10 Nullmengen

Es sei (E, Illustration, µ) ein beliebiger Maßraum. In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit (messbaren) Mengen, die von dem Maß µ „nicht gesehen“ werden und in diesem Sinn Ausnahmemengen sind.

 

10.1 Definition. a) Die (messbaren) Nullmengen sind Illustration.

b) Eine Eigenschaft Π(x) gilt (µ-)fast überall (µ-f. ü.) oder für (µ-)fast alle x, wenn

Illustration
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  • ► Die (Ausnahme-)Menge {x ∈ E: Π(x) gilt nicht} muss nicht messbar sein.
  • u = w f. ü. ⇔ {u ≠ w} ⊂ N ∈ Illustration.
  • u, w messbar, u = w f. ü. ⇔u ≠ w} ∈ Illustrationµ.
  • u = w f. ü. erlaubt z. B., dass u messbar und w beliebig ist. Dann kann {uw} ∉ Illustration auftreten.

10.2 Satz. Es sei Illustration. Dann gilt

Beweis. Wir beginnen mit b). Wegen ∣u∣∧ n ↑ ∣u∣ (n → ∞) folgt mit dem Satz von Beppo Levi (Satz 8.6) und Satz 9.3

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Nun zu a). Offensichtlich sind ∣u∣ = 0 f. ü., u = 0 f. ü. und µ{u ≠ 0} = 0 gleichwertig. Es genügt daher, die erste Äquivalenz von a) zu zeigen.

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„⇒“: Hier brauchen wir die sogenannte Markov-Ungleichung: Für alle AIllustration und c >0 gilt

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Insbesondere haben wir für A = E

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10.3 Korollar. Es seien u, wIllustration mit u = wf. ü.

Beweis. Da u, w messbar sind, gilt {u ≠ w} ∈ Illustration. Daher

10.4 Korollar. Für uIllustration und w ∈ Illustrationgilt

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Beweis. Es ist

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und daraus folgt dann u ∈ Illustration

 

10.5 Korollar (Markov-Ungleichung). Für uIllustration gilt

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Beweis. Vgl. Beweis von 10.2.a) „⇒“.

 

10.6 Korollar. Jedes uIllustration ist f. ü. reellwertig. Insbesondere existiert ein ū ∈ Illustration mit u =ū f.ü.

 

Beweis. Definiere Illustration Illustration. Aufgrund der Maßstetigkeit (Satz 3.3.g) gilt

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Daher erfüllt die Funktion Illustration die Behauptung, wobei N = {u ≠ ū}.

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Konsequenz: Wir können Illustration stets durch Illustrationersetzen, m.a.W. Illustration ist - bis auf Nullmengen - ein Vektorraum, und wir dürfen das „∞ - ∞“ Problem (bei allen abzählbaren Operationen!) vernachlässigen.

Aufgaben

  1. Es sei (E, Illustration, µ) ein Maßraum und u,v ∈ ℒ1 (µ). Zeigen Sie:
    Illustration

    Hinweis: Betrachten Sie z. B. A = {u ≥v}.

  2. In Aufgabe 10.1sei nun Illustration, wobei Illustration ein ∩-stabiler Erzeuger ist, so dass eine aufsteigende Folge Illustration existiert. Zeigen Sie:
    Illustration

    Hinweis: Eindeutigkeitssatz für Maße für G ↦ ∫G(u+ + v-) und Aufgabe 10.1.

  3. Vergleichen Sie die beiden folgenden Aussagen:
    • (a) Die Funktion u ist fast überall stetig.
    • (b) Die Funktion u stimmt fast überall mit einer stetigen Funktion überein.
  4. Es sei (E, Illustration, µ) ein Maßraum. Zeigen Sie die folgenden Varianten der Markovschen Ungleichung (Korollar 10.6): Für positive Konstanten c, α > 0 gilt
    • (a) Illustration
    • (b) Illustration
    • (c) Illustration
    • (d) Illustration
    • (e) Illustration
    • (f) (Chebyshevsche Ungleichung) Es sei Illustrationein W-Maß, Illustration eine messbare Funktion („Zufallsvariable“), Illustration der Erwartungswert und Illustration die Varianz. Dann Illustration
  5. (Vervollständigung) Es sei (E, Illustration, µ) ein endlicher Maßraum. Wir definieren für jede Menge Q ⊂ E das innere bzw. äußere Maß

    u* (Q) inf [µ(A) AIllustration, AQ} und µ*(Q):=sup{µ(A): AIllustration, AQ}.

    Zeigen Sie:

    • (a) µ* (Q) ≤{µ*(Q) und µ* (Q) + µ*(QC) = µ(E).
    • (b) µ*(QR) ≤ µ*(Q) + µ*(R) und µ* (Q) + µ*(R) ≤ µ*(Q∪R).
    • (c) Zu jedem Q c E gibt es Mengen Q*, Q*Illustration mit µ(Q*) = u*(Q) und µ(Q*) = µ*(Q).

      Hinweis: Auf Grund der Definition des Infimums gibt es messbare Mengen Qn ⊃ Q mit µ(Qn) – µ*(Q) ≤ 1/n; betrachten Sie nun ∩ Qn.

    • (d) Die Familie Illustration:= {QE: µ*(Q) = µ* (Q)} ist eine σ-Algebra.
    • (e) Der Maßraum (E, Illustration, µ) mit Illustrationist die Vervollständigung von (E, Illustration, µ) (vgl. Aufgabe 3.7, 5.4).
  6. Es sei µ ein σ-endliches Maß auf dem Messraum (E, Illustration). Konstruieren Sie ein Wahrscheinlichkeitsmaß Illustration auf (E, Illustration), das dieselben Nullmengen wie µ hat.