Inhalt
Kapitel 3: Der ganz normale Wahnsinn
Kapitel 4: Überbrücken der Distanz
Kapitel 5: Es ist nur Freundschaft, oder?
Kapitel 6: Telefonate und Termine
Kapitel 8: Einmischung von außen
Kapitel 2: Ohne doppelten Boden
Kapitel 1: Ein Geschenk mit Folgen
Zimmer zu viert
Kyo Anejan
Impressum
Zimmer zu viert
Gay Romance
© Kyo Anejan
Kyo Anejan
c/o Barbara`s AutorenService
Tüttendorfer Weg 3
24214 Gettdorf
Alle Rechte vorbehalten.
Coverartwork, Layout und Umschlaggestaltung:
Kira Yakuza (www.the-art-of-kira.de)
Lektorierung: Anna H.
Testleser: Jay B., Petra J., Tim K.
Die Geschichte ist frei erfunden. Ähnlichkeiten
mit real existierenden Personen sind rein zufällig
und nicht beabsichtigt.
Teil 1: Tobi & Chris
Kapitel 1: Bei Nico
Andre
A ls ich in den frühen Morgenstunden auf dem Parkplatz vor Nicos Wohnhaus ankomme, wartet Tobi bereits an seinem Wagen gelehnt auf mich. Wie immer liegt ein freches Lächeln auf seinem Gesicht und er reckt eine Faust in die Höhe. Ich schenke ihm meinen finstersten Blick, ehe ich mein Auto neben seinem parke und anschließend mit meiner Reisetasche aussteige.
„Erster“, informiert Tobi mich zusätzlich, wofür ich ihn am liebsten erwürgen möchte.
„Du kannst es nicht lassen, was?“, knurre ich.
„Du kennst mich“, lächelt er.
Ja, ich kenne ihn und weiß daher, dass er es liebt zu gewinnen – vor allem gegen mich.
„Meine Güte, nun sei nicht beleidigt, du kennst das Spiel. Wer zuerst ankommt, darf Nico auch zuerst begrüßen und das bin wohl wieder einmal ich“, lacht Tobi und toppt das Ganze mit einem Siegestänzchen.
Ich. Hasse. Ihn.
Und gleichzeitig ist er einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Ja, ich weiß, das ergibt keinen Sinn, aber ich bin in dieser Dreierbeziehung mit ihm, das heißt, ich werde ihn nicht los. Was das bedeutet, weiß ich sehr gut: Ich werde noch weitere Siegestänze aushalten müssen.
„Können wir jetzt gehen? Ich würde Nico gerne heute noch sehen“, grummle ich.
Tobi lacht und hakt sich bei mir ein.
„Stimmt. Lassen wir ihn nicht warten.“
Gemeinsam gehen wir über den Parkplatz und ich bleibe einen Moment stehen, ehe ich mich von ihm losmache.
„Lass uns einen neuen Deal machen. Wer die Klingel drückt, darf Nico zuerst begrüßen“, sage ich und Tobi wäre nicht Tobi, wenn er diese Herausforderung nicht annehmen würde.
Nico
Mehr als dankbar eile ich zur Gegensprechanlage, als das Klingeln die Stille meiner Wohnung durchbricht. Die letzten Tage waren die reinste Geduldsprobe, aber heute ist es endlich soweit und Andre und Tobi kommen zu mir für ein ganzes Wochenende. Aufgrund der großen Entfernung und unterschiedlicher Tätigkeiten mit noch unterschiedlicheren Arbeitszeiten schaffen wir es nur alle drei Wochen, uns zu sehen. Ich gebe zu, ich hatte zu Beginn die Befürchtung, dass diese Fernbeziehung nicht lange gutgehen würde, doch zum Glück habe ich mich geirrt. Nach wie vor stehe ich hinter meinen Gefühlen für Andre und Tobi und dem Wunsch, diese Beziehung zu dritt zu führen.
„Ja?“, frage ich an der Gegensprechanlage, weil ich weiß, dass es Andre nicht gefällt, wenn ich einfach nur die Tür per Tastendruck öffne.
Ich finde seine Befürchtungen zwar reichlich übertrieben, dass irgendwer das ausnutzen könnte, andererseits hat er aber auch recht, dass ich bisher sehr sorglos damit war.
„Wir sind´s!“, ruft Tobi und weiterhin dringen Geräusche zu mir, die ich bereits kenne.
Wahrscheinlich schieben die beiden sich gegenseitig, um als Erstes durch die Tür nach oben zu kommen. Ich weiß nicht, warum die beiden sich wie Kinder aufführen müssen.
„Kommt hoch“, sage ich und drücke jetzt den Türöffner.
Da sich meine Wohnungstür genau neben der Gegensprechanlage befindet, öffne ich diese schon vorsorglich und kann live miterleben, wie der Kampf ins Treppenhaus verlagert wird. Ich muss nicht nachschauen, was vor sich geht, ich kann deutlich hören, wie die beiden die Stufen hinaufrennen und sich ab und zu auch gegen das Metallgeländer schubsen. Ich warte auf der Türschwelle und das Erste, was die beiden von mir sehen, ist mein strengster Blick.
Tobi
Es macht immer wieder Spaß, mich mit Andre zu messen, ihn herauszufordern und einen Wettkampf nach dem anderen anzuzetteln. Ich mag dieses Blitzen in seinen Augen, diesen absoluten Siegeswillen und natürlich diese Konzentration und Verbissenheit. Andre ist sehr ehrgeizig und ein noch viel schlechterer Verlierer als ich. Was ich aus Spaß mache, ist für ihn blutiger Ernst und ehrlich gesagt finde ich sein düsteres Gesicht, welches er immer zur Schau trägt, wenn er gegen mich verliert, absolut zum Schießen. Okay, eigentlich finde ich es sogar heiß, denn diese wilde Entschlossenheit, wie er mich immer wieder herausfordert, ist ungemein attraktiv an ihm. Ich gehe jedes Mal auf den Wettkampf ein und erfreue mich an meinen kleinen Siegen, genau wissend, dass ich den großen Preis nie gewinnen werde, den Andre bekommt, selbst wenn er sich nicht anstrengen würde. Dieser besondere Preis ist Nicos Liebe, auch wenn beide es wohl noch nicht so recht gerafft haben. Aber ich würde eher den Teufel tun, als die beiden ein weiteres Mal darauf hinzuweisen - da müssen die zwei allein durch.
„Hey“, sage ich und will schon auf Nico zueilen, um mir meine Belohnung abzuholen, doch ich halte inne, als ich mit einem strengen Blick bedacht werde.
Andre kommt nur einen Augenblick später neben mir an, doch anstatt an mir vorbei zu gehen, bleibt auch er stehen. Wir wissen beide, dass mit Nico nicht zu spaßen ist, wenn er nicht lächelt. Irgendetwas ärgert ihn und garantiert wird er uns gleich sagen, was.
„Wie oft soll ich euch eigentlich noch sagen, dass hier auch noch andere Leute wohnen? Jedes Mal macht ihr einen Heidenlärm und noch dazu aus völlig bescheuerten Gründen. Irgendwann fällt einer von euch die Treppen runter, bei diesen Machtkämpfen, die ihr veranstaltet“, geht es auch schon los.
Ich will schon einwenden, dass wir gar keine Wettkämpfe veranstalten, doch als ich den Mund öffne, intensiviert sich Nicos Blick, so als habe er meine Lüge bereits durchschaut, bevor ich sie ausgesprochen habe. Verdammt, er ist echt gut. Dieses Pädagogikstudium gibt ihm ziemlich unfaire Waffen, wie ich finde.
„Also? Habt ihr etwas dazu zu sagen?“, erkundigt er sich und ich ziehe den Kopf ein, ebenso wie Andre neben mir.
„Sorry“, nuscheln wir beide.
Da fällt das strenge Auftreten Nicos von ihm ab und nicht nur ich atme erleichtert auf.
„Dann kommt her“, fordert er uns auf und kurz darauf versinken wir alle drei in einer Gruppenumarmung.
Andre
Es tut gut, in Nicos Arm zu liegen, auch wenn ich mir diese Umarmung teilen muss. Aber alles ist besser, als mich seinem Zorn stellen zu müssen. Ich weiß, wie dumm es ist, Wettkämpfe mit Tobi auszufechten, aber ich kann schlecht gegen meine Natur ankommen und Tobi schafft es immer mit Leichtigkeit, die richtigen Knöpfe bei mir zu drücken.
Aber egal, jetzt geht es nicht mehr darum, sondern nur um Nicos Geruch, seinen Arm um meine Schultern und den entspannten Laut, den er von sich gibt, als ich ihn halb an mich drücke.
„Schön, dass ihr wieder hier seid. Ich habe euch vermisst“, sagt Nico leise und ich hauche einen kleinen Kuss auf seinen Hals.
Dieser Moment fühlt sich wie ein Nachhausekommen an, mehr als mir mein eigentliches Heim bieten kann. Die letzten Wochen waren wieder eine Tortur für mich, weil ich innerlich immer nur diesem Moment entgegengefiebert habe.
„Kommt rein, ihr müsst euch nach der langen Fahrt ausruhen“, bestimmt Nico und löst sich von uns, ehe er sich umdreht und vor uns her in die Wohnung marschiert.
Bevor wir ihm folgen, hält Tobi mich kurz zurück und flüstert mir genau ein Wort zu:
„Unentschieden.“
„Du meinst Time Out“, lautet meine Antwort und Tobi lacht leise.
Wir folgen Nico in die Wohnung und schließen die Tür hinter uns.
Tobi
Mein Blick fällt als Erstes auf die Wanduhr im Flur. Ich bin im Dunkeln losgefahren, um vor Andre da zu sein, was bedeutete, dass ich halb vier aufstehen musste. Zwar habe ich eine wesentlich geringere Strecke zu Nico zu absolvieren, doch dafür brauche ich entsprechende Zeit, um vollends wachzuwerden. In dieser Stunde begehe ich sämtliche morgendliche Routinen in entspannter Langsamkeit, nur das Frühstück lasse ich zu solchen Zeiten ausfallen. Das rächt sich genau jetzt, denn mein Magen äußert sich mit einem protestierenden Knurren.
Nico lacht schallend darüber und ich grinse.
„Ist das Frühstück wieder ausgefallen?“, fragt er und ich gebe es lieber gleich zu.
„Du weißt doch, dass ich mitten in der Nacht nichts runterkriege.“
„Du hättest ja später losfahren können“, höre ich Andre spitzfindig sagen.
Natürlich lasse ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen, um ihn zu ärgern.
„Damit du Erster wirst? Vergiss es.“
Andres Blick wird finster und ich strahle ihn dafür an, ehe ich beschwingt hinter Nico in die Küche laufe. Der Frühstückstisch ist bereits gedeckt und biegt sich förmlich unter dem Gewicht, welches er zu tragen hat. Das liegt nicht zuletzt an unseren Sonderwünschen, die Nico immer strikt einkalkuliert.
Andre sieht mich wie immer skeptisch an, oder vielmehr mein Frühstück, welches aus einer Banane, einem kleinen Glas Apfelmus, zwei Schokodonuts und Zitronentee besteht. Ich sehe ebenso argwöhnisch auf seinen Platz. Auf seinem Teller befinden sich Baconstreifen und Rührei, in einer Schale eine Art Müsli mit getrockneten Früchten, welches mich an Kleintierfutter erinnert. Dazu gibt es pechschwarzen Kaffee und ich verziehe das Gesicht, denn das kann doch nicht schmecken!
„Jungs, bitte keine Machtkämpfe am Frühstückstisch, in Ordnung?“, sagt Nico und lässt sich auf seinem Platz nieder, an dem er einen guten Blick aus dem Fenster hat.
Vor ihm ist am meisten aufgebaut, denn er frühstückt abwechslungsreich, je nach Laune. Heute gibt es dunkle Brötchen, verschiedenste Marmeladen, Wurst, Käse und dazu hellen Kaffee. Unterschiedlicher könnten unsere Frühstücksgewohnheiten nicht sein und ich muss schon wieder lachen.
Nico
Nach einem kräftigenden Frühstück helfen mir die beiden beim Abwasch. Wie sooft beschwert sich Tobi, dass ich keine Spülmaschine besitze.
„Das spart so viel Zeit, glaub mir. Wenn ich mit meinen Geschwistern koche, dann sammelt sich so viel an, da würde so ein Abwasch über Stunden gehen.“
„Ist doch entspannend“, meine ich und tunke den nächsten Kaffeebecher ins warme Nass des Spülbeckens.
Tobi sieht mich so entgeistert an, dass ich mir ein belustigtes Lächeln verkneifen muss. Ich werfe Andre einen Seitenblick zu, um zu sehen, wie er auf meine Aussage reagiert. Doch er mischt sich nicht in die Diskussion ein, dafür reibt er gerade einen der Frühstücksteller mit sanften, aber entschlossenen Bewegungen trocken und scheint vollkommen vertieft in seine Aufgabe. Trotz der Konzentration auf seinem Gesicht entgeht mir nicht, dass er zusätzlich erschöpft aussieht. Ich kann mir nicht helfen, aber ich mache mir jedes Mal Sorgen um ihn, egal, ob er bei mir ist oder weit weg.
„Was ist?“
Seine sanfte Nachfrage erinnert mich, dass er immer Rücksicht auf mich nimmt. Dabei wünschte ich mir, er würde deutlich sagen, wie es ihm geht. Aber Andre war von Anfang an jemand, dem Taten eher liegen als Worte, also beschließe ich, meinen zuvor gefassten Plan in die Tat umzusetzen. Da das Wetter sich inzwischen verschlechtert hat und es nun in Strömen regnet, fallen Außenaktivitäten aus, was meiner Idee nur noch mehr Sinn verleiht.
„Ich habe für heute übrigens einen Probetermin beim neuen Fitnesscenter zwei Straßen weiter ausgemacht. Ich überlege, ob ich mich da richtig anmelden sollte, aber dazu brauche ich eure Meinung. Man darf Begleitpersonen mitbringen“, sage ich, als das Geschirr sauber und trocken wieder in den Schränken verstaut ist.
„Sport? Direkt nach dem Frühstück?“, fragt Tobi gequält und er tut mir leid.
Aber Andre macht so oft, was Tobi oder ich wollen, dass ich dieses eine Mal auch etwas für ihn tun möchte. Und Andre liebt Sport und Fitness, daher kam mir das ausgeschriebene Probetraining gerade recht.
„Du kannst ja hierbleiben“, schlägt Andre vor und nach kurzem Überlegen macht Tobi genau das.
„Das ist eine gute Idee, geht ihr mal Sport machen und ich hole ein paar Stündchen Schlaf nach“, meint er und damit verschwindet er im Wohnzimmer.
Verdutzt sehe ich ihm hinterher, ehe mein Blick zu Andre wandert, welcher nicht minder überrascht von Tobis Reaktion ist.
„Dann also nur wir beide?“, fragt er vorsichtig.
„Dann nur wir beide“, bestätige ich und so machen wir uns wenig später mit Sportbekleidung und etwas zum Trinken bewaffnet auf den Weg.
Tobi
Meine Schlaftarnung ist perfekt, denn ich reagiere nicht einmal, als Nico und Andre nochmals nach mir sehen, um sich zu verabschieden. Erst als sich die Wohnungstür mit einem leisen, aber markanten Geräusch schließt, richte ich mich auf und mache es mir auf dem ausladenden Sofa bequem. Eigentlich ist es eine ganze Liegewiese, damit wir drei darauf Platz haben. Nur mit mir als Nutzer kommt mir das wie Verschwendung vor, aber ich wollte es ja so.
„Was bin ich nur für ein Idiot“, seufze ich leise und starre an die Decke.
Andererseits sollten Andre und Nico auch Zeit zu zweit haben, damit ihnen endlich so richtig aufgeht, was sie aneinander haben. Sicher wäre das das Ende unserer Dreierbeziehung, aber nur dann kommen die beiden endlich vom Fleck.
Ich weiß, dass ich das Richtige tue, aber trotzdem fühlt es sich beschissen an. Auch ich habe das Anrecht auf ein bisschen Glück und so sehr ich mir auch wünsche, dass Andre und Nico endlich zugeben, dass sie das Traumpaar schlechthin sind, kann ich das hier zwischen uns einfach nicht beenden. Es wäre der schnellste Weg, aber gleichzeitig auch der, der am meisten wehtun würde.
Nochmals seufze ich, dann greife ich zur Fernbedienung. Vielleicht lenkt mich ein bisschen Trash-TV ab, bis die beiden wiederkommen.
Andre
Wenn ich in einem Wort beschreiben müsste, wie es mir gerade geht, während ich neben Nico die Straße hinunterlaufe, wäre es das: Befangenheit.
Es gibt so viele Themen, worüber man reden könnte, aber mir fällt einfach nicht das Richtige ein. Ich wünschte, ich wäre mehr wie Tobi, der scheinbar immer frei von der Leber weg sagen kann, was ihm gerade durch den Kopf geht, denn genau diese Eigenschaft wäre gerade äußerst willkommen.
„Also... wie geht es dir?“, fragt Nico neben mir und ich sehe zu ihm.
Er hört sich so unbeholfen an, wie ich mich fühle.
„Gut... schätze ich“, antworte ich und schimpfe mich innerlich einen Idioten.
„Schätzt du?“, lacht Nico, ehe er sich verlegen auf die Unterlippe beißt. „Entschuldige, ich wollte dich nicht auslachen oder so.“
„Schon gut.“
Warum ist Tobi bloß nicht mitgekommen? Sonst ist er immer dabei und füllt die Stille zwischen uns perfekt aus, indem er irgendwelche Geschichten erzählt oder uns auf witzige Dinge in der Umgebung aufmerksam macht. Tobi ist laut, präsent und allgegenwärtig, dagegen bin ich wie eine laufende Litfaßsäule.
„Das erinnert mich an unseren Besuch bei der Erotikmesse“, sagt Nico auf einmal und ich sehe ihn aufmerksam an.
„Was meinst du?“
„Da waren wir auch allein unterwegs, weißt du noch?“
Ich nicke und sehe es vor mir, als wäre es gestern gewesen. Das war das erste und einzige Mal, dass wir zu zweit etwas unternommen haben. Damals waren wir noch nicht zusammen, hatten uns gerade kennengelernt und eine Nacht in einem viel zu kleinen Hotelzimmer verbracht. Auch wenn ich damals recht unzugänglich gewesen war, hatte es mir Nico sofort angetan. Dieses plötzliche Hochgefühl, welches mich durchfuhr, als er in der abrupt anhaltenden Bahn gegen mich gepresst wurde, ist mir noch heute gut in Erinnerung.
Mein Blick ist weiter auf Nico gerichtet, welcher wohl auch gerade an diesen Moment gedacht hat, denn er wird genauso rot wie damals. Sein Adamsapfel hüpft nervös, als er schluckt und ich verfolge dieses Schauspiel mit großem Interesse. Ich kann Nico noch genauso aus der Fassung bringen wie damals und dieses Wissen beruhigt mich und lässt mich lächeln.
Da stolpert Nico und fällt. Ich kann ihn gerade so auffangen und drücke ihn dabei vor lauter Schreck fest an mich. Ich kann sein heftig schlagendes Herz fühlen, es jagt genauso wie meines. Wir brauchen beide einen kurzen Moment, um uns zu fangen, dann helfe ich Nico, sich wieder aufrecht hinzustellen.
„Alles okay?“, frage ich mit belegter Stimme und Nico räuspert sich.
„J-ja, ich muss wohl irgendwo hängengeblieben sein. Lass uns weitergehen, sonst kommen wir noch zu spät.“
Damit geht er eilig voraus und ich habe Mühe, ihm überhaupt folgen zu können.
Nico
Irgendwo hängengeblieben - oh Mann, durchschaubarer ging es auch nicht , ärgere ich mich zum wiederholten Mal, während ich in die Pedale des Hometrainers trete.
Die Wahrheit ist, dass ich über meine eigenen Füße gestolpert bin, als Andre mich angelächelt hat. Es ist peinlich, dass mich das Heben seiner Mundwinkel aus dem Konzept gebracht hat, aber es ist nun einmal so gewesen.
Ich habe es ja auch eine Weile schon nicht mehr gesehen , versuche ich mich selbst zu beruhigen, doch es hat keinen Effekt.
Ja, Andre lächelt selten. Wenn er es tut, sieht er so attraktiv aus, dass ich niederknien könnte... oder über meine eigenen Füße stolpere.
Ich lasse den Kopf hängen und dränge ein unglückliches Geräusch zurück. Bestimmt habe ich mich total blamiert, denn mein erhitztes Gesicht ist garantiert nicht unsichtbar für Andre gewesen. Er hat vollkommen erwachsen reagiert, sogar richtig cool, aber gleichzeitig hatte ich so keine Gelegenheit zu erfahren, wie er die Situation aufgenommen hat.
Was er wohl jetzt von mir hält? , frage ich mich und mein Blick wandert hinüber zur Kraftsportecke, wo Andre an der Adduktionsmaschine sitzt.
Er sieht so aus, als würde es ihm keinerlei Mühe bereiten, nahezu entspannt sitzt er da, als säße er einfach nur auf einer Bank im Sonnenschein. Seine Beinmuskeln spannen sich an, während er eine vollkommen gerade Haltung angenommen hat. Er lehnt an der vorgesehenen Lehne und eine kleine Konzentrationsfalte hat sich auf seiner Stirn gebildet. Ich habe keine Ahnung, ob er schwitzt, aber ehrlich gesagt sieht es von meiner Position nicht so aus. Selbst jetzt sieht Andre cool aus, was ihn unerreichbar für mich erscheinen lässt. Sich selbst würde er nie so bezeichnen, aber das ändert nichts an den Tatsachen. Er ist cool, er ist attraktiv und wenn er lächelt, dann möchte ich ihm jeden Wunsch erfüllen. Leider habe ich keine Ahnung, was Andre sich wünschen könnte, denn darüber äußert er sich nicht. Sogesehen redet er über Vieles nicht, was mich ein wenig traurig macht.
Ich wüsste gern so viel mehr über ihn und das Leben, das er führt, wenn er nicht hier ist , geht es mir durch den Kopf.
„Schon erschöpft?“, unterbricht Andre da meine Gedanken und hält mir meine Trinkflasche hin.
Ich war so versunken, dass ich nicht mehr in die Pedale getreten, sondern vor mich hingestarrt habe. Ich kann nur hoffen, dass meine Augen dabei nicht die ganze Zeit an Andre geklebt haben, sonst könnte ich eine weitere Peinlichkeit zu meiner heutigen Liste hinzufügen.
„Oh, ich habe nur kurz nachgedacht“, sage ich und nehme einen beherzten Schluck Wasser.
„Denksport also, aha“, lächelt er und ich bin kurz davor, ein hingerissenes Seufzen von mir zu geben.
„So ähnlich“, kriege ich gerade so heraus.
„Die Stunde ist um, wir sollten gehen, sonst bezahlst du doch extra“, erinnert Andre mich.
Schnell klettere ich vom Hometrainier herunter – zumindest hatte ich das vor, denn stattdessen verheddere ich mich in einer der Beinschlaufen und verliere das Gleichgewicht. Ich sehe mich bereits hart auf dem Boden aufkommen, doch wieder beweist Andre seine blitzschnelle Reaktionsfähigkeit und fängt mich ab.
Wieder liege ich nahe an seiner Brust und fühle seine Stärke. Automatisch atme ich ein und rieche seine Duftnote, die zu gleichen Verhältnissen aus Frische und Schweiß besteht, sowie etwas Ureigenem, was nur Andre an sich hat.
„Vorsicht. Sonst glaube ich langsam, du machst das mit Absicht, damit du mir nahekommen kannst“, flüstert Andre mir zu und als ich nach oben schaue, begegne ich seinem intensiven Blick.
Hitze und Erregung schießen gleichermaßen durch meinen Körper, ich kann es nicht verhindern.
„Und wenn es so wäre?“, hauche ich zurück und Andres Blick wird so besitzergreifend, dass ich leise aufkeuche.
Wären wir jetzt zuhause, hätte ich ihn geküsst oder er mich, das steht fest.
„Lass uns gehen“, flüstert Andre mir zu und richtet mich auf.
Mit zitternden Händen nehme ich meine Sachen und folge Andre, der vorausgeht. Ich hätte nichts dagegen, wenn er mich jetzt und hier anfassen würde, vor allen Leuten. Doch er tut es nicht, sondern geht ruhig und beherrscht voran, als wäre nichts zwischen uns geschehen. Ich beneide ihn um seine Unerschütterlichkeit, denn mein Innerstes ist in Aufruhr.
Andre
Während ich zu den Umkleideräumen gehe, nehme ich ein paar tiefe, ruhige Atemzüge. Mein Herz klopft wie verrückt und nur zu gerne würde ich Nico in eine Ecke zerren und ihn küssen und berühren. Meine Selbstkontrolle hängt nur noch an einem dünnen Faden, die Erregung pulsiert in mir, während ich Nicos Anwesenheit überdeutlich spüre.
Die Umkleideräume sind leider nicht menschenleer, wie ich gehofft hatte und auch die Duschen sind in Beschlag genommen. Ich bin sowohl erleichtert wie auch enttäuscht.
Nico und ich duschen in den Kabinen, die nebeneinander liegen und ich kann ihn durch das milchige Glas schemenhaft sehen, Es ist die pure Folter, dass er so nah ist und doch so fern.
Ich schließe die Augen und lasse eiskaltes Wasser auf mich niederregnen, um meine Erregung zu dämpfen. Doch nur langsam vergeht meine Härte und ich brauche ewig, um fertig zu werden.
Als ich aus der Dusche trete, sind Nico und ich praktisch allein. Nur aus dem Umkleideraum dringen gedämpft Stimmen, ehe eine Tür laut quietschend zugeht und nur noch Stille zurückbleibt. In diesem Moment tritt Nico aus seiner Duschkabine und sein tropfnasser Zustand legt den letzten Schalter in mir um.
Gerade noch verfolge ich einen Wassertropfen, der ihm aus den Haaren auf die Brust perlt, dann werfe ich alle Zurückhaltung über Bord. Ich überwinde die Distanz zwischen uns, ziehe ihn an mich und lasse ihm keine Wahl. Meine Lippen pressen sich auf seine und das fühlt sich noch mehr wie ein Nachhausekommen an, als unsere Begrüßungsumarmung.
Nico
Andres Wärme und Duft umfangen mich, seine Stärke macht mich schwach, sein Kuss macht mich vollkommen willenlos. Meine Hände sind zwischen uns eingeklemmt, so dass ich seinen durchtrainierten Körper fühlen kann, seine Hände hingegen liegen warm auf der Haut meines Rückens.
Es kommt mir vor, als würde ich mich auflösen und mit Andre eins werden, weil er einfach überall zu spüren ist. Sein Duft nach Duschgel und ihm vernebelt mir die Sinne und ich will augenblicklich mehr von ihm. Instinktiv scheint er zu spüren, was ich will, denn er presst mich an die Tür der Duschkabine. Die plötzliche Kühle auf meiner Haut lässt mich aufkeuchen und diese Chance nutzt Andre, um mit der Zunge in meinen Mund zu tauchen. Ich werde unruhig, weil die Erregung mir unbarmherzig durch die Adern schießt. Von jetzt auf gleich schwillt meine Erregung an und presst sich gegen Andre, dem es ebenso ergeht wie mir.
Gott, ich wünsche mir gerade so sehr, dass die Handtücher um unsere Hüften sich einfach so in Luft auflösen sollen, doch so einfach wird es mir natürlich nicht gemacht. Umständlich ziehe ich meine Hände zwischen unseren Körpern hervor und lege sie um Andres Hüften. Meine Finger fühlen sich ein wenig taub an, da sie dem Druck unserer Leiber zu lange ausgesetzt waren. Doch mit den Handflächen kann ich Andres Hitze fühlen und ich genieße es, ihn anfassen zu können.
Nach einer Weile haben sich meine Finger erholt und ich gleite an Andres Rücken nach unten zu seinem Po. Sein Handtuch beginnt knapp darüber und ich beginne, es mit den Fingerspitzen nach unten zu schieben.
Andre löst den Kuss, verharrt aber unmittelbar vor meinen Lippen, so als wäre er noch nicht fertig mit mir. Sein Atem geht ebenso schwer wie meiner und das Gefühl seiner Härte, die sich an meiner reibt, ist absolut himmlisch.
„Was tust du?“, fragt er leise und mit rauer Stimme, die mir so gut gefällt.
„Ich muss dich Haut auf Haut spüren... überall“, keuche ich und es ist mir egal, wie verzweifelt ich mich dabei anhöre.
Andre flucht leise und küsst mich erneut hungrig. Dann fühle ich seine Hand, die an meine Hüfte greift, das Handtuch umschlingt und es mir mit einem Ruck vom Körper zieht. Ich stöhne in den Kuss, reibe mich an ihm und doch ist es noch nicht genug. Meine Hände schieben das Handtuch von ihm tiefer, bis ich seine bloße Haut auch dort schon erahnen kann.
Doch plötzlich geht eine Tür laut und quietschend auf und ein Schwall von Wortfetzen mehrerer Menschen dringt in unsere kleine private Blase. Enttäuschung und Bedauern machen sich in mir breit, als Andre von mir ablässt. In Windeseile hat er mir mein Handtuch wieder um die Hüften geschlungen, dann geht er auf Abstand. Er fährt sich mit beiden Händen durch seine Haare und stößt ein frustriertes Seufzen aus. Dann fixiert er mich mit einem dieser intensiven Blicke, die mir immer so durch Mark und Bein gehen.
„Auch wenn ich dich gerade von mir geschoben habe und wir uns jetzt wieder einige Schichten Kleidung anziehen müssen... das hier ist noch nicht vorbei“, raunt er mir zu, dann lässt er mich stehen und geht voraus zu den Umkleiden.
Hitze kriecht in mein Gesicht und eigentlich könnte ich jetzt erneut eine eiskalte Dusche gebrauchen, die ich mir vorhin schon genehmigen musste. Doch dafür ist keine Zeit, denn wir müssen gehen. Sicher wartet Tobi bereits auf uns und ich will ihn nicht warten lassen.
Tobi , denke ich und mich beschleicht das schlechte Gewissen.
Wir haben zwar keine Regeln in unserer Beziehung ausgemacht, außer dass wir nicht mit anderen Männern ins Bett gehen, aber trotzdem fühle ich mich so, als hätte ich ihn übergangen.
Ich hole tief Luft, um wieder klar in meinen Gedanken zu werden. Ich darf nicht zulassen, dass sich das Gefälle zwischen uns allen verschiebt, denn ich weiß, dass ich die Waage bin, die alles Gefühlsmäßige in unserer Beziehung im Gleichgewicht hält. Wenn ich mich für eine Seite entscheide, droht alles zusammenzubrechen und dafür bin ich einfach nicht bereit.
Mehr als diese Gedanken braucht es nicht, um mich wieder in die Realität zu holen und zur Besinnung zu bringen. Schnell folge ich Andre und in Windeseile sind wir beide angezogen, ehe ich den fälligen Betrag am Empfang begleiche. Eine Entscheidung, ob ich öfter hierher gehen soll, schiebe ich auf, denn ich will so schnell wie möglich in die Wohnung zurück.
Der Rückweg geht deutlich schneller vonstatten, während Andre und ich uns in Schweigen hüllen. Leider sorgt das auch dafür, dass meine Gedanken umso mehr kreisen können. Mir geht das, was zwischen uns beinahe geschehen wäre, nicht aus dem Kopf. Mir ist absolut klar, dass ich beinahe alles über Bord geworfen hätte, um an das zu kommen, was Andre und ich beide so sehr wollten.
Ich bin erleichtert, als wir die Wohnung erreichen, denn ich brauche dringend Tobis Nähe. Keiner versteht es besser, einen auf andere Gedanken zu bringen und das habe ich dringend nötig. Es genügt nur noch ein Funke, dann gehe ich in Flammen auf, und dann hält mich nichts mehr.
Tobi
Als der Schlüssel im Schloss der Wohnungstür gedreht wird, bin ich schon auf den Beinen. Gott sei Dank sind die beiden wieder da, mehr Trash-TV hätte ich nicht ausgehalten.
Ich laufe in den Flur und lächle, als Andre und Nico den Flur betreten. Mein Blick schweift über ihre Erscheinungen und ich kann manchmal mein Glück kaum fassen, dass die beiden zu mir gehören. Mag es auch auf Zeit sein, es ist egal, denn die beiden sind unwiderruflich in meinem Herzen.
„Hey, da seid ihr ja wieder“, sage ich und komme näher, während die beiden ihre Jacken ablegen und fein säuberlich aufhängen.
Die Schuhe haben sie draußen gelassen und sie sind darauf bedacht, keine Unordnung anzurichten, denn sie sehen sich noch einmal prüfend um, ob sie auch nichts vergessen haben. Darin sind sich Andre und Nico sehr ähnlich, während ich eher die Fahne des Chaos schwenken würde.
„Und? Habt ihr schön geschwitzt?“, grinse ich und lasse das Ganze bewusst so klingen, wie es klingt.
So bin ich eben, meine beiden Männer kennen das bereits. Allerdings hätte ich nicht mit der jetzigen Reaktion gerechnet, denn beide sehen mich ertappt an, so als hätten sie etwas getan, wovon ich besser nichts mitkriegen sollen.
„Aha, ihr hattet also ohne mich Spaß?“, hake ich nach und Nicos Gesicht wird tomatenrot.
Erwischt.
„Wir haben Sport gemacht und wir haben uns geküsst, daran ist nichts Verwerfliches“, sagt Andre seelenruhig, doch ich bin mir sicher, dass er nur die halbe Wahrheit von sich gibt.
„Hey, das ist ein freies Land, ihr könnt tun und lassen, was immer ihr wollt“, sage ich und hebe wie bei einer Kapitulation beide Hände.
Andre knurrt nur und schiebt sich an mir vorbei, um ins Badezimmer zu gehen. Nico und ich stehen allein im Flur und er kann mich kaum ansehen.
„Nico? Alles okay?“, frage ich, während ich beobachte, wie die Röte weiter an Stärke zunimmt.
Er antwortet mir nicht und ich kann es nicht lassen, ich frage nach.
„Es war mehr als nur Sport und ein paar Küsse, nicht wahr?“
Nico beißt sich auf die Unterlippe und ich habe meine Antwort. Aber ich gehe noch weiter.
„Was ist passiert? Habt ihr euch angefasst? Wart ihr nackt?“, frage ich und jedes Mal erhalte ich keine Antwort.
Doch dafür gibt mir Nicos Körper Anhaltspunkte. Sein Atem geht hörbarer als vorher, seine Hände sind ruhelos. Noch immer schafft es sein Blick nicht in mein Gesicht, aber ich zwinge ihn nun sanft mit meiner Hand dazu. Sein Gesicht sagt mir alles, was ich wissen muss und verdammt, ich wünschte, ich wäre dabei gewesen.
„Ihr hattet Sex, oder?“
„Nein!“, ruft er und ich glaube ihm.
„Dann also kein Sex. Also habt ihr euch nur berührt und geküsst. Und ich nehme an, ihr wurdet gestört, sonst würdest du nicht in diesem Zustand sein“, sage ich und streiche mit der freien Hand über Nicos Unterlippe.
Er nimmt einen geräuschvollen Atemzug und seine Augenlider flattern kurz, ehe er sich wieder zusammennimmt.
„Alles gut, ich muss nur... ich sollte-“, stammelt er und will an mir vorbei, doch ich lasse es nicht zu.
Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen und ich kann nicht anders, als ihm extra den Weg zu versperren. Zum Glück ist der Flur nicht gerade breit und hilft mir bei meinem Vorhaben.
„Tobi, lass mich bitte vorbei“, flüstert Nico, als die Tür des Badezimmers wieder aufgeht und Andre hinter uns steht.
„Ist etwas?“, dröhnt da auch schon seine tiefe Stimme und mein Grinsen vertieft sich, als ich bemerke, dass Nico die Augen schließt und sich auf die Unterlippe beißt.
Ich bin mir sogar sicher, ein kleines Keuchen gehört zu haben, und das sagt mir so einiges. Zum Beispiel, dass Nico gerade absolut geil ist und dafür bin ich vollkommen der richtige Ansprechpartner.
„Wir haben hier eine sexuelle Notsituation“, informiere ich Andre und ziehe mir in einer fließenden Bewegung schon mal mein Oberteil aus.
Ich habe da so eine Ahnung, dass ich es sowieso nicht mehr lange getragen hätte.
Andre
Anspannung liegt in der Luft und ich glaube, sie geht allein von mir aus. Eigentlich habe ich gedacht, ich hätte meine Eifersucht im Griff, doch in diesem Moment kommt sie so stark durch, dass ich die Fäuste balle. Ich weiß selbst, dass Nico scharf auf Sex ist, schließlich war ich es, der das ausgelöst hat. Nur noch ein paar ungestörte Minuten mehr in diesen Duschräumen und vielleicht hätte ich mich nicht zurückgehalten.
Lügner , berichtigt mich eine innere Stimme, der ich rechtgeben muss.
Nein, ich hätte es wohl nicht durchgezogen. Denn ich bin nicht Tobi, der sich alles trauen würde. Ich bin nicht eifersüchtig auf ihn, sondern auf seine natürliche Art, die es ganz und gar nicht plump aussehen lässt, als er seinen Pullover loswird und Nico näherkommt.
Ich bin wie erstarrt, kann mich nicht rühren, sondern nur zusehen, wie Nico reagiert.
Nico
Tobis Nähe ist anders als die, die ich vorhin bei Andre gefühlt habe. Jedoch ist sie nicht minder anregend und mein Körper sehnt sich augenblicklich nach mehr. All die Tage, die ich von Andre und Tobi getrennt war, habe ich mich selbst hingehalten und das rächt sich nun. Ich bin unberechenbar und weiß nicht einmal selbst, wie ich auf weitere Annäherungsversuche reagieren werde. Ich weiß nur, dass Tobis nackter Oberkörper mich wie ein Magnet anzieht und unwillkürlich trete ich einen Schritt auf ihn zu. Meine Hände zucken nach oben, so als ob ich Tobi anfassen wollen würde, und als mir das bewusst wird, will ich sie schnell wieder sinken lassen. Doch Tobi fängt meine Hände ab und drückt sie auf seine Brust, wo er sie festhält. Seine Wärme greift auf mich über und ein hilfloses Keuchen entkommt meinen Lippen.
„Na? Fühlt sich das gut an?“, will Tobi wissen.
Er spricht so leise, dass nur ich ihn hören kann, und ein kleiner Schauer rieselt über meinen Nacken, so als würde er mich dort ebenfalls berühren. Ich kann nicht antworten, dafür schlucke ich hörbar schwer.
„Dachte ich mir“, grinst Tobi und seine Hände rutschen über meinen Rücken nach unten, um wenig später unter mein dünnes Sweatshirt zu schlüpfen.
Mein Körper zuckt ihm entgegen, ich brauche diese Berührungen. Aber ich brauche nicht nur Tobi, sondern auch Andre, also sehe ich zu ihm.
„Andre“, sage ich, doch mir versagt die Stimme.
Tobis Hände geben mir, was ich brauche, und doch nicht genug. Ich will so viel mehr, dass ich kaum richtig denken kann. Nochmals möchte ich seinen Namen sagen, doch Tobi kommt mir zuvor.
Andre
„Wie lange willst du noch da drüben stehen wie eine Salzsäule?“
Tobi sieht herausfordernd zu mir, während seine Hände unter Nicos Oberteil verweilen. Er hat jedes Recht dazu, schließlich ist auch er in dieser Beziehung mit ihm, aber trotzdem wütet in mir die Eifersucht. Ich habe die Befürchtung, dass ich ausfällig werde, so sehr ich das auch nicht möchte. Seit einem halben Jahr sind wir in dieser Beziehung und es läuft gut. Und trotzdem kocht manchmal doch dieses Gefühl in mir hoch, welches alles zu vergiften droht.
Verdammte Eifersucht , denke ich und weiß kaum, wohin mit mir.
„Andre“, sagt nun auch Nico und er streckt eine Hand nach mir aus.
Ich kann ihm nichts abschlagen, es ist einfach nicht möglich, also zwinge ich mich, meine Beine in Bewegung zu setzen und zu Tobi und Nico hinüber zu gehen.
Sobald er seine Hand mit meiner verschränkt und mich nah an sich zieht, sodass ich mich automatisch von hinten an ihn schmiegen kann, kommt Ruhe in mein Gefühlschaos. Langsam kann ich mich beruhigen und auf das konzentrieren, was sich zwischen uns schon so lange aufgestaut hat.
Tobi
Innerlich atme ich auf, als Andre sich wieder beruhigt hat. Ich kenne ihn lange genug, um zu wissen, wann er eifersüchtig ist. Er liebt Nico so sehr, dass es ihm selbst wehtut, wenn er mir dabei zusehen muss, wie ich ihn berühre. Manchmal wünsche ich mir, er würde endlich explodieren und die Fronten klären, doch auch in dieser Hinsicht weiß ich bereits, dass Andre dafür zu rücksichtsvoll ist. Er liebt Nico zu sehr und dieser hat sich dieses Beziehungsdreieck nun einmal gewünscht, also hat Andre gar keine andere Wahl, als mitzumachen. Ich gebe zu, ich überspanne öfters den Bogen und fordere ihn heraus, aber jedes Mal wird Andre ruhiger, während in seinen Augen der Sturm tobt, der mich warnt, dass ich ein gefährliches Spiel spiele. Trotzdem kann ich es nicht lassen, denn ich wünsche ihm und Nico von Herzen alles Gute. Aber wie ich bereits erwähnte, ich kann ebenfalls nicht von dieser Beziehung lassen, dafür sind mir die beiden viel zu wichtig. Und wer weiß, vielleicht kann es auch weiterhin zu dritt klappen, auch außerhalb der sexuellen Aktivitäten, die mich nun vollkommen von meinen trüben Gedanken ablenken.
Nico
Ich ziehe Tobi und Andre ungeduldig hinter mir her ins Wohnzimmer und steuere die Liegewiese an, die ich uns mittels des ausgezogenen Sofas geschaffen habe. Mein Puls ist in Aufruhr, mein Herz flattert und mir ist so heiß, als hätte ich Fieber. Aber ich bin nicht krank, sondern will einfach nur diese sexuelle Spannung in meinem Inneren ausleben.
Als ich mich zu meinen beiden Partnern umdrehe, entdecke ich das gleiche Begehren in ihren Blicken, welches mich bereits verzehrt. Ich habe ihre Hände losgelassen, aber das stört sie nicht, denn gleich werden wir alle mehr Körperkontakt haben, als wir uns wünschen können.
Tobi lächelt und umrundet mich. Ich verfolge ihn mit meinem Blick, bleibe aber ruhig stehen. Einen Augenblick später schmiegt er sich von hinten an mich, seine Arme schlingen sich um meinen Bauch. Seine Hände ziehen spielerisch an meiner Kleidung, entkleiden mich aber noch nicht.
„Sieh nach vorn“, wispert Tobi in mein Ohr und ich tue es.
Ich sehe, wie Andre die Lücke zwischen uns schließt, sein Blick nimmt mich vollkommen gefangen. Meinen überschüssigen Speichel schlucke ich hörbar herunter und Andres Blick verfolgt die Bewegung meines Adamsapfels. Langsam überbrückt er Zentimeter für Zentimeter, bis wir uns ebenso nahe sind wie Tobi und ich.
Andre und Tobi werfen sich einen Blick zu. So „sprechen“ sie sich immer ab, so als ob eine telepathische Verbindung zwischen ihnen bestehen würde. Im gleichen Augenblick greifen ihre Hände nach dem Saum meines Sweatshirts. Mein Blick fällt nach unten, verfolgt ihre Tätigkeit und meine innere Aufregung steigt. Am liebsten möchte ich sie anbetteln, schneller zu machen, doch wenn ich diesem Drang nachgeben würde, weiß ich genau, dass sich alles nur verzögern wird. Also halte ich den Mund und lasse mich auf nervenaufreibende und langsame Art von meiner Oberbekleidung befreien.
Immer deutlicher kann ich Tobi fühlen, denn seine Wärme greift nun von Haut auf Haut über. Mit einem leisen Geräusch segelt mein Sweatshirt zu Boden, doch ich kann seine Reise nicht verfolgen, denn Andres und Tobis Hände setzen tiefer an und machen Anstalten dazu, mir auch die Hose auszuziehen.
„Wollt ihr nicht auch erst einmal etwas loswerden?“, frage ich nach und wundere mich selbst über den rauen Klang meiner Stimme.
„Wir können noch ein bisschen warten, aber du nicht“, sagt Tobi hinter mir und Andre stimmt ihm mit einem Nicken zu.
Ich habe keine Chance und so ergebe ich mich in mein Schicksal. Meine Hose gesellt sich wenig später zu Boden, aber meine Shorts darf ich noch anbehalten.
Träge streicheln Andres Hände über meinen Körper, während Tobi sanfte, aber auch forsche Küsse über meinen Nacken und die Schultern verteilt. Außer jenen Geräuschen, die wir zu dritt verursachen, ist die Wohnung still. Dadurch hört sich mein eigener Atem laut an und das macht mich noch empfindlicher. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass meine beiden Geliebten mir so nah sind und ich die Wochen zuvor sehr enthaltsam gelebt habe. Gerade der letzte Punkt rächt sich gerade ungemein, denn ich wünschte, die beiden würden schneller agieren. So sehr ich das Spiel zwischen uns mag, so bin ich gerade allein von ihrer Nähe und ihren langsamen Berührungen schon kurz davor, über jene verheißungsvolle Klippe zu springen.
Eine Berührung an meiner Hüfte lässt mich erschaudern, dann ist es Tobi, der zu Andre spricht.
„Mir scheint, Nico ist heute ein bisschen ungeduldig“, meint er und ich dementiere das nicht, schließlich ist es die Wahrheit.
„Ist das so?“, fragt Andre mich und sieht mich an.
Sein Blick geht mir bis unter die Haut und ich will ihm ausweichen, doch Andre hält mein Kinn nun fest und zwingt mich, ihn anzuschauen. Ich spüre, wie neue Röte in mein Gesicht schießt und ein hastiger Atemzug meinem Mund entkommt.
Erneut stellt Andre mir die gleiche Frage und endlich schaffe ich es, zu nicken. Sein Blick weicht nicht von mir, intensiviert sich sogar, weil er garantiert daran denken muss, was vorhin im Fitnesscenter zwischen uns geschehen ist. Ich kann es nicht wissen, aber ich wünsche mir, dass er daran denkt und direkt dort weitermacht, wo wir aufgehört haben.
„Möchtest du mehr, Nico?“, erkundigt sich Tobi aus dem Hintergrund und drückt sich sanft gegen meinen Körper, während er erneut meine Hüfte berührt.
„Ja“, murmle ich.
„Wie war das?“, fragt Tobi und beißt mir als kleine Bestrafung ins rechte Ohrläppchen.
Mein erneutes „Ja“ vermischt sich mit einem Stöhnen und ich klammere mich an Andre, was ihn unweigerlich näher zieht. Ohne Frage kann er meine Erregung spüren und hilfesuchend gebe ich Tobis Impulse an ihn weiter, indem ich mich an ihm reibe.
Andre hält mir stand und lässt mich machen, ehe er sich auf einmal zu mir herunterbeugt und meine Lippen mit seinen verschließt. Im gleichen Moment schlüpfen Tobis Finger unter den Bund meiner Unterhose und berühren sensible Haut. Überrascht keuchend öffne ich die Lippen und gebe Andre die Möglichkeit, mit seiner Zunge in meinen Mund zu tauchen.
Andre
Ungeduldig küsse ich Nico, weil ich ihn endlich wieder schmecken will. Die Küsse vorhin im Fitnesscenter haben mir nicht ausgereicht, ich brauche mehr und so bin ich dankbar, dass Tobi mir den Vortritt lässt. Meine beiden Hände streicheln Nicos Wangen, berühren sanft seinen Nacken und seinen Kopf, während ich gierig von seinen Lippen koste. Mein Herz klopft heftig in meiner Brust und ich hoffe sehr, dass es nicht allzu spürbar ist. Nico sollte besser nicht wissen, wie sehr ich ihn liebe und für mich haben will. Keinesfalls will ich ihn damit unter Druck setzen, so dass er sich zwischen Tobi und mir entscheiden muss. Ich habe dieser Dreiecksbeziehung zugestimmt und ich glaube immer noch an dieses System, auch wenn mir meine Eifersucht wie heute zu schaffen macht. Aber all das tritt in den Hintergrund, denn meine Gefühle leiten mich und geben Nico eindeutig, was er braucht. Ich kann seine Hände fühlen, die sich an mir festklammern, und seine Laute hören, die ihm entweichen, obwohl wir uns weiter küssen. Seine Hüfte bewegt sich in einem sinnlichen Rhythmus der meinen entgegen und feuert dadurch auch meine Lust an. Ich will meine Klamotten loswerden und so schiebe ich Nico von mir, um mir genügend Platz zu schaffen.
Zuerst sieht Nico mich nahezu verzweifelt an, weil er bestimmt denkt, dass ich aufhören will. Doch als er sieht, wie ich mich nach und nach entkleide, verschwindet dieser besorgte Ausdruck wieder und seine Augen hängen begehrlich an jeder meiner Bewegungen, bis ich nackt vor ihm stehe. Diese Zeit hat auch Tobi genutzt, denn er wirft seine Klamotten im gleichen Moment zu Boden. Die Zimmertemperatur scheint noch einmal um ein paar Grad zu steigen und unsere Atemgeräusche hören sich in der sonst stillen Umgebung laut an. Nur Nico trägt noch seine Unterhose und ich werfe Tobi einen auffordernden Blick zu, den er sofort richtig interpretiert.
Wir nehmen unsere alten Positionen wieder ein und schieben das letzte Kleidungsstück zu Boden. Scheinbar befreit atmet Nico auf und bewegt sich zwischen uns. Elektrisierende Impulse werden dadurch in meinem Inneren freigesetzt und ich heiße dieses Gefühl willkommen, ehe ich Nico mit meinen Händen überall berühre. Ich lasse mir Zeit, vor allem, als ich seine Erektion umfasse und sanft reibe, bis Nico leise stöhnt und auf seine Unterlippe herumkaut, um sich zurückzuhalten.
Noch einmal suche ich Tobis Blick auf und wir verständigen uns. Obwohl ich es gerne hätte, dass Nico mich in sich aufnimmt, ist es mir noch wichtiger, dass ich ihn ansehen und ihn notfalls unterstützen kann, außerdem habe ich die Befürchtung, dass meine Selbstkontrolle heute nicht die Beste ist. Daher nicke ich Tobi auffordernd zu und obwohl er kurz stutzt, lächelt er schließlich und zieht sich nochmals kurz zurück, um Gleitgel und Kondome aus einem der ausrollbaren Fächer unter dem Sofa zu holen.
Ich konzentriere mich allein auf Nico und das Steigern seiner Lust, also umschließe ich seinen Penis und reibe diesen in einem aufreizenden, intensiven Rhythmus. Ich mache kleine Pausen und lasse mich von Nicos Lauten leiten, dann ist es auch schon soweit. Tobi ist zurück und die Vorbereitungen beginnen.
Tobi
Nicos Laute sind unglaublich anregend, so wie immer. Wie sooft staune ich darüber, wie gut Andre darüber Bescheid weiß, was Nico braucht. Dadurch ist dieser bereits so entspannt, dass meine Finger leichtes Spiel haben, als ich beginne, ihn gründlich vorzubereiten. Sein Körper nimmt mich problemlos auf, trotzdem agiere ich sanft und ohne Hast. Nico schiebt sich mir ungeduldig entgegen, aber ich halte ihn an den Hüften zurück. Andre hilft mir, damit er stillhält. Wir hören ihn betteln, dass er uns beide braucht, aber ich gebe ihm nicht nach – noch nicht jedenfalls.
„Sicherheit geht vor, Nico, das weißt du doch“, hauche ich in sein Ohr und erhalte ein unglückliches Schnaufen als Antwort.
Dafür lasse ich mir extra Zeit, um das Gel in Nico zu verteilen und ihn mit meinen Fingern noch etwas mehr zu reizen. Ich sehe, wie sich Nicos Griff um Andres Oberarme immer weiter verstärkt, er versucht wirklich, sich zusammenzureißen.
„Es geht gleich los“, vertröste ich ihn und spreize beide Finger in seinem Inneren, damit er sich schon jetzt daran gewöhnen kann, gedehnt zu werden.
Nico stöhnt laut auf, krallt sich an Andre fest und schiebt sich mir gleichzeitig entgegen. Beinahe hätte ich selbst ebenfalls so einen Laut von mir gegeben, schließlich bin ich nicht immun gegen alles.
„Okay, ich bin soweit“, sage ich und ziehe meine Finger aus ihm.
Ich reibe mich noch ein letztes Mal an seiner Kehrseite, dann ziehe ich mir ein Kondom über und verschaffe mir Zugang. Es geht problemlos und Nico schiebt sich mir hingebungsvoll entgegen, wobei er es nicht schafft, leise zu sein. Ich grinse Andre zu, welcher jedoch von Nicos Anblick abgelenkt ist.
Das nächste Mal sorge ich dafür, dass Nico ausgiebig mit ihm spielt , nehme ich mir vor, dann schiebe ich mich Stück für Stück in Nicos Körper und erobere ihn mit meinem Schwanz statt meinen Fingern.
Ich presse mich an Nicos Körper, so dass ich ihm näherkommen und seinen Duft einatmen kann. Meine Arme legen sich stützend um ihn, damit Andre sich anderen Dingen widmen kann und selbst ebenfalls auf seine Kosten kommt. Das vergisst der Gute nämlich ständig, weil er so auf den Mann konzentriert ist, der sich gerade meinen Bewegungen vollkommen hingibt.
„Wenn du dich nicht darum kümmerst, wird er irgendwann noch blau und fällt ab“, sage ich frech und weise in Andres Körpermitte.
Das erinnert mich daran, dass ich dieses Prachtexemplar auch gerne mal in mir hätte, aber ich glaube, dass dieser Wunsch unerfüllt bleiben wird. Andre macht ohne Kommentar, was ich sage, wahrscheinlich, weil er ebenfalls am Limit ist und seine aufgestaute Lust die Regie übernimmt. Er kommt wieder näher heran und umschließt nun Nicos und seine Erektion mit seiner großen Hand. Anhand der Armbewegung kann ich mir ausmalen, was geschieht, zusätzlich kann ich es über Nicos Laute sehr gut hören.
Ich stoße vorsichtig in Nico hinein, genieße seine Enge, die mich umschließt und lasse zu, dass er unseren Rhythmus bestimmt. Ich gebe ihm, was er braucht und Andre führt die Massage weiter, damit wir alle an das kommen, was wir in diesem Moment herbeisehnen. Wenn etwas zwischen uns reibungslos funktioniert, dann ist es der Sex.
Niemand von uns hält noch etwas zurück, der Raum wird von unseren Lauten gefüllt und endlich finden wir alle zum Höhepunkt. Zuerst erwischt es Nico, sein heiserer Aufschrei geht mir durch und durch, während sich seine Muskeln kontrahierend um meinen Schwanz schließen und damit aus mir einen Orgasmus herausholen, der sich gewaschen hat. Andre höre ich tief aufstöhnen, was wie Musik in meinen Ohren erklingt und noch einen weiteren Schub aus mir herausholt. Ich genieße die Schwere meines Körpers und wie perfekt sich gerade alles anfühlt, ehe ich in die Wirklichkeit zurückkehren muss.
Nico schwankt zwischen uns, als ich mich aus ihm zurückziehe. Ich will ihn mit mir zum Sofa ziehen, doch Andre drückt bereits Nicos zitternden Körper an sich und übernimmt das selbst. Der altbekannte Stich ins Herz erfolgt, gefolgt von Kälte, die sich langsam in mir ausbreitet. Ich weiß, dass die beiden mich nie willentlich ausschließen würden, aber genau das passiert in diesem Moment.
Etwas unsicher auf den Beinen wanke ich ins Bad, um das Kondom im Müll zu entsorgen und mich zu säubern. Aus dem Spiegel springt mir meine eigene Eifersucht entgegen und ich vertreibe sie mit eiskaltem Wasser. Ich habe keinen Grund für Neid und Missgunst, schließlich habe ich sogar zwei Freunde und Geliebte, so viel Sex, wie ich will und eine entspannte Zeit. Aber trotzdem bleibt dieser Dorn in meinem Herzen. Denn ganz tief in mir drin wünsche ich mir, dass mich jemand mit exakt diesen Blick ansieht, mit dem Andre und Nico sich anschauen.
Frustriert stoße ich die Luft aus meinen Lungen und starre mir selbst ins Gesicht.
Nimm dich doch nicht so wichtig , sage ich mir selbst, aber trotzdem geht dieses Gefühl tief in mir drin nicht weg.
Ich seufze, befeuchte zwei Handtücher und kehre zum Wohnzimmer zurück, wo Andre und Nico auf der Liegewiese liegen. Ich reiche Andre ein Handtuch und reibe Nico mit dem anderen ab, um mich zu beschäftigen. Nico lächelt mir dankbar zu, während er sich nicht von Andres Brust wegbewegt. Doch irgendwann ist da nichts mehr zu säubern und auch Andre ist fertig. Ich will ihm das Handtuch abnehmen und mich noch einmal ins Bad flüchten, da nimmt er mir den nassen Stoff weg und wirft ihn achtlos neben das Sofa. Er schnappt sich meinen Unterarm und zieht mich zu sich. Dann liege ich auf einmal an Andres Seite, mein Kopf landet an seiner starken Brust und Nico kuschelt sich ebenfalls an mich. Eine Decke spendet uns ebensolche Wärme wie unsere aneinander gekuschelten Körper und es ist, als würden beide wissen, was in mir vorgeht.
Das schlechte Gewissen überkommt mich. Aber was kann ich für meine Gefühle? Ich kenne die Realität: Diese Beziehung wird eine Weile halten, aber irgendwann werde ich noch deutlicher spüren, dass ich das fünfte Rad am Wagen bin.
Für den Moment gebe ich Nico einen Kuss auf den Mundwinkel, schmiege mich an Andres Stärke und genieße die Nähe, die mir zuteilwird. Egal, wann es endet, ich bereue nichts.
Kapitel 2: Dienstleistung
Chris
E s ist offiziell: Ich werde alt.
Stöhnend bewege ich meine Schultern und der Schmerz schießt erneut durch meinen ganzen Rücken.
Scheiße, ich brauche dringend einen anderen Job.
Diesen Gedanken habe ich nicht zum ersten Mal, während ich aus dem Auto aussteige und mich nochmals strecke. Vielleicht sollte ich es einfach ruhiger angehen lassen, aber dafür macht mir meine Arbeit einfach viel zu viel Spaß.
Ich bin keine Memme, aber die zehn Jahre als „Möbelpacker“ - wie der Volksmund sagen würde – hinterlassen so langsam ihre Spuren. Gerade jetzt, wo die Tage lang und hell sind, scheint die Leute ein wahres Umzugsfieber befallen zu haben. Es ist zwar gut für die Kasse, aber leider will mein Körper eben nicht, wie ich will.
In leicht gebeugter Haltung, die mir aber gerade sehr angenehm ist, überquere ich die Straße und halte auf die Physiotherapie zu, die mir mein Kollege aufgeschwatzt hat. Da ich heute so gut wie gar nicht zu gebrauchen war, habe ich beschlossen, es doch einmal zu probieren. Bisher gingen die Verspannungen mit ein bisschen Wärme von selbst weg, doch dieses Mal halten sich die Schmerzen hartnäckig, dass ich kaum noch schlafen kann. Ich bin nicht im besten Zustand, doch da mein Körper irgendwie auch mein Kapital ist, kann ich es mir nicht leisten, nun wählerisch zu sein.
Ich seufze noch mal, dann mache ich die Tür auf und trete in den Eingangsbereich. Heller Parkettboden empfängt mich, sowie helle Wände mit bunten Farbklecksen darauf. Es wirkt mehr wie ein übergroßes Kinderzimmer als eine Physiotherapie und ich bin kurz ein wenig irritiert. Im Wartebereich, der aus vielen bunten Stühlen besteht, sitzt niemand und auch am Empfangstresen befindet sich kein Mensch.
Sicherheitshalber öffne ich die Tür nochmals, um mir die Öffnungszeiten anzuschauen. Ich versichere mich, dass der Laden bis neunzehn Uhr offen hat und schließe die Tür dann wieder. Unschlüssig stehe ich da und trete an den Tresen, wo ich mit den Fingern auf dem dunklen Holz herum trommle. Es ist eine nervige Angewohnheit, aber mit irgendetwas muss ich mich ja jetzt beschäftigen.
In meinem Job hat man kaum Momente, in denen man Pausen macht. Stattdessen ist man damit beschäftigt Möbel ab- und aufzubauen, schwere Sachen zu schleppen und das oft in Häusern, in denen der Aufzug so klein wie eine Sardinenbüchse ist und somit selten als Hilfe dient. Sehr oft geht etwas schief, zumindest habe ich in meiner Laufbahn noch keinen Umzug erlebt, der völlig reibungslos verlaufen ist. Meine Arbeit ist also actionreich, wenn man das so bezeichnen will, und daher fallen mir Momente, in denen ich warten muss, äußerst schwer.
Ich lasse meinen Blick schweifen und rechne mir gedanklich aus, wie lange ich brauchen würde, um diesen ganzen Eingangsbereich in Kisten und dann in einen Umzugslaster zu verfrachten, während ich das Trommeln meiner Finger nicht unterlassen kann. Ein Radio spielt leise Popmusik und ich passe meine Finger an den jeweiligen Rhythmus an, während ich weiterhin warte.
Das Geräusch einer sich öffnenden Tür unterbricht meine Selbstbeschäftigung und ich schaue in die Richtung. Eine Frau um die Vierzig in lindgrüner Uniform kommt aus einem Behandlungszimmer, zusammen mit einer anderen Frau Mitte Fünfzig.
„Vielen Dank nochmal“, sagt die leger gekleidete Frau und ich sehe ihr die Erleichterung an.
Wenn die Behandlung bei mir genauso gut anschlägt, dann immer her damit.
„Keine Ursache, Frau Baumgartner. Die nächsten Termine haben wir ja schon vorhin festgelegt, also wünsche ich Ihnen einen schönen Abend.“
„Vielen Dank, Frau Hainecke“, bedankt sich die andere und strebt auf den Ausgang zu.
Ich schaue Frau Hainecke an und mich überkommt ein Schaudern. Ich hatte auf einen Mann gehofft, der mich massieren wird, denn Frauenhände auf mir kann ich nicht leiden. Die Letzte, die mich anfassen durfte, war meine Exfreundin vor beinahe fünfzehn Jahren. Sie hat nichts Traumatisches mit mir angestellt, aber ich wusste irgendwann einfach, dass ich schwul bin und nur noch Männer an mich heranlassen wollte.
Ich überlege, wie ich der Dame freundlich verklickern kann, dass ich meinen Termin fünf Minuten vorher absagen muss, da öffnet sich eine weitere Tür und ein junger Typ auf Krücken kommt aus einem anderen Behandlungszimmer.
„Danke Mann, das fühlt sich schon jetzt besser an als zuvor“, bedankt er sich überschwänglich und ich höre eine weitere Männerstimme lachen.
„Übertreib es nicht, ich bin kein Wunderheiler“, sagt der Physiotherapeut, der durch den jüngeren Mann aber noch verdeckt wird.
Die Stimme löst etwas in mir aus und ich will unbedingt einen Blick auf ihn erhaschen.
„Sie sind der letzte Termin, Christian Keller, nicht wahr?“, fragt Frau Hainecke jetzt und reißt mich aus meinen Gedanken.
Ich lasse mir nichts anmerken und antworte.
„Genau.“
„Das war erst einmal nur ein Massagetermin“, sagt sie weiter und tippt auf einen Eintrag in ihrem handgeführten Kalender.
Ich erkenne lediglich meinen Namen, den Rest kann ich nicht entziffern.
„Genau“, lautet daher meine Antwort.
„Dann setzen Sie sich kurz in den Wartebereich, Herr König kommt dann gleich zu Ihnen“, meint sie und ich hoffe, man sieht mir meine Erleichterung nicht allzu leicht an.
Ich werde also von einem Mann behandelt und noch dazu darf ich einen Blick auf denjenigen werfen, dessen angenehme Stimme mich so neugierig gemacht hat. Diese Physiotherapie war wohl doch keine so schlechte Idee.
Tobi
Ich bin total erledigt und es fällt mir immer schwerer, mein freundliches Kundengesicht aufrecht zu erhalten. Eigentlich will ich nur noch nach Hause, aber da ist noch dieser 19-Uhr-Termin, eine halbstündige Massage, die mich vom Feierabend trennt.
Ich bleibe noch einen Moment im Behandlungsraum, um diesen entsprechend vorzubereiten, dann greife ich nach meiner Wasserflasche, die seit dem Mittag immer noch halbvoll ist. Ich weiß, ich sollte mehr auf mich achten, aber ich lasse mich sehr leicht ablenken und bin ständig in Bewegung. Außerdem habe ich nur Wasser und auf Dauer schmeckt das einfach nach nichts.
Ich desinfiziere noch eben meine Hände, dann öffne ich mit dem Ellenbogen die Tür und gehe nach vorn zum Tresen, wo meine Chefin und Freundin Isabell gerade aufräumt und sich dann ihre Sachen schnappt. Sie hat schon Feierabend, die Glückliche.
„Du hast es auch bald geschafft. Außerdem könnte ich mir für die letzte halbe Stunde eine schlimmere Gesellschaft vorstellen“, grinst sie mir zu und ich sehe zum Wartebereich, weil sie mich neugierig macht.
Sehr kurze, dunkle Haare, Dreitagebart, ein markantes Gesicht, dazu kräftige Schultern werden von mir auf den ersten Blick registriert. Mehr kann ich noch nicht sehen, da seine Jacke und seine nach vorn gebeugte Haltung, während er eine Zeitschrift durchblättert, alles andere kaschieren.
„Wow“, grinse ich und mustere den neuen Kunden interessiert.
„Denk dran, Professionalität“, mahnt mich Isabell, zwinkert mir aber zu.
„Aber natürlich. Ich werde ihn professionell und rundherum zufriedenstellen, dass er wiederkommt“, lache ich leise.
„Tobias König“, kommt es streng und ich lache noch mehr, dieses Mal etwas lauter.
Ich muss mich nicht einmal umdrehen, denn ich höre, wie eine Zeitschrift auf eine Oberfläche trifft. Außerdem spüre ich förmlich, wie sich ein Blick in mich brennt und weiß, ich habe die Aufmerksamkeit dieses neuen „Patienten“. Ich drehe mich um und gehe selbstsicher auf Christian Keller, Massageempfänger, zu. Das hier ist mein Arbeitsplatz, ich fühle mich hier wohl und sicher und das bedeutet, ich bin hier der Boss. Okay, das bin ich sowieso, so eingebildet sich das auch anhören mag.
„Guten Abend. Schön, dass Sie hierher gefunden haben“, sage ich mit einem entwaffnenden Lächeln, welches den fremden Mann völlig aus dem Konzept zu bringen scheint.
Er schaut mich an, sein Mund öffnet sich, doch kein Ton entkommt ihm. Er wischt sich in einer scheinbar unbewussten Geste beide Hände an seinen Jeans ab, dann steht er auf. Er ist größer als ich, so dass ich den Kopf ein wenig in den Nacken legen muss. Seine Schultern sind breit, ohne massig zu wirken, sein T-Shirt spannt sich über klar definierten Muskeln. Dagegen wirken seine Hüften schmal und zu gerne würde ich seinen Hintern anschauen, doch da weise ich mich selbst zurecht.
Professionalität, Tobi! , denke ich mir und stelle mich vor.
„Ich bin Tobias König und werde Ihre Massage durchführen. Keine Sorge, Sie sind bei mir in den besten Händen.“
Sorry, aber der letzte und sehr zweideutige Satz musste einfach sein.
„Christian Keller. Freut mich“, erwidert der gutaussehende Typ jetzt mit einem knappen Nicken und ich muss an Andre denken.
Ich lächle noch ein wenig mehr und bin froh, dass sich der Mann noch zu reden traut. Mir fällt auf, dass seine Haltung nach wie vor sehr gebeugt ist. Als er aufgestanden ist, ist er minimal zusammengezuckt, was mir verrät, dass er Schmerzen hat.
„Dann kümmern wir uns mal um Ihre Beschwerden“, sage ich und deute in die Richtung der Behandlungszimmer. „Folgen Sie mir.“
Ich drehe mich um, verabschiede mich von einer seufzenden Isabell und führe meinen neuen „Patienten“ in mein Behandlungszimmer.
Nachdem die Tür sich hinter uns geschlossen hat, schalte ich vollkommen in den professionellen Modus um. Dieser Mann hat Schmerzen und mein Job ist es, ihm Linderung zu verschaffen.
„Es geht um den Rücken, nicht wahr? Was machen Sie beruflich?“, will ich wissen.
Ich registriere Erstaunen, wahrscheinlich weil ich ohne sein Zutun schon weiß, worum es geht.
„Der Volksmund nennt es Möbelpacker“, meint er und ich weiß Bescheid.
„Also viel Heben und Anpacken, ja?“, frage ich nach und höchst unwillkommene Bilder entstehen in meinem Kopf, wo diese Tätigkeiten auch eine große Rolle spielen.
Professionalität , mahne ich mich erneut und verziehe keine Miene.
„Genau“, bestätigt Christian und ich nicke.
„Ich würde kurz ein paar Punkte untersuchen. Das kann eventuell wehtun, aber ich muss wissen, womit wir es zu tun haben“, sage ich. „Würden Sie die Jacke ausziehen?“
Er tut, was ich sage und ich gehe um ihn herum, um an seinen Rücken zu kommen. Ich drücke mit zwei Fingern auf seine Haut und die Muskeln. Er zuckt mehrfach zusammen, lässt es aber nicht zu, dass ein Schmerzenslaut über seine Lippen kommt. Christian ist sehr diszipliniert oder er schleppt die Schmerzen schon eine Weile mit sich herum.
„Sagen Sie mir bitte auf einer Skala von 1 bis 10 wie stark die Schmerzen sind, okay?“, weise ich ihn an und drücke erneut die Finger in seine Muskelgruppen.
Ich beginne knapp oberhalb seines Hosenbundes und erhalte eine „5“ als Antwort. Ich wandere weiter nach oben und erhalte durchgängig Ergebnisse im Bereich von 5-7. Erst als ich im Schulter- und Nackenbereich ankomme, steigern sich die Werte und die Muskeln verhärten sich sogar noch mehr, als ich sie mit meinen Fingern ertaste.
„12“, gibt Christian gequält von sich und ich bemerke, dass seine Hände sich zu Fäusten geformt haben.
„In Ordnung, ich weiß Bescheid. Aber das ist nicht mit einer Sitzung getan, das kann ich Ihnen jetzt schon sagen“, meine ich. „Ziehen Sie das T-Shirt aus und legen Sie sich hin, ich bin gleich wieder da.“
Damit lasse ich von ihm ab und verlasse leise den Raum, um mir Massageöl zu holen, an welches ich vorhin nicht gedacht habe. Zu meinem Glück, denn ich brauche eine kleine Atempause. Als ich wieder zurückkomme, liegt Christian oberkörperfrei auf der Liege und ich bin froh, dass er meinen Gesichtsausdruck nicht sehen kann.
Seine Haut ist gebräunt, was dafürspricht, dass er sich viel draußen aufhält. Seine Arbeit hat ihm definierte Muskeln geschenkt und ich denke, er hält sich auch anderweitig fit. Sein Körper ist echt die reinste Augenweide und ich muss mich wirklich zusammenreißen. Ein drittes Mal mahne ich mich an diesem Abend zur Professionalität und konzentriere mich vollkommen auf meinen Job.
Chris
„Bereit?“, spricht mich Tobias König an und ich gebe ein zustimmendes Murmeln von mir.
Das Liegen ist unbequem, aber da sich dieser Zustand auch im Stehen oder Sitzen so anfühlt, arrangiere ich mich irgendwie damit. Ich konzentriere mich auf den Bezug der Liegefläche, der sich weich anfühlt, um mich abzulenken, aber so ganz funktioniert das nicht.
Der Grund? Tobias König ist heiß und mir fällt es schwer, ihn jetzt nicht anzuflirten. Es war wie eine Offenbarung, als er vor mir stand, dass sich meine Knie davon immer noch ganz weich anfühlen. Das ist nicht ganz unproblematisch, schließlich geht es hier um eine Dienstleistung. Wenn das nicht der Fall wäre, hätte ich Tobias König sofort um ein Date gebeten.
Ein Geräusch entsteht, als er auf den Spender drückt, um sich Massageöl auf die Hände zu geben. Impulse zucken bis in meinen Schwanz, weil das meine Fantasie nur noch weiter beflügelt. Ich beiße mir auf die Unterlippe und versuche, an spielende Welpen zu denken, doch genau da legen sich die Hände dieses verflucht heißen Mannes auf meine Haut.
Zuerst fühle ich Wärme und Erregung, doch beides wird von ziemlich viel Schmerz abgelöst, der alles abtötet. Es erinnert mich nochmals daran, dass das hier eine Dienstleistung ist, die nur dazu dient, dass meine Verspannungen erträglicher werden. Das hier hat nichts mit Sex zu tun und sollte es auch nicht.
„Ich weiß, es ist unangenehm, aber bitte entspannen Sie sich.“
Ich hole tief Luft und versuche es, aber die Schmerzen strahlen durch meinen gesamten Rücken, während die fremden Hände mich durchkneten wie Brötchenteig. Ich verkrampfe mich immer wieder, aber zusammen mit sanften Entspannungsaufforderungen schaffe ich es, irgendwann einigermaßen ruhig auf der Liege zu verweilen. Den Schmerz atme ich weg, auch wenn mir ab und zu doch mal ein kleiner Laut entfleucht, wenn es zu viel ist.
Die halbe Stunde Behandlungszeit geht herum wie nichts und ich bin danach ziemlich verschwitzt, während ich das Aroma des Massageöls verströme wie ein ausgelaufener Duftspender.
„Damit wären wir am Ende. Ich empfehle, dass Sie wiederkommen“, merkt Tobias an, der jetzt seine Hände von mir nimmt und zum Waschbecken geht, um sich die ölige Konsistenz wegzuwaschen.
Ich wünschte, ich könnte das auch, aber hier wird es wohl keine Dusche geben.
„Sollte ich, ja“, sage ich und greife nach meinem T-Shirt.
Ich bin total erledigt, obwohl ich eigentlich nur daliegen und mich entspannen musste. Dagegen wirkt Tobias König taufrisch und sieht dazu noch genauso attraktiv aus wie zu Beginn.
„Wenn Sie zwei Mal in der Woche kommen, hätten wir eine Regelmäßigkeit drin, so dass die Blockaden nicht mehr so häufig kommen können. Aber Sie sollten auch über eine Rückenschule nachdenken und dass Sie sich auf Arbeit etwas schonen“, erhalte ich sogleich diverse Ratschläge.
„Okay. Ich nehme mir ab jetzt nur noch leichte Sachen vor wie Kissen oder das Kabel einer Stehlampe“, grinse ich und Tobias König lacht.
„Ich verstehe, dass das schwierig ist, aber wenn Sie Ihren Job weiter ausführen wollen, sollten Sie darüber nachdenken, wenigstens zeitweise zurückzustecken. Wollen wir gleich weitere Termine ausmachen?“, fragt er dann und ich nicke.
Ich ziehe mich an und folge Tobias zum Tresen, wo er sogleich in den Kalender schaut.
„Hm“, meint er gedehnt und kaut dabei auf seiner Unterlippe herum.
Jetzt, da die Schmerzen nicht mehr so beträchtlich sind, übernimmt die Erregung wieder und ich hoffe, man sieht es mir nicht allzu sehr an.
„Ich bin leider völlig ausgebucht. Wir können die Termine höchstens so legen wie heute.“
„Ist das denn in Ordnung?“, hake ich nach, schließlich hat die Physiotherapie ja nur bis 19 Uhr auf, doch Tobias König winkt ab.
„Das ist kein Problem.“
„Okay“, meine ich kurzentschlossen. „Dann machen wir das so.“
„Gut, dann sehen wir uns zwei Mal wöchentlich, Dienstag und Donnerstag. Sie sollten bei Ihrem Hausarzt vorsprechen, vielleicht bekommen Sie ein Rezept. Ansonsten kostet die Massage jeweils 15 Euro“, gibt er zu bedenken.
„Ich sehe, was ich tun kann“, meine ich, schließlich sind meine Arbeitszeiten nicht sehr flexibel, da ich in einem Umzugsunternehmen mit wenigen Kollegen arbeite.
Ich bezahle, was ich schuldig bin und nehme eine Karte entgegen, auf welcher meine nächsten Termine stehen.
„Danke“, lächelt Tobias und ich nicke, weil mir keine passende Erwiderung einfällt.
Wenn er mich so anlächelt, strahlt sein ganzes Gesicht. Ob er das bei jedem so macht, so als eine Art „Kundenlächeln“? Aber so wie sich Fältchen um seine Augen und seinen Mund bilden, kann das kein Fake sein.
„Dann bis Donnerstag und schön vorsichtig sein mit den Kissen und Stehlampenkabeln“, lacht er und ich grinse zurück.
Kurz überlege ich, es zu riskieren und ihn um eine Verabredung zu bitten, lasse es schlussendlich aber doch bleiben. Leicht fällt mir das nicht, aber ich weiß um die Grenzen, die man besser einhalten sollte. Also gehe ich stattdessen und freue mich lieber auf den nächsten Termin.
Tobi
Mein Blick klebt viel zu lange an Christian Kellers Arsch, das ist mir bewusst. Aber meine Güte, er hat auch ein echtes Prachtexemplar vorzuweisen.
Als die Tür hinter ihm zugeht, muss ich mich notgedrungen losreißen und das ist auch gut so, denn der Feierabend ruft. Ich checke noch alle Räume, um zu vermeiden, dass Fenster offenstehen. Doch alles, was ich machen muss, ist, die Liege abzuziehen und das Massageöl wegzustellen. Ich desinfiziere noch alles, dann knipse ich überall das Licht aus und schließe wenig später die Tür ab.
Feierabend - nun aber wirklich.
Ich mache mich schnellstens auf den Weg nach Hause, denn heute ist Familienessen angesagt. Bestimmt warten meine Geschwister schon sehnsüchtig auf mich und auch ich kann es kaum erwarten, sie zu sehen.
***
„Da bist du ja endlich!“, ruft mir Michelle schon entgegen, was mich breit grinsen lässt.
Sie ist die Ungeduldigste von uns allen und kommt mir nun auch entgegen, um mich zu umarmen.
„Hey Schwesterherz“, lache ich und umarme sie zurück, ehe Anthony merklich ruhiger aus der Küche geschlendert kommt.
Er hebt die Hand, nickt und dreht sich wieder um. Ich sehe zu, wie er zurück in die Küche schlendert und muss daran denken, wie viele Sorgen ich mir um diese merkwürdige stille Art gemacht habe, als er noch jünger war.
Schlusslicht ist Kate, welche heute frisch aus Australien eingetroffen ist. Ein halbes Jahr ist es her, dass ich sie zuletzt direkt gesehen habe und nicht nur über Skype. Mir wollen Tränen in die Augen steigen, so sehr habe ich sie vermisst. Da ich aber weiß, dass sie das hasst, bekämpfe ich diesen Drang und schließe sie ebenfalls nur fest in meine Arme.
„Schön, dass du wieder da bist“, sage ich und sie umarmt mich ebenfalls mit sehr viel Kraft.
Gemeinsam gehen wir in die Küche, wo mich ein echtes Festessen erwartet. Da ich meistens sehr spät von Arbeit komme, genügt es mir oft, etwas aus einem Imbiss zu holen oder kommen zu lassen. Daher freue ich mich, wenn es Donnerstag ist und wir uns alle gemeinsam am Esstisch versammeln. Meistens kocht Anthony und wie es nun mal so ist als vorbildlicher Medizinstudent kocht er selbst und penibel nach Rezept.
Wir setzen uns und Michelle erzählt sofort von den skurrilen Gestalten, die zu ihr ins Nagelstudio kommen. Heute war ein Mann bei ihr, der sehr viele Sonderwünsche hatte und ich weiß, wie sehr Michelle so etwas hasst. Sie liebt ihre künstlerische Freiheit und nichts engt sie mehr ein als strenge Vorgaben. Dieser Kunde muss ein Sonderexemplar an Exzentrik gewesen sein, aber ich bin stolz auf sie, dass sie nach ihren Aussagen ruhig geblieben ist.
Anthony hüllt sich wie immer in Schweigen, aber ich kenne ihn nicht anders. Er äußert sich nur dann, wenn es um wissenschaftliche Themen oder die neuesten Blockbuster geht, ansonsten kann er nur schwer aus seiner Haut. Aber manchmal wirft er mir einen Blick zu und ich weiß instinktiv, was er denkt, einfach weil wir eine Familie sind oder Männer oder was auch immer dafür sorgt, dass wir uns ohne Worte verstehen können, während Michelle und Kate immerzu reden, so wie jetzt auch.
Kate unterbricht irgendwann Michelles nicht endenden Redeschwall, um von Australien zu erzählen. Sie hat auch Bilder mit, die sie uns nachher als Diashow auf dem Laptop zeigen will und ich bin neugierig, was wir wohl zu sehen bekommen werden.
„Und was war bei dir los?“, fragt mich Michelle und alle sehen mich erwartungsvoll an.
Ich grinse, denn ich weiß, was sie wollen.
„Ich war auf Arbeit und nein, ich hatte kein heißes Date. Ich möchte außerdem mal wissen, was euch das angeht? Ich bin euer Sorgeberechtigter, wenn dann müsste ich euch fragen, was sich bei euch an der Liebesfront getan hat.“
Michelle schaut Kate an und imitiert ein sehr überzeugendes Würggeräusch.
„Er hat wirklich Liebesfront gesagt, oder? Wie uncool“, meint sie und ich lache.
„Wir machen uns doch nur Sorgen um dich“, meint Kate und Anthony nickt bekräftigend.
Dass er sich mit in diese Diskussion einklinkt, finde ich bemerkenswert. Es lässt mich sogar aufhorchen, denn er mischt sich sonst nie ein.
„Wieso ist euch das so wichtig?“, frage ich verwundert.
„Du bist die meiste Zeit der Woche allein, du bist nur am Arbeiten und diese Dreiecksbeziehung geht doch auf Dauer auch nicht so weiter. Du brauchst jemanden in deiner Nähe und nicht nur alle drei Wochenenden deinen Spaß“, fasst Michelle zusammen und angespannte Stille legt sich über den Tisch.
Okay, das muss ich erst einmal verdauen.
Nico und Andre sind die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben, natürlich neben meiner Familie. Ich habe meinen Geschwistern davon erzählt, weil ich offen und ehrlich zu ihnen sein wollte. Außerdem fällt es natürlich auf, wenn ich alle drei Wochenenden zu Nicos Wohnung fahre, wo sich unsere Beziehung meistens abspielt.
„Du sagtest doch, dass die beiden wie ein Herz und eine Seele sind. Wo bleibst du denn dann?“, sagt Michelle weiter und erinnert mich daran, woran ich am liebsten nicht denken möchte.
„Ich bin mit den beiden in einer Beziehung und wir telefonieren sehr oft. Es ist wie eine Fernbeziehung und alle drei Wochen sehen wir uns persönlich. Also wo liegt das Problem?“, frage ich lächelnd, obwohl ich gar nicht lächeln will.
Aber man kann dahinter so viele Gefühle verstecken, weswegen es wohl über die Jahre meine Allzweckwaffe geworden ist.
„Tobi, du bist doch nicht so jemand. Du brauchst jemanden, der für dich da ist und in deiner Wohnung auf dich wartet. Du brauchst jemanden, der für dich kocht oder mit dir auf dem Sofa abhängt. Du bist nicht gemacht für eine Fernbeziehung“, wirft Michelle erneut ein.
„Woher willst du das wissen?“, seufze ich und reibe mir mit einer Hand über die Stirn. „Ich empfinde sehr viel für die beiden.“
„Aber du hast nie gesagt, dass du sie liebst“, weist mich Kate sanft auf meinen Fehler hin.
Ich beiße mir auf die Unterlippe und schon wieder sind da diese hässlichen Gedanken. Es stimmt, ich habe nie gesagt, dass ich die beiden liebe, weil ich es nicht kann. Zu groß ist die Angst, am Ende derjenige zu sein, der am meisten verletzt wird. Ich weiß, dass dieses Ende unausweichlich ist, aber ich habe keine Ahnung, wie ich das zwischen Nico, Andre und mir beenden kann. Ich will es auch gar nicht, denn ich will die beiden nicht verlieren. Gleichzeitig ist da die Befürchtung, dass es nicht mehr so sein wird wie zuvor, denn wir drei waren nie befreundet, sondern sind sofort von Bekanntschaft zu Beziehung gesprungen. Möglicherweise können wir nicht einmal befreundet sein, daher setze ich keinen Schlussstrich. Zu groß ist die Befürchtung, dass wir uns danach nicht viel zu sagen haben, aber damit will ich mich nicht beschäftigen.
Außerdem, Liebe? Was ist das heutzutage schon? , denke ich grüblerisch.
Ich glaube, ich war noch nie wirklich verliebt, zumindest kommt mir das so vor, wenn ich Andre und Nico zusammen erlebe. Natürlich empfinde ich viel für die beiden, aber ich kann nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass ich sie von ganzen Herzen liebe. Ich empfinde mich selbst in diesen Dingen so halbgar, denn irgendwie schaffe ich es nie, voll und ganz meine Gefühle auf etwas zu richten. Es wäre ein Leichtes, die Beziehung zu Nico zu vertiefen, indem ich einfach umziehe, damit ich näher bei ihm wohne, aber es kommt mir Andre gegenüber unfair vor. Außerdem spielt sich mein Leben hier bei meinen Geschwistern ab, die zwar erwachsen sind, aber nur mich haben, denn ansonsten gibt es niemanden mehr aus unserer Familie.
Unsere Eltern waren beide drogenabhängig. Sie waren herzensgute Menschen und haben jeden von uns geliebt, aber irgendwann war die Sucht stärker als sie. Sie sind gemeinsam gestorben, kurz nach meinem 18. Geburtstag. Anthony fand die beiden an einem Morgen Arm in Arm, sie umklammerten einander genauso fest wie ihre Hände die Heroinspritzen. Auf eine skurrile Art und Weise finde ich den Gedanken tröstlich, dass sie einander ebenso gebraucht haben müssen wie die Drogen. Andererseits hasse ich sie dafür, dass sie meine Geschwister und mich allein gelassen haben. Dass ich ab da als Mutter und Vater herhalten musste, mache ich ihnen allerdings nicht zum Vorwurf, denn ich liebe meine Geschwister über alles und auch wenn die Zeiten danach nicht leicht waren, ich will sie nicht missen. Sie haben aus mir das gemacht, was ich heute bin. Und im Gegensatz zum Konzept Liebe verstehe ich die Bezeichnungen „Zusammengehörigkeit“ und „Familie“ vollkommen. Mit Überzeugung kann ich sagen, dass ich meine Geschwister liebe, da gibt es kein Wenn und Aber und auch kein Vielleicht.
„Ich weiß, ihr macht euch Sorgen, aber ich bin glücklich in dieser Beziehung und ich bin nicht allein. Ich habe ja noch euch“, meine ich sanft und Anthony, Kate und Michelle lächeln mir zu.
Danach ist das Thema zum Glück vom Tisch, denn Kate will endlich ihre Bilder zeigen. Sie berichtet uns von ihrem Leben in Australien und dass sie wieder dorthin zurück möchte, um dort zu studieren. Was, weiß sie noch nicht, aber sie ist fest entschlossen, es herauszufinden. Ich freue mich für meine jüngste Schwester und werde ihr beizustehen, bis auch sie das gefunden hat, wofür sie brennt. Dass meine Geschwister glücklich sind, hat für mich oberste Priorität, da stelle ich mich gerne hinten an.
Nachdem Kate ihre Ausführungen beendet hat, ist es schon sehr spät. Ich verabschiede mich von allen und hoffe die Krise von vorhin umschifft zu haben. Doch nach Anthonys Handschlag und der liebevollen Umarmung Kates ist Michelle an der Reihe. Sie umarmt mich fest und dann sagt sie etwas leise in mein Ohr, so dass nur ich es hören kann.
„Ich finde jemanden für dich, verlass dich drauf.“
Als alle drei gegangen sind, will ich einfach nur noch schlafen und nicht mehr an Michelles „Drohung“ denken. Soweit kommt es noch, dass meine kleine Schwester mir einen Kerl anschleppt.
Kapitel 3: Der ganz normale Wahnsinn
Chris
A uf dem Weg zum nächsten Umzug gönne ich mir erst einmal einen Kaffee. Zum Glück muss ich nicht fahren, denn ich bin viel zu müde und unkonzentriert dazu. Die Massage von gestern hat mich ziemlich geschafft und ich bin nach einer Dusche gleich ins Bett gefallen. Gefühlt waren es jedoch nur zehn Minuten Schlaf und meine Muskeln verarbeiten noch immer die Eindrücke. Die Arbeit wird heute auf alle Fälle spaßig.
„Du hängst ja ganz schön durch, Chrissy. Heiße Nacht gehabt?“, vermeldet mein Kollege Kai neben mir und haut mir kumpelhaft auf die Schulter.
Au.
„Selbst wenn, ginge es dich nichts an“, knurre ich übellaunig und kann mich nur knapp zurückhalten, ihm den Kaffee ins Gesicht zu schütten.
„Hui, wohl eher abgeblitzt“, lacht Micha, ein anderer Kollege auf dem Beifahrersitz und ich stelle mir vor, wie ich nun ihm meinen Kaffee in den Nacken kippe.
Leider ist nicht mehr viel in meinem Pappbecher und außerdem ist der Inhalt auch viel zu schade. Ich muss wachwerden und kann meine Energie nicht auf die Foppereien meiner Kollegen verschwenden.
„Klappe halten“, gebe ich von mir und ignoriere weitere Kommentare einfach.
Die anderen wissen, dass ich schwul bin und machen gerne mal einen Spaß auf meine Kosten. Normalerweise bin ich nicht um einen Spruch verlegen, aber ich fühle mich immer noch wie gerädert. Ich hatte schon einmal Behandlungen dieser Art und weiß, dass es nicht ungewöhnlich ist, aber genervt bin ich trotzdem. Ich bin froh, dass der nächste Termin am Donnerstag ist und mich dann eventuell etwas Besserung erwartet. Auch ich selbst war nicht untätig, denn ich habe mir Rückenübungen aus dem Internet herausgesucht, die ich seit heute Morgen in meinen Tagesablauf integrieren will. Ich mag meinen Job nun mal und will ihn noch eine ganze Weile lang ausüben.
Unser Transporter hält vor einem Mehrfamilienhaus, wo zum Glück genug Platz ist. Wir sollen eine Wohnung ausräumen und der größte unserer Transporter wurde bestellt. Das heißt, es gibt sehr viel Kram, den wir von A nach B tragen müssen und ich verabschiede mich gedanklich von Tobias Königs Ratschlag, es ruhig angehen zu lassen. Stattdessen erklimmen meine Kollegen und ich die Treppen zum obersten Stock, wo uns die Besitzer der Wohnung schon erwarten. Wie befürchtet hat das junge Paar sehr viele Sachen angehäuft und scheint überfordert zu sein. Sie haben nicht einmal Kisten vorbereitet, auch das ist anscheinend unsere Aufgabe, obwohl das nicht im Auftrag angegeben war. Das kostet definitiv extra, aber gemacht werden muss es trotzdem.
Meine Kollegen und ich gehen an die Arbeit. Im Akkord verpacken Micha und ich Kisten, ehe wir sie nach unten tragen, wobei uns die Wohnungseigentümer sogar helfen. Kai und Jörn schleppen schon einmal die leichteren Sachen nach unten. Für den Schluss haben wir uns die Möbel vorgenommen, die sich nicht auseinanderbauen lassen. Meine Kollegen und ich sind ein eingespieltes Team und wir ackern ohne Pause, bis auch das letzte Hausratsstück im Transporter verladen und zum neuen Bestimmungsort gebracht wurde. Insgesamt müssen wir trotzdem drei Mal fahren, doch zum Glück ist die neue Wohnung nur ein paar Blocks entfernt von hier.
Der Umzug dauert dennoch länger, als es beanstandet war und ich sehe kritisch auf meine Uhr. Wir haben einen weiteren Auftrag, der ebenfalls im gleichen Viertel ist.
„Sagen wir den zweiten Auftrag ab?“, fragt Micha, als wir eine kleine Pause machen.
„Das können wir nicht, das ist dieser Firmenauftrag. Wenn wir den canceln, springen die komplett ab. Die haben gesagt, dass es sehr dringend wäre, das Ganze muss heute laufen“, wehrt Jörn sofort ab und auch ich will ungern einen Auftraggeber verlieren.
„Machen wir eine kurze Bestandsaufnahme. Wir müssen nur noch die schweren Möbel hochtragen und noch ein paar Aufbauarbeiten machen. Das heißt, der Wagen wird nicht gebraucht, also können zwei von uns schon zum nächsten Auftrag, während der Rest hierbleibt. Wäre das eine Möglichkeit?“, schlage ich vor.
Gemeinsam wägen wir die Vor- und Nachteile ab, doch am Ende bleiben Micha und Kai, um dem überforderten Paar zu helfen, während Jörn und ich uns den Transporter schnappen, um zum nächsten Auftrag zu fahren. Mein Körper schmerzt wie Hölle und ich beschließe, die Rückenübungen zu vertagen, bis ich wieder auf dem Damm bin.
„Das hätten die uns sagen müssen. Ich hatte mich auf eine ausgiebige Mittagspause gefreut“, murrt Jörn neben mir auf dem Beifahrersitz, während ich uns sicher von A nach B bringe.
„Wahrscheinlich war es der erste Umzug. Beim nächsten Mal wissen sie es besser und werden uns hoffentlich wieder engagieren“, meine ich und spanne verschiedene Körperpartien an.
Während Jörn und ich unserem Ziel näherkommen, muss ich verstärkt an Tobias König denken, der meinem verspannten und schmerzenden Körper jetzt gewiss etwas Gutes tun könnte. Doch leider ist er nicht hier und ich habe noch einen ganzen Tag zu bewältigen, ehe ich wieder auf seine Behandlungsliege darf. Bis dahin heißt es anpacken und das nicht zu knapp.
Ich seufze und erhalte dafür Jörns Aufmerksamkeit.
„Das war ja mal ein abgrundtiefes Seufzen. Hatte Micha Recht und du hast eine Abfuhr kassiert?“, fragt er lauernd und ich werfe ihm einen kurzen, spöttischen Blick zu.
„Du meinst so wie du bei dieser Rothaarigen letztes Mal, die dir ihren Mai Tai ins Gesicht geschüttet hat?“
„Sie stand auf mich. Das war ihre Art der Zustimmung“, grinst Jörn mir zu und ich gebe ein belustigtes Geräusch von mir.
„Träum weiter.“
„Tu ich. Ich hoffe, ich sehe sie wieder, vielleicht gibt sie mir eine zweite Chance, wenn ich mich für das letzte Mal entschuldige. Mein Spruch war etwas daneben, das wurde mir fünf Sekunden später klar, nachdem ich ihn ausgesprochen hatte.“
„Als du den Drink im Gesicht hattest?“
„Ja, so kann man das sagen“, gibt Jörn zu und ich bewundere seine Hartnäckigkeit, ebenso wie ich glaube, dass er sich damit irgendwann gehörig in die Bredouille bringen wird.
„Und jetzt erzähl mir von deiner Abfuhr.“
Ich seufze erneut.
„Es gibt keine Abfuhr. Aber...“
Ich zögere und Jörn grinst breit.
„Aber?“
„Na ja, ich habe es nicht mal versucht“, gebe ich zu.
„Wieso? Was hat dich abgehalten?“
„Nun... er ist mein Physiotherapeut. Und ich weiß nicht mal, ob er schwul ist. Zwar strahlt er dieses gewisse Etwas aus, aber es wäre unangenehm, wenn ich falschliege. Ich lasse es bleiben... zumindest solange, bis ich nicht mehr bei ihm in Behandlung bin“, spreche ich ehrlich aus, was ich denke.
Innerlich zucke ich zusammen, schließlich kenne ich Tobias König erst seit gestern und das auch nur aufgrund einer Dienstleistung. Aber seine Stimme, seine Hände auf meiner Haut und überhaupt sein gesamtes lockeres Auftreten gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Solche Momente gibt es nicht oft im Leben und ich bin entschlossen, meine Chance zu ergreifen, egal wie winzig sie ist.
„Na dann viel Erfolg uns beiden“, grinst Jörn und wir stoßen mit imaginären Flaschen an.
Tobi
Ich erwische mich selbst dabei, wie ich Herrn Fanders auf den Hintern starre und ihn mit dem von Christian Keller vergleiche. Herr Fanders ist Sportlehrer und sehr gut trainiert und trotzdem finde ich Christian Kellers Arsch wesentlich heißer. Ich bin wirklich kein Vorbild in Sachen Professionalität, wie ich zu meiner eigenen Schande gestehen muss. Schnell lenke ich mich damit ab, die Behandlungskartei zu aktualisieren und dabei gleich nachzusehen, wer mein nächster Kunde ist. Natürlich handelt es sich dabei nicht um Christian Keller, denn der kommt erst morgen wieder. Sehr gerne würde ich die Zeit vorwärts drehen, denn die halbe Stunde mit ihm war sehr unterhaltsam. Ich grinse bei der Erinnerung und schüttle dann über mich selbst den Kopf.
Der letzte Kunde ist Herr Anders, mit dem ich über Schach philosophiere, während ich ihm den Arm massiere. Er hat sich vor ein paar Wochen den Ellenbogen gebrochen und nachdem der Gips ab war, kam er sofort zu uns in die Praxis, um sich von uns behandeln zu lassen. Die Zeit mit ihm ist angenehm. Diese Kunden sind mir die liebsten, denn eine ungezwungene Unterhaltung erleichtert mir die Arbeit und zeigt mir, dass sich die Leute bei mir wohlfühlen. Es war schon immer klar, dass ich etwas machen würde, wobei ich Menschen helfen kann und genau das tue ich trotz meines holprigen Berufsstarts inklusive der Versorgung meiner Geschwister. Ich kann zufrieden und stolz auf mich sein und das sage ich mir jeden Tag.
Nach der Behandlung mache ich pünktlich Schluss und auf dem Heimweg ist nicht viel los. Ich könnte überpünktlich Zuhause sein, doch als ich den Wagen geparkt habe, greife ich stattdessen zum Handy, um Nico anzurufen. Andre ist noch auf Arbeit, daher spare ich ihn aus, zudem wird Nico ihm sowieso alles erzählen. Wir haben keinerlei Geheimnisse voreinander, außer der Tatsache, dass ich mich nicht mehr hundertprozentig in diese Beziehung einbringe, so wie es die beiden tun. Ich bin sicher, sie werden mir von allein auf die Schliche kommen, aber bis dahin will ich, dass sich nichts ändert. Bis Andre endlich die Eier hat und Nico für sich selbst beansprucht, werde ich dieses Dreiergespann aufrechterhalten, denn bei den beiden bekomme ich, was ich brauche, auch wenn es nicht exklusiv für mich allein gedacht ist. Ich kann es kaum erwarten, bis die zweieinhalb Wochen bis zu unserem nächsten Wiedersehen herum sind.
„Hallo Tobi“, dringt Nicos angenehme, ruhige Stimme zu mir.
„Hey“, grüße ich und ertappe mich bei einem breiten Lächeln. „Wie geht es dir, Nico?“
„Ich bin so froh, dass du anrufst, denn dann bin ich zu einer Pause gezwungen.“
Nico studiert Erwachsenenpädagogik und steckt zurzeit mitten in den Vorprüfungen. Ich weiß, ich sollte ihn nicht ablenken, aber ich muss einfach seine Stimme hören.
„Pausen sind sehr wichtig, lass dir das von mir gesagt sein“, meine ich.
„Das ist mir bewusst, keine Sorge. Ich bin froh, wenn die Prüfungen endlich rum sind und ihr beide bei mir seid“, sagt Nico seufzend.
„Ich könnte dieses Wochenende schon vorbeikommen“, meine ich lockend, doch ich weiß natürlich, wie die Antwort darauf lauten wird.
„Tobi, halte dich an die Regeln“, mahnt Nico da auch schon und dieses Mal gebe ich ein Seufzen von mir.
„Schon gut, schon gut. Aber jedes Mal drei Wochen lang auf Durststrecke zu leben, ist schon echt hart. So langsam finde ich sogar das Skelett in unserer Praxis sexuell anregend.“
Nico lacht und ich lache mit ihm. Diese Momente sind es, die mich an dieser Beziehung festhalten lassen. Ich fühle mich wohl mit Nico und Andre, ich genieße es, wie sie sich auch um mich kümmern und wie ich mich um sie kümmern kann. Diese Verbindung zwischen uns ist etwas Besonderes und obwohl ich in den wochenlangen Pausen nicht auf meine Kosten komme, so weiß ich, dass es die Warterei wert ist. Die Wochenenden mit Andre und Nico möchte ich nicht hergeben und auch nicht gegen eine Partnerschaft mit jemand anderem eintauschen, egal wie einsam ich mich manchmal auch fühle, wenn ich fast jede Nacht allein in meinem Bett liege.
Nico und ich reden noch eine Weile über Unverfängliches und seine Stimme erdet mich. Nach dem Gespräch geht es mir merklich besser und ich fühle mich ruhiger, so dass ich die Hoffnung habe, die nächsten Wochen unbeschadet zu überstehen. Doch dieses Vertrauen wird einige Augenblicke später gefährlich ins Wanken gebracht, denn auf der Treppe unseres Wohnhauses kommt mir ein Typ entgegen, der mich mustert, dann erschrickt und dann mit gesenktem Kopf an mir vorbeirennt, als wären sämtliche Dämonen der Hölle hinter ihm her. Verwirrt sehe ich ihm nach, dann schüttle ich den Kopf und mache mich auf zu meinen Geschwistern.
„Und ich dachte, er wäre so perfekt für Tobi“, empfängt mich Michelles Stimme.
„Das war einfach nur ein Idiot“, seufzt Kate und ich betrete das Wohnzimmer, wo alle versammelt sitzen.
„Wer war einfach nur ein Idiot?“, frage ich und ertappt zucken alle zusammen.
Angespanntes Schweigen entsteht, ehe Anthony und Kate zu Michelle sehen. Sie stöhnt frustriert auf und verschränkt die Arme vor der Brust, ehe sie mich stur anschaut.
„Eben war der erste potenzielle Kandidat für dich da. Aber nachdem wir ihn auf Herz und Nieren geprüft hatten, ist uns aufgefallen, was für ein Langweiler er war“, sagt sie.
Ich brauche einen Moment, um diese Nachricht zu verarbeiten. Da fällt mir ein, dass sie angedroht hatte, einen Mann für mich zu finden.
„Das ist nicht dein Ernst. Ich dachte, das war damals ein Scherz“, sage ich entsetzt.
Michelle übergeht meinen Kommentar und redet unbeeindruckt weiter.
„Aber keine Sorge, es haben sich genügend Männer auf das Datingprofil gemeldet, die dich kennenlernen wollen. Natürlich werde ich sie vorher eingehend prüfen und nur die geeignetsten hierher einladen. Das eben war mir eine Lehre“, sagt sie und scheint vollkommen überzeugt.
Aber Moment, sagte sie gerade-
„Du hast ein Datingprofil erstellt?!“
Meine Geschwister zucken erneut zusammen, denn ich erhebe sonst nie in dieser Art die Stimme. Aber wenn ich mir vorstelle, dass im Internet geschrieben steht, dass ich auf Partnersuche bin, wird mir ganz übel. Nicht auszudenken, wenn Nico oder Andre das durch Zufall finden.
„Michelle, mach das sofort rückgängig!“, verlange ich, doch sie sieht mich einfach nur stur an und ich weiß, dass ich keine Chance habe.
„Vergiss es.“
Sie ist ebenso störrisch wie ich und was sie sich in den Kopf gesetzt hat, das zieht sie durch. Das heißt, ich bin am Arsch und meine Hoffnungen, dass meine Geschwister die Sache mit meiner Dreierbeziehung einfach ruhen lassen, zerschlagen sich von selbst. Ich war noch nie in meinem Leben so sauer auf sie und das gebe ich lautstark kund.
„Habe ich euch je in solche Dinge hineingeredet? Habe ich euch nicht eure eigenen Erfahrungen machen lassen? Auch wenn euch mein Beziehungsstatus nicht passt, müsst ihr damit leben! Und wenn nicht, dann seid ihr nicht die Familie, für die ich euch gehalten habe.“
Aus all meinen Worten spricht Enttäuschung und zumindest bei Anthony und Kate sehe ich, dass es etwas bei ihnen bewirkt. Michelle wirkt unnachgiebig wie eine Betonwand, aber ich habe keine Kraft mehr, mich mit ihr anzulegen. Für den Moment ziehe ich mich einfach zurück und lasse meine verrückte Familie stehen. Damit kann und will ich mich jetzt nicht auseinandersetzen. Für den Moment will ich nur allein sein und hoffen, dass das alles nur ein Alptraum ist, aus dem ich wieder aufwachen werde. Und tatsächlich ist es so, denn als ich zuhause ankomme, erwartet mich eine reumütige Nachricht der drei auf meinem Anrufbeantworter.
Warum nicht gleich so? , denke ich, doch die Befriedigung darüber stellt sich leider nicht ein.
Chris
„Ich will sterben“, stöhne ich und sehe verzweifelt zu der Bierflasche, die ich anheben müsste, um daraus zu trinken.
Allein der Gedanke lässt meine Arme und Beine nur noch mehr schmerzen, als sie es sowieso schon tun.
„Zwei Aufträge an einem Tag, das ist blanker Selbstmord gewesen. Wessen dämliche Idee war das?“, will Micha in einer ähnlichen Tonlage wie meiner wissen.
Sämtliche Blicke gehen zu Jörn, der lediglich ein müdes Lächeln für uns übrig hat und sich nicht auf diese Diskussion einlässt. Kai stöhnt nur leise und liegt mehr auf dem Sofa, als dass er noch sitzt.
„Gönnt euch doch einen freien Tag, ihr alten Säcke“, lacht Jörn, wohl wissend, dass wir uns das sicher nicht leisten können, denn der Terminplan ist voll.
Meine Hoffnung ist, dass ich mich mit ein bisschen Schlaf und absoluter Ruhe soweit hinbekomme, dass Tobias König nicht auffällt, dass ich es natürlich maßlos übertrieben habe. Das schlechte Gewissen beschleicht mich, obwohl es das nicht muss. Das ist nun mal mein Job und in diesem bin ich sehr gut, wenn ich nicht gerade überall Muskelkater habe. Ich erhebe mich schwerfällig und ignoriere das Bier auf dem Tisch.
„Ich gehe dann mal, bis morgen“, sage ich in die Runde und damit sichere ich mir die allgemeine Aufmerksamkeit.
„Du gehst schon?“, will Micha wissen und grinst wissend.
„Wieso das?“, fragt Jörn listig und ich möchte einfach nur die Augen verdrehen.
Manchmal verhalten sich meine Kollegen schlimmer als eine Gruppe sensationsheischender Journalisten.
„Ich will einfach nur früh ins Bett, das ist alles.“
„Date!“, ruft Kai aus seiner unmöglichen Haltung und Jörn und Micha sticheln ebenfalls weiter.
Sollen sie denken, was sie wollen, denn alles, was mich morgen erwarten wird, sind der Job und eine halbe Stunde unter sehr fähigen Händen, die mich wieder halbwegs menschlich machen werden. Rein professionell, versteht sich.
Von der Kneipe, in der wir uns ein Feierabendbier gegönnt haben, ist der Weg nicht weit bis zu mir nach Hause. Die Abendluft tut gut und ich atme tief ein, während ich langsam nach Hause gehe. Mich treibt nichts, da zuhause niemand auf mich wartet, nicht einmal ein Haustier. Eigentlich ist das nicht weiter schlimm, schließlich habe ich meine Arbeit, sowie meine Kollegen und Freunde. Aber manchmal frage ich mich schon, wie es wäre, wenn jemand in meiner Wohnung auf mich warten würde. Warum mir in diesem Moment ausgerechnet Tobias König einfällt, weiß ich nicht, aber ich lasse den Gedanken einfach zu. So schlecht wäre es nämlich nicht, die Massage auf jetzt zu verschieben, denn mein Körper rebelliert bei jedem Schritt, den ich tue.
Ich seufze in den immer dunkler werdenden Abend und beuge mich meinem aktuellen Schicksal. Was bleibt mir auch anderes übrig?
***
Der nächste Tag vergeht wie im Zeitraffer, während mein Körper leider nach wie vor schmerzend rebelliert. Trotzdem bringe ich den Umzugsauftrag mit meinem Team hinter mich, denn dieser ist mir persönlich sehr wichtig. Wir sollen einen neuen Kindergarten mit Möbeln beliefern und diese auch zusammenbauen und aufstellen. Je nachdem wie schnell wir sind, kann der Betrieb aufgenommen werden, weswegen ich mir alles abverlange. Ich mag Kinder, weil ich sie für ihr optimistisches Naturell bewundere und vor allem für die Energie, die sie tagtäglich abrufen können. Dagegen komme ich mir steinalt vor, aber trotzdem zaubern mir diese kleinen Menschen immer ein Lächeln aufs Gesicht. Es ist selbstverständlich, dass ich alles für diesen Auftrag gebe, doch leider hat das erneut körperliche Konsequenzen.
Nach dem Job freue ich mich viel zu sehr auf meinen Termin bei der Physiotherapie, so dass ich überpünktlich vor Ort bin. Mich vor mir selbst rechtfertigend, dass man ruhig eine halbe Stunde eher da sein kann, um vielleicht früher dranzukommen, betrete ich den Vorraum. Mein Plan geht aber leider nicht auf, denn Tobias König und auch sonst niemand vom Personal ist zu sehen.
Ich schlucke meine Enttäuschung hinunter und trete zum Empfangstresen, wo ich mit meinen Fingern auf der Oberfläche herumtrommle. Außer mir ist keiner im Raum, nicht einmal ein anderer Kunde, mit dem ich reden könnte. Also muss ich mich selbst beruhigen und so zwinge ich meine nervösen Finger zum Innehalten und schiebe sie stattdessen in meine Hosentaschen. Irgendetwas wird schon passieren, ich muss einfach nur abwarten, so läuft das doch, oder nicht?
Tobi
Ich umfasse meine Kaffeetasse fester, als ich einen Kontrollblick in den Empfangsraum werfe und dabei sehe, wie Christian Keller eintritt.
Da ist er ja , lächle ich in mich hinein und unterziehe seine Erscheinung einer eingehenden Prüfung.
Nicht, dass ich das müsste, denn alle wichtigen Details sind bereits in meiner Vorstellung vorhanden. Manchmal bin ich beeindruckt von mir selbst, wie gut ich mir Leute und ihre Eigenheiten merken kann.
Seine blonden Haare stehen hinten ein wenig ab, so als ob er immer wieder mit den Fingern hindurchgefahren wäre. Seine Sonnenbräune steht ihm dazu wirklich gut und ich mag es, wie seine Kleidung seinen Körper betont.
Das Auge isst schließlich mit , grinse ich in mich hinein und lasse meinen Blick ungeniert über Christian Keller gleiten, so als wolle ich ihn ausziehen.
Definitiv will ich das, aber natürlich nur gedanklich in jenen Momenten, wenn ich allein bin. Wenn ich mit ihm zusammen bin, dann muss ich mich zusammenreißen, das ist mir bewusst. Ich riskiere noch einen letzten Blick auf seinen Hintern, dann rufe ich mich selbst zur Ordnung und beende meine kurze Kaffeepause.
„Guten Abend, Herr Keller“, begrüße ich ihn gutgelaunt, als ich aus der kleinen Kaffeeküche heraustrete und mich ihm zeige.
Er schaut sich nach mir um und ein kleines Strahlen bildet sich auf seinem Gesicht, welches er sogleich wieder eindämmt. Doch ich weiß schon Bescheid, denn dass er viel zu früh hier ist, spricht bereits Bände. Ich beschließe, ihn nicht darauf anzusprechen, denn das würde es unangenehm für uns beide machen. Schließlich flirte ich nicht mit ihm, sondern ärgere ihn nur ein wenig, etwas, was völlig legitim sein sollte.
„Guten Abend“, grüßt auch er, als ich den Empfangstresen erreicht und mich dahinter aufgestellt habe.
„Sie haben Glück. Ihr Vorgänger hat abgesagt, ich kann Sie also jetzt schon an die Reihe nehmen“, informiere ich ihn, dann suche ich fachmännisch seine Unterlagen heraus, damit er eine Unterschrift leisten kann.
Kurz danach führe ich ihn in den bereits vorbereiteten Behandlungsraum. Dieses Mal habe ich das Massageöl nicht vergessen, aber ich verlasse den Raum trotzdem kurz, damit Christian Keller sich seines T-Shirts entledigen kann. Nach etwa fünf Minuten erscheint es mir passend, wieder in den Raum zu kommen und da lehnt er oberkörperfrei an der vorbereiteten Liege. Mir gefällt eindeutig, was ich sehe, aber ich verdränge es und verstecke mich hinter meinem Berufs-Ich. Analysierend gleitet mein Blick über seine verspannte Körperhaltung. Damit will er sich Linderung verschaffen, doch stattdessen macht er es nur noch schlimmer. Einige Blockaden sind so offensichtlich, dass ich mitfühlend das Gesicht verziehe.
„Es ist wohl nicht bei den leichten Sachen geblieben, was?“, erkundige ich mich und Christian reibt sich den Nacken, wobei er sehr schuldbewusst aussieht.
„Ging leider nicht anders. Das ist mein Job“, sagt er dann und mit dieser Einstellung imponiert er mir.
„Trotz allem Pflichtbewusstsein sollte man auf seinen Körper achten“, tadele ich, weil es mein Job ist.
Ich schnappe mir einen türkisen Gymnastikball, der sich in der Ecke des Zimmers befindet und ziehe mir zeitgleich einen Stuhl heran.
„Okay, setzen und schön gerade bleiben“, sage ich Christian knapp und scheiße, es ist verdammt heiß, wie er kurz darauf einfach macht, was ich ihm sage.
Ob das auch für andere Bereiche seines Lebens gilt? , frage ich mich und muss die Bilder in meinem Kopf verscheuchen, die dabei entstanden sind.
Ich lasse ihm Zeit, die richtige Position auf dem Ball vor mir zu finden und erst, als er vollkommen stillhält, beginne ich all die Blockaden und Verspannungen zu lösen, die mich erwarten.
Chris
Die Massage fühlt sich heute noch mehr nach Folter an als das erste Mal. Ich hatte gedacht, dass ich mich nicht noch schlimmer fühlen könnte, aber da lag ich weit daneben. Tobias Königs Hände richten Verheerendes an, während sie über meinen Rücken gleiten. Sie drücken in meine Haut, was sich anfühlt, als würde etwas direkt über meine Muskeln schaben. Ein paar Handgriffe seinerseits sind so schmerzhaft, dass ich leise vor mich hinfluche. Meine Hände verkrampfen sich in den Stoff meiner lockeren Hose und ich presse Ober- und Unterkiefer aufeinander, um nicht zu schreien.
„Das ist der schlimmste Teil, aber danach wird es Ihnen bessergehen, versprochen“, höre ich Tobias sagen und kaum hat er es ausgesprochen, muss ich scharf Luft holen.
Verdammt, er hat noch untertrieben!
Mein Rücken scheint in Flammen zu stehen, der Schmerz ist gnadenlos. Meine Hände bearbeiten meine Oberschenkel und ich wünschte, ich hätte etwas, worauf ich beißen kann.
Scheiße, ich will, dass es aufhört!
Doch gerade als ich diesen kapitulierenden Gedanken habe, legt Tobias König eine Pause ein.
„Okay, das Schlimmste liegt hinter Ihnen. Ich denke, jetzt können wir es mal im Liegen probieren“, meint er und ich tue schweigend, was er sagt, weil mir die Energie für eine passende Antwort fehlt.
Ich bin erleichtert, als ich feststelle, dass ich ohne die großen Schmerzen von vorhin liegen kann, es ist also definitiv eine Verbesserung eingetreten. Als die massierenden Hände wieder auf meinem Rücken zu spüren sind und ihr Werk verrichten, kann ich es nun endlich ein bisschen genießen.
„Also, wie ist es dazu gekommen?“, will mein Physiotherapeut wissen und ich meine, ein Lächeln aus seinen Worten zu hören.
Leider kann ich mich nicht umdrehen, um das nachzuprüfen.
„Zwei große Umzüge an einem Tag waren wahrscheinlich doch zu viel. Ich hätte mich gern an Ihren Rat gehalten, aber der Fahrstuhl war beim zweiten Umzug kaputt, also ist es nicht bei den verabredeten Dingen geblieben“, berichte ich und ein Lachen erklingt über mir.
„Sie hatten nicht wirklich die Absicht, sich an meinen Rat zu halten, oder?“, fragt Tobias König amüsiert und ich lasse mich auf den Spaß ein.
„Doch, natürlich“, schwindle ich, kann aber ebenfalls mein Lachen nicht zurückhalten.
„Ich lege Ihnen noch einmal dringlichst eine Rückenschule ans Herz. Trainieren Sie bereits oder kommt das alles vom Kisten schleppen?“
„Beides. Wobei ich das Training seit einem halben Jahr schleifen lasse. Es gibt zu viel zu tun und manchmal möchte man einfach nur nach Hause und die Füße hochlegen“, sage ich.
„Wem sagen Sie das“, seufzt es über mir.
Das wäre die Gelegenheit, ihm eine gemeinsame Trainingseinheit vorzuschlagen oder etwas Entspannenderes. Aber es kommt mir zu schnell und übereifrig vor, also lasse ich den Moment verstreichen und schweige.
Eine Weile schließe ich die Augen und lasse seine Händemagie auf mich wirken. Die Massage ist angenehm und mit genau der richtigen Stärke ausgeführt. Ich könnte hier und jetzt einschlafen, während diese Hände weiter wahre Wunder vollbringen, aber ich halte mich wach. Ich möchte mehr über Tobias erfahren, ich weiß nur nicht, wie ich es anstellen soll.
„Ich kann Ihnen einen guten Rückenkurs empfehlen“, nimmt er das Thema wieder auf.
„Nichts für ungut, aber ich habe schon ein paar Übungen, die ich in meinen Alltag integriert habe. Für einen Kurs ist einfach keine Zeit“, sage ich und ärgere mich kurz danach, dass ich diese Worte ausgesprochen habe.
„So? Was denn für Übungen?“, erkundigt sich Tobias König und scheint es mir nicht übelzunehmen.
Ich bin froh und gebe ihm bereitwillig Auskunft. Hier und da hat er Verbesserungsvorschläge, welche Übungen ich noch machen könnte oder welche ich weglassen oder effektiver gestalten könnte. Die Zeit vergeht wie im Flug und ein Weckergeräusch unterbricht unser angeregtes Gespräch.
„Die Zeit ist um“, werde ich informiert.
Ich richte mich auf, wobei ich hoffe, dass mein Gesichtsausdruck nicht darauf schließen lässt, wie ich mich fühle.
„Danke für die Massage und die Aufklärung“, sage ich, während ich mir mein T-Shirt und die Jacke wieder überziehe.
Ein leises Lachen weht zu mir herüber und ich sehe überrascht auf. Blaue Augen funkeln mich vergnügt an und wieder bin ich kurz davor, in den Flirtmodus zu gehen. Doch noch ehe ich mir auch nur ein Herz gefasst habe, nimmt mir Tobias König auch schon jeglichen Wind aus den Segeln.
„Wir sollten uns duzen. Ich denke, wir könnten gute Freunde werden, Herr Keller“, sagt er und lächelt mich so strahlend an, dass ich nichts darauf erwidern kann.
Gute Freunde? Wenn das mal nicht eine Abfuhr war, bevor ich auch nur einen Schritt in die andere Richtung machen konnte. War ich etwa zu vorhersehbar?
„Ist das keine gute Idee?“, erkundigt sich Tobias und erinnert mich daran, dass ich ihm noch keine Antwort geliefert habe.
Schnell besinne ich mich und nicke.
„Ja, das sollten wir. Ich bin Chris“, sage ich und strecke ihm die Hand hin.
„Freut mich. Nenn mich Tobi“, sagt er mit einem Augenzwinkern, welches mir durch und durch geht.
Freunde sein? Mit diesem heißen Kerl? Ich glaube, ich wurde noch nie so auf die Probe gestellt. Zumal sich seine Hand in meiner so gut anfühlt, als würde sie dorthin gehören.
Tobi
Noch nie hat sich ein Händedruck für mich derart erotisch angefühlt.
Professionell, professionell, ich bin total professionell , erinnere ich mich selbst, während ich kumpelhaft Christian Kellers Hand schüttle.
Sie ist größer als meine und sein sanfter und doch selbstbewusster Kraftaufwand schickt ein paar anregende Impulse durch meinen Körper. Der Händedruck geht länger, als es schicklich wäre, und so ziehe ich meine Finger zurück.
„Dann sehen wir uns nächsten Dienstag, ja?“, frage ich und behelfe mich mit einem besonders neutralen Lächeln.
„Genau“, bestätigt Chris und verabschiedet sich.
Als er gegangen ist, lasse ich mich auf den Gymnastikball sinken und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen.
Scheiße, war das knapp, denke ich und drücke eine Hand auf mein wild schlagendes Herz.
Dieser Chris ist wirklich heiß und ich glaube, dass die Chancen recht hoch sind, dass ich mir an ihm die Finger verbrenne, wenn ich nicht aufpasse. Ich kann mir tausend Mal sagen, dass das mein Job ist, mein Körper sieht das anders. Aber ich kann das nicht machen, ich bin in einer Beziehung und noch dazu ist Chris mein Kunde. Keinesfalls darf ich etwas mit ihm anfangen und das habe ich ihm hoffentlich klargemacht.
Zum Glück ist mir die Freundenummer eingefallen , lobe ich mich selbst.
Die Aussage, gute Freunde sein zu können, ist so etwas wie der Todesstoß für jemanden, der ein Interesse für einen anderen hegt. Jegliche romantische Ambitionen können so im Keim erstickt werden und ich glaube, das ist mir eben bei Chris gut gelungen. Ich konnte förmlich mit ansehen, wie das interessierte Leuchten in seinen Augen erlosch. Zwar fühle ich mich deshalb wie ein Arsch, aber es musste sein. Christian Keller darf für mich nicht mehr sein, als ein Anschauungsobjekt oder aber ein guter Freund, wenn ich ihn schon nicht völlig auf Abstand halten kann.
Nachdenklich sehe ich auf die Tür, hinter der er verschwunden ist und seufze laut.
Glaub mir, Chris, das tat mir gerade mehr weh als dir , denke ich und beginne dann, das Zimmer aufzuräumen.
Kapitel 4: Überbrücken der Distanz
Chris
H eute bin ich nach zwanzig Minuten bereits tief entspannt, meine Muskeln schmerzen kaum noch, so dass ich die restlichen zehn Minuten voll auskosten kann. Meine Augen sind geschlossen, mein Kopf lehnt auf meinen Armen, so wie immer. Tobis Hände auf meinem Körper fühlen sich herrlich an und ich wünschte, er würde nie mehr damit aufhören. Zwar würde mich das ein halbes Vermögen kosten, aber daran will ich keinen Gedanken verschwenden.
Tobis Hände kneten den Bereich knapp über meinem Hintern und kehren dann wieder nach oben zurück. Dort bin ich heute total empfindlich, denn als er das noch zwei, drei Mal wiederholt, schießt mir die Erregung zwischen die Beine. Es ist unangenehm so zu liegen und langsam wünsche ich mir doch, dass sein bescheuerter Wecker klingelt. Mit einer Latte auf dem Bauch zu liegen ist verdammt unbequem – und nein, ich meine damit nicht die Kaffeesorte.
Noch einmal knetet Tobi in diesem sensiblen Bereich herum und ich kann nicht mehr. Ein Stöhnen entkommt meinem Mund und ich verbeiße es mir hektisch, während knapp danach der Wecker klingelt. Ich setze mich auf und greife nach meinem Shirt, das ich mir schnell in den Schoß schmeiße, um meine Erregung zu verbergen.
„Danke, das war toll“, presse ich mit erhitztem Gesicht hervor und Tobi grinst mich breit an.
„Gern geschehen“, meint er und geht zur Tür.
Dort dreht er sich noch einmal um und sein Lächeln wird noch breiter.
„Lass dir ruhig Zeit, nach dir kommt keiner mehr in den Raum. Und mach dir keinen Kopf, du bist nicht der Erste, der mit einem Ständer hier rausgeht“, lacht er, dann ist er weg.
Noch mehr Hitze steigt mir ins Gesicht und ich verberge mein bestimmt hochrotes Gesicht in meinen Händen.
Wie peinlich!
Tobi
Auf dem Weg zum Tresen lache ich immer noch leise vor mich hin. Schade, dass Chris tabu ist, ich würde zu gern noch mehr von diesen Lauten aus ihm herauskitzeln. Ob sie gleichbleibend sind, wenn ich ihn noch mehr reizen würde oder würden sie in ihrer Intensität zunehmen?
Ich würde es zu gerne herausfinden , denke ich amüsiert und male mir ebendiese Szene in meinem notgeilen Schädel aus, als Chris voll bekleidet aus dem Behandlungszimmer tritt.
Er hat sich wieder im Griff, aber bei meinem breiten Lächeln röten sich seine Wangen erneut. Ein Lachen bricht aus mir hervor, weil das so verdammt niedlich ist.
„Tut mir leid“, knirscht er und ich dämme meine Belustigung ein, um ihn zu beruhigen.
„Das braucht dir nicht leidtun, wirklich nicht. Ich sehe es mal als Kompliment“, sage ich versöhnlich und schreibe ihm noch schnell eine Quittung, während er mir die 15 Euro herüberschiebt.
Beinahe hoffe ich, dass er die Massagetermine bei mir sausen lässt und mich stattdessen in sein Bett zerrt, aber ich glaube, das würde eher einer meiner erotischen Fantasien entsprechen anstatt der Realität.
„Wir sehen uns also Donnerstag?“, frage ich und schalte zurück in den Profimodus.
Chris soll sich in meiner Gegenwart nicht unwohl fühlen und irgendwann muss der Spaß auch mal wieder vorbei sein. Dennoch freue ich mich, dass ich ihn ein bisschen aus der Reserve locken konnte und seine körperliche Reaktion auf mich sehe ich wirklich als Kompliment. Nachdem ich ihn nun schon öfters in Unterwäsche vor mir auf dem Massagetisch hatte, kann ich bescheinigen, dass er wirklich attraktiv aussieht und überall gut gebaut ist. Auch charakterlich ist er ein angenehmer Typ und wer Augen im Kopf hat, sieht Chris als guten Fang an. Er kann sich bestimmt vor Angeboten kaum retten und könnte demnach eine Beziehung mit jemanden führen, der genauso anziehend und liebenswert ist wie er. Stattdessen ist er eindeutig an mir interessiert und ja, es schmeichelt mir. Schließlich bin ich nur der notgeile Tobi, der bereits in einer Dreierbeziehung steckt.
Das schlechte Gewissen überrollt mich. Ja verdammt, ich bin in einer Beziehung und Chris lässt mich das vollkommen vergessen. Dabei darf ich nicht mit ihm flirten, denn damit mache ich ihm Hoffnungen, die ich nicht erfüllen kann. Das hier zwischen uns muss professionell bleiben, es muss einfach, so verlockend es auch ist, die Grenze zu überschreiten.
„Ja, Donnerstag“, nickt Chris und lächelt, während die Röte in seinem Gesicht noch immer zu sehen ist.
Verdammt, er ist die größte Versuchung, die mir je in meinem Leben begegnet ist und noch dazu zum Greifen nah. Ich müsste nur die Hand nach ihm ausstrecken, ihn am Kragen seines T-Shirts packen und schon könnte ich ihn heranziehen und meinen Mund auf seinen drücken. Ich habe das untrügliche Gefühl, dass ein Kuss mit Chris die Welt aus den Angeln heben könnte. Allein die Vorstellung lässt mich ganz kribbelig werden und nun bin ich es, dem die Röte ins Gesicht kriecht.
„Du solltest gehen, ich muss langsam nach Hause und das kann ich nicht, wenn ich nicht abschließen kann“, sage ich nun, komme um den Tresen herum und schiebe Chris zum Eingangsbereich.
Ich öffne die Tür und befördere ihn mit einer schnellen Abschiedsfloskel nach draußen. Er hat keine Chance etwas zu erwidern, denn da ist die Tür auch schon wieder zu. Ich gehe durch alle Räume, stelle sicher, dass alles in Ordnung ist und kehre nach einer Viertelstunde wieder in den Eingangsbereich zurück. Chris ist nicht zu sehen und ich bin froh darüber. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn er noch da draußen stehen und auf mich warten würde. Ich glaube, dann hätten mich wohl keine zehn Pferde mehr von ihm fernhalten können.
Ich mache mich auf dem Weg nach Hause, doch nach kurzer Zeit lenke ich mein Auto an den Straßenrand und greife zum Handy. Schnell ist Nicos Kontakt aufgerufen und mein Daumen schwebt bereits über dem Anrufbutton. Doch da kommen mir Zweifel, denn was soll ich Nico schon erzählen? Dass ich es allein nicht aushalte? Dass ich Sex will? Dass ich kurz davor bin, einem sehr netten, amüsanten Kerl, der meine professionelle Hilfe braucht, die Klamotten vom Leib zu reißen?
Ich seufze, schalte den Bildschirm meines Handys ab und werfe es auf den Beifahrersitz. Ich will diese Beziehung nicht beenden, will Andre und Nico nicht aus meinem Leben streichen. Zudem ist das zwischen Chris und mir nicht einmal spruchreif, denn aufgrund dessen, dass er wegen einer Dienstleistung zu mir kommt, darf einfach nichts zwischen uns passieren. Außerdem kann es auch sein, dass ich einfach nur notgeil bin und Chris die Marke Mann ist, die einem meiner feuchten Träume entsprungen sein könnte. Ich bin einfach nur verwirrt und es sind noch fast zwei Wochen bis ich Nico und Andre wiedersehe.
Mein Blick wandert erneut zu meinem Handy. Ich sollte den beiden wirklich von Chris erzählen. Aber was würde ich damit erreichen und was will ich überhaupt? Ich komme zu keiner eindeutigen Antwort, daher ignoriere ich mein Telefon und fahre wieder los.
***
Nach und nach entwickelt sich so etwas wie eine freundschaftliche Basis zwischen Chris und mir. Zwei Wochen sind inzwischen vergangen und unser Umgang ist weder verkrampft noch von sexueller Spannung durchtränkt. Es hat sich alles normalisiert, nachdem ich ihm das Du angeboten habe, außer der Tatsache, dass ich hin und wieder doch seinen Hintern begutachten muss. Vor allem seit er inzwischen auch seine Hose auszieht, nachdem ich beim letzten Mal mit dem Massageöl zu schwungvoll umgegangen bin.
Auch jetzt zieht sein Hinterteil vollkommen meine Aufmerksamkeit auf sich, denn ab und zu spannt Chris seinen Po an, wenn ich auf besonders schmerzenden Stellen herumdrücke, bis sich eine Besserung einstellt.
„Wieder etwas übertrieben, was?“, frage ich, da die Verhärtung, an der meine Hände gerade arbeiten, einfach nicht weichen will.
„Der Terminplan ist voll und Möbel bestehen nun mal weitestgehend aus Holz anstatt Luft“, lautet die gedämpfte Antwort, die mich zum Lachen bringt.
„Was fällt den Leuten nur ein? Sie sollten wirklich auf aufblasbare Möbel umsteigen“, protestiere ich gespielt.
Chris lacht und ich genieße dieses Geräusch. Ich bringe ihn gerne zum Lachen und das natürlich auf völlig freundschaftlicher Basis.
„Was machst du am Wochenende?“, fragt er auf einmal und ich spüre Gefahr.
Gerade habe ich noch daran gedacht, dass wir gute Freunde sind, dabei erwartet Chris anscheinend doch mehr von mir.
„Ich besuche Freunde“, sage ich und ärgere mich gleichzeitig, nicht die Wahrheit gesagt zu haben.
Drei Wochen sind herum und ich sehe Andre und Nico wieder. Und nein, sie sind nicht nur Freunde, also wieso stehe ich nicht dazu, eine Beziehung zu haben? Dann würden sämtliche Annäherungsversuche definitiv aufhören, da bin ich mir sicher.
„Eigentlich sind es keine Freunde“, ändere ich meine Aussage ab.
„Was sind sie dann?“, will Chris wissen und das ist meine Chance, um Klarheit zwischen uns zu schaffen.
Aber ich kann nicht.
„Tobi?“
Chris dreht den Kopf zu mir und ich sehe mich mit seinem Blick aus grauen Augen konfrontiert. Verdammt, ich kann ihm doch nicht schon wieder seine Hoffnungen nehmen, oder?
Ich komme mir mies vor, egal wie ich es drehe und wende. In dieser Situation gibt es nicht die perfekte Antwort, denn es ist die berühmte Wahl zwischen Pest und Cholera. Aber ich muss doch ehrlich sein, so ist das doch unter Freunden.
„Überlegst du gerade, ob du mir so sensibles Wissen anvertrauen kannst? Sind deine Freunde Agenten?“, erkundigt sich Chris und seine Augen funkeln vor Belustigung.
Scheiße nochmal, ich will nicht die Ursache dafür sein, dass dieses Leuchten jetzt vergeht. Also zwinge ich mich zu einem Lächeln und führe die Massage weiter.
„Es sind sehr wichtige Freunde. Sie sind wie Familie für mich“, sage ich und als Chris mehr wissen will, erzähle ich bereitwillig von Andre und Nico.
Die Tatsache, dass ich mit den beiden zusammen bin, erwähne ich nicht. Ich entscheide mich also für die halbe Wahrheit, wenn man so will. Das schlechte Gewissen drückt auf mich ein, aber ich ignoriere es. Ich habe Chris bereits klargemacht, dass wir gute Freunde sein können, mehr muss er im Moment nicht wissen.
„Und wie sind deine Freunde so?“, lenke ich irgendwann ab.
„Ich schätze, das sind meine Kollegen“, seufzt Chris, begleitet von einem leichten Lachen.
„Heißt das, du hast außerhalb der Arbeit keine Freunde?“, frage ich verdutzt, denn das kann ich mir bei seinem sympathischen Auftreten kaum vorstellen.
„Sogesehen... nein. Es sei denn, ich zähle dich mit.“
„Wow. Das ist unerwartet“, gestehe ich und Chris dreht den Kopf, um mich interessiert anzuschauen.
„Wie meinst du das?“
„Na ja, ich dachte, du hast einen großen Freundeskreis. Durch die ganzen Umzüge lernt man sicher einen Haufen Menschen kennen.“
„Das stimmt schon, aber ich habe kaum Zeit außerhalb der Arbeit. Selbst wenn die Annahme darüber zutreffen würde, dass ich viele Kontakte hätte, so würde mir die Zeit fehlen, sie alle aufrechtzuerhalten.“
Das Problem ist mir geläufig, da ich neben der Arbeit vor allem meine Familie mit meiner Anwesenheit beglücke. Wenn ich mich richtig entsinne, unternehme ich nur etwas gemeinsam mit Andre und Nico oder mit meinen Geschwistern. Sonst sind alle meine sozialen Kontakte so gut wie eingeschlafen, weil ich extrem gern feiere und da muss es verrückt und laut zugehen.
„Vielleicht sollten wir mal etwas unternehmen“, überlege ich laut und erst an Chris´ perplexem Gesichtsausdruck erkenne ich, was ich getan habe.
Wie war das noch mal mit professioneller Distanz gewesen? Ich glaube, das hatte sich damit gründlichst erledigt.
Manchmal sollte ich echt meine große Klappe halten , denke ich, doch dann werfe ich alle Bedenken über Bord, denn der Schaden ist angerichtet.
Und mal ehrlich, ein Mann wie Chris sollte nicht allein sein. Und das meine ich völlig freundschaftlich.
Chris
Ich habe alle Hoffnungen aufgegeben, die Tobi betreffen, denn deutlicher als „Wir könnten gute Freunde sein“ kann man kaum eine subtile Abfuhr geben. Doch nun bietet er mir an, etwas mit ihm zu unternehmen und das schreit doch förmlich nach einem Date, oder? Ich bin über alle Maßen verwirrt und mir fällt keine Antwort auf sein Angebot ein.
„Du musst dich nicht gezwungen fühlen. Ich dachte nur, wir sind in der gleichen Lage und da habe ich einfach pragmatisch gedacht“, fügt Tobi hinzu.
„Und das widerspricht auch nicht dem Patienten-Physiotherapeuten-Kodex?“, erkundige ich mich und Tobi lacht.
„Laut diesem Kodex dürften wir nicht mal lockere Gespräche führen, also lassen wir das mal beiseite. Ich halte nicht viel von steifen Regeln, musst du wissen“, entgegnet er und ich glaube ihm das sofort.
Immer wenn ich bei Tobi bin, entdecke ich die Abenteuerlust, die in jedem seiner Worte mitschwingt. Dieser Mann könnte mich mit Leichtigkeit mitreißen und mit mir machen, was er will, wenn er es darauf anlegen würde.
„Also wenn das so ist, sage ich nicht Nein“, wage ich zu sagen und warte anschließend mit klopfendem Herzen auf eine Gegenantwort.
„Okay, wie wäre es dann mit morgen Abend? Ich muss erst am Samstagmorgen los, also bliebe genug Zeit. Wir könnten ins Electric Garden gehen, da war ich lange nicht mehr“, schlägt Tobi begeistert vor und ich lasse mich davon anstecken.
„Bin dabei“, lautet also meine Antwort, ehe auch schon der Wecker das Ende meiner Behandlung ankündigt.
Tobis Hände verschwinden von meinem Körper und ich bedauere diesen Umstand sehr. Aber der Rauschzustand kehrt zurück, als ich mich aufsetze und mit Tobis breitem Lächeln konfrontiert werde.
„Also sehen wir uns morgen Abend gegen 10 vor dem Club?“, fragt er und so wie seine Augen vor Abenteuerlust sprühen, kann ich jetzt keinesfalls einen Rückzieher machen.
„Gebongt“, sage ich und die Reaktion ist ein herzhaftes Lachen, welches in mir alles zum Klingen bringt.
„Diesen Ausdruck habe ich schon ewig nicht mehr gehört. Bitte verjünge dich nicht noch mehr, sonst lassen sie dich morgen nicht in den Club.“
Ich stimme in sein Lachen mit ein und freue mich schon jetzt darauf, die Zeit mit ihm außerhalb eines Behandlungszimmers zu verbringen.
***
Noch nie habe ich an einem Freitag derart ungeduldig dem Feierabend entgegengefiebert wie an diesem. Immer wieder fällt mein Blick auf die Uhr und ich zähle die Stunden herunter, bis es endlich soweit ist. Natürlich entgeht das meinen Kollegen nicht, die sich auf meine Kosten amüsieren.
„Na, heißes Date heute Abend?“, fragt Micha und stößt mir den Ellenbogen in die Seite.
„Du meinst Abblitzdate“, feixt Jörn, wofür ich ihn mit einem Papierball abwerfe.
„Leute, Leute, wir sind doch nicht in der Schule“, versucht Kai zwischen uns zu vermitteln, aber ich sehe ihm an, dass auch er sich zu gerne an der Fopperei beteiligen würde.
Warum er es nicht tut, ist vollkommen klar, denn wir sind in der Firma und erledigen Papierkram. Der Chef hat sich angekündigt und könnte jeden Moment hier sein. Wenn er uns dabei erwischt, wie wir über mein Liebesleben reden, brummt er uns vielleicht dreimal so viele Aufträge auf und das will vor allem Kai verhindern.
Wir alle mögen den letzten Arbeitstag des Monats nicht, denn da heißt es: Bilanz ziehen. Hätte man mehr Umzüge stemmen können? Wenn ja, warum hat man es nicht getan? Wenn nein, warum nicht? So in etwa läuft es ab, wenn Chef Schmitt uns aufsucht. Und meistens fragt er mich nach allem, was ich noch mehr hasse, schließlich bin ich kein Ein-Mann-Team.
Hoffentlich ist bald Feierabend , denke ich flehentlich, denn ich möchte so schnell wie möglich zu meiner Verabredung mit Tobi.
Ich kann es immer noch nicht fassen, dass er mich treffen möchte und wahrscheinlich muss ich mich nachher noch ein paar Mal in den Oberarm kneifen, so wie gestern nach meiner Behandlung. Ich hoffe nur, Tobi überlegt es sich nicht noch einmal anders. Aber selbst wenn, er hätte nicht einmal meine Handynummer, um abzusagen. Die einzige Sache, die er tun könnte, um kein Date stattfinden zu lassen, ist einfach nicht aufzutauchen, aber so schätze ich ihn nicht ein.
Ein lautes Husten lässt mich aus meinen Sorgen aufschrecken und ich sehe zu Jörn, der auffordernd mit dem Kopf zur Tür nickt. Ich drehe mich dorthin und da steht Chef Schmitt, welcher mich anblickt, als hätte er mir eine Frage gestellt, die ich bisher noch nicht beantwortet habe.
„Entschuldigen Sie, Herr Schmitt, es war die letzten Tage ziemlich anstrengend, geben Sie uns einen Moment, damit wir uns sammeln können. Herr Keller hat gleich alle Informationen für Sie“, mischt sich Micha ein und drückt mir schnell die Liste mit den Auftragsbestätigungen des Monats in die Hand.
Wie automatisiert lege ich los und rattere die Zahlen herunter, die der Chef hören will. Ich weiß, dass es ein guter Monat war und dass wir mehr geschafft haben, als jedes andere Team dieser Firma, weil wir gottverdammt gute Arbeit leisten. Ich wette, er wird es anders sehen, aber das ist mir egal.
Nachdem ich alle Fakten von mir gegeben und Chef Schmitt die Listen überlassen habe, sehe ich ihn seelenruhig an, als wäre das hier mein Revier. Er erwidert den Blick ohne zu zögern, schließlich nickt er langsam.
„Gut. Machen Sie weiter so“, entgegnet er mir, dann dreht er sich langsam um und verlässt unser Büro.
Verdutzt sehe ich mich nach meinen Kollegen um, die ebenso verdattert sind. Das war die kürzeste Bilanzierung dieses Teams und wir haben sogar so etwas wie ein Lob erhalten.
„Was war das denn?“, fragt Jörn leise und auch die anderen nutzen ähnliche Ausdrücke der Verwunderung.
Ich hingegen kneife mich in den Oberarm - sicher ist sicher.
Ob das so etwas wie ein Zeichen ist? Vielleicht läuft heute Abend alles gut? , hoffe ich und drücke mir selbst die Daumen.
„Also dann, ein schönes Wochenende für euch“, rufe ich, schnappe meine Sachen und bin schon aus der Tür.
„Viel Spaß bei deinem Date!“, ruft es mir dreistimmig hinterher, aber ich warte mit keiner Gegenantwort auf, denn dafür bin ich schon viel zu spät dran.
Tobi
Vor dem Electric Garden hat sich eine lange Schlange gebildet. Es ist gut besucht, aber das war schon vorher klar. Während ich auf Chris warte, frage ich mich zum wiederholten Mal, ob das Ganze wirklich eine gute Idee ist. Andererseits ist es für Zweifel nun wirklich zu spät und es muss ja nichts zwischen ihm und mir passieren, außer freundschaftlicher Dinge.
Das Problem ist nur, ich war nie länger mit einem anderen Mann befreundet, ohne nicht über kurz oder lang mit ihm im Bett zu landen. Das heißt, das ist so etwas wie mein erstes Mal, dass ich auf rein freundschaftlicher Basis mit jemanden ausgehe.
Hoffentlich geht das mal gut , denke ich und seufze leise.
Endlich sehe ich Chris, der aus der Richtung der Parkplätze kommt. Als er mich sieht, hebt er kurz und grüßend die Hand und ich erwidere das. Ich beobachte, wie er die Straße nach ein paar Kontrollblicken überquert und ich bewundere die Art, wie er vollkommene Gelassenheit ausstrahlt.
„Hey“, sagt er in seiner angenehmen Tonlage, als er zu mir aufschließt und ich grinse ihn an.
„Hallo. Dann können wir uns ja ins Partyleben stürzen“, meine ich und setze mich Richtung Club in Bewegung.
Chris folgt mir und wir stellen uns in die schier endlose Schlange voller partywilliger Menschen. Stetig rücken wir nach vorn, während wir kein Wort wechseln, dafür lassen wir unsere Blicke über die Leute schweifen, wobei einige wirklich einen sehr einprägsamen Kleidungsstil haben. Ich will Chris gerade auf ein besonders auffälliges Exemplar in einer Kombi aus Tigerstreifen- und Jaguarlook hinweisen, da spricht er es bereits selbst aus.
„Wow, ist heute eine Art Themenabend? Dann fürchte ich, dass ich underdressed bin“, meint er und ich sehe ihn amüsiert an.
„Da du mit mir hier bist, ist das völlig in Ordnung, zu mir passt du ja“, sage ich, deute auf meine eigene legere Kleidung, und weiß genau, dass ich mich mit meinen Worten weit aus dem Fenster lehne.
Chris will noch etwas sagen, doch da bewegt sich die Schlange schon weiter und bald sind wir an der Reihe. Wir zeigen unsere Ausweise und einer der Türsteher checkt mich etwas zu lange ab, ehe er anerkennend nickt. Ich lächle unverbindlich, schließlich bin ich in einer Beziehung und noch dazu auf einem freundschaftlichen Ausflug. Chris steht heute an erster Stelle und natürlich die Aussicht auf jede Menge Spaß. Der Türsteher versteht und widmet sich den Leuten nach uns, so dass Chris und ich ins Innere des Clubs treten können.
Das Electric Garden setzt auf eine schwach beleuchtete Atmosphäre mit wild herumzuckenden Lichtern, die geheimnisvolle Muster auf die Umgebung zeichnen. Die Musik ist meistens eine Mischung aus Elektropop, Dark House und Trance Techno, was die wilde Lichterkulisse nochmals unterstreicht. Zudem sind an den Wänden und Säulen kunstvolle Blättermuster und Ranken gemalt. Dadurch dass es auch perfekt platzierte, große Topfpflanzen gibt, fühlt man sich im Electric Garden wie in einem Dschungel. Ich finde das Konzept großartig und sehe Chris gespannt an. Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, als ich erkenne, dass er bereits im Takt der basslastigen Musik nickt und ansonsten die Eindrücke vollkommen auf sich wirken lässt.
„Jetzt verstehe ich dieses Tiger- und Jaguaroutfit“, ruft er mir zu und bringt mich wieder zum Lachen.
Wir nähern uns der Bar und bestellen Getränke. Während ich den Abend mit einem Cuba Libre einläute, greift Chris lieber zum alkoholfreien Bier. Ach ja richtig, er ist mit dem Auto hier, was darauf schließen lässt, dass er etwas weiter weg wohnt. Zu gerne wüsste ich, wie seine Wohnung aussieht, aber das erscheint mir noch eine zu persönliche Frage. Außerdem würde es darauf schließen lassen, dass ich erwäge, mir sein Heim von innen anzuschauen, was keine gute Idee wäre.
„Gehst du oft in Clubs?“, fragt mich Chris.
„Definiere oft.“
„Sagen wir, jede Woche?“
„Dann nein“, sage ich.
Chris nickt verstehend und nimmt einen Schluck von seinem Bier. Es ist schwer, sich im Club zu verständigen, aber darum soll es auch nicht gehen. Ich habe ihn hierher mitgenommen, damit er Spaß hat und damit ich sehe, ob er in der richtigen Atmosphäre locker werden kann. Bisher kommt mir Chris sehr ruhig vor, auch wenn er den einen oder anderen lustigen Spruch auf den Lippen hat. Ich denke, dass da so einiges unter seiner ruhigen Oberfläche auf mich wartet, wenn ich nur bereit bin, mich näher auf ihn einzulassen. Aber wie weit ist genug und was ist zu viel? Keinesfalls will ich Hoffnungen schaffen, wo nichts sein darf.
Aber Spaß haben darf ich ja wohl , verteidige ich mich vor mir selbst und leere meinen Longdrink.
Danach schnappe ich mir Chris am Handgelenk und ziehe ihn mit mir auf die Tanzfläche. Sofort geht mir der Beat ins Blut und ich übergebe meinen Körper der Musik, der sofort weiß, was er zu tun hat.
Chris ist zögerlicher, er lässt seinen Blick über die anderen tanzenden Menschen gleiten und schaut auch mir zu. Dann beginnt er langsam, kleine Bewegung zu machen. Sonderlich tänzerisch begabt ist er nicht, aber darauf kommt es mir auch nicht an. Ich beobachte ihn verstohlen, damit er sich nicht wie auf dem Prüfstand vorkommt. Endlich taut er auf und seine Bewegungen werden sicherer, während er sich niemand anderen mehr zum Vorbild nimmt, sondern ausschließlich die Musik, die ihm ihren Rhythmus einflüstert. Zufrieden lächle ich, denn Chris kann sich sehr wohl fallenlassen und das steht ihm unglaublich gut.
Chris
Ich habe keine Ahnung, wie lange Tobi und ich tanzen, denn ein Lied geht in das nächste über. Irgendwann haben wir begonnen, sogar miteinander zu tanzen, auch wenn wir dabei noch ein wenig Sicherheitsabstand zwischen uns lassen. Zu gerne würde ich diese Distanz überbrücken, aber ich möchte nicht übereifrig sein. Dass Tobi ein Treffen mit mir wollte, kommt mir schon wie unglaubliches Glück vor und das möchte ich keinesfalls überstrapazieren. Nicht auszudenken, wenn er sich unwohl mit mir fühlen würde, denn dann muss ich am Ende doch noch Frauenhände auf mir ertragen, weil Tobi keine Behandlungen mehr an mir durchführen möchte.
Also reiß dich zusammen. Erst einmal sind wir nur Bekannte, die sich Richtung Freundschaft hangeln , beschwöre ich mich selbst und konzentriere mich auf die Musik.
Der Boden vibriert unter meinen Füßen, die Luft ist erfüllt von Klängen. Die Bewegungen der anderen Tanzenden wirken durch das Licht verzerrt und trotzdem vollkommen im Einklang. Mein Blick wandert zu Tobi, welcher die Augen geschlossen hat und sich vollkommen der Musik übergeben hat. Er sieht wunderschön aus und ich kann mich kaum an ihm sattsehen. Natürlich erwischt er mich und grinst mich schelmisch an, so als wüsste er, was ich denke. Doch das kann er unmöglich, denn dann wäre ihm das Grinsen schon längst vergangen.
Ich reiße mich aus meiner Bewunderung heraus und gebe Tobi zu verstehen, dass es mir hier gefällt. Dann tanze ich weiter und tue so, als wäre es völlig normal und altbekannt, dass wir beide hier sind.
Tobi
Nach ein paar Getränkepausen und einigen Stunden auf der Tanzfläche wird es Zeit zu gehen. Ich bin schon länger hier, als ich wollte, schließlich muss ich in etwa vier Stunden wieder raus, um als Erster bei Nico zu sein und damit Andre zu ärgern. Ich weiß, dass es kindisch ist, ihn ständig zu provozieren, aber andererseits kann ich nicht anders. Ebenso wie ich nicht anders kann, Chris immer wieder Seitenblicke zuzuwerfen, wenn ich denke, dass er es nicht bemerkt. Ich schiebe es auf meinen Alkoholpegel, obwohl ich kaum etwas intus habe. Es wäre viel zu gefährlich, es auf die Attraktivität meines neuen Freundes zu schieben, denn dann wäre ich verloren.
Gerade will Chris mich noch einmal auf die Tanzfläche ziehen, wobei er dieses Mal mein Handgelenk ergreift. Ich schüttle den Kopf und er sieht mich fragend an. Ohne groß nachzudenken, nähere ich mich seinen Ohr.
„Ich muss gehen, es wird spät“, rufe ich und er nickt.
Kurz sehe ich Bedauern in seinem Gesicht aufblitzen, doch er hat sich schnell wieder im Griff. Er nimmt mich bei der Hand und zieht mich jetzt durch die Tanzenden. Ich kann nur auf unsere verschränkten Hände starren, während die Luft immer frischer wird und wir schließlich vor dem Club stehen. Inzwischen klopft mein Herz bis zum Hals, welcher sich auch ganz schön trocken anfühlt. Merkwürdig, denn ich habe nicht gerade wenig getrunken.
Chris zieht mich weiter und ich erkenne, dass er mich in jene Richtung bugsiert, aus welcher er zu Beginn des Abends gekommen ist. Wie ich es mir dachte, ist auf dem Parkplatz Endstation und als er dort meine Hand loslässt, bin ich zu gleichen Teilen erleichtert wie auch enttäuscht.
„Also... soll ich dich noch nach Hause bringen?“, fragt er und obwohl ich nur ein paar Blocks von hier weg wohne, stimme ich zu.
Wir steigen in einen dunklen Volvo und erst als ich im Inneren des Wagens sitze, merke ich, welchen fatalen Fehler ich begangen habe. Das ganze Auto trägt Chris‘ Duft in sich und noch dazu sitze ich nicht gerade unweit von ihm entfernt. Er bemerkt es nicht, weil er losfährt und sich auf die Straße konzentriert, aber ich bin mir seiner Nähe unglaublich bewusst. Es ist, als könne mein Körper schon seine Berührung erahnen, obwohl sie noch nicht einmal geschieht. Meine Haut kribbelt bereits, so dass ich Mühe habe, Chris zu sagen, wo er hinmuss.
Die Fahrt dauert nicht einmal zehn Minuten, dann halten wir vor dem Mietshaus, in welchem ich wohne. Ich schnalle mich in Windeseile ab und drehe mich mit einem Lächeln zur Fahrerseite, um mich zu bedanken und zu verabschieden. Doch mein Lächeln fällt in sich zusammen, als sich Chris zu mir lehnt. Mein Herz setzt kurz aus, nur um danach so viel schneller weiterzuschlagen.
Bestimmt spielt mir mein Verstand Streiche und es gibt einen plausiblen Grund, warum er tut, was er tut, aber er will mir nicht einfallen. Also verharre ich in meiner Position und gebe mich meinem eigenen Sehnen insoweit hin, dass ich ihm auf die Lippen starre.
Natürlich überlege ich, wie es wäre, aber der Preis dafür ist mir zu hoch. Ich bin in einer Beziehung und ganz sicher werde ich Andre und Nico nicht betrügen, nicht einmal mit einem winzigen Kuss auf die Wange. Selbst dass Chris meine Hand gehalten hat, kommt mir wie der berühmte Schritt zu weit vor und ich besinne mich auf meine Situation.
Ich schaue ein letztes Mal auf Chris verführerischen Mund, dann tue ich das Richtige.
Chris
Die Stimmung im Auto erscheint mir aufgeladen, doch wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein. Mein Wunsch nach mehr ist so groß, dass ich mir schon einbilde, dass Tobi sich zu mir lehnen und mich küssen könnte. Ich kämpfe hartnäckig gegen meine romantischen Träume an und zwinge mich, mit keiner Regung zu verraten, was mir durch den Kopf geht. Diese Freundschaft darf nicht so schnell kaputtgehen, schließlich besteht sie noch nicht lange.
„Also danke und bis nächsten Dienstag, Chris“, lächelt Tobi mir schließlich zu, dann ist er weg und ich kann ihm nur nachsehen, wie er über die Straße zu seinem Haus eilt.
Wenig später ist er hinter der Eingangstür verschwunden und für ein paar Augenblicke denke ich, ich habe mir alles von diesem Abend nur eingebildet. Doch Tobis Duft, der ganz sanft in meinem Auto hängt, sagt mir etwas anderes, so dass ich es schließlich auch wieder glauben kann. Schließlich stoße ich seufzend die Luft aus und reiße mich los, ehe ich wieder losfahre. Mein nächstes Ziel ist meine einsame Wohnung und ein kaltes Bett und vielleicht ist das sogar das Beste.
Kapitel 5: Es ist nur Freundschaft, oder?
Tobi
D ie Nacht war sehr kurz und ich muss zwei Mal an einer Raststätte anhalten, um mir Kaffee zu besorgen. Ich glaube, ich bin nichts mehr gewöhnt, aber vielleicht liegt es auch am steigenden Alter.
Oder an diesem heißen Kerl von gestern, den du beinahe geküsst hättest , flüstert ein Stimmchen in meinem Kopf, welches natürlich genau ins Schwarze trifft.
Dieser Abend mit Chris war ein Fehler, denn er hat mir einmal mehr vor Augen geführt, dass er perfekt für mich wäre.
„Grandiose Idee, Tobi, ganz klasse gemacht“, sage ich voller Ironie zu mir selbst.
Ich schlage frustriert aufs Lenkrad, was prompt die Hupe auslöst und nicht nur mich sondern auch eine vierköpfige Familie erschreckt, die gerade an meinem Auto vorbeigeht. Ich mache eine entschuldigende Geste, während ich im Erdboden versinken möchte. Schnell mache ich, dass ich vom Parkplatz der Raststätte wieder herunterkomme, um dieses peinliche Erlebnis hinter mir zu lassen.
Nach einem Blick auf die Uhr ist mir klar, dass ich definitiv nach Andre bei Nico aufschlagen werde. Das ärgert mich zusätzlich, aber ich kann es auch nicht mehr ändern. Bei der nächsten Gelegenheit schreibe ich in unseren gemeinsamen Chat, dass ich erst eine Stunde später ankommen werde. Dabei kann ich mir gut vorstellen, dass Andre das gar nicht gefallen wird, denn er hasst Unpünktlichkeit und alles andere, was seinen vorgefassten Plan durcheinanderbringt.
Nachdem ich die Nachricht abgeschickt habe, werfe ich mein Handy auf den Beifahrersitz und lasse es dort liegen, um mich völlig auf die Straße zu konzentrieren. Punktgenau eine Stunde später biege ich auf den Parkplatz vor Nicos Haus ein und atme tief und erleichtert durch.
Geschafft , denke ich, schalte den Wagen aus und schnappe mir meine Reisetasche vom Rücksitz.
Ich gönne mir keine weitere Pause, denn ich will das Zeitfenster nicht noch mehr ausreizen, damit Andre nicht ungemütlich wird. Ich mag seine brummige Art und auch seinen missbilligenden Blick, wenn ich etwas tue, was ich nicht sollte. Aber ich habe mir sein Vertrauen sehr hart erkämpfen müssen, weshalb ich es nicht verspielen möchte. Also beeile ich mich, schließe den Wagen ab und sprinte zu Nicos Haus.
Andre
Als es endlich an der Haustür klingelt, fällt die innere Anspannung ein Stück weit von mir ab. Nico geht zur Tür, um Tobi hochzulassen und als er wenig später in den Flur eilt, bin ich schon versöhnt.
„Sorry, ich habe nach der Party gestern verschlafen und dann war der Morgen so hektisch. Ich wollte nicht alles durcheinanderbringen“, entschuldigt Tobi sich sofort zerknirscht, während er seine Tasche abstellt und dann Nico in eine Begrüßungsumarmung zieht.
Ein sanfter Kuss auf seine Lippen folgt, dann lässt er Nico los, um zu mir zu kommen.
Merkwürdig , denke ich, denn sonst zelebriert Tobi sein Ankommen über alle Maßen.
Auch ich erhalte eine Umarmung und einen Kuss, was mich noch mehr verwirrt. Aber es fühlt sich nicht unangenehm an und vielleicht sollte es auch normal für uns sein, schließlich sind wir alle in einer Beziehung. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass sich etwas verändert hat, auch wenn ich nicht genau benennen kann, was es ist.
„Party?“, erkundige ich mich erst einmal und Tobi lacht verlegen.
„Ja, ich hatte jemandem versprochen, noch auf eine Party zu gehen. Es war überhaupt nicht lange, aber ich war wohl noch zu aufgewühlt, um zu schlafen“, berichtet er und ich glaube ihm.
Vielleicht habe ich mich auch geirrt und es ist gar nichts im Busch, denn so eine Partynacht ist für Tobi nichts Ungewöhnliches. Ich vertraue ihm, dass er dort niemanden abschleppt, denn so jemand ist er nicht. Wenn er von einer Sache die Nase voll hat, dann würde er das offenkundig mitteilen, und das ist eine Eigenschaft, die ich an ihm schätze.
„Hast du Hunger? Wir haben noch nicht mit dem Frühstück angefangen, weil wir auf dich warten wollten“, sagt Nico und Tobi nickt erleichtert.
„Und wie. Ich habe nur Kaffee intus, das sollte besser nicht so bleiben“, lacht er und so begeben wir uns zu dritt in die Küche.
Tobi
Ich bin unendlich froh, etwas in den Magen zu bekommen und die Gesellschaft meiner beiden Partner macht mich ein wenig ruhiger. Das Frühstück ist köstlich und reichhaltig und mir geht es etwas besser. Natürlich weiß ich, dass die Sache mit Chris nicht ausgestanden ist, aber dieses Wochenende ist eine willkommene Pause für meine verworrenen Gedanken, die ich ohne Zweifel habe.
Ich wäre niemals mit ihm ausgegangen, hätte ich geahnt, dass es so verzwickt zwischen uns wird. Er hat definitiv Interesse an mir und all die Gespräche, Witze und Annäherungsversuche geben mir recht. Aber das Ganze ist nicht nur einseitig und das macht es mir doppelt schwer. Ich kann nur hoffen, dass ich ihn mir aus dem Kopf schlagen kann, ehe ich ihn davon überzeuge, dasselbe in meinem Fall zu tun.
„Was haben wir denn dieses Wochenende vor? Ich habe es gar nicht auf dem Schirm“, überlege ich laut und werde prompt von Nico auf den neuesten Stand gebracht.
Ach ja, richtig, wir wollten uns diese neue Comicverfilmung ansehen. Die Werbung deshalb lief die letzten Wochen ununterbrochen im TV und sah sehr interessant aus. Ein muskelbepackter Superheld mit Knackarsch rettet die Welt – wer möchte das nicht auf Großleinwand sehen?
Bis dahin bleibt uns allerdings noch ein wenig Zeit und wir verbringen diese damit, indem wir uns die Neuigkeiten der letzten Wochen berichten.
„Wie läuft es mit deinem Lernpensum, Nico?“, will Andre wissen und auch mich interessiert das.
Nico steuert immer mehr auf die Prüfungen zu und obwohl wir angeboten haben, unser Treffen zu verschieben, hat er darauf bestanden, dass wir wieder zu ihm kommen. Er meinte, wir wären sein Ausgleich und wenn wir bei ihm waren, hat er immer die doppelte Motivation, sich zurück in den Lernstoff zu stürzen. Andre und ich glauben ihm das, aber wir verständigen uns mit einem Blick, dass wir sichergehen wollen.
„Hast du einen Fragekatalog? Dann könnten wir dich abfragen“, schlage ich vor.
„Dafür seid ihr doch nicht hergekommen“, wehrt Nico ab, aber Andre ist auf meiner Seite.
„Wir wollen nur sichergehen, dass du gut vorbereitet bist“, meint er und Nico gibt sich geschlagen.
Nachdem das Frühstücksgeschirr abgewaschen und verstaut ist, machen wir es uns im Wohnzimmer gemütlich und Nico übergibt uns seine Lernkarten, die Andre und ich zwischen uns aufteilen. Abwechselnd stellen wir Nico Fragen, die dieser mit Bravour meistert. Er drückt sich auch jedes Mal so gewählt aus, dass ich nur staunen kann. Er ist bestens vorbereitet, so dass ich beschließe, das Ganze auf eine andere und verspieltere Ebene zu holen. Es wird Zeit, Nico ein bisschen zu ärgern.
„Okay, Schluss mit den langweiligen Fragen. Beantworte uns doch lieber mal diese hier: Was ist Andres Lieblingsfarbe?“
Nico sieht mich verdutzt an.
„Ich glaube nicht, dass die Frage in meinen Prüfungen vorkommt“, meint er.
„Hast du gehört, Andre? Da wird jemand frech“, sage ich und sehe ihn mit erhobenen Augenbrauen an.
Nico schluckt nervös, als Andre sich erhebt und zu ihm kommt, um sich hinter ihm in Position zu begeben. Ich finde es toll, wie gut wir uns ohne Worte verstehen.
„Dunkelrot“, antwortet Nico schließlich.
Ich nicke und Andre zieht Nico den Pullover aus.
„Was wird das hier?“, fragt er und natürlich kläre ich ihn gerne auf.
„Immer wenn du eine Frage richtig beantwortest, verlierst du ein Kleidungsstück. Und wenn du bei allem richtig liegst, kannst du dir raussuchen, wie wir dich zum Orgasmus bringen. Liegst du allerdings falsch, zieht Andre dich nach und nach wieder an und du musst auf deine nächste Gelegenheit warten“, grinse ich und habe jetzt schon großen Spaß an dieser Aktion.
„Also gut, dann frag mich“, sagt Nico widerwillig, obwohl ich das lustvolle Interesse in seinen Augen aufglimmen sehe.
Er kann nichts vor mir oder Andre verbergen, dafür kennen wir uns bereits viel zu gut.
„Was hatte ich bei unserem ersten Mal für Unterwäsche an?“, frage ich grinsend.
Nico protestiert.
„Das wüsstest du doch selbst nicht mal!“, ruft er und ich lache.
„Niemand hat gesagt, dass es einfach wird.“
Andre zieht Nico den Pullover wieder über und das Spiel beginnt von vorn. Ich habe einige gute Fragen auf Lager mit wechselndem Schwierigkeitsgrad und Nico schlägt sich unter den gegebenen Umständen gut. Nach einer Weile sitzt er nur noch in Unterwäsche vor uns und beantwortet mit Feuereifer die letzte Frage nach meiner Lieblingsstellung richtig. Andre verhakt schon seine Finger in den Bund seiner Shorts, doch ich halte ihn auf und übernehme das selbst.
„Okay Nico... wie hättest du es denn gern?“, raune ich fragend und genieße es, wie ihm für einen kleinen Moment der Atem stockt.
Nico
Meine Gedanken spielen verrückt, denn ich habe so viele Ideen, wie Andre und Tobi mich jetzt am besten bespielen könnten, dass ich mich kaum entscheiden kann.
„Also?“, hakt Tobi nochmals nach und nestelt mit seinen Fingern an meiner Unterhose herum, dass ich mich kaum konzentrieren kann.
Dazu kommt noch Andres Präsenz hinter mir, die ich keinen Augenblick vergessen kann. Da ich mich die letzte Zeit sehr zurückgehalten habe, zeigt dieses Spiel bereits große Wirkung. Ich bin hochgradig erregt und meine Haut scheint in Flammen zu stehen, so warm ist mir. Und ich weiß, es wird gleich noch schlimmer werden, denn ich habe mich entschieden.
„Ich möchte in deinem Mund kommen. Und ich will Andres Finger in mir“, sage ich rau und in Tobis Blick sehe ich deutliches Interesse.
„Hm, du willst uns also beide auf einmal?“, fragt er lächelnd und ich nicke enthusiastisch.
Ich zucke zusammen, als Andre meinen Nacken küsst und Tobi gleichzeitig über meine nackte Brust pustet. Die Unterhose weicht immer mehr meiner bloßen Haut und ich kann es kaum erwarten, dass mein Wunsch in Erfüllung geht. Doch stattdessen zieht Tobi die Unterwäsche wieder nach oben und sagt zu Andre, dass er mich wieder anziehen soll. Ich bin wie vor den Kopf gestoßen.
„A-aber warum?“, will ich wissen und bin ein zitterndes Häufchen unerfüllter Gelüste.
„Wir wollten doch den Film sehen, erinnerst du dich? Wenn wir das noch schaffen wollen, müssen wir jetzt los“, lächelt Tobi und tätschelt mir die Wange.
Mir entgleisen die Gesichtszüge und die Hitze steigt mir bis zu den Haarwurzeln. Ich schnappe mir meine Sachen und flüchte ins Bad, denn ich brauche nach der ganzen Tortur erst einmal einen Rückzugsort.
Andre
Mein Blick folgt Nicos überstürztem Abgang, dann sehe ich missbilligend zu Tobi.
„Musste das wirklich sein?“, frage ich.
„Natürlich. Ich habe ihn ein bisschen heißgemacht für heute Abend, was ist da schon dabei?“, lächelt er mir zu und normalerweise hätte ich nichts dagegen.
Aber wir werden gleich circa 3 Stunden im Kino verbringen und das ist nicht nur für Nico eine Zerreißprobe, sondern auch für Tobi und mich.
„Wie willst du dich auf den Film konzentrieren, wenn Nico die ganze Zeit zwischen uns herumzappelt, weil du ihn hinhältst?“, frage ich skeptisch.
„Ach, das geht schon. Vorfreude ist die schönste Freude, das weißt du doch“, sagt Tobi und wieder beschleicht mich dieses komische Gefühl.
Irgendetwas stimmt mit ihm nicht, er ist nicht wie sonst. Ich würde gern weiter nachhaken, doch da kommt Nico auch schon zurück und ist komplett angezogen. Mir bleibt keine Wahl, als mich zu fügen und mit meinen beiden Partnern die Wohnung zu verlassen, damit wir nicht zu spät zur Vorstellung kommen. Aber ich behalte Tobis Verhalten im Hinterkopf.
***
Der Film ist ein Feuerwerk an Actioneffekten, Kämpfen und vielen dramatischen Inszenierungen, die mir dick aufgetragen vorkommen. Tobi und Nico sind hingegen begeistert und entgegen meiner Befürchtungen zappelt Nico nicht herum. Erst gegen Ende des Films kommt die Unruhe von vorher in ihm hoch, aber Tobi zwingt ihn und mich, noch sitzenzubleiben und den Abspann anzuschauen, da nach diesem eine geheime Bonusszene ablaufen soll. Viele andere bleiben ebenfalls sitzen, also kann diese geheime Bonusszene nicht so geheim sein. Der Inhalt bleibt mir im Übrigen unverständlich, aber Nico und Tobi sind völlig aus dem Häuschen und unterhalten sich angeregt, als wir wieder im Freien stehen und uns auf dem Weg zu unserem Lieblingsitaliener machen. Dass ich still bin und nicht am Gespräch teilnehme, scheint beiden nicht aufzufallen, aber ich bin in diesem Fall nicht böse darum. Eher genieße ich das, denn das ist das erste Mal seit Langem, dass ich zur Ruhe kommen kann. Zurzeit schiebe ich so einige Doppelschichten, da uns die Leute fehlen und die Arbeit einfach nicht abreißt. Ich bin einer der wenigen, die freiwillig mehr Stunden machen, was dem Grund geschuldet ist, dass mir zuhause sowieso nur die Decke auf den Kopf fällt. Wenn ich nicht auf Arbeit bin, verbringe ich meine Zeit im angegliederten Fitnesscenter unserer Zentrale und nur zum Essen und Schlafen gehe ich nach Hause. Es hört sich trostlos an und das ist es auch. Die Wochenenden bei Nico sind zweifelsohne meine Highlights und das sowohl in entspannender als auch in aufregender Hinsicht.
Gegen Abend geht es wieder in Nicos Wohnung und Tobi nimmt das Spiel wieder auf, sobald wir zur Tür hereinkommen. Gerade als ich sie nämlich schließe, zieht er Nico die Jacke aus.
„Du hattest viel Geduld, Nico. Zeit für deine Belohnung“, sagt er sanft und lässt das Kleidungsstück zu Boden fallen.
„Endlich“, seufzt Nico dankbar und gemeinsam setzen wir unseren Weg zum Schlafzimmer fort, während der Boden unsere Kleidung auffängt.
Unsere Körper werden wiederum vom Bett empfangen und Nicos Wunsch nach Tobis Mund und meinen Fingern in seinem Inneren geht in Erfüllung.
Tobi
Nach dem gestrigen Tag und der heißen Nacht sollte ich in Glückseligkeit baden und rundum entspannt sein. Doch der erste Gedanke nach dem Aufstehen gilt Chris und wie es wohl sein würde, wäre er auch hier. Was zur Hölle stimmt bloß nicht mit mir? Kriege ich etwa den Hals nicht voll, nur weil ein heißer Kerl auf der Bildfläche erscheint?
Verwirrung breitet sich in mir aus, während ich Chris aus meinen Gedanken verscheuche. Er hat an diesem Wochenende nichts in meinem Kopf verloren, da gehören nur Andre und Nico hin. Allerdings kann ich nicht abstreiten, dass durchaus Gemeinsamkeiten zwischen Chris und Andre bestehen und diese fallen mir immer deutlicher auf. Sie besitzen einen ähnlichen Körperbau, ihre Bewegungen sind gleich und sie besitzen beide diese von innen kommende Seelenruhe. Dazu sind sie beide sexy und wissen genau, was sie wollen und was nicht. Aber was will ich mit noch einem „Andre“?
„Tobi, was ist los mit dir?“, will Nico wissen und ich sehe ihn ertappt an.
„Nichts, was soll sein?“
„Du bist ziemlich abgelenkt und starrst Andre die ganze Zeit an, während du auf deiner Unterlippe herumkaust“, informiert mich Nico.
Ich spüre die Röte, die mir ins Gesicht kriecht. War ich wirklich so abwesend? Das darf nicht passieren, also reiße ich mich nun zusammen. Ein entschuldigendes Lächeln besänftigt hoffentlich meine beiden Geliebten, ehe ich zur Sicherheit nochmal einen Spruch klopfe, wie sie es von mir gewöhnt sind.
„Mir gehen gerade die ganzen sexuellen Optionen durch den Kopf, die möglich wären, wenn Andre mal den Top bei mir machen würde“, grinse ich und treffe zumindest bei Nico einen Nerv.
„Das würde ich zu gerne sehen“, entfleucht es ihm und Andre sieht irritiert zwischen ihm und mir hin und her.
„Wieso willst du das sehen?“, fragt er Nico, der nun ebenfalls rot anläuft.
„Na ja, ihr beide seid eben heiß zusammen“, meint er leise. „Immer wenn ihr euch küsst, wird mir ganz anders. Und ihr genießt es auch immer, das sieht man deutlich.“
„Aber Sex ist noch einmal etwas völlig anderes“, beharrt Andre und ich lenke ein.
„Du musst es ja auch nicht tun. Ich habe nur die Möglichkeiten in meinem Kopf durchgespielt, wie es wohl wäre, wenn ich deinen Schwanz einmal tief in mir hätte. Kopfkino wird ja wohl erlaubt sein“, sage ich und dränge die Enttäuschung zurück.
„Das willst du?“, fragt mich Andre und sein Gesichtsausdruck wird nachdenklich.
Mein Herz macht einen Satz, denn es ist sofort im Vorfreudemodus. Vielleicht ist Andre doch nicht so abgeneigt, wie ich dachte.
„Tobi hat schon einige meiner Wünsche umgesetzt und mir geholfen, dir deine zu erfüllen. Es wäre nur fair, wenn er auch an das kommt, was er sich vorstellt“, meint Nico und ich bin ihm dankbar dafür.
Andre brütet über das Gesagte und trinkt in absolutem Schweigen seinen Kaffee. Gerade als ich denke, dass er das Thema einfach aussitzen will, stellt er seine leere Tasse auf den Tisch und fixiert mich mit seinem Blick.
„Wir treffen uns in einer Viertelstunde im Badezimmer“, sagt er und steht auf.
Perplex sehe ich ihm hinterher, dann fange ich Nicos Blick auf.
„Scheinbar geht dein Wunsch in Erfüllung“, lächelt er und sofort läuft der Vorfreudemodus wieder auf Hochtouren.
Nico
Nicht nur ich bin überrascht von Andre. Aber wahrscheinlich hat ihn mein Argument überzeugt, dass Tobi so viel für uns macht, dass so langsam eine Gegenleistung fällig ist. Und wie ich bereits offen gesagt habe, würde ich es auch gerne sehen, wie die beiden miteinander schlafen, während Andre das Sagen hat.
Ein kribbelndes Gefühl nistet sich in meinem Nacken ein und ich kann es kaum erwarten. Ich nehme mir vor, die beiden so gut es geht zu unterstützen und diesen Moment zwischen ihnen so perfekt wie möglich zu machen.
Als Tobi und ich fertig mit frühstücken sind, machen wir uns ins Badezimmer auf, wo Andre bereits wartet. Er ist schon ausgezogen und strebt nun auf die Duschkabine zu, die zum Glück groß genug für drei ist. Tobi und ich folgen seinem Beispiel und eine riesige Nervosität überkommt mich. Wie es wohl weitergehen wird?
Zuerst geschieht nichts, außer dass wir unter der Dusche stehen und uns vom warmen Wasserregen durchweichen lassen. Ich scheine der Einzige zu sein, der vollkommen von der Rolle ist, weil sich gleich etwas sehr Seltenes vor meinen Augen zutragen wird. Beide nackt vor mir zu haben, ohne sie zu berühren, ist eine Tortur für mich. Ich bin nicht immun gegen ihre Attraktivität und werde es auch nie sein. Sofort bin ich hart, aber ich dränge dieses Gefühl zurück, so gut ich kann. Heute werde ich nicht mitspielen wie sonst, denn dieser Moment gehört allein Tobi und das weiß auch Andre, der seine Aufmerksamkeit nun auf ihn zu lenken scheint.
Ich beobachte, wie Andre zu Tobi hinübersieht. Eine ganze Weile sehen sich die beiden an, scheinen einander zu studieren und einzuschätzen, obwohl sie sich schon eine ganze Weile lang kennen. Dann legt Andre eine Hand in Tobis Nacken, zieht ihn näher und küsst ihn in der nächsten Sekunde auf den Mund. Der Anblick geht mir durch und durch und ich bin überaus froh, dass das Wasserrauschen mein leises, angeregtes Seufzen schluckt. Gerade geht eine ziemlich anregende Fantasie meinerseits in Erfüllung und ich möchte sie um nichts auf der Welt verpassen, indem ich unaufmerksam bin.
Andre
Hinter dieser Duschwand entsteht eine Art kleine Welt für sich. Ich bin tiefenentspannt und völlig fokussiert auf diesen Augenblick. Ich habe noch keine Ahnung, was ich mit Tobi anstellen soll, aber ich bin sicher, dass es mir noch einfallen wird.
Zuerst sehe ich zu ihm und beobachte, wie das Wasser seinen Körper herabläuft. Er hat seine Augen geschlossen und genießt die Dusche sichtlich. Er versteckt seinen Körper nie vor mir und obwohl ich allein Nico liebe, bin ich nicht unempfänglich für Tobis Reize. Auch jetzt kriecht Erregung durch meine Adern und ich nähere mich ihm.
Er spürt meine Nähe, denn er öffnet die Augen und sieht mich geradeheraus an. Sein Blick wandert über meinen Körper, so wie ich es gerade bei ihm getan habe, dann sieht er mir in die Augen. Er wartet ab und ich bin froh, dass er dieses Mal nicht den Ton angeben wird. Er hat schon so einige Sachen mit mir angestellt, bei denen ich im Vorfeld gesagt habe, dass ich sie niemals tun würde. Doch irgendwie bekommt Tobi es mit Nicos Unterstützung hin, dass ich weich werde und wesentlich experimentierfreudiger geworden bin. Meistens bin ich einer der ausführenden Parteien, aber manchmal bin auch ich es, der getoppt wird. Es kommt selten vor, aber doch öfter als in der Zeit, als ich noch nicht mit Nico und Tobi in einer Beziehung steckte.
Ich bin abgelenkt, was mir eigentlich nicht passieren darf, also fokussiere ich mich erneut auf Tobi. Ich lege meine Finger in seinen Nacken, erfühle die sanfte Haut dort und ziehe ihn zu mir. Recht schnell küsse ich ihn und spüre sofort, wie er sich auf mich einlässt.
Sein Körper lehnt sich gegen meinen und ich kann seine Erregung an meine gepresst spüren. Ich könnte sofort beide umfassen und uns sehr schnell zum Ziel führen, aber das ist nicht der Sinn der Sache. Also lasse ich mir Zeit und genieße lieber den Kuss.
Tobi
Äußerlich kann man mir kaum etwas ansehen, zumindest bin ich mir dessen sicher. Allerdings zittere ich innerlich bereits vor Verlangen, denn Andres Küsse sind der Wahnsinn. Es fällt mir leicht, mich darauf einzulassen, jedoch frage ich mich automatisch, ob es mit Chris wohl auch so wäre.
Sofort ärgere ich mich, denn ich sollte an das denken, was gerade in dieser Sekunde geschieht. Andre erinnert mich zum Glück daran, denn er holt mich zurück ins Geschehen, als seine Zunge gegen meine Lippen stößt. Sofort lasse ich ihn ein und antworte ihm auf die gleiche Weise. Ich werde von meinen Empfindungen mitgerissen und ich gebe mich ihnen voll und ganz hin, bis mir die Hitze förmlich zu Kopf steigt. Ich will Andre gerade meinen Willen aufzwingen, da unterbricht er den Kuss und ehe ich mich versehe, umfasst seine rechte Hand meine voll ausgeprägte Erektion.
Das Gefühl geht mir durch und durch und ich kann ein lautes Stöhnen nicht zurückhalten. Mein Kopf kippt nach hinten, lehnt sich gegen die Fliesen, meine Hüfte geht automatisch mit Andres Handbewegung mit. Ein frustrierter Laut ist nicht aufzuhalten, als er plötzlich innehält und ich schäme mich nicht deswegen. Ungehalten funkle ich Andre an, aber er geht keinen Moment darauf ein. Stattdessen wirft er mir einen arroganten Blick zu und übt sanften Druck auf meine Schultern aus – ein Zeichen dafür, dass ich in die Knie gehen soll. Was das bedeutet, weiß ich nur zu genau und natürlich tue ich es. Mit einem herausfordernden Blick sehe ich Andre an, welcher keiner Miene verzieht. Seine Erektion bäumt sich vor meinem Gesicht auf und ich fackle nicht lange, sondern nehme sie in den Mund. Es ist schwierig, das zu tun und gleichzeitig den Blickkontakt zu halten, aber irgendwie schaffe ich es. Meine Zunge tanzt um Andres Härte, meine Hände verschränke ich hinter dem Rücken und ich genieße das Begehren, welches sich in Andres Gesicht zeigt. Ich will, dass es ihm gefällt, dass er alles um sich herum vergisst, so wie ich es gerade tue, aber ich bin mir bewusst, dass das unmöglich ist.
„Nico“, sagt da Andre auch schon und unser Partner kommt näher.
Andre beginnt, nun ihn zu küssen und all das aus sich herauszulassen, was ich in ihm auslöse. Dieses Mal wende ich den Blick ab, um mich voll auf meine Tätigkeit zu konzentriere. Erregung durchzuckt mich heiß, da Andre in meinem Mund immer härter wird, und ich verstärke meine Bemühungen, um ihn zum Kommen zu bringen.
Doch Andre hat andere Pläne, denn da löst er sich von Nicos Mund und entzieht sich mir.
Andre
Fuck!
Das war verdammt knapp, ich habe mich gerade noch rechtzeitig von Tobi zurückgezogen. Dieser Mund und diese Lippen gehören verboten, denn es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre extrem schnell gekommen. Dabei habe ich noch so viel mit ihm vor, also ziehe ich ihn am Oberarm hoch.
„So schnell kommst du mir nicht davon“, knurre ich ihm zu und seinem erleichterten Lächeln nach hat er das sogar gehofft.
Ich schiebe ihn aus der Dusche und zum Badezimmerteppich.
„Knie dich darauf, Hände auf den Rücken. Wenn du dich anfasst, bringe ich es nicht zu Ende“, drohe ich ihm und er macht sofort, was ich sage.
Ich weiß, dass sein Gehorsam nur temporärer Natur ist, so ist Tobi nun mal. Aber ich brauche zumindest ein paar kleine Momente mit Nico, um wieder zu mir zu finden und mich zu versichern, dass ich das Richtige tue. Ich kehre zu Nico unter die Dusche zurück, schließe ihn in eine feste Umarmung und küsse ihn innig. Er wird sofort sehr anschmiegsam, seine Hände streicheln meinen Körper und als ich den Kuss kurz unterbreche, um mich zu versichern, dass er allein okay ist, lächelt er nur. Trotzdem muss ich ihn fragen.
„Ist das wirklich okay für dich?“, frage ich ernst, denn es ist tatsächlich das erste Mal, dass ich mit Tobi schlafen werde, während Nico nichts davon hat, außer unseren gemeinsamen Anblick.
„Er hat sich das gewünscht und glaub mir, ich komme gerade voll auf meine Kosten“, lacht Nico leise und lehnt sich nach vorne, um meine Nase sanft mit seiner zu berühren.
Mir stockt der Atem, weil mir das so vertraut und intim vorkommt. Alles in mir brüllt mich an, dass ich ihm sagen muss, wie ich fühle, doch da zieht Nico mich wieder an sich. Wir küssen uns und ich lege all meine unausgesprochenen Gefühle hinein.
„Ich will eure traute Zweisamkeit ja nicht stören, aber seid ihr dann bald fertig?“, ruft Tobi irgendwann und mit einem Seufzen löse ich mich von Nico.
„Du hörst es ja, die Pflicht ruft“, knurre ich und Nico lacht so herzhaft darüber, dass es ihn zum Strahlen bringt.
Der Anblick erwärmt mein Herz, aber ich bleibe nicht, sondern gehe hinüber zu Tobi, welcher nach wie vor auf dem Badezimmerteppich kniet und mich erwartungsvoll ansieht. Seine Haltung ist gerade und sein Blick aufmüpfig, als ob ihn das alles hier zu lange dauern würde. Wenn man Ungeduld in ein Bild fassen würde, wäre es wohl genau das.
Ärger durchzieht mich und ehe ich genau weiß, was ich tue, schubse ich Tobi nach vorn, so dass er sich mit den Händen abstützen muss. Sein Kopf dreht sich zu mir, empört öffnet er den Mund und will aufbegehren. In diesem Moment hole ich mit der Hand aus und lasse ihm einen Schlag aufs Hinterteil zukommen.
Tobi
Ich gebe zu, ich habe mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass meine rechte Pobacke nun anfängt, kribbelnd zu brennen. Etwas geschockt sehe ich zu Andre.
„Keine Sorge, das war einmalig. Es sei denn, du zweifelst weiter an mir“, sagt er und zieht grimmig eine Augenbraue in die Höhe.
Es stimmt, ich habe gezweifelt. Meine Gedanken waren voll von Chris und nicht in diesem Moment, während die Erregung in mir pochte und ich auf Andre gewartet habe. Mein Kopfkino lief auf Hochtouren und es war mir aufgrund meiner Ungeduld viel zu wenig, was Andre mir gegeben hat. Vor allem die Wartezeit hat mich zum Opfer meiner Gedanken gemacht. Andres Schlag hat meinen Körper ins Hier und Jetzt katapultiert und ich konzentriere mich vollkommen auf ihn, als wäre er der Anker, der mich in dieser Situation hält. Ich brauche es, brauche ihn und das, was er als Nächstes mit mir vorhat, denn sonst drifte ich wieder ab.
„Es tut mir leid“, sage ich und nehme mir vor, es besser zu machen.
Andre nickt brüsk.
„Angenommen.“
Die Dusche wird abgestellt und Nico kommt aus der Duschzelle. Er ist tropfnass und sieht absolut anbetungswürdig aus. Er gesellt sich zu mir, während er sich abtrocknet und mich mit einem amüsierten Lächeln begutachtet. Ja, so demütig kennt mich wahrscheinlich niemand, den Anblick sollte man sich also gut abspeichern.
Zu gerne würde ich einen lockeren Spruch von mir geben, aber die brennende rechte Seite meines Hinterns belehrt mich eines Besseren. Ich verbeiße mir jedweden Kommentar und warte einfach nur ab, bis ich eine federleichte Berührung an meinem Rücken wahrnehme. Es sind Andres Lippen, die mich küssen und meine Verspannung vertreiben wollen. Ich halte absolut still und traue mich kaum zu atmen, während ich mich mithilfe meiner Hände und Knie abstütze. Nach und nach kann ich mich auf diese leichten Liebkosungen einlassen, obwohl es ansonsten nicht das ist, worauf ich mich einlasse. Aber es fühlt sich durch Andre gut an und ich kann mich entspannen. Ich schließe sogar die Augen und sinke auf meine Arme, während weitere Küsse auf meine Haut regnen und Finger ihre Kreise auf mir ziehen, als wäre ich ein lebendes Kunstwerk.
„Schon besser. So entspannt gefällst du mir“, höre ich Andre hinter mir sagen, dann fühle ich einen seiner Finger an meinem Po.
Ich stöhnte leise auf, als er gegen meinen Widerstand drückt und sich langsam, aber sicher Zugang zu mir verschafft.
Nico
Den Atem unwillkürlich anhaltend, sehe ich zu, wie sich Tobi Andre hingibt. Ich hatte schon einige Träume davon, aber es wirklich live vor mir zu sehen, ist dann doch etwas völlig anderes. Geistesgegenwärtig habe ich mich hingekniet und mein Handtuch in den Schoß geworfen, damit meine Erregung verdeckt wird. Ich will, dass Andre und Tobi sich allein auf sich selbst konzentrieren, während ich sie beobachte. Das allein ist bereits aufregend genug und ich muss mich dann doch von ihnen wegbewegen. Sofort sieht Andre aufmerksam zu mir, doch ich lächle ihm beruhigend zu. Nach wie vor bin ich einverstanden mit dem, was hier geschieht, aber ich finde es süß, dass er sich Sorgen um mich macht. Überhaupt will er immer, dass es mir gutgeht und ich weiß, ich darf mich nicht zu sehr darauf ausruhen. Es ist leicht, sich auf diese Fürsorge einzulassen, aber ich möchte nicht, dass Andre sich selbst dabei vergisst. Auch wenn er meist wie ein brummiger Einzelgänger wirkt, so sind ihm andere sehr wichtig. Er ist feinfühlig und empfänglich für die Stimmungen anderer und genau deshalb hat er auch Tobis Vorschlag zugestimmt. Mir ist bewusst, dass Tobi Andre dieses Mal auf eine andere Weise braucht als sonst, wo er die Geschehnisse dirigiert und in die Hand nimmt. Etwas ist dabei, sich zu verändern und ich denke, wir spüren es alle.
Andre verfährt weiter damit, seinen Finger in Tobi zu drücken, bis er vollständig in ihm ist. Er lässt ihm Zeit, um sich daran zu gewöhnen, dann kommt der zweite Finger hinzu. Tobi stöhnt wieder leise und drückt sich Andre entgegen, was nach völliger Zustimmung aussieht. Das Bild ist absolut heiß und schnell hole ich Gleitmittel herbei, welches ich überall in den Zimmern deponiert habe, schließlich weiß man ja nie.
Andre lächelt mir zu, als er das kleine Päckchen entgegennimmt, dann reißt er es mit den Zähnen auf. Seine Finger entnimmt er Tobis Innerem und dieser quittiert das mit einem frustrierten Schnaufen. Aber er verhält sich ruhig, bis Andre seine Finger mit dem Gel benetzt hat und wieder von Neuem in ihn dringt. Tobi zuckt bei der Kühle des Gels zusammen, doch er entspannt sich relativ schnell wieder, was an Andres Körperwärme liegen muss.
Ich begebe mich zu meiner alten Position und knie mich in Tobis Nähe. Wenn er mich braucht, werde ich für ihn da sein. Er sieht kurz zu mir, lächelt, dann vertieft er sich wieder in die Gefühle, die Andre in ihm auslöst.
Andre
Tobis Inneres hat sich verlangend um meine Finger verengt und ich würde diese Enge gerne auf andere Weise erobern. Aber ich atme tief durch, nehme mir Zeit und genieße, dass ich das Sagen habe. Mit einem dritten Finger streichle ich über den Muskelring, der schon durch zwei Finger gespannt wird. Tobi atmet scharf ein, sein Körper drückt sich mir erneut entgegen und als ich mit meiner freien Hand nach vorne greife und seinen Schwanz umfasse, keucht er laut. Sofort will er mir mit seinen Hüften einen Rhythmus aufzwingen, aber das lasse ich nicht zu.
„Andre“, bettelt er und versucht sich zu bewegen, um an mehr zu kommen.
Ich dringe mit dem dritten Finger in ihn vor und streichle ihn innerlich. Nicht nur ein Schauer durchläuft seinen Körper, als ich dabei jenen Punkt erwische, der wohl jeden verrückt machen würde. Sanft weite ich Tobi, bereite ihn auf mich vor, und verschaffe ihm dann ein wenig Erleichterung, indem ich seine Erregung im gleichen Rhythmus massiere, wie ich mit den Fingern in ihn stoße.
Tobi stöhnt laut auf, seine Hände bearbeiten die Struktur des Badezimmerteppichs und seine Schultern und Armmuskulatur spannt sich an. Ich behalte ihn im Blick, sehe aber sicherheitshalber zu Nico, der mir mit einem Nicken zu verstehen gibt, dass alles okay ist, dann intensiviere ich den Rhythmus meiner Bewegungen kurz. Tobi öffnet seine Beine, sein Atem hallt geräuschvoll von den Badfliesen wider und ich möchte nichts mehr, als ihn endlich auf andere Weise fühlen zu können.
Kurzerhand ziehe ich meine Finger aus ihm und unterlasse die Massage. Tobi wimmert auf, er lehnt sich gegen mich, wo er zweifellos meine Härte fühlt. Er schmiegt sich mit der Kehrseite an mich, schiebt sich mir schon entgegen, doch ich lasse ihn warten. Stattdessen lasse ich mir von Nico ein weiteres Päckchen Gleitgel geben, mit dem ich mich selbst versorge. Einen Rest lasse ich Tobi noch zukommen, dann erhebe ich mich leicht und bringe auch ihn in Position.
Ich versuche mir Zeit zu lassen, doch das ist nicht einfach. Tobi presst sich an mich, zwingt mich dadurch tiefer und schließlich halte ich ihn an den Hüften zurück, um ihm meinen Willen aufzwingen zu können. Er ist viel zu ungeduldig, so dass er sich verletzen könnte, und das möchte ich nicht.
„Langsam“, raune ich ihm zu und lege mich halb auf seinen Rücken, um ihm mit meinem Gewicht zu beruhigen.
Es hilft und er entspannt sich, was ich zum Anlass nehme, tiefer und dabei bedächtig in ihm zu versinken. Tobi keucht leise, hält sich aber zurück und ich belohne ihn damit, indem ich mich in ihm bewege. Zögernd geht er meinen Rhythmus mit und ich gebe ihm mehr von mir, bewege mich schneller. Seine Enge ist berauschend und ich habe keine Ahnung, wie lange ich das aushalten kann.
Tobi
Andres Schwanz in mir zu haben ist der Wahnsinn und ich wünschte, es würde nie aufhören. Der Grad der Dehnung ist atemberaubend, ich fühle mich auf eine Weise gefüllt, wobei die minimalste Bewegung ausreicht, um mich selbst an die Grenzen zu bringen. Ich habe kaum Kontrolle über mich, meine Erektion steht wie eine Eins und sondert Lusttropfen um Lusttropfen ab. Als die erste Bewegung Andres erfolgt, schreie ich überrascht auf, weil es so intensiv ist. Mein Kopfkino spielt verrückt, denn da ich nicht nach hinten sehen kann, könnte es irgendjemand sein, der mich fickt.
Sogar Chris , flüstert mir mein Verstand ein und ein erregender Schauer überläuft meinen ganzen Körper.
Obwohl ich nicht in dieser Weise an ihn denken wollte, ist es meinem Kopf völlig egal. Ich kralle mich wieder in den Badteppich, immer lustvollere Laute entkommen meinen Lippen, als Andres Bewegungen an Intensität zunehmen.
„Nico“, keuche ich heiser und sofort ist er bei mir.
Er sieht mich besorgt an, doch darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Ich schubse ihn zu Boden, zerre ihm das Handtuch aus dem Schoß und beuge mich hungrig über ihn, um mir mithilfe seiner Erektion den Mund zu stopfen. Angesichts meiner Lage und meiner Gedanken wäre es nicht verwunderlich, dass ich vor lauter Geilheit Chris‘ Namen ausrufe. Doch für das anschließende Kreuzverhör hätte ich keine Kraft, also beschäftige ich mich damit, Nico einen Blowjob zu verpassen. Er liegt bereits vor mir auf dem Boden, windet sich aufgrund meiner Aktion und sein Stöhnen mischt sich mit meinen schnaufenden Geräuschen. Andre hält mich inzwischen nahe an sich gepresst, während er sich mit gleichbleibender Stärke in mir bewegt und sämtliche Grenzen sprengt.
Ich schaffe es gerade so, Nico zum Höhepunkt zu kriegen, ehe es mich selbst erwischt. Mein letzter Gedanke ist Chris, der durch meine Kontraktionen zum Orgasmus kommt und die Lust aus sich herausstöhnt und mich an sich presst. Doch in Wahrheit ist es Andre und das schlechte Gewissen überkommt mich.
Andre sinkt auf mir zusammen, ich liege auf Nico und wir schenken uns durch Umarmungen Nähe und Geborgenheit nach diesem orgasmischen Erlebnis. Und trotzdem bin ich einsam und kann das Gefühl danach nicht so genießen wie sonst. Das alles ist meine Schuld, weil ich bisher nicht offen zugeben habe, dass Chris mehr ist als nur ein Freund. Aber nach all den Vorkommnissen der letzten Stunden kann ich wohl die Augen nicht länger davor verschließen.
Ich stehe auf ihn, ich will ihn und all diese Gefühle sind keine freundschaftlichen. Eigentlich darf ich ihn nicht haben, wenn ich meine Beziehung zu Andre und Nico nicht gefährden will, aber ich begehre ihn und er hat bereits Bedeutung für mich. Es steht fest: Ich stecke tief in der Klemme.