In der kunterbunten Welt des Übergewichts gibt es neben der beeindruckenden Bandbreite an Schlankheitsmitteln, Fitnessgeräten und Diätrezepten sogar ganze Berufsgruppen, die ihre komplette Daseinsberechtigung ausschließlich uns Dicken zu verdanken haben. Fitnesstrainer und Ernährungsberater. Oder, wie ich sie nenne: des Teufels treuste Folterknechte und die militanten Kühlschrankterroristen.
Diese quasi symbiotischen Lebensformen existieren einzig und allein, weil man als Übergewichtiger ständig und überall eben exakt jener Definition unterliegt, die uns gleichermaßen kennzeichnet wie auch stigmatisiert: Übergewicht!
Ich habe etliche Ernährungsberater kennengelernt und bin immer wieder erstaunt, dass viele dieser Lebensmittelenzyklopädien »dick sein« offenbar auch gerne immer mal wieder gleichsetzen mit »vollkommen unterbelichtet sein«. Anders ist es nicht zu erklären, dass mir schon oft mit hochgradig übermotiviertem Gesichtsausdruck erklärt wurde, dass Schokolade am Abend tatsächlich dick macht, ein lockeres Körnermüsli mit Magerquark am Morgen hingegen ein »prima Start in den Tag« ist. Ganz ehrlich: Ein »Schüsselchen« Magerquark mit untergerührten klumpigen Körnerbröckchen ist für mich mitnichten ein »prima Start in den Tag«, es sei denn, ich habe vor, mich noch im Laufe des Vormittags von der nächstbesten Autobahnbrücke zu schmeißen – dann, und nur dann ist so ein Frühstück ein »prima Start in den Tag«.
Ich kenne wahrlich nicht viele Möglichkeiten, meine charakterlich bedingte, eh schon miese Morgenlaune noch nachhaltiger zu ruinieren als mit Müsli und Magerquark. Das hält selbst meist hochgradig beratungsresistente Ernährungsberater nicht davon ab, mir die physiologischen Vorteile dieser leichten morgendlichen Kost rauf und runter zu beten, und deshalb möchte ich dieses Buch und insbesondere dieses Kapitel einfach auch nutzen, um allen Ernährungsberatern dieses Planeten kurz und knapp eine essenzielle Weisheit über mich zu verkünden: Ich esse Nussnougat-Creme zum Frühstück, weil es mir besser schmeckt. Ich weiß, es ist scheiße und ungesund, aber: Es schmeckt mir einfach besser. So einfach ist das.
Mir ist auch vollkommen bewusst, dass ein böses Weizenmehlbrötchen mit Butter und Marmelade ernährungstechnisch kacke ist, aber es schmeckt mir einfach gut. Und wisst ihr was? DAS ist ein prima Start in den Tag. Und wenn ich morgens eines ganz sicher brauche, dann einen guten Start in den Tag, der sich auch anfühlt wie ein guter Start in den Tag. Irgendwie scheinen aber Ernährungsberater notorisch zu glauben, nur weil ich dick bin, bin ich auch vollkommen dämlich. Sind die wirklich der Meinung, dass inzwischen nicht jeder halbwegs intelligenzbegabte Übergewichtige ganz genau weiß, wo welche Kalorien drinstecken? Nicht nur, dass es inzwischen auf nahezu jeder verdammten Verpackung steht, nein, wir haben darüber hinaus allesamt lebenslange Erfahrung darin, uns schlecht zu ernähren. Tatsächlich sind Ernährungsberater meine erklärten Todfeinde, solange sie mir ständig immer und immer wieder einzureden versuchen, dass ein herzhaftes Salatblättchen ganz wunderbar den Schokoknusperriegel ersetzen kann – KANN ES NICHT! Ich schreibe es gerne noch einmal für alle, die es immer noch nicht kapiert haben: KANN ES NICHT!!!!!!
Wenn man auf Schokolade steht, schmeckt Salat eben nicht juppi-duppi-duh, ganz egal, was für »raffinierte Rezeptideen« und »pfiffige Verfeinerungen« reingeschnipselt werden. Das Einzige, was einen Schokoriegel wirklich vollwertig ersetzen kann, ist ein anderer Schokoriegel. Diese grundsimple Logik sollte doch auch irgendwann einmal beim landläufigen Ernährungsberater durchsickern … Es ist jedoch mitnichten so, dass ich diese Position aus irgendwelchen ideologischen Gründen vertrete, sondern einzig und allein aus rein geschmacklichen Gründen, und so sage ich aus tiefstem Herzen: Sollte es tatsächlich irgendwann einmal Ernährungsberater geben, die gesunde Lebensmittel im Portfolio haben, die mich genauso orgiastisch befriedigen wie hundert Gramm beste Vollmilchschokolade, dann eilt nur herbei, ich werde Euch mit Schokotalern übergießen und Euch in einer mit Haferflocken ausgeschlagenen Sänfte über ein Vollkornbrot eurer Wahl tragen … aber bis dahin … Lasst mich einfach in Ruhe, O. K.?
Eine zweite Berufsgruppe, die mich schon beim Anblick zu einem potenziellen Kandidaten für ein dreitägiges Anti-Aggressionsseminar macht, sind sogenannte Fitnesstrainer, vornehmer auch Personal Trainer genannt. Diese grundsätzlich bis in die Haarspitzen durchtrainierten Vorzeigeexemplare der Gattung Homo sapiens haben all das, was ich leider viel zu wenig habe: Disziplin, Spaß, sich selbst zu quälen, und Respekt vor dem eigenen Körper – mit dem Ergebnis, dass sie leider über einen meist ausgesprochen formidablen verfügen. Zu allem Überfluss ermöglichen ausgerechnet wir Dicken diesen Vorzeigekreaturen auch noch ihre berufliche und finanzielle Existenz – indem wir sie dafür buchen, uns nach Strich und Faden durchzufoltern – absurder geht es doch kaum noch.
Fitnesstrainer haben meines Erachtens auch kein Herz im herkömmlichen Sinne, sondern ein perfide funktionierendes Multifunktionsorgan, das während einer Moppelfolterstunde zu einem blutleeren kalten Klumpen Eis mutiert und jegliche Empathie mit dem zu quälenden Objekt vollständig verhindert. Einige der prominentesten Vertreter der Gattung »Fitnesscoach« sind zudem Menschen, die ich gemeinhin mindestens als verhaltensauffällig, manche davon sogar als eindeutig verhaltensgestört einordnen würde. Ich weiß nicht, welche Art von massivem Liebesentzug diese bedauernswerten Kerlchen in frühester Kindheit erleiden mussten, damit aus ihnen im späteren beruflichen Leben so verzweifelte Liebhaber des harschen Kasernentons werden, aber bei derartiger Behandlung reagiere ich grundsätzlich angemessen kindgerecht: Ich werde bockig. Und zwar ausgesprochen bockig. Das mag daran liegen, dass ich als prinzipiell eher pazifistisch eingestellter Mensch auf sinnfreies Bootcamp-Drillseargent-Gehabe ausgesprochen allergisch und bei fortgesetzter Anbrüllerei gänzlich unpazifistisch reagiere und so ein nerviges Brülläffchen mit Allmachtsfantasien vermutlich rechtzeitig unter Einsatz meiner durchaus stattlichen Biomasse in die nächstbeste Weichbodenmatte drücken würde – das wäre zwar definitiv eine sportliche Leistung, würde wohl aber zum Verlust meines Fitnesstrainers führen, was strafrechtlich vermutlich nicht ignoriert werden würde.
Ein »Ich-mach-Dich-runter-du-Stück-Scheiße«-Motivator vom Schlage eines Detlev D. Soest kommt für mich also nicht infrage, denn warum ich mich von jemandem beschimpfen und anschreien lassen soll, den ich dann dafür auch noch bezahle, wird sich mir nie erschließen. Auf der anderen Seite ist mein innerer Schweinehund schon ein recht gerissenes und ausgesprochen arbeitsfaules Mistvieh und bedarf demnach doch irgendwie einer gewissen Dominanz, um den dazugehörenden Körper zur notwendigen Trainingseinheit zu bewegen.
Der Zufall spülte mir dann passenderweise genau so einen Personal Trainer ins soziale Netzwerk, und so beschloss ich, den unübersehbaren Wink der Schicksalsgöttin zu befolgen und es nun doch einmal mit so einem Schleifer zu probieren – investigativer Journalismus bedarf eben auch des einen oder anderen persönlichen Opfers.
Und es wurde geopfert. Genauer gesagt wurde ICH geopfert. Und das bis zu dreimal die Woche. Ich habe geschwitzt, gestöhnt, gehechelt und gejapst, ich wurde gefoltert, gequält und sportlich an den Rand meiner Möglichkeiten getrieben, und manchmal auch deutlich darüber hinaus. Das alles unter den stets wachsamen Augen meines Personal Trainers Torsten. Dummerweise eignete sich Torsten so ganz und gar nicht, um meine sorgsam gepflegten Vorurteile über Fitnesstrainer zu bestätigen, denn anstatt mich anzubrüllen und runterzumachen, hat dieser hinterhältige Mistkerl einfach meinen Ehrgeiz und Spieltrieb missbraucht, um mich Dinge tun zu lassen, die ich unter normalen Umständen nur mit Motorkraft bewerkstelligen würde. Es gab Zeiten, da hätte ich mir ein bisschen idiotische Anbrüllerei gewünscht, einfach nur, um der Sache endlich ein Ende bereiten zu können, aber nein, dieser Mistkerl setzte weiterhin auf eine höchst perfide Mischung aus Motivation und Lob, um mich zu immer neuen Höchstleistungen anzutreiben. Ich gebe zu, damit hatte ich nicht gerechnet, es bzw. er hatte mich quasi eiskalt erwischt. Und obwohl meine eigentliche Recherchezeit längst vorbei ist, trainiere ich nun hin und wieder mit meinem ganz persönlichen Folterknecht und frage mich insgeheim immer noch, wie er es immer wieder schafft, dass ich die absurdesten Tätigkeiten mit wachsender Begeisterung erledige, als Höhepunkt sogar im Schottenrock mit Baumstämmen werfe … aber das ist eine andere Geschichte.
Mein Praxistipp Nr.25:
Wissen Sie was? Versuchen Sie es tatsächlich einmal mit einem Personaltrainer. Die Motivation, die Ihnen ein gutes Exemplar dieser Spezies vermitteln kann, hatte ich vollkommen unterschätzt. Bei mir funktioniert das ständige Anfixen des angeborenen Spieltriebes, um mich zu sportlichen Höchstleistungen zu motivieren, tadellos. Aber selbst wenn Sie bei der Arbeit mit Ihrem Personaltrainer merken, dass Sie mehr auf Anschreien, Niedermachen und Schmerzen stehen – was soll’s? Und wenn es dann mit dem Sport nicht klappen sollte, pimpen Sie mit diesen Erkenntnissen einfach Ihr Sexleben auf.