Natürlich habe ich Fitnessgeräte. Jeder halbwegs ernstzunehmende dicke Industrielandbewohner hat solche Dinger. Wer sollte den ganzen Blödsinn denn auch sonst für teuer Geld kaufen, wenn nicht wir doofen Dicken, die sich panikartig an jeden noch so absurd klingenden Schlankheitsstrohhalm klammern? Ein ganzer Kellerraum (den ich natürlich liebevoll »Fitnessraum« nenne) kapituliert geradezu unter dem teuer erkauften, aber vollkommen nutzlosen Fitnessgeraffel.
Wäre ich nicht dick, könnte ich vermutlich über so manch unfassbar bekloppte Gitterrohrkonstruktion, sprich: das Powerflexwunderfettweg-Gerät, herzhaft lachen, doch ab hundert Kilo aufwärts ist das mit dem Humor so eine Sache. Man ist leider sofort geneigt, noch den absurdesten Gerätschaften mittels zutiefst irrationalen Wunschdenkens doch eine verschlankende Wirkung zuzubilligen. Interessanterweise sind in grundsätzlich allen Werbefilmen für Heimtrainer, Hantelbanken oder Sit-up-Power-Stations immer nur perfekt proportionierte und bis in die Haarspitzen durchtrainierte Menschen zu sehen. Aber wer kauft diesen Mist wirklich? Wir Dicken natürlich.
Erkenne jetzt nur ich diesen klitzekleinen Widerspruch darin?
Ein Auto wird doch auch für Fahrer und Käufer der Jetztzeit beworben und nicht zukünftigen KFZ-Haltern in Form von brabbelnden Kleinkindern schmackhaft gemacht. Was hätte denn ein Baby von der Aussage »Schau her, in achtzehn Jahren könntest DU die dralle Blonde hinterm Lenkrad sein …«. Soll heißen: Warum zum Henker wollen Werbefilmchen und Prospekte für Fitnessgeräte eigentlich nur die Botschaft vermitteln: »So KÖNNTEST Du aussehen, wenn Du auf unserem Gerät trainierst.«
Warum zeigen sie nicht den Hundertsechzig-Kilo-Menschen auf seinem hip-gestylten Heimtrainer? Wie er strampelt und schwitzt, und wie er den Fünfundvierzig-Minuten-Workout aus konditionellen Gründen umgehend in ein Zweieinhalb-Minuten-Burnout verwandelt? Richtig, weil’s scheiße aussieht! Muss man doch an der Stelle mal klar sagen!
Mr. Perfect mit seinem glänzenden Bizeps und dem wohlgeformten Sixpack macht einen deutlich besseren Eindruck am Sportgerät als der Rollmops aus der Nachbarschaft, der schon beim Überziehen der Sportklamotten ins Schwitzen kommt. Somit appellieren die ganzen Gerätschaften einmal mehr nicht an unsere Logik, sondern einzig und allein an unser Wunschdenken. Denn faszinierenderweise kaufen wir Dicken dieses ganze Sportgeraffel meist im vollen Bewusstsein darüber, dass wir mit Hilfe dieser Foltergeräte niemals die sportlichen Idealmaße von diesem Typen aus der Werbung erreichen werden! Weil die Bilder aber derartig Eindruck machen, wird gekauft, als ob allein schon die Anschaffung der Gerätschaften zur vitalen Seligsprechung reicht. Ich kenne wirklich keinen schlanken und fitten Menschen, der auf die absurde Idee kommen würde, sich so eine Trainingsapparatur ins Wohnzimmer zu stellen. Wie auch, die haben wir Moppelhoppel doch eh schon alle aufgekauft – Fitnessgerätekauf, das ist eine Disziplin, die wir Dicken aus dem Effeff beherrschen. Fitnessgeräte sind für Dicke das, was Aschenbecher für Nichtraucher sind: Man benutzt sie nicht wirklich, aber man stellt sie sich trotzdem hin – die Aschenbecher für rauchende Freunde, die Fitnessgeräte für den inneren Schweinehund.
Sollten wir Dicken dann tatsächlich beschließen, richtig aktiv zu werden, hat die eine oder andere Fitness-Messeneuheit die unschöne Eigenschaft, bei der Nutzung durch tatsächlich Sportbedürftige (also wirklich echte Schwergewichte) schneller in die Binsen zu gehen als man »superinnoavativer-gelenkschonend-sit-up-unterstützender-Powerring« sagen kann. Klar, im Präsentationsfilmchen macht das sportliche Funktionsgestell an der Fünfundfünfzigkilo-Sportlerin noch eine gute Figur, zu Hause auf der Matte kollabiert das Wundergerät ratzfatz unter den dann gegebenen hundertfünfunddreißig Kilo Realbedingungen. Ich habe – kein Witz! – mindestens ein halbes Dutzend neuartiger Fitnesstools derartig schnell ins mechanische Nirwana trainiert, dass die Kalorien noch nicht mal Zeit hatten, sich angemessen von ihren Kollegen in der Plauze zu verabschieden. Und an dieser Stelle möchte ich mit voller Kraft den Herstellern von TV-Shop-präsentierten Abnehmkrücken entgegenrufen:
PLASTIK ist kein geeignetes Material für Übergewichtige! Niemals. An keinem noch so tollem Gerät. Punkt.
Es scheint sich bei der Industrie einfach noch nicht herumgesprochen zu haben, dass Plastik und Übergewicht zwei Begriffe sind, welche niemals schmerzfrei miteinander kooperieren werden. Im schlimmsten Fall bleiben beim Trainieren beide sprichwörtlich auf der Strecke: das Trainingsgerät durch technischen, der Trainierende durch moralischen K.O. Wer schon einmal eine Hantelbank durch bloßes Draufsetzen zum Kollabieren brachte, wird verstehen, was ich meine.
Es ist äußerst frustrierend zu sehen, wie man soeben allein durch sein Gewicht, gepaart mit etwas ungeschickter Bewegung, ein 200-Euro-Trainingsgerät zur finalen Streckung bringt. Durch »Trial and Error« lernt man dann im Laufe der Kilos zwar, echte Trainingsgeräte von TV-Shop-Rohrkrepierern zu unterscheiden – was sich dann leider auch im Preis niederschlägt. Denn natürlich habe ich im Laufe meiner Abnehmversuche nicht nur ein einziges Gerät gekauft, sondern ein kleines Vermögen für die aberwitzigsten Hilfsmittel gegen akute Plauzeritis ausgegeben.
Wenn wir die kleineren Gewichte und pubertären Hantelgerätschaften mal außen vor lassen, habe ich mir mein erstes seriöses, vermeintlich gewichtsreduzierendes Hilfsgerät so um das Jahr 1994 gekauft. Ziel war ein perfektes Ausdauertrainingsgerät, das ein optimales Kalorienverbrennungsergebnis verspricht. Wenn ich schon trainiere, dann doch bitte schön so, dass das Maximum an Ergebnis zu erwarten ist. Nach wochenlanger Recherche (ich habe natürlich an einem Montag(!) mit dem Suchen angefangen) war klar: Der konditionell und verbrennungstechnisch sinnvollste Bewegungsablauf wird entweder beim Schwimmen oder beim Skilanglauf erreicht.
Weil es der Industrie leider bis heute nicht gelungen ist, ein wohnzimmertaugliches, schnell auf-und abbaubares Schwimmbecken zu entwickeln, fiel die Wahl zwangsläufig auf einen Skitrainer. Zwar verzichtete der Hersteller auf das Anlegen echter schneebedeckter Loipen im Wohnbereich, aber die simultane Bewegung des Oberkörpers, das Schwingen der Arme und die gleitende Bewegung der Beine wurde recht originalgetreu durch ein mit Strippen bestücktes Holz-Metall-Kunststoffmonster erreicht, bei dem man auf rollenbewehrten Skibrettern auf der Stelle gleiten konnte, während man gleichzeitig die Skistockbewegung mittels Seilzügen in Brusthöhe simulierte. Dieser damals wie heute sündteure Skitrainer, schick und edel anzusehen, war im Stellplatzverbrauch allerdings recht raumgreifend. Aber mir war’s egal: Ich wollte ja schließlich trainieren und abnehmen, das durfte dann ruhig auch jeder sehen.
Zwar gab es seitens meiner Freundin zunächst ein Veto bezüglich eines Skistadions im Wohnzimmer, aber die Aussicht auf einen Waschbrettbauch mit muskulösen Oberarmen und wohlgeformten Pobacken waren dann wohl doch zu verlockend für sie …
So begann ich also gleich nach der Aufstellung mit einem ausführlichen Langlauftraining im wohltemperierten Wohnzimmer. Kilometer um Kilometer glitt ich von nun an Tag für Tag auf meinem Langlaufgerät durch schneebedeckte Wälder, ergab mich gedanklich sogar diversen Weltmeisterschaften und olympischen Winterspielen hin, während meine Pfunde nur so purzelten … leider allerdings genauso virtuell wie der Schnee, die Weltmeisterschaften oder waldumrandete Loipen. Die traurige Wahrheit war: Ich trainierte wie ein Bekloppter, aber meine Waage honorierte mein Trainingsprogramm nur sehr rudimentär.
Als sich auch nach einer Woche intensiver Loipenarbeit so gut wie nichts auf der Anzeige meiner Digitalwaage tat, machte ich das einzig Naheliegende: Ich feuerte die Waage und reduzierte mein tägliches Trainingsprogramm drastisch. Wer jetzt aber glaubt, dass ich dies aus purer Frustration tat oder gar aus Resignation, der irrt gewaltig. Vielmehr war es so, dass ich erkannt hatte, dass zur nachhaltigen Gewichtsreduzierung einfaches Rumgehampel auf dem Skitrainer nicht ausreicht. Nein, es musste ein wohldurchdachter Trainingsplan mit einem präzisen Anforderungskatalog erstellt werden, um dauerhaft Erfolg zu haben. Ohne einen solchen Plan, das war mir absolut klar geworden, wäre jede Trainingseinheit völlig vergebens. Leider arbeite ich an der Erstellung dieses Plans noch heute, und um nachweislich sinnlose Zeitverschwendung zu vermeiden, habe ich das Gerät nach dem Abbau zunächst einmal im Keller geparkt.
Aber hin und wieder, immer wenn ich einen akuten Anfall von purem Aktionismus verspüre, hole ich das sperrige Gerät hochmotiviert aus dem Kellerasyl zurück ins angestammte Habitat Wohnzimmer, wo es dann mit schöner Regelmäßigkeit die immer gleiche bemerkenswerte Metamorphose vom Fitnessgerät über einen Kleiderständer bis hin zu einem veritablen Staubfänger durchläuft – bevor ich es dann am Ende dieser erstaunlichen Verwandlung wieder bis zum nächsten Frühling im Keller einlagere.
Mein Praxistipp Nr.8:
Kaufen Sie alles, was Sie diesbezüglich finden. Jedes sinnfreie Gestänge, erwerben Sie jede nutzlose Apparatur, die Sie auftreiben können. Sie dürfen sie dann ruhigen Gewissens ungeöffnet im Keller parken, denn abnehmen würden Sie damit sowieso nicht.
Aber wenn Sie einige Jahrzehnte weitestgehend alle diese sinnfreien Apparaturen aufgekauft haben, können Sie irgendwann ein wirklich faszinierendes Museum eröffnen und nachfolgende Generationen damit erheitern, wie bescheuert wir Dicken uns jahrelang von den Herstellern dieser Mumpitzgerätschaften das Geld aus der Tasche haben ziehen lassen.