Höhe des zukünftigen Gehalts. Dazu lesen Sie später mehr.
Gehalt
Wenn Ihr Kind erste Ideen hat, welchen Beruf es erlernen möchte, können Sie mit ihm die Gehaltserwartungen dieser Branche recherchieren. Anhand einiger konkreter Beispiele können Sie ihm den Unterschied zwischen Brutto- und Nettogehalt erklären. Online-Rechner 79 helfen bei der Berechnung des Nettogehalts, abhängig vom Bruttogehalt, familiärer Situation, Krankenversicherung und Kirchensteuer. Hier sind einige Beispiele:
Eine Krankenpflegerin oder ein Krankenpfleger erhält als Berufseinsteiger im öffentlichen Dienst etwa 2880 € Gehalt pro Monat, was einem Jahresbruttogehalt von 34560 € entspricht. Nach Abzug von Lohnsteuer (Steuerklasse 1), Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung bleiben netto 1977 € monatlich.
Diese Zahlen können Sie beispielsweise mit dem Gehalt einer Ärztin/eines Arztes vergleichen: Als Berufseinsteigerin erhält die Ärztin etwa 4600 € Bruttogehalt pro Monat, was 55200 € Jahresgehalt entspricht. Nach Abzug derselben Steuern und Sozialabgaben bleiben ihr netto 2890 € monatlich, also fast 1000 € mehr.
Abbildung 18: Brutto- vs. Nettogehalt Krankenpflege. (Quelle: Brutto-Netto-Rechner 80 )
Abbildung 19: Brutto- vs. Nettogehalt Ärztin.
Zur Verdeutlichung des Abgabesystems in Deutschland könnten Sie jetzt noch ein Spitzengehalt von 10000 € danebenlegen. Anhand dieses Beispiels können Sie Ihrem Kind zum Beispiel erklären, dass nur Menschen mit einem Jahresgehalt von über 60000 € brutto den Solidaritätszuschlag zahlen. Es kann auch eine gute Ausgangsbasis für die Erklärung unseres Steuersystems und des progressiven Steuersatzes sein. Dazu lesen Sie unten mehr.
Abbildung 20: Brutto- vs. Nettogehalt Topverdienerin.
Lohnlücke
Lohnlücke, Teilzeitfalle, Rentenlücke … Auch wenn Sie sich wünschen, dass diese Themen in der Zukunft Ihres Kindes keine Rolle mehr spielen mögen: Reden Sie mit ihm darüber, dass es auch im 21. Jahrhundert noch alte Rollenklischees gibt und was die aktuelle Retraditionalisierung bedeutet. Die klassische Aufgabenteilung mag entspannt klingen; finanzielle Abhängigkeit ist es nicht.
Unsere Erfahrung beispielsweise aus unserem Schulfach »Finance4Future« hat gezeigt, dass junge Menschen nicht glauben, dass heutzutage ein Arbeitgeber andere Kriterien als Leistung als Grundlage für die Höhe der Bezahlung anlegt. Die geschlechterspezifische Lohnlücke wirkt wie ein Relikt der 1950er-Jahre. Leider ist sie das nicht; auch heute noch verdienen Mütter weniger Geld als kinderlose Frauen, wohingegen Väter mehr Gehalt bekommen als kinderlose Männer. Die geschlechterspezifische Lohnlücke beträgt 18 Prozent (Stand 2023). Dieser Wert bezieht sich allerdings auf das Gehalt pro Stunde; rechnen Sie Teilzeit mit ein, kommen Frauen auf 39 Prozent weniger monatliches Gehalt; sie gehen weniger Stunden einer bezahlten Erwerbstätigkeit nach und leisten dafür meist mehr unbezahlte Care-Arbeit. Hinzu kommen mehr Lücken in der Erwerbstätigkeit (also Zeiten, in denen Frauen keiner bezahlten Arbeit nachgegangen sind), und schon haben wir eine Rentenlücke von 43 Prozent. Insgesamt erwirtschaften Frauen im Laufe ihres Erwerbslebens 45 Prozent weniger Geld als Männer. Das sind 670000 € 81 ; dafür bekommt man selbst in Frankfurt eine Eigentumswohnung.
Familie und Karriere – die Quadratur des Kreises?
Vielleicht unterschätzt Ihr Kind die Tragweite, wenn Sie von der Lohnlücke erzählen. Dann lesen Sie ihm vor, was Sie in Kapitel 4 im Abschnitt »Geschlechterspezifische Rentenlücke« gelesen haben.
Um diese Problematik aufzulösen, braucht es viel gesellschaftlichen Wandel. In Skandinavien beispielsweise werden Arbeitnehmer, die um 18 Uhr noch im Büro sind, gefragt, ob sie schlecht organisiert seien und Hilfe bei Ihrem Job benötigten. Wenn Sie in Deutschland um 18 Uhr Feierabend machen, werden Sie angeschaut, als wären Sie nicht ausreichend motiviert oder würden Überstunden abbauen. Außerdem werden skandinavische Eltern, die sich nicht um ihre Familie kümmern, seltener für Führungspositionen in Betracht gezogen. Einer Person, die keine Verantwortung für ihre Familie übernimmt, wird nicht zugetraut, ein Team aus ihr nicht nahestehenden Menschen zu führen. In Deutschland ist es andersherum: Teamleitung mit Familie, um die man sich kümmern möchte, ist schwierig.
Und nicht nur die Karriere funktioniert besser, wenn beide Elternteile sich die Familienarbeit teilen: Paare, die sich die Verantwortung fair aufteilen, sind glücklicher in ihrer Familienroutine. Außerdem schaffen es beide Elternteile besser, finanziell unabhängig zu sein, und die finanzielle Situation der ganzen Familie ist stabiler. Aber das funktioniert nur, wenn die Väter ihre Verantwortung in der Frage der Kinderbetreuung wahrnehmen, so, wie es sich ihre Partnerinnen oft explizit wünschen. 82
Gesprächstipp: Aufgabenteilung in der Familie
Reden Sie mit Ihren Kindern über die Herausforderungen berufstätiger Eltern. Wegen der vorherrschenden Sozialisierung verstehen Männer häufig etwas anderes darunter, wenn Sie sagen, sie wollen sich um das Kind kümmern, als Frauen. Krankheitstage, Schließtage der Betreuungseinrichtung, Ferienzeiten … Alle diese Aspekte sollten besprochen werden.
Reden Sie mit Ihrem Sohn über seine Verantwortung als möglicher Vater und Partner. Er sollte sich seiner Verantwortung bewusst sein und in einer Beziehung besprechen, welche Rollenverteilung beide Parteien haben möchten. Reden Sie mit ihm über seine privilegierte Rolle als Mann in einem patriarchalen System. Er sollte sich der Last der finanziellen Verantwortung der oder des Hauptverdienenden und des Risikos der finanziellen Abhängigkeit der weniger verdienenden Person bewusst sein. Denn das sind zwei Seiten derselben Medaille: finanzielle Verantwortung und finanzielle Abhängigkeit. Reden Sie mit Ihrer Tochter über die patriarchalen Strukturen in der deutschen Gesellschaft, die bei ihr zu konstanter Benachteiligung führen können, vor allem, falls sie Kinder bekommen möchte. Die folgenden Themen könnten Sie ansprechen:
Steuern
Anhand des Brutto-Netto-Gehalts können Sie Ihrem Kind auch erklären, wie das Steuersystem in Deutschland funktioniert. Der deutsche Sozialstaat arbeitet mit gezielter Umverteilung. Steuergelder werden dafür genutzt, öffentliche Bildung zu finanzieren genauso wie Straßen und Autobahnen, das Gesundheits- und Pflegesystem, die gesetzliche Rente und vieles mehr. Je höher das Gehalt einer Person, umso höher ihre Abgaben.
Lassen Sie Ihr Kind bei der nächsten Steuererklärung zuschauen. Und achten Sie – wieder einmal – auf Ihr eigenes Verhalten: Wenn Sie wochenlang darüber fluchen, dass die Steuererklärung ansteht und so viel Arbeit bedeutet und Sie die Belege raussuchen müssen – wie wird Ihr Kind über Steuererklärungen denken? Vermutlich so, als wäre es die schlimmste Aufgabe der Welt.
Wenn Sie sich hingegen freuen, dass Sie wahrscheinlich sehr viel Geld zurückbekommen (durchschnittlich über 1000 € 84 ), dafür relativ wenig Arbeit leisten müssen (denn wie viele Stunden kostet eine Steuererklärung mit den modernen Hilfsmitteln wirklich, wenn Sie Ihre Unterlagen parat haben?), dann wird Ihr Kind ganz anders darauf blicken.
Leben Sie Ihrem Kind auch vor, dass es keine Schande ist, sich Unterstützung zu suchen: Wenn Sie eine Steuerberatung nutzen oder zum Lohnsteuerhilfeverein gehen, erklären Sie Ihrem Kind Ihre Beweggründe. Nehmen Sie es mit, wenn Sie die Steuererklärung durchsprechen, und lassen Sie Ihr Kind seine eigenen Fragen stellen. So lernt es, dass Steuern erst anfallen, wenn man einen Gewinn erzielt hat, der über den Grundfreibetrag 85 hinausgeht, dass die Steuern mit dem Einkommen steigen und dass bei niedrigen Einkommen die Steuern weniger schwer in die Waagschale fallen als die Sozialabgaben.
Ist für Sie selbst die Steuererklärung ein Buch mit sieben Siegeln? Dann freuen Sie sich darauf, dieses Rätsel gemeinsam mit Ihrem Kind zu lösen!
Das Prinzip der Steuererklärung: Vielleicht fragen Sie sich, weshalb Sie überhaupt eine Steuererklärung machen müssen. Das Prinzip in Deutschland ist ein einkommensabhängiger, progressiver Steuersatz. Konkret heißt das: Die Höhe der Steuern, die Sie zahlen, ist abhängig von Ihrem Einkommen und steigt kontinuierlich mit der Höhe Ihrer Einnahmen. Je weniger Einnahmen Sie haben, umso weniger Steuern zahlen Sie, und umgekehrt.
Zudem gibt es einige abzugsfähige Ausgaben. Wenn Sie beispielsweise Kosten für Kinder, für die Erwerbsarbeit oder für die Altersvorsorge haben, müssen Sie auf diese Ausgaben keine Steuern zahlen. Dasselbe gilt für Spenden.
Wenn Sie sozialversicherungspflichtig angestellt sind, zieht das Finanzamt automatisch jeden Monat Ihre Lohnsteuer ein. Allerdings weiß das Finanzamt nicht, ob Sie möglicherweise in diesem Monat eine Spende getätigt oder neue Arbeitskleidung gekauft haben. Durch diese Ausgaben reduziert sich Ihre Steuerlast, weil Sie Ihr zu versteuerndes Einkommen reduzieren. Sie zahlen also eigentlich zu viele Steuern. Diese zu viel gezahlten Steuern können Sie sich durch die Lohnsteuererklärung zurückholen.
Hier kommen ein paar Tipps rund um die Steuererklärung, die Sie mit Ihrem Kind besprechen können:
Einkommen: Ihre Steuerlast ist abhängig von Ihrem Einkommen. Dafür muss das Finanzamt wissen, welches Einkommen Sie gehabt haben. Durch Jobwechsel, Jobverlust, Elternschaft, variable Boni oder andere Gründe kann dieses Einkommen von Jahr zu Jahr schwanken. Einkommensquellen können sein: Lohn/Gehalt, (Kinder-)Kranken,- Arbeitslosen-, Mutterschafts- oder Elterngeld, erhaltene Unterhaltsleistungen, Zins- und Kapitalerträge, Mieteinnahmen.
Kinder: Kosten, die Sie für Ihre Kinder haben, sind steuerlich abzugsfähig! Hierzu gehören Kinderbetreuungskosten, Schulgeld, Ausbildungs-/Studienkosten, Kranken- und Pflegeversicherungskosten bei privat versicherten Kindern.
Werbungskosten: Hierzu zählen alle jobbezogenen Kosten: Fahrtkosten, Fortbildungskosten, Arbeitsmittel, Beiträge für Berufsverbände, Berufskleidung, Bewerbungskosten, gegebenenfalls Umzugskosten, Kosten bei doppelter Haushaltsführung, Steuerberatungskosten; außerdem Belege bei vermieteter Immobilie: Darlehenszinsen, Erhaltungsaufwendungen (z. B. Austausch der Türen und Fenster), Nebenkostenabrechnung.
Sonderausgaben: Ausgaben für Kranken- und Pflegeversicherung, Unfall-, Haftpflicht-, Berufsunfähigkeits-, Lebens- und Rentenversicherung, Riester- und Rürup-Rente, Spenden, Kosten für eigene Berufsausbildung, gezahlte Unterhaltsleistungen oder Versorgungsausgleich.
Außergewöhnliche Belastungen: Krankheitskosten, Pflegekosten, Beerdigungskosten.
Sonstige Ausgaben: Handwerkerleistungen (Zahlungsnachweis notwendig), Haushaltsnahe Dienstleistungen (z. B. Gartenarbeit, Haushaltshilfe, Reinigungskraft – Rechnung und Zahlungsnachweis notwendig), Nebenkostenabrechnung, Bescheinigung über vermögenswirksame Leistungen.
In der Werkzeugkiste des Female Finance Forums können Sie sich eine elektronische Checkliste für Ihre Steuererklärung herunterladen. 86
Money Talk:
Steuern & Sozialabgaben
Diskutieren Sie mit Ihrem Kind die Gerechtigkeit eines progressiven Steuersatzes. Im deutschen Steuersystem zahlt eine Person mit hohem Einkommen mehr Steuern als eine Person mit niedrigem Einkommen; jemand mit vielen Kindern zahlt weniger Abgaben als eine Person ohne Kinder.
Was denken Sie: Wie fair ist dieses System?
Wir geben Ihnen ein paar Argumente, um in der Diskussion mit Ihrem Kind vorbereitet zu sein:
Kontra Umverteilung: Die Person mit Kindern hat sich aus freien Stücken dazu entschieden, diese Kinder zu bekommen. Warum sollten kinderlose Menschen diese Entscheidung finanzieren? Und warum sollte die Ärztin mehr Abgaben zahlen als die Pflegekraft? Die Pflegekraft hätte sich ja einfach mehr anstrengen können, dann wäre sie jetzt auch Arzt oder Ärztin. Es werden zu wenig Anreize für hoch bezahlte Erwerbsarbeit gesetzt.
Pro Umverteilung: Nicht alle Menschen haben dieselben Ausgangschancen. In Deutschland spielt der soziokulturelle Hintergrund des Elternhauses eine enorm wichtige Rolle. Ungleiche Startbedingungen können durch Umverteilung ausgeglichen werden. Außerdem profitieren alle von einer egalitären Gesellschaft: Die Lebensqualität ist am höchsten in Gesellschaften, die eine gleichmäßige Ver-teilung von Einkommen und Vermögen haben. 87 Und Kinder sind die Zukunft der Gesellschaft, weshalb Familien mit Kindern entlastet werden sollten. Darüber hinaus ist das Gehalt, das ein Job bringt, nicht aussagekräftig über den Wert, den diese Arbeit für die Gesellschaft hat.
Ihr Kind steht vermutlich ganz am Anfang seiner Berufstätigkeit, und vielleicht fühlt es sich falsch an, jetzt bereits über die Rente, drohende Altersarmut und Altersvorsorge zu sprechen. Es sind aber unglaublich wichtige Themen, die Ihr Kind kennen oder zumindest schon mal gehört haben sollte.
Insbesondere im Gespräch mit Ihrem Kind können Sie mit den positiven Visionen arbeiten: Welche AltersvorFREUDE hat Ihr Kind? Welche Vision hat es für sein eigenes Leben? Die Zukunft ist ungewiss, und wer weiß, ob es überhaupt noch einen Sozialstaat oder eine Rentenversicherung geben wird, bis Ihr Kind das Rentenalter erreicht. Dennoch wird es auch in Zukunft meistens besser sein, Geld zu haben. Geld gibt uns Entscheidungsfreiheit, es erkauft uns Handlungsmöglichkeiten. Insbesondere in einer unsicheren Welt kann Geld ein Gefühl von Sicherheit geben. Dabei sollte es nicht wichtiger sein als das Selbstvertrauen Ihres Kindes in seine eigenen Fähigkeiten: Auch ohne oder mit wenig Geld ist Ihre Tochter die Erschafferin Ihrer eigenen Zukunft, ist Ihr Sohn der Architekt seines Lebens. Geld kann Ihr Kind lediglich dabei unterstützen, leichter seine eigene Vision Realität werden zu lassen.
Weitergeben an die nächste Generation: Schenkung und Erbe
Krankheit, Trennung und Tod sind sicherlich Themen, die die meisten von uns nicht gern ansprechen. Im Kontext mit unseren Finanzen ist es aber unerlässlich, diese Aspekte zu bedenken. Je konkreter Sie über Ihre eigene Vorsorge und die Ihres Umfelds – Ihrer Beziehung und die nächsten Generationen – nachdenken und sprechen, umso leichter wird es in der jeweiligen Situation sein.
Beim Thema Schenkung und Erbe vermischen sich viele Emotionen: Das gesellschaftliche Tabuthema Tod; Unwissenheit rund um Erbschaftsthemen; Sorge vor eventuellen Erbstreitigkeiten; Unvorhersehbarkeit des eigenen weiteren Lebenswegs und damit einhergehend des eigenen Finanzbedarfs. Wir wollen versuchen, Ihnen beim Sortieren Ihrer Gedanken und Emotionen zur Seite zu stehen.
Es beginnt mit Ihnen!
Erneut der Appell: Sie stehen an erster Stelle. Immer. Sie sollten nichts verschenken, was Sie nicht sicher entbehren können. Es ist schön, dass Sie Ihren Kindern ein finanzielles Polster mitgeben möchten. Solange Ihre eigenen Pflegekosten nicht sicher gedeckt sind, sollten Sie Ihr Vermögen aber nicht weitergeben. Die Höhe der Pflegekosten und Ihrer Altersvorsorge haben wir im vorigen Kapitel thematisiert.
Denken Sie daran: Es ist möglich, dass Ihr Kind finanziell für Sie aufkommen muss, wenn Ihre eigene Vorsorge nicht ausreicht. Es ist also neben dem Wunsch, die eigenen Eltern gut versorgt zu wissen, auch im finanziellen Interesse Ihres Kindes, wenn Sie sich selbst gut versorgen.
Und vergessen Sie nicht: Auch eine Beerdigung kostet Geld. Auch das ist eine finanzielle Verantwortung, die Sie nicht Ihren Erben überlassen sollten. Sie können entweder vorsorgen, indem Sie Rücklagen in entsprechender Höhe einplanen (eine Beerdigung kostet durchschnittlich 13000 €, mit einer großen Spanne von 2000 € bis 30000 € 88 ), oder indem Sie eine formelle Bestattungsvorsorge beim Bestatter anlegen oder eine Sterbegeldversicherung abschließen. Diese Absicherung hat den Vorteil, dass sie als Schonvermögen gilt; sie wird also nicht angegriffen für den Fall, dass Ihre Rente nicht für die Pflegekosten ausreicht.
Bei einer Bestattungsvorsorge legen Sie eine mit dem Bestattungsunternehmen besprochene Summe auf ein Treuhandkonto. Im Todesfall wird die eingezahlte Summe plus Zinsen an das Bestattungsunternehmen ausbezahlt. Bei einer Sterbegeldversicherung zahlen Sie bis zu einem gewissen Alter (meistens zwischen 65 und 85 Jahre) einen festen monatlichen Betrag, den die Versicherung für Sie anlegt. Verbraucherschützer warnen tendenziell vor solchen Versicherungen, weil sie teuer und schlecht verzinst sind; es lohnt sich eher, das Geld selbst beiseitezulegen und zu investieren.
Auch hier zeigt sich: Durch Ihre eigene Vorsorge sorgen Sie für Ihre Erben vor. Denn wenn Sie die Kosten für Ihre Bestattung nicht tragen können, müssen Ihre Erben dafür aufkommen. Der Staat springt nur im letzten Notfall ein.
Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht
Zu Ihrer eigenen Vorsorge zählt auch, festzulegen, was im Falle des Falles passieren soll. Dazu zählt unbedingt eine Patientenverfügung. Je konkreter Sie festlegen, welche Art der medizinischen Behandlung Sie haben möchten und welche nicht, umso leichter machen Sie es Ihren Angehörigen. Diese werden in der Situation wahrscheinlich ohnehin emotional angegriffen und möglicherweise überfordert sein. Mit klaren Anweisungen nehmen Sie ihnen die schwierigen Entscheidungen ab und erleichtern ihnen die Situation.
Auch eine Vorsorgevollmacht ist enorm wertvoll. Damit legen sie fest, wer welche Entscheidungen in Ihrem Namen treffen darf für den Fall, dass Sie nicht mehr in der Lage sind, diese Entscheidungen selbst zu treffen. Keine Sorge: Solange Sie im Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte sind, kann die von Ihnen bevollmächtigte Person nicht in Ihrem Namen handeln. Erst, wenn Ihre Geschäftsunfähigkeit offiziell bestätigt ist, greift die Vollmacht.
Für Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Testament und viele andere offizielle Dokumente hat Stiftung Warentest gute Vordrucke. Diese Vordrucke können Ihnen dabei helfen, Ihre Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse zu sortieren und Ihre Vorsorge zu gestalten. Möglicherweise helfen Sie auch einfach zur Vorbereitung eines Beratungstermins bei einer Notarin oder einem Anwalt, wodurch Sie sich einiges an Beratungszeit sparen können. Ihre Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht müssen handschriftlich unterschrieben sein. Eine notarielle Beglaubigung ist nicht notwendig. Wenn Sie eine gültige Patientenverfügung haben, sind Ärztinnen und Angehörige verpflichtet, sich an Ihre Wünsche zu halten.
Möglichst viel vererben? Ein sehr deutscher Wunsch!
Es gibt interessante kulturelle Unterschiede, wenn es zum Umgang mit Geld und Erbe kommt. In den USA ist es vollkommen normal, den eigenen Reichtum zur Schau zu stellen. Er wird auch genutzt, um damit Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen zu lenken, beispielsweise durch Spendengalas, Spendenaufrufe oder Stiftungsarbeit. Ein Großteil des Erbes wird häufig bereits zu Lebzeiten an die Nachkommen vererbt oder an wohltätige Zwecke gespendet. Am Lebensende ist nicht mehr viel übrig, das es zu vererben gäbe. In Deutschland wird Reichtum eher verborgen gehalten; man möchte nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen, denn wie war das? Über Geld spricht man nicht! Die Nachkommen bekommen zwar eventuell eine kleine Schenkung zu Lebzeiten, aber der Großteil wird häufig bis ans Lebensende im Verborgenen zusammengehalten und kommt erst mit Testamentseröffnung ans Tageslicht.
In den USA lebt man reich wie Krösus und stirbt arm wie eine Kirchenmaus. In Deutschland ist es andersherum: Leben wie eine Kirchenmaus, sterben wie Krösus.
Es ist Ihr Geld, Ihr Vermögen; Sie haben die Entscheidungshoheit, was zu welchem Zeitpunkt damit geschehen soll. Wenn Sie in der glücklichen Position sind, mehr zu besitzen, als Sie für Ihren eigenen Lebensabend benötigen, können Sie darüber nachdenken, bereits zu Lebzeiten Schenkungen zu machen. Versuchen Sie dabei, Ihre kulturelle und familiäre Prägung außen vor zu lassen und sich darauf zu konzentrieren, was für Sie persönlich richtig ist.
Dazu zählt auch die Überlegung, welchem Ihrer Kinder Sie welchen Anteil Ihres Erbes vermachen. Durchschnittlich sind die Schenkungen an Töchter 37 Prozent kleiner als die an Söhne; auch beim Erbe gibt es einen Unterschied von 13 Prozent. 89 Das liegt vor allem daran, dass Unternehmen und Betriebsvermögen deutlich häufiger an Söhne verschenkt oder vererbt werden als an Töchter, mit all den steuerlichen Vorteilen, die diese Art von Erbschaft mit sich bringt. Damit erben Frauen nicht nur weniger, sondern zahlen auf ihr Erbe auch noch höhere Steuern. Auch hier gilt: Versuchen Sie, (unbewusste) Automatismen zu vermeiden und bewusste Entscheidungen zu treffen.
Privilegien-Check
Wenn Sie Ihren Kindern ein Erbe vermachen können, sind Sie privilegiert und ermöglichen Ihren Kindern einen (finanziellen) Vorsprung gegenüber vielen anderen Menschen. Müssen Sie sich dafür schämen? Nein. Sollten Sie sich Ihres Privilegs bewusst sein? Ja.
Marcel Fratzscher, Präsident des diw, des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, schreibt: »Die traurige Wahrheit aber bleibt, dass die Mittelschicht in Deutschland schrumpft, und zwar schneller als in den meisten vergleichbaren Ländern. Dabei hängt die Frage, ob jemand Teil der Mittelschicht oder gar der oberen Mittelschicht ist, immer weniger von der geleisteten Arbeit und den eigenen Anstrengungen ab, sondern immer stärker von Erbschaften und der Lotterie der Geburt.« 90
Mit einem Erbe hat Ihr Kind in der Lotterie der Geburt ein Gewinnerlos gezogen. Darüber dürfen Sie sich freuen und Ihr Kind natürlich ebenso. Wenn Sie etwas zu vererben haben, dann hatten Sie vermutlich immer ausreichend Geld für Schulmaterialien und Klassenfahrten, für Hobbys und für die Ausbildung Ihres Kindes. Damit hat es eine deutlich bessere Ausgangslage als viele andere Kinder. Ihr Kind sollte deshalb aber nicht auf andere Menschen hinabschauen, die weniger Glück in dieser Lotterie hatten.
Testament
Ein Testament lohnt sich prinzipiell für alle Menschen. Sie vermeiden Streitereien unter Ihren Erben und können festlegen, dass Ihr Vermögen – egal wie groß oder klein – nach Ihrem Willen verteilt wird. Je mehr Erben es gibt, umso wichtiger ist das Testament. Wenn Sie kein Testament hinterlegen, verlagern Sie die Verantwortung auf Ihre Erben und riskieren damit möglicherweise Streitereien, die nicht hätten sein müssen. Gerade für Patchworkfamilien ist ein Testament enorm wichtig. Wer soll welchen Teil des Vermögens erben (oder nicht), wer ist überhaupt erbberechtigt und welche Steuern fallen an? Ein Testament zu verfassen, ist vielleicht die letzte Verantwortung, die Sie in diesem Leben haben.
Abbildung 21: Gesetzliche Erbfolge.
Wenn Sie kein Testament verfassen, gilt die gesetzliche Erbfolge. Zuerst erben die Erben erster Ordnung zu gleichen Teilen. Wenn es keine Erben erster Ordnung gibt, werden die Erben zweiter Ordnung bedacht. Nur, wenn es keine Erben erster oder zweiter Ordnung gibt, kommen die Erben dritter Ordnung zum Zug.
Neben der Reihenfolge ist auch die Höhe des Freibetrags und der Erbschafts- und Schenkungssteuer gesetzlich festgelegt. Der Freibetrag, den Sie vererben können, ist steuerfrei. Erbschaftssteuern fallen erst an, wenn Ihr Erbe den Freibetrag überschreitet. Die Höhe der Steuern hängt von Ihrer Beziehung zum Verstorbenen ab. Je enger die Verwandtschaft, desto größer ist der Betrag, den Sie steuerfrei erben (oder vererben) können, und desto geringer ist der Steuersatz, den Sie auf jeden Euro über dem Freibetrag zahlen müssen.
Beziehung zur verstorbenen Person |
Freibetrag |
Höhe der Erbschafts-/ Schenkungssteuer |
Ehepartner, eingetragene Lebenspartner |
500 000 Euro |
Bis 75000 Euro: 7 Prozent Bis 300000 Euro: 11 Prozent Bis 600000 Euro: 15 Prozent Bis 6 Mio. Euro: 19 Prozent |
Kinder, Stief-/Adoptivkinder, Enkelkinder (wenn deren Eltern verstorben sind) |
400 000 Euro pro Kind und pro Elternteil |
Ebenso wie bei Ehe-/Lebenspartnern |
Enkelkinder |
200 000 Euro |
Ebenso wie bei Ehe-/Lebenspartnern |
Urenkel |
100 000 Euro |
Ebenso wie bei Ehe-/Lebenspartnern |
Eltern, Großeltern (Erbe) |
100 000 Euro |
Ebenso wie bei Ehe-/Lebenspartnern |
Eltern, Großeltern (Schenkung) |
20 000 Euro |
Bis 75000 Euro: 15 Prozent Bis 300000 Euro: 20 Prozent Bis 600000 Euro: 25 Prozent Bis 6 Mio. Euro: 30 Prozent |
Geschwister, Nichten, Neffen, geschiedene Ehegatten |
20 000 Euro |
Ebenso wie bei Geschwistern, … |
Alle übrigen |
20 000 Euro |
Bis 6 Mio. Euro: 30 Prozent |
Tabelle 9: Freibetrag und Steuersatz bei Erbe und Schenkung (Stand: 2023).
Sie können jedem Ihrer Kinder also 400000 € pro Elternteil vererben, ohne dass Ihre Kinder Steuern zahlen müssen. Erst danach wird eine Erbschaftsteuer in Höhe von 7 Prozent (und kontinuierlich steigend) fällig.
Ihr Testament muss entweder vollständig handschriftlich verfasst oder notariell beglaubigt sein. Nur so ist es rechtlich bindend.
Erstellen Sie Ihr Testament nach bestem Wissen und Gewissen. Gestehen Sie sich aber auch zu: Die Zukunft ist nicht vorhersehbar. Sie können sich bemühen, Ihr Erbe fair zu verteilen, aber die perfekte Lösung gibt es nicht. Wenn Sie beispielsweise unterschiedliche Anlageklassen vererben (ein Erbe erhält eine Immobilie, die andere Erbin das Aktiendepot), können Sie nicht garantieren, dass diese Erbteile sich in den nächsten Jahren parallel entwickeln werden. Besprechen Sie diese Herausforderung auch mit Ihren Erben, damit alle Beteiligten wissen, was auf sie zukommt.
»Der letzte Wille ist kein Monolog, sondern ein jahrelanger Dialog.« Kai Jonas
Versuchen Sie, verschiedene Szenarien zu durchdenken. Beispielsweise möchten viele Menschen ihr Elternhaus nur an die eigenen Kinder vererben, nicht an Schwiegerkinder. Außerdem werden Unternehmen häufig ebenfalls ausschließlich an den engen Erbenkreis weitergegeben.
Achten Sie auch auf die genaue Formulierung und die Details. Wenn sie ein Mehrparteien-Wohnhaus an mehrere Erben vererben, kann es sinnvoll sein, nicht das ganze Haus an alle Erben weiterzugeben, sondern die einzelnen Wohnungen.
Wenn Sie nicht verheiratet sind, sieht das Gesetz Sie und Ihre Partnerin als Fremde zueinander an. Das bedeutet, dass Sie keine automatischen Erbschaftsrechte haben. In solchen Fällen ist es dringend ratsam, ein Testament zu verfassen. Allerdings werden Sie und Ihre Partnerin selbst mit einem Testament in die Kategorie »alle anderen Erben« eingeordnet. Für Sie gilt somit der niedrigste Freibetrag von aktuell 20000 €. Zusätzlich dazu müssen Sie auf jeden darüber hinausgehenden Euro die höchste Erbschaftssteuer in Höhe von 30 Prozent zahlen.
Konfliktfrei vererben
»Reden Sie noch miteinander, oder haben Sie bereits geerbt?« Diese vermeintlich witzige Frage enthält viele, oftmals bittere, Wahrheiten. Eine Erbschaft kann eine hochemotionale Angelegenheit sein, selbst wenn es sich um keine hohen Summen handelt. Selten geht es bei den Streitereien wirklich ums Geld; meistens geht es um Anerkennung oder Macht sowie um empfundene Ungerechtigkeiten, die schon aus der Kindheit stammen können. Der Kampf ums Erbe ist dann ein Stellvertreterkrieg.
Dabei muss eine Erbschaft nicht immer zu gleichen Teilen auf alle Erben verteilt werden. Möglicherweise ist einer der Erben in einer finanziell schlechteren Situation als die anderen. Wenn alle sich einig sind, diese eine Person besonders zu unterstützen, kann eine ungleiche Verteilung des Erbes durchaus gerecht sein. Hier ist es besonders wichtig, ehrlich und offen miteinander zu sprechen: Eine gemeinsam getroffene Regelung wird auch eher gemeinsam getragen als eine Entscheidung im Alleingang.
Sie sollten Ihr Erbe nicht dazu missbrauchen, Ihren Willen hinsichtlich der persönlichen Lebensentscheidungen Ihrer Kinder durchzusetzen. Dies käme einem »verspäteten Taschengeldentzug« gleich und kann eine Form von finanzieller Gewalt sein. Wenn Sie zum Beispiel mit Enterben drohen, weil Ihnen die Berufswahl Ihres Kindes nicht gefällt oder Sie eine Tätowierung unterbinden wollen, dann gefährden Sie die Grundlage für konfliktfreies Vererben.
Ein kluges Testament sollte diese fünf Kriterien erfüllen 91 :
Berliner Testament
Die gesetzliche Erbfolge sieht vor, dass im Falle Ihres Ablebens Ihre Ehepartnerin oder Ihr Ehepartner und Ihre Kinder zu gleichen Teilen erben, ohne Rücksicht auf das Alter der Kinder. Das heißt, dass selbst wenn Ihre Kinder gerade erst zur Welt gekommen sind, ihnen ein gesetzlicher Anteil am Erbe zusteht. Damit kann der überlebende Partner vor besonderen Herausforderungen stehen, da er oder sie die finanzielle Verantwortung für die kleinen Kinder trägt, jedoch das Vermögen der Kinder ausschließlich im Interesse der Kinder verwalten muss; er darf das Geld nicht verwenden, um davon die Lebenshaltungskosten zu decken.
Ein Berliner Testament ist ein gemeinsames Testament, das von Ehepartnern verfasst wird. In einem solchen Testament setzen Sie und Ihr Ehepartner sich gegenseitig als Alleinerben ein. Erst nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Partners geht der gemeinsame Nachlass dann an Ihre Schlusserben über, normalerweise die Kinder oder, falls diese bereits verstorben sind, an die Enkel. Der große Vorteil des Berliner Testaments ist, dass Sie damit den Lebensstandard des länger lebenden Partners sicherstellen können. Insbesondere, wenn Ihr Vermögen zu einem großen Teil in einer Eigentumswohnung steckt, ist es praktisch, wenn Ihr Partner weiterhin darin wohnen kann, ohne sich mit Ihren Kindern einigen zu müssen.
Schenkungen zu Lebzeiten
Schenkungen sind rechtlich identisch mit Erbschaften; sie finden allerdings zu Lebzeiten statt. Der Freibetrag bei Erbschaften oder Schenkungen gilt immer über einen Zeitraum von zehn Jahren. Sie können Ihren Kindern also alle zehn Jahre 400000 € schenken, ohne Steuern zahlen zu müssen. Dieser Absatz soll kein Plädoyer dafür sein, Erbschaftsteuer zu vermeiden. Allerdings lohnt es sich unabhängig von der Steuer, darüber nachzudenken, wann Sie Ihren Erben eine größere Freude bereiten. Idealerweise verlassen Sie diese Welt in hohem Alter. Ihre Erben werden zu dem Zeitpunkt auch schon im fortgeschrittenen Alter und hoffentlich finanziell aus dem Gröbsten heraus sein. Möglicherweise könnten Ihre Erben eine finanzielle Unterstützung in früherem Alter besser gebrauchen als später. Damit gestalten Sie auch die letzten Schritte Ihres Lebens vorausschauend und selbstbestimmt.