Kapitel 8

Der »Jo-Jo«-Effekt

Alle Diätprofis, die sich dem zeitlich begrenzten Weglassen von Lebensmitteln verschrieben haben, kennen, fürchten und hassen ihn gleichermaßen: den »Jo-Jo«-Effekt. Ich schwöre Ihnen hiermit hoch und heilig, dass mir absolut schleierhaft ist, wie man diesem durch und durch miesen, ausgesprochen hinterfotzigen Effekt einen so dynamisch und niedlich klingenden Namen wie »Jo-Jo«-Effekt geben konnte.

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Jo-Jos an sich sind diese lustigen, rasant rotierenden bunten Räder an dünnen Schnürchen, womit begabte Jo-Jo-Spieler faszinierende Effekte und wundervolle Kunststückchen zaubern können – nichts davon beschreibt auch nur annähernd den wirklich äußerst demoralisierenden Effekt der ausschlagenden Nadel der Waage, wenn man gerade eine vierwöchige Verzichtsdiät hinter sich hat und sich nur einmal, ein einziges gottverdammtes Mal, an dem einen oder anderen Eisbecher mit Sahne versündigt hat. Der »Jo-Jo«-Effekt müsste eigentlich der »Kackbratzenscheißkotzpissmichaneffekt« heißen! Verzeihen Sie mir diese ehrliche Wortwahl, aber ausschließlich die niederste Vulgärsprache kann die Gefühlslage eines Übergewichtigen beschreiben, wenn er just Opfer des »Jo-Jo«-Effekts geworden ist. Ich weiß das, weil ich ihn kenne. Gut kenne. Ich kenne ihn so gut, wie die verdammte Kohlsuppe meinen Hintern kennt. Der »Jo-Jo«-Effekt ist die Hölle! Der »Jo-Jo«-Effekt kann Menschen im Bruchteil einer Sekunde ruinieren.Er kann gestandene Mannsbilder zu kleinen Bündeln verheulten Elends in hintersten Ecken eines Badezimmers transformieren. Der »Jo-Jo«-Effekt ist abgrundtief böse. Durch und durch. Aber – und das ist letztlich das einzig Positive am »Jo-Jo«-Effekt – er ist voll und ganz logisch und physiognomisch absolut schlüssig zu erklären.

Ich will da jetzt gar nicht in medizinische Details abdriften, aber es ist schlicht und ergreifend eine Tatsache, dass der Körper bei einer dauerhaften Mangelernährung zunächst auf Sparflamme runterschaltet, nur um dann, bei Wiederaufnahme der normalen Nahrung, wupp-di-wupp, volles Pfund auf die Reservebank zu schaufeln, als ob’s kein Morgen gäbe. Das macht der Körper nicht mal eben so aus Jux und Dollerei, sondern weil er es so vor ewiger Zeit gelernt hat. Es ist ihm quasi in die DNA geschrieben. Diesem – aus heutiger Sicht – unschönen Traditionsbewusstsein unserer menschlichen Physis hat dann irgendwann irgendein abgrundtief fieser Zyniker den Titel »Jo-Jo«-Effekt gegeben.

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Der »Jo-Jo«-Effekt ist – wie schon erwähnt – böse, hinterhältig und gemein. Er sorgt für Frustration, Wut und Enttäuschung, und nicht zuletzt macht er dick. Er sollte keinen so verniedlichenden Namen haben, diese Namenswahl ist ein fataler Fehler! Es gibt nur einen einzigen Fall in der Geschichte der Menschheit, wo bei der Namensfindung ähnlich eklatant danebengegriffen wurde wie beim »Jo-Jo«-Effekt, und das war bei der Benennung der Titanic als: »Die Unsinkbare«.

Geht man das Scheitern der Diäten einmal ganz systematisch an, muss man konstatieren, dass es allein schon aus strategischen Überlegungen ratsam wäre, sich diesen Hauptfeind der Diäten einmal ganz genau anzuschauen und seine Schwächen zu analysieren, um ihn dann mit den eigenen Waffen zu schlagen. Bereits in dem 2500 Jahre alten Klassiker »Die Kunst des Krieges« finden sich wertvolle Tipps für die Kriegsführung, die sich problemlos auch auf die Kalorienfront übertragen lassen. Zwar hatte der Verfasser Sunzi sein Werk seinerzeit vermutlich nicht für die Scharmützel auf der Waage verfasst, aber im Krieg ist ja bekanntlich jedes Mittel recht. Sunzis wichtigste Erkenntnis, die man eins zu eins übertragen kann: Kenne deinen Feind und nutze seine Schwächen.

Nun hat der »Jo-Jo«-Effekt als solcher keine wirklich erkennbare Schwäche, aber dennoch habe ich in einem spektakulären Selbstexperiment versucht, dem »Jo-Jo«-Effekt gehörig eins auszuwischen. Das Problem beim Jo-Jo ist ja: Ganz egal, wie viel man mit einer Diät abnimmt, direkt nach dem Zurückfallen in alte Futtermuster kuscheln sich die verloren geglaubten Kilos wieder ganz gemütlich auf die Hüfte – und nicht nur das, sie haben auch noch ein paar befreundete Extrapfunde mitgebracht. Den Effekt zu verhindern war also unmöglich, das war Fakt – also musste eine vollkommen neue Strategie her – und somit erfand ich an einem lauen Sommermorgen unter dem warmen Strahl der heimischen Dusche eine geradezu revolutionäre neue Ernährungsstrategie: Den Jo-Jo-Reversoplan. Der Trick war, den »Jo-Jo«-Effekt mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Was also, wenn ich mir eine Zeit lang durch bewusst antidiätische Lebensweise ZUERST ein paar Kilos extra anfuttere, um danach wieder ganz normal zu essen – der damit eingeleitete reversible »Jo-Jo«-Effekt sollte doch dann in der Lage sein, die vorher angefutterten Kilos wieder verschwinden zu lassen und dabei gleich noch ein paar weitere Kilos mit aus der Plauze reißen. Andersrum klappt das ja schließlich auch.

Wer jetzt einwendet, dieser Plan hört sich schon in der Theorie ausgesprochen dämlich an, dem kann ich nur sagen: stimmt. Und in der Praxis ist er sogar noch ein Ideechen blöder … Die Erkenntnis, dass der »Jo-Jo«-Effekt nur in eine einzige Richtung funktioniert, habe ich mit drei Kilos extra bezahlt. Und die sind weder wieder von allein gegangen noch haben sie andere Kilos dazu animiert, mitzugehen.

Mein Praxistipp Nr.5:

Reisen mit Lichtgeschwindigkeit – vermutlich irgendwann irgendwie machbar. Die Ziffer Pi bis zur letzten Kommastelle berechnen – sicherlich nur noch eine Frage der Zeit. Den »Jo-Jo«-Effekt verhindern – vermutlich auf ewig unmöglich.