Kapitel 23

Alles recht Waage – Welches Modell sollte es sein?

Wer so wie ich gelegentlich den Weg der Leichtigkeit wählt, sucht sich sein Wiegeblech unter anderen Gesichtspunkten aus als der Ottonormalwieger. Neben Design und Farbgebung sind für mich inzwischen auch das Eigengewicht der Waage, eine gute Griffigkeit und die generellen Flugeigenschaften wichtige Bestandteile der Kaufentscheidung. Schließlich will man ja nicht, dass das gute Stück beim Reiseantritt auf den Weg der Leichtigkeit frühzeitig aus der Hand gleitet und das heimische Fenster durchschlägt – in einem solchen Falle profitiert man nämlich nicht mehr von dem Glücksgefühl der Genugtuung über die zerstörte Waage, sondern ärgert sich ungleich mehr über den dann notwendig gewordenen Glaserbesuch.

Apropos Geld: Beim Preis ist zu berücksichtigen, dass der Pfad der Erleuchtung bei besonders teuren Modellen nur allzu schnell getrübt wird durch den Gedanken daran, dass man auf dem Weg der Leichtigkeit gerade einige hundert Euronen im heimischen Garten versenkt hat – Augen auf beim Waagenkauf also! Es gibt somit eine Menge Punkte zu berücksichtigen, allerdings darf man sich nicht nur auf die wirtschaftlichen oder flugtechnischen Aspekte versteifen. Im Laufe der Jahre habe ich verstanden, dass man mit seiner Waage eine symbiotische Beziehung eingeht, deren »Gewichtung« man nicht unterschätzen darf. Man kann nicht mehr ohne Waage, und die Waage braucht etwas Wiegbares, um ihre Existenz zu rechtfertigen.

Meine ersten Modelle waren noch rein mechanisch … eine einfache Feder dreht mittels eines Zahnrades eine Ziffernskala auf einem runden Metall oder Plastikscheibchen, sodass man das Gewicht durch ein Sichtfenster auf der Oberseite ablesen kann. Das ist eine recht simple Mechanik, mehr oder minder fehleranfällig, aber definitiv einfach und solide aufgebaut. Später dann kamen die ersten digitalen Geräte, am Anfang noch deutlich zu teuer, wohl als Anschaffung fürs Leben konzipiert, und deshalb für mich zunächst nicht interessant. Doch die Dinger wurden schnell billiger, und als ich dann irgendwann mein erstes Modell mit roter Digitalanzeige auf den »Weg der Leichtigkeit« führte, ergab sich für mich völlig unerwartet eine Zweitverwertung der schicken roten Digitalanzeige als Uhr auf dem Schreibtisch – der »Weg der Leichtigkeit« hatte einmal mehr bewiesen, dass er mich mannigfaltig zu erleuchten verstand … sei es durch ausgiebige Bastelneugierde oder auch durch ein hell strahlendes rotes Digitaldisplay – umgebaut zur Uhr. Und noch heute habe ich in meiner Werkstatt eine Kiste mit einer erklecklichen Auswahl an mechanischen Federn und Bauteilen jeglicher Art – wer weiß, wozu man die noch mal gebrauchen kann!

Hat man für sich also die grundlegenden Eigenschaften der Waage definiert, kann man aus einer schier unbegrenzten Vielzahl von Modellen auswählen. Ich hatte einmal als ausgewiesener Star-Wars-Fan eine Waage, die sogar mit mir sprach! Mit der Stimme von Yoda, dem kleinen gnubbeligen Jedizwerg, musste ich mir dann Sachen anhören wie »Hmmm … die Macht wächst stark in dir« … »Deinen Körper du mehr trainieren musst …« Das war – gelinde gesagt – noch einmal ein Stückchen frustrierender als einfach nur schweigend zur Kenntnis zu nehmen, dass die Diät wieder ein Misserfolg war oder dass die Weihnachtszeit mit all ihren Köstlichkeiten mal wieder deutliche Spuren in meinem Jedi-Ritter-Profil hinterlassen hatte.

Dass der kleine Yoda in meiner Waage hockte und sich insgeheim über meine – zugegebenermaßen nur wenig jedimäßige – Disziplin ins Fäustchen lachte, war auf Dauer natürlich nicht hinnehmbar. So ging denn auch Yoda eines Tages den »Weg der Leichtigkeit« – was ich heute ein bisschen bereue, denn Yoda selbst dürfte anhand seines eher zwergenhaften Wuchses beim Body-Mass-Index (BMI) auch eher ein desaströses Ergebnis eingefahren haben. Rückblickend denke ich, dass Yoda lediglich verhindern wollte, dass ich in einigen Jahren aufgrund von massivem Übergewicht beim Sprechen röcheln würde wie Darth Vader: »Chhhhchchchchhh … Luke … hrchchchchch-hhh … du bist … chchchchhhhh zu fett …!

Sehr beliebt zu sein scheinen übrigens Modelle mit integrierter Uhr. Man steht also auf der Waage und weiß quasi, was die Uhr geschlagen hat – wenig ermutigend, wenn ihr mich fragt, und ich würde hier schon sehr zeitig den Weg der Leichtigkeit empfehlen. Toll fand ich die Idee eines Versandhauses, das mal eine Partnerwaage angeboten hatte: Statt alleine stellte man sich immer zu zweit darauf. Wenn das Gewicht höher war als am Vortag, konnte es ja theoretisch immer der Andere sein, der zugelegt hatte. Wem das jetzt zu blöd erscheint, der stelle sich einmal vor, wie viele Punkte man bei der angebeteten Partnerin sammeln könnte, wenn man bei der Anzeige eines höheren Gewichts das gemeinsame Plus heldenhaft auf sich verbucht: »Wow, Schatz, du musst abgenommen haben, denn eigentlich hätte die Anzeige noch höher ausfallen müssen. Da ich weiß, dass ich zugenommen habe, musst du also abgenommen haben …«

Eine solche Waage hätte vermutlich das Zeug dazu, niemals den Weg der Leichtigkeit zu gehen, weil sie bei Ehestreitigkeiten viel zu unentbehrlich gewesen wäre. Für kontraproduktiv halte ich hingegen Waagen, die mit aufmunternden Sprüchen à la »Jedes Pfund an dir ist ein Pfund mehr zum Liebhaben« punkten möchten. Zum einen ist schon jetzt deutlich mehr an mir zum »Liebhaben«, als mir selbst lieb ist, und zum anderen hätte ich bei einer solch vertständnisheischenden Waage definitiv Hemmungen, sie irgendwann mal auf den Weg der Leichtigkeit zu schicken.

Mein Praxistipp Nr.13:

Eine originelle Waage hilft tatsächlich – wenn auch nicht beim Abnehmen, so aber zumindest beim Zurechtkommen mit den eventuell frustrierenden Ergebnissen. Kaufen Sie sich also eine nette Waage, das morgendliche Wiegen behält so zumindest einen Restwert an Vorfreude und Würde. Aktuell begrüßt mich SpongeBob Schwammkopf mit einem euphorischen »Halllloooooohooooooooo«. Und wenn sich die Waage auch weiterhin brav daran hält, es mit der Gewichtsanzeige nicht zu übertreiben, werden SpongeBob und ich noch lange viel Spaß miteinander haben – bis auch er den Weg der Leichtigkeit beschreiten muss …