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Gold!

Die Kugel köpfte eine Flasche auf dem Tisch, sodass der Schnaps in alle Richtungen spritzte, und fegte McCall die Waffe aus der Hand.

Verblüfft schaute er auf seine zitternden Finger.

„Wer … zum Henker …“, stammelte er dabei und fiel auf seinen Stuhl zurück.

Um ihn herum brach ein Tumult aus. Die Musik brach ab. Mehrere Männer, darunter auch Saloonbesitzer Swearengen, zogen ihre Colts. Lediglich Wild Bill blieb ziemlich gelassen.

„Deckung Leute, hier riecht es ziemlich nach Blei!“, rief Julian und tauchte mit seinen Freunden hinter dem Fensterrahmen ab.

Doch natürlich konnten sie es nicht lassen, aus der Deckung hervorzuspähen. Denn auch sie wollten wissen, wer die Kugel abgefeuert hatte.

Jetzt tat sich eine Gasse unter den Schaulustigen auf und Calamity Jane schritt in ihrem schönen roten Kleid heran. In ihrer rechten Hand hielt sie einen Revolver.

„Wow!“, flüsterte Kim. „Jane hat es echt drauf!“

„Tja, du kannst nicht nur höllisch gut tanzen, Jane, du kannst auch höllisch gut schießen“, meinte Wild Bill zu ihr und lächelte.

„Danke“, sagte sie. „Es war mir ein Vergnügen.“ Dann wandte sie sich an McCall: „Und du Saloonratte wirst hier ganz schnell verschwinden, bevor wir dich am nächsten Baum aufknüpfen.“

McCall nickte ängstlich.

Da mischte sich Swearengen ein. „Auch ich danke dir, Jane, aber das ist immer noch mein Saloon. Also geschieht hier das, was ich will. Steh auf, McCall.“

McCall gehorchte. „Was hast du vor, Al?“ Seine Stimme bebte.

Swearengen hob in aller Seelenruhe die Waffe. Die Umherstehenden wichen zurück. Auch Wild Bill und die anderen Spieler zogen es vor, den Pokertisch zu verlassen. Totenstille herrschte im Raum.

„Tja, McCall, was habe ich vor?“, sagte Swearengen ruhig. Seine Lippen umspielte ein wölfisches Lächeln. „Du hast versucht, einen meiner Gäste zu erschießen. Wild Bill. Wenn Jane nicht gewesen wäre, wäre dir das vielleicht gelungen. Das kann ich nicht dulden. Nicht in meinem Saloon. Und da wir keine Richter haben, werde ich dein Richter sein …“

„Nein, Al, bitte – das kannst du nicht tun“, flehte McCall.

In Swearengens Augen glomm ein seltsames Feuer auf. „Doch, das kann ich. Hier herrscht mein Gesetz.“ Sein Finger berührte den Abzugshahn.

„Stopp!“, erklang eine Stimme von den Schwingtüren.

Kim deutete in diese Richtung. „Schaut, da ist der Wanderprediger.“

Mit der Bibel in der Hand schritt Henry Franklin direkt auf Swearengen zu.

„Werde nicht zum Mörder, mein Sohn“, sagte er ruhig.

„Ich bin nicht dein Sohn“, erwiderte der Saloonbesitzer schroff.

Franklin überhörte das und stellte sich vor McCall.

„Geh da weg, Priesterlein, sonst brauche ich zwei Kugeln“, zischte Swearengen.

„Tja, dann musst du diese Ausgabe riskieren“, sagte Franklin und rührte sich keinen Millimeter.

Kim bewunderte den Mut des Predigers. Es gehörte eine Menge dazu, dem mächtigsten Mann von Deadwood die Stirn zu bieten.

„Lass es gut sein, Al, ich regele das selbst“, sagte jetzt Wild Bill.

Der Saloonbesitzer zögerte kurz, dann ließ er die Waffe sinken.

Kim und ihre Freunde atmeten auf.

Aber es war noch nicht vorbei.

Wild Bild packte McCall, schob ihn zu den Schwingtüren und verpasste ihm einen gewaltigen Tritt in den Hintern.

McCall wurde förmlich aus dem Saloon katapultiert und landete kopfüber in einer Pferdetränke. Gelächter brandete auf. Gedemütigt und nass wie ein Pudel schlich der Spieler die Main Street hinunter.

Am nächsten Morgen wachte Kim mit ihren Freunden unter dem Planwagen der Armstrongs auf und war sofort topfit.

„Ich habe Hunger!“, rief sie und riss den Jungen ihre Decken weg.

„Schön, da brat dir mal ein Ei und mach mir gleich eins mit“, murmelte Leon und drehte sich auf die andere Seite. „Ach ja, und ein Glas O-Saft wäre fein.“

„Spinner!“, lachte Kim. „Hm, riecht ihr das nicht?“

Kim war ein feiner Duft in die Nase gestiegen. Schon entdeckte sie Victoria mit ihrer Familie an einer offenen Feuerstelle und lief zu ihr.

„Guten Morgen, magst du einen Pfannkuchen?“, fragte Victoria freundlich.

„O ja!“

„Und deine Freunde?“

„Leon, Julian – jetzt kommt endlich!“, rief Kim und war überrascht, wie schnell die beiden plötzlich sein konnten.

Nach dem stärkenden Frühstück ging es gleich wieder an die Arbeit.

Victoria und Benjamin kümmerten sich um den Verkauf der Waren, alle anderen packten beim Hausbau mit an – bis auf Kija, die sich auf einen der beiden Planwagen hockte und aus halb geöffneten Augen zuschaute.

Es ging zügig voran, und bereits am Mittag stand die erste Wand samt Fenster und Tür.

Da ritt Calamity Jane heran.

„He, ich brauche eine vernünftige Ausrüstung zum Schürfen!“, rief sie übermütig. „Gestern habe ich im Saloon einiges verdient, und das werde ich jetzt in mein neues Geschäft investieren: ins Gold! Ich habe ein Claim am Whitewood Creek, ein bisschen abgelegen, aber umso besser. Da kommt mir niemand in die Quere. Heute ist mein Glückstag, ich spür’s. Und das Glück sollte man nicht zu lange warten lassen.“

„Habt ihr das gehört?“, fragte Kim die Jungen leise.

„Na klar“, erwiderte Leon. „Am liebsten würde ich auch zum Goldschürfen gehen!“

„Ich auch, deswegen sind wir eigentlich hierhergekommen“, sagte Julian.

Kim sah zu, wie Calamity Jane eine Pfanne fürs Schürfen, einen Spaten, eine Schaufel sowie zwei Eimer kaufte.

„So, jetzt kann es losgehen“, sagte sie befriedigt. „Heute Abend soll jemand anders für Al Swearengen und seine Gäste tanzen!“

Kim rang mit sich. Sollte sie die Armstrongs um Erlaubnis fragen, Jane zu begleiten? Aber hier beim Hausbau wurde doch jede Hand gebraucht …

Doch da bekam sie unerwartete Unterstützung.

„Mama, ich will mit Jane reiten und auch Gold schürfen“, krähte Benjamin.

Victoria sah von oben auf ihn herab. „Du?“

„Klar, ich!“

„Ich will auch mit“, kam es von Sally.

Victoria schaute zu Jane.

„Wäre dir das überhaupt recht?“

„Aber sicher!“

Nun blickte Victoria zu ihrem Mann. „Was meinst du?“

„Lass sie nur“, erwiderte er. „Wild Bill will uns nachher ein wenig helfen. Und vielleicht finden die Kinder ja auch ein paar Nuggets, die wir gut gebrauchen können.“

Er fing einen sehnsüchtigen Blick von Kim auf. „Na schön, ihr dürft auch mitgehen. Victoria, leih ihnen ein paar Pfannen zum Schürfen. Aber bei Anbruch der Dunkelheit seid ihr wieder hier, damit das klar ist.“

Kim ballte die Fäuste. Ja! Jetzt durften sie sich endlich auch einmal als Goldwäscher versuchen!

Nachdem die Kinder hoch und heilig versprochen hatten, wieder pünktlich zurück zu sein, durften sie Calamity Jane begleiten. Sie ritt, während die Freunde und die Armstrong-Kinder zu Fuß gingen. Kija sprang neben ihnen her. So gelangten sie zum nördlichen Ende der Stadt. Hier, in der Nähe des Whitewood Creeks, stand auch eine Sägemühle.

Mehrere Männer schleppten Baumstämme, andere beluden ein Fuhrwerk, wieder andere bedienten eine riesige Zugsäge.

Die Arbeiter wurden von einem Mann in einem feinen Anzug misstrauisch beäugt.

„Der ist bestimmt der Boss“, meinte Kim und stutzte. „Oh, und der da hinten, ist das nicht der Wanderprediger?“

„Wie wahr!“, rief Calamity Jane überrascht. „Nun ja, von irgendetwas muss er ja leben …“

Nun entdeckten auch Leon und Julian den Prediger, der auf einem Stein stand, mit seinem Kettchen spielte, dann einen Blick in die Heilige Schrift warf und offenbar gerade das Wort an die Arbeiter richten wollte.

„Nein, nein, nein!“, wurde Franklin von dem Mann in dem Anzug gestoppt, bevor er auch nur einen Satz sagen konnte. „Komm da runter und pack mit an. Für schöne Reden bezahle ich dich nicht.“

„Diese Schrift gibt uns Mut und sie gibt uns Kraft, Mister Smith“, widersprach Franklin und pochte auf den Einband der Bibel. „Also bringt sie uns allen etwas!“

„Nix da, runter vom Stein, ran an die Arbeit!“, blaffte der Sägewerksbesitzer, der offenbar Smith hieß, noch einmal.

Doch Franklin dachte gar nicht daran. Mit seiner sonoren Stimme richtete er das Wort an die Arbeiter – und er hatte sogar ein wenig Erfolg, denn der eine oder andere blieb stehen und hörte ihm zu.

„Seid ihr verrückt geworden? Hab ich was von Pause gesagt? Oder von einer Bibelstunde? Nein, habe ich nicht!“, schrie Smith und stürmte zu dem Stein, auf dem der Prediger stand.

Er packte ihn am Hosenbein und wollte ihn herunterziehen. Doch Franklin schüttelte ihn ab und zitierte weiter aus der Heiligen Schrift.

„Jetzt reicht’s!“, brüllte Smith außer sich. „Das ist Revolution, Aufruhr! Warte nur!“

Nun schlich er um den Stein herum und wollte Franklin von hinten hinunterstoßen.

Doch der Prediger war schneller und haute Smith die schwere Bibel um die Ohren, sodass dieser auf dem Hosenboden landete.

„Der Herr möge verzeihen“, sagte Franklin dabei und senkte demütig den Blick.

„Was für ein Schlag!“, sagte Kim bewundernd.

„Unverschämtheit!“, blaffte Smith. „Du bist gefeuert, Franklin.“

„Das ist wirklich bedauerlich, aber offenbar Gottes Wille“, sagte Franklin und stieg nun freiwillig vom Stein. „Einen guten Tag, Mister Smith.“

Damit ging er, während die Flüche des Sägewerkbesitzers hinter ihm herwehten.

„Was ist dieser Franklin doch für ein mutiger Mann“, sagte Kim bewundernd.

„Mag sein. Aber davon kann er sich auch nichts kaufen“, meinte Calamity Jane. „Und jetzt kommt. Die Nuggets warten auf mich.“

Kurz darauf hatten sie eine abgelegene Stelle am Fluss erreicht – den Claim, den Calamity Jane für sich beanspruchte.

Zunächst schauten die Freunde und die Armstrong-Kinder zu, wie Jane mit der Pfanne im Bach hantierte. Dann versuchten sie es selbst.

„Nur, damit das klar ist“, sagte Calamity Jane. „Wenn ihr etwas in meinem Claim findet, dann gehört das natürlich mir.“

„Ist klar“, meinte Kim schnell.

„Wieso, wenn ich etwas finde, gehört es doch mir, oder?“, wagte Benjamin zu widersprechen.

„Nein. Mein Claim. Mein Land. Mein Gold. Klar?“

„Na gut“, sagte der Kleine und beugte sich wieder über die Pfanne.

Mit Feuereifer machten sich die Freunde an die Arbeit. Kija fand ein trockenes Plätzchen auf einem Baumstumpf und schaute zu.

Während des Schürfens hatte Kim das unangenehme Gefühl, dass sie von noch jemand anderem als der Katze beobachtet wurden. Sie blickte wachsam in alle Richtungen, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken.

Als Kim wieder die Hände in den kalten Flusslauf steckte, bemerkte sie eine rasche Bewegung zwischen zwei Bäumen – rechts oberhalb des Whitewood Creeks.

Huschte da jemand umher? Kim war sich nicht sicher.

„Du, Jane, hast du hier irgendwelche Nachbarn – andere Goldsucher zum Beispiel?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe absichtlich eine Stelle ausgesucht, die etwas abseits liegt. Nachbarn zu haben, bedeutet eigentlich immer Ärger. Hier gönnt doch keiner dem anderen etwas. Und je weiter die anderen von dir selbst weg sind, desto besser ist es.“

„Hm, ich hatte gerade das Gefühl, dass man uns beobachtet …“

Sofort zog Jane die beiden Pistolen und begann, die Umgebung sorgfältig zu mustern.

„Nein, du musst dich getäuscht haben, Kim“, sagte sie. „Wir sind hier allein. Ein Glück.“

Na schön, dachte Kim, blieb aber auf der Hut. Doch auch sie bemerkte nichts Verdächtiges mehr.

Am frühen Abend stieß Calamity Jane einen Jubelschrei aus, der vermutlich im gesamten Tal zu hören war.

„Ich hab was gefunden!“, schrie sie. „Gold! Schaut her!“

Kim ließ wie die anderen die Pfanne fallen und kam zu ihr.

Gemeinsam beugten sie sich über Janes Pfanne.

Kims Augen weiteten sich. Ein Nugget, so groß wie eine Haselnuss!

„Ich bin reich, o Gott, ich bin reich!“, jubelte Calamity Jane. „Das muss gefeiert werden. Ich gebe einen aus. Noch heute Abend, und zwar im besten Saloon in Deadwood – im Grand Central!“

Kim versuchte sie zu bremsen. „Wäre es nicht besser, wenn du den Fund für dich behältst? So rufst du doch nur die Neider auf den Plan. Vielleicht wird man sogar versuchen, dich zu bestehlen …“

„Mich bestehlen?“ Calamity Jane lachte und deutete auf ihre Waffen. „Das soll ruhig jemand versuchen.“

Die Freunde fanden an diesem Tag keinen einzigen Krümel Gold – aber sie freuten sich mit Calamity Jane. Gemeinsam mit ihr machten sie sich auf den Rückweg und kamen bei Einbruch der Dunkelheit beim Verkaufsstand der Armstrongs an. Wild Bill war noch da. Er half gerade Bob dabei, ein Stück Holz zuzusägen.

Auch die Armstrongs und Wild Bill beglückwünschten Calamity Jane.

„So, jetzt kündige ich erst mal meinen Tänzerinnen-Job bei Al Swearengen“, lachte Jane. „Kommt doch heute Abend auch ins Grand Central. Ich lade euch alle auf einen Drink ein.“

„Ich bin dabei!“, meinte Wild Bill sofort.

Auch Bob war begeistert. „O ja, dort können wir auch mal essen gehen, Victoria. Im Grand Central muss es eine sehr gute Köchin geben!“

„Stimmt, sie heißt Aunt Lou Marchbanks“, meinte Wild Bill. „Ich habe heute Mittag dort gegessen. Wirklich fein!“

Victoria kniff die Augen zusammen. „Bob, dir schmeckt es wohl nicht mehr bei mir, was?“

Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Aber nein! Ich habe das doch nur vorgeschlagen, weil unsere Geschäfte heute so gut liefen. Das muss ebenfalls gefeiert werden – und du hast weniger Arbeit.“

Victoria murrte, ließ sich dann aber überzeugen, dass Bob es ernst meinte. Kim hörte ihn aufatmen.

Als es endgültig dunkel wurde, zogen die Freunde, die Armstrongs und Wild Bill ins Grand Central.

Calamity Jane war schon dort und feierte ausgiebig inmitten einer Runde von anderen Goldgräbern.

„Euer erster Drink geht auf mich!“, rief sie übermütig.

„Uns reicht Wasser völlig!“, meinte Kim schnell.

„Haha, das saufen ja auch die Pferde. Aber wie ihr wollt!“, lachte Calamity Jane. „Mögt ihr denn einen Happen essen?“

Dankbar nahmen die Gefährten die Einladung an.

Kurz darauf wurden sehr zarte Fleischspieße serviert. Dazu gab es eine höllisch scharfe Sauce.

„Das ist eine Spezialität von Aunt Lou“, wusste Wild Bill zu berichten. „Und ihren Plumpudding müsst ihr auch probieren. Der ist mindestens genauso berühmt.“

Das ließen sich die Gefährten nicht zweimal sagen. Kija bekam auch jede Menge ab, weil sie einen hervorragenden Platz zwischen Kims Beinen ergattert hatte und ständig gefüttert wurde.

Die Freunde schlugen sich die Mägen voll, bis sie das Gefühl hatten, zu platzen.

„Sehr lecker!“, freute sich Kim.

„Na ja, geht so“, meinte Victoria. „Oder, Bob?“

„Wieso, also ich fand es wirklich sehr …“ Er stoppte und besann sich. „Stimmt, ging so. Kein Vergleich zu deinen Kochkünsten, Victoria.“

Sie lächelte wie eine Königin.

Es wurde ein netter Abend. Während sich die Freunde mit Sally und Benjamin über das Goldschürfen unterhielten, wurde es an den umliegenden Tischen immer lauter und fröhlicher – vor allem an dem, an dem Calamity Jane feierte.

Doch plötzlich kippte die Stimmung.

„Nimm bloß deine Pfoten weg, das ist mein Geld!“, schrie sie unvermittelt und sprang auf. Dabei kippte der Tisch um und alle Gläser und Flaschen fielen zu Boden, wo sie zersprangen.

„Was denn, was denn?“, fragte ein bärtiger Typ mit unschuldiger Miene. „Die schönen Drinks!“

„Ja genau, ist doch schade drum“, sagten auch die anderen.

„Du hast mich gerade bestehlen wollen, du Aas!“, bellte Calamity Jane den Bärtigen an. „Ich habe es genau gesehen.“

„Nimm das zurück!“, verlangte der Mann.

„Niemals!“

„Dann nimm das!“ Schon holte der Kerl aus, um Calamity Jane eine Ohrfeige zu verpassen.

In dieser Sekunde geschahen zwei Dinge gleichzeitig: Wild Bill fiel dem Mann in den Arm und Calamity Jane trat ihm vors Schienbein.

Sekunden später tobte im schönen Grand Central eine wüste Schlacht.

Geduckt rannten Kim, Leon, Julian, Benjamin und Sally zum Ausgang. Dort drehten sie sich noch einmal um.

Bob und Victoria folgten ihnen, doch da sprang ein dicker Mann auf Bob zu, riss ihn zu Boden und prügelte auf ihn ein. Aber er hatte nicht mit Victoria gerechnet. „Wirst du wohl meinen Mann loslassen, du Strolch?“, giftete sie und riss ihn an den Haaren hoch.

„Aua!“, schrie der Dicke.

„Aua? Das ist doch erst der Anfang vom Aua!“, stellte sie klar und rammte ihm die Faust unters Kinn. Der Mann wurde förmlich aus den Stiefeln gehoben und krachte rücklings auf einen Tisch, dessen Beine einknickten wie Streichhölzer.

„Danke!“, sagte Bob und hastete nun endgültig aus dem Lokal.

Vom Eingang aus sahen die Freunde, wie die Schlacht tobte. Kim hatte Kija auf den Arm genommen.

Sie beobachteten, wie Wild Bill und Calamity Jane Rücken an Rücken kämpften und jeden, der ihnen zu nahe kam, ins Reich der Träume schickten.

„Was für eine Party!“, jubelte Calamity Jane.

„Von wegen Party – jetzt ist Schluss!“, gellte in diesem Augenblick eine Stimme.

In der Tür zur Küche stand eine große kräftige Frau mit einer Schürze, die etwas hinter dem Rücken versteckt hielt. Alle hielten inne und starrten sie an.

„Das ist bestimmt Aunt Lou“, sagte Kim.

„Aufhören, sonst mische ich mit. Und zwar damit“, sagte die Frau und holte eine hübsche gusseiserne Pfanne hinter dem Rücken hervor.

„Oh, sehr sympathisch“, meinte Victoria und lächelte sanft.

„Manche Frauen kochen damit, andere benutzen sie zum Hauen“, meinte Kim leise zu den Jungen, die beide zu grinsen anfingen.

Aunt Lou schickte gleich die nächste Drohung hinterher: „Und wenn hier noch irgendetwas kaputt geht, mache ich nie wieder einen Plumpudding!“

„Lou, das kannst du doch nicht machen!“, rief jemand.

„Doch, das kann ich, wenn ihr euch nicht benehmt, verflucht noch mal.“

Augenblicklich beruhigten sich alle, sämtliche Feindseligkeiten schienen der Vergangenheit anzugehören.

Calamity Jane verließ nun ebenfalls den Saloon.

„Für heute reicht es mir“, meinte sie fröhlich. „Außerdem will ich morgen früh aufstehen und gleich wieder zum Fluss reiten. Bestimmt gibt es dort noch mehr Gold.“

„Dürfen wir dich noch mal begleiten?“, fragte Kim.

„Natürlich! Ihr scheint mir ja Glück zu bringen.“

Kim strahlte. Doch da bemerkte sie, dass hinter dem Rücken von Calamity Jane zwei Männer die Köpfe zusammengesteckt hatten. Einer der beiden Unbekannten deutete auf Calamity Jane. Als er Kims Blick bemerkte, wandte er sich ab.

Kim lief ein Schauder den Rücken hinunter. Wollten die Kerle etwa Jane überfallen? Am Fluss, wo es wenig Zeugen gab?

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