Psychologische Sicherheit ist das Fundament für gute Teams. Allerdings besteht sie selbst nicht nur aus einer Ebene. Sie macht sich in verschiedenen Abstufungen bemerkbar und entwickelt sich Stück für Stück. Sicherheit ist also nicht gleich Sicherheit. Timothy R. Clark hat diese vier Stufen psychologischer Sicherheit definiert:25
Inclusion Safety – sich zugehörig fühlen
Alle im Team fühlen sich bedingungslos respektiert und einbezogen. Das klingt erst einmal selbstverständlich, ist es aber nicht. Denn während wir viel über Diversität sprechen und viel tun, um diverser zu werden, hapert es oft an der Inklusion. Das bedeutet Teammitglieder sind unterschiedlich – was allen klar ist –, sie fühlen sich aber nicht gesehen, miteinbezogen und mitgedacht. Menschen, die sich nicht zugehörig fühlen, stehen außen vor, obwohl sie mittendrin sind. Sie sind anwesend, aber können sich nicht einbringen. Die unsichtbaren Barrieren müssen gefunden und abgebaut werden, und zwar von allen. Dafür ist es wichtig, dass alle Beteiligten an ihren unbewussten Vorurteilen und an den nicht befriedigten Bedürfnissen arbeiten. Die erste Stufe psychologischer Sicherheit ist das Gefühl von Zugehörigkeit. In Kapitel 10 gibt es zu diesem Thema einen Beitrag von Nora Dietrich.
Learner Safety – gemeinsam lernen und mutig sein
Oft arbeiten wir in einem Umfeld, in dem zwar alle gute Antworten haben, aber niemand die wirklich wichtigen Fragen stellt. Doch um unseren Horizont zu erweitern, müssen wir anfangen, gemeinsam zu lernen, statt uns gegenseitig zu belehren. Erst dann ist es möglich, mutige oder auch gefühlt absurde Ideen einzubringen oder zu sagen: »Ich verstehe das nicht«. Teammitglieder müssen keine Angst vor Verurteilung oder Bloßstellung haben. Das ist wichtig, denn oft ist die Idee, die vielleicht erst noch absurd erscheint, genau der Gamechanger, den es braucht. Und in den meisten Fällen lohnt es sich, genau die Frage zu stellen, von der wir denken, dass die Antwort allen anderen klar ist, nur uns selbst nicht. Auf dieser Stufe der psychologischen Sicherheit gibt es echte Bekenntnisse wie: »Ich weiß es nicht« oder »Ich habe einen Fehler gemacht«. Allen ist klar, dass es nichts Schlechtes ist, auch einmal falsch zu liegen.
Contributor Safety – einen gemeinsamen Beitrag leisten
Jetzt, da alle einbezogen sind und sich einbringen, geht es darum, gemeinsam etwas zu erreichen. Es geht darum, dass alle befähigt sind und sich aufeinander verlassen, die richtigen Dinge auf die richtige Weise zu tun. Das muss sich erst entwickeln. Teams arbeiten zu Beginn meist mit sehr klaren Aufgabenverteilungen und wenig autonom. Mit der Zeit und mit steigendem Vertrauen in die Fähigkeiten aller kommt immer mehr Ownership und Gestaltungsfreiheit ins Spiel. Es werden keine Aufgaben mehr verteilt, sondern Verantwortungsbereiche. Es geht um Ergebnisorientierung. Wie die einzelnen Teammitglieder vorgehen, muss nicht mehr detailliert zusammen geplant werden. Alle fühlen sich so sicher, dass sie ihre Fähigkeiten optimal nutzen. Sie wollen gemeinsam Sinn stiften und einen echten Unterschied machen. Das treibt sie an. Das Team wird performant und liefert Resultate.
Challenger Safety – den Status quo hinterfragen
Die höchste Form psychologischer Sicherheit ist die Challenger Safety. Ist sie erreicht, können Teammitglieder ohne Bedenken den Status quo hinterfragen. Sie haben keine Angst, das Ist infrage zu stellen. Sie wissen, dass ihr Beitrag wichtig ist und offen empfangen wird, auch wenn er zunächst eine disruptive Wirkung hat. Diese Stufe ist deshalb so wichtig, weil sie das Überleben sichert. Nur wenn ein Unternehmen auch Entwicklungssprünge machen kann, wird es mit dem stetigen Wandel der äußeren Bedingungen mithalten können. Fördern können Teams diesen Zustand, in dem sie sich nicht nur dazu ermutigen, sondern sogar dazu auffordern, ihr Umfeld und ihre Arbeit konstruktiv zu hinterfragen. Außerdem können sie im Team üben, den eigenen Status quo immer wieder zu überprüfen und zu überlegen, was sie verbessern könnten.
25 Clark, Timothy R., The 4 Stages of Psychological Safety: Defining the Path to Inclusion and Innovation, Berrett-Koehler Publishers Inc., Illustrated Edition, 2020.