Wenn man so offenherzig über die Vorteile der bordeigenen Bonusmasse spricht, dann darf man nicht verschweigen, dass unsere Welt, so wie wir sie kennen, definitiv eine Welt für Normalgewichtige ist. Linkshänder kennen die Problematik, dass ihnen der Gebrauch vieler Produkte allein deshalb schwerer fällt, weil sie eben für Rechtshänder konstruiert wurden – und Dicke haben eben oft ganz ähnliche Probleme, da die Welt eben für Normalgewichtige gestaltet ist. An dieser Stelle nun meinen allerherzlichsten Glückwunsch zum Jackpot an alle linkshändigen Übergewichtigen … so wie mich, wir haben quasi die »Arschkarte Deluxe« der Produktdesigner für uns gebucht.
Besonders deutlich wird mir meine Überbreite immer, wenn ich in der wunderschönen Stadt Köln bin. Nicht wegen der kleinen und engen Gassen (sollten mir diese beim Durchqueren per Pedes einmal Schwierigkeiten bereiten, dürfte ich ganz andere Probleme als jetzt haben), nein, es geht darum, was in Köln gelegentlich noch als tatsächlich benutzbares Badezimmer angesehen wird. Es gibt eine stattliche Anzahl von Hotels, in denen ich schon zu Gast sein musste, die offenbar der festen Überzeugung sind, dass die Benutzung der Toilette oder Dusche nur von Menschen mit einer maximalen Körperbreite knapp über Pappkartondicke gewünscht wird. Anders ist es nicht zu erklären, dass ich bereits Vollpreis-Zimmer gebucht habe, in denen es mir nur mit kamasutraähnlichen Verrenkungen gelungen ist, in die Duschkabine zu gelangen.
In einem besonders extremen Fall hatte ich es tatsächlich irgendwie geschafft, mich in die Nasszelle zu zwängen, musste dann aber feststellen, dass ich beim Aktivieren des Wasserstrahls binnen kürzester Zeit elendig ersoffen wäre. Die verdammte Duschkabine war so winzig, das mein Hintern auf der Rückseite und meine Plauze auf der Vorderseite die Kabine derart perfekt abdichteten, dass das von oben kommende Wasser definitiv keine Chance gehabt hätte, an mir vorbei herunterzulaufen, um in den Ausguss zu gelangen. Mein Körper war also quasi von der Hüfte aufwärts eine Art gigantische Staumauer, und es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis das aufgestaute Wasser mich in der Minidusche ersäuft hätte.
Auch scheint unter Kölner Innenarchitekten offenbar ein interner Wettbewerb zu laufen, in dem es darum geht, möglichst kleine Kloschüsseln in möglichst winzige Ecken zu installieren. Einige dieser Schüsseln waren so weit von einer mir tatsächlich noch zugänglichen Fläche entfernt, dass ich selbst mit größtem Blasendruck und vollendeter Technik wohl kaum einen so strammen Strahl hinbekommen hätte, der die Schüssel auch wirklich erreicht hätte.
Ganz im Ernst, was einige dieser Hobbit-Architekten unter einer benutzbaren Toilettennische im Badezimmer verstehen, ist ein schlechter Witz. Meinen Unmut darüber bekommen in solchen Fällen natürlich immer unschuldige Rezeptionisten zu spüren. Ich gestehe, dass es für den ein oder anderen Aushilfsportier eventuell auch zu traumatischen Folgeerscheinungen kommen kann, wenn ich wutentbrannt und mit offenem Gürtel wieder einmal aus meinem Zimmer an die Rezeption stürme und das so bereits schon arg irritierte Personal auffordere, mir doch bitteschön einmal zu zeigen, wie ich meinen Arsch auf die verdammte Klobrille bringen soll, wenn die dafür vorgesehene Kacknische gerade mal halb so breit ist wie mein linkes Bein.
In aller Regel bekomme ich danach übrigens ein anderes Zimmer.
Ähnlich wie bei Hotelzimmern ist das bordeigene Startgewicht natürlich auch bei der Benutzung jeder Art von Transportmitteln für den Erfolg oder Misserfolg entscheidend. Als Grundregel kann man sagen, dass man mit der guten alten »Weniger-ist-mehr«-Mentalität besser fahren würde. Fahren ist dabei auch schon das entscheidende Stichwort: Es »fährt« sich nämlich in der Regel besser als Leichtgewicht – und zwar fast egal mit welchem Fortbewegungsmittel, Panzer mal ausgenommen.
Wenn man von A nach B kommen möchte und nicht gerade einen Schwerlasttransporter sein Eigen nennt, machen sich überflüssige Pfunde immer negativ bemerkbar. Auch hier ist es wieder simple Physik, die das Gesetz bestimmt: Mehr Masse bedeutet mehr benötigte Energie für die Fortbewegung. Im Falle von Fahrradrikschas bedeutet mehr Energie entweder mehr Geld oder wild fluchende Rikscha-Strampler. Im Falle des eigenen Mofas bedeutet es schlicht, dass man bei Beschleunigungsrennen gegen die Kumpel grundsätzlich den Kürzeren zieht, und stets als Letzter auf dem Knatterhobel die Ziellinie überquert. Egal, ob in der Fahrradrikscha in Indien oder auf dem ersten eigenen Mofa – »leicht« kommt immer besser, oder sollte ich sagen »früher« an!
Und dann ist da noch die Sache mit der maximalen Belastungsgrenze vieler Fahrzeuge – nicht immer sind mit drei Personen auch wirklich drei Personen gemeint, manchmal bedeuten drei Personen auch einfach nur »ich plus leichtes Handgepäck!« Insbesondere bei diversen Wassersportgeräten ist bei der Zulassung für zwei Personen sehr penibel darauf zu achten, welche Personen wohl gemeint sein könnten. Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen ersten – und im Übrigen auch letzten – Trip in einem Kanu auf der Weser. Genauer gesagt wurde daraus eher ein Trip ohne Kanu IN der Weser, denn aus mir heute unerfindlichen Gründen dachte ich damals, ein Faltkanu sei eine prima Erfindung und ein tolles Wassersportgerät – ist es aber nicht. Ab 100 kg Lebendgewicht des Kanuten wird aus so einem Faltboot äußerst schnell eine Art eng anliegendes Wickelzelt, das sich formschön an den Körper schmiegt, während die hölzernen Querspanten ihre maximale Brechbelastung erforschen … Im Klartext: Schon beim Versuch, das bereits zu Wasser gelassene Boot zu betreten, rutschte ich auf dem verdammten Einstiegholzbrettchen ab, fluppte mit dem Hintern in die Spanten, riss dabei mit den Halt suchenden Händen die Reling vom Holzgestell und versenkte den Kahn effektvoll innerhalb weniger Sekunden. Unter dem tosenden Lachen der umstehenden Freunde versuchte ich danach, mich aus dem mich vollständig umschließenden Faltboot zu befreien, und robbte wie ein gestrandeter Wal ans matschige Ufer …
Das war peinlich. Und irgendwie erniedrigend. Und ja, ich hätte aus dem Fehler lernen müssen. »HÄTTE!« Hab ich aber nicht …
Die traurige Wahrheit ist, dass ich Jahre später in stark alkoholisiertem Zustand die Idee hatte, den Ruf des Kanukillers am besten damit zu bekämpfen, indem ich bewies, dass mich ein Leichtfaltboot durchaus tragen kann – es mag am Alkohol gelegen haben, aber was soll ich sagen: Es war eine durch und durch dumme Idee. Wer wäre schon auf die Idee gekommen, dem Kapitän der Titanic erneut ein Schiff anzuvertrauen? Richtig, niemand. Ich hingegen hielt es für therapeutisch richtig, mein seit damals bestehendes Faltkanutrauma mittels Konfrontationstherapie doch noch zu therapieren. Es mag am Alkohol gelegen haben oder an dem inzwischen noch dickeren Hintern, Fakt ist jedoch: Es hat nicht funktioniert. Und zwar überhaupt nicht. Auch Kanu Nummer zwei kapitulierte an einem schönen Sommerabend mit viel Getöse unter meinem ungelenken Versuch der sanften Bootsbesteigung. Anders als beim ersten Kanu rutschte ich diesmal nicht einfach auf der stabilen Bodenholzplatte aus, sondern verfehlte sie im Halbdunkel komplett – und latschte mit voller Wucht auf das Stoffgewebe links neben dem Einstiegsbrett, das mit einer derartigen Spontanbelastung definitiv nicht gerechnet hatte und umgehend kapitulierte. Die Naht riss auf einer Länge von einem halben Meter spektakulär auf, und ich brachte den Kahn, an meinem Bein hängend, zum Sinken, noch bevor man auch nur eine einzige Seenotrakete in den dunklen Abendhimmel hätte abfeuern können. Mit einem Bein im Kanuboden steckend tat ich das, was man als verantwortungsbewusster Kapitän in solchen Situationen zu tun pflegte: Ich sank würdevoll mit dem zerlegten Faltboot auf den Grund des Sees. Da dieser jedoch nur knapp einen halben Meter tief war, reichte es leider nicht für einen ehrenvollen Seemannstod, sondern führte stattdessen erneut zu Lachkrämpfen meiner an Land verbliebenen »Freunde«.
Seitdem habe ich einen weiten Bogen gemacht um Boote, die sich irgendwie zusammenfalten lassen – ein grundsolides Rumpfkonzept ist für mich inzwischen stählerne Bedingung, wenn es um Wasserfahrzeuge geht. Und derlei Beispiele kennt jeder, der vom Normalgewicht abweicht.
Klappstühle, die ganz toll klappen, wenn sie gar nicht klappen sollen, Sollbruchstellen, die an Stellen brechen, wo es eigentlich nicht brechen soll, und Materialermüdung an Materialien, die eigentlich noch gar nicht müde sein dürften – das alles kennt man, wenn man dick ist. Und man lernt, damit umzugehen. Dick zu sein heißt, sich mit physikalischen Gesetzen bestens auszukennen.
Mein Praxistipp Nr.16:
Die Lehre aus diesem Kapitel dürfte klar sein: Besteigen Sie einfach kein Objekt, das nicht solide gebaut ist. Achten Sie auf eine grundsolide Materialauswahl, und lernen Sie, gute von schlechten Schweißnähten zu unterscheiden.
Dieser Tipp könnte Ihnen mitunter einmal das Leben retten – oder Sie zumindest vor einem peinlichen Gartenstuhldesaster bewahren.