Auf der Fustatstraße schlug ihm ein kalter ruppiger Wind entgegen, zauste die Äste, rauschte lärmend durch die Straße, pfiff ohrenbetäubend um die Hausecken und jagte durch Machgubs erschöpften Körper einen Schauder, der sich bis in alle Gliedmaßen zog. Der Monat Amschir7 war zu erbarmungslos für einen schwachen, ausgehungerten Menschen wie ihn. Doch seine Gedanken lenkten ihn von seiner Umgebung ab, und so ging er seines Wegs, ohne das brutale Wetter richtig wahrzunehmen.
Er dachte an Fadil und verglich sich mit ihm. Dort Gesundheit, gutes Aussehen und Reichtum, hier Krankheit, Hässlichkeit und Armut. Und trotzdem waren sie miteinander verwandt. Tahija war eine richtige junge Aristokratin, die Verkörperung jener Welt, nach der er strebte. Ob er wohl mit ihr eines Tages zu den Pyramiden gehen würde? Ein Mädchen wie sie war ein Zauberschlüssel, der Türen öffnen und Wunder bewirken konnte. Er dachte lange nach. Aber durfte er überhaupt in solchen Träumen versinken und seine augenblicklichen Sorgen vergessen? Woher sollte er das Geld für das Lateinbuch nehmen? Und wie konnte er den Hunger bändigen, der sich allmählich seines Körpers und seines Geistes bemächtigte? War das nicht merkwürdig? Gab es einen schlüssigeren Beweis für die Erbärmlichkeit des Menschen als die Tatsache, dass er zum Erhalt seines Lebens essen musste? Und diese Nahrung, die er einem mit Abfall gedüngten Boden entriss, sollte die Quintessenz und die Grundlage des Lebens sein, das Fundament des Denkens, der wahre Schöpfer hehrer Ideale? War das nicht ein Beweis dafür, dass der Mensch eigentlich nur verachtenswerter Schmutz war?
Er beschleunigte seine Schritte. Es stürmte noch immer, und der Himmel war mit finsteren Wolken bedeckt. Das smaragdgrüne Wasser des Nils rauschte und toste. Machgub warf einen wütenden Blick auf seine Umgebung und spuckte verächtlich auf den Boden, als wollte er der Welt seine Feindschaft verkündigen. Wäre es nicht das Beste, sich das Geld zu borgen? Aber von wem? Und wie sollte er es je zurückzahlen? Der kommende Monat würde nicht besser sein als der vergangene. Vielleicht sogar noch schlimmer. Was also tun? Wenn er sich doch auf Taschendiebstahl verstünde! Das war eine magische Fertigkeit. Dem Taschendieb steht zur Verfügung, was in aller Leute Taschen ist. Das wussten die Herren dieses Landes schon lange. Was tun? Sollte er einen weiteren Angriff auf Hamdis Bey unternehmen? Ihn im Ministerium aufsuchen und ihn ganz offen um Hilfe angehen? Plötzlich störte Tahijas Bild seine Gedanken. Die vornehme, aristokratische Tahija. Wollte er denn, dass sie von seiner armseligen Bettlerexistenz erfuhr? Dieses Mädchen rührte seine Gefühle an. Doch er verlor nicht den Boden unter den Füßen und begann nicht, zu faseln wie Ali Taha. Es war einfach eine neue Leidenschaft, wie jene für Ichsan – weder platonisch noch erotisch. Und seltsamerweise war er sich seiner selbst fast grenzenlos gewiss, ein Gefühl, das wohl seiner angeborenen Dreistigkeit und seinem Mut entstammte, außerdem einer Überzeugung, die er mit der Allgemeinheit teilte: potenter zu sein als die Reichen. Darum war er sicher, dass Tahija nicht außerhalb seiner Reichweite lag. Seinen Träumen gebot nicht einmal der Himmel Einhalt. Und der Hunger förderte seinen Wahn, jener Hunger, der aus seinen Studien einen bitteren Kampf, aus seinen Nächten eine schmerzhafte Tortur gemacht hatte. Und das Lateinbuch? Verflixt noch mal! Woher nahm er bloß das Geld?